DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-03-2021 10:01
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 12.03.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal), ab Montag Übergang zu NWz bis Nz (Nordwest bis Nord
zyklonal)

Heute noch mal KLAUS mit langer Leine und Tendenz zu leichtem
Zwischenhocheinfluss. Am Samstag dann Sturmtief LUIS über der Nordsee mit
Sturmfeld über Deutschland.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegt Deutschland am Nordrand der leicht mäandrierenden Frontalzone,
die sich im Laufe des Tages immer weiter abschwächt. Doch keine Angst, die
zyklonale Westlage ist mitnichten schon wieder zu Ende. Ein kurzer Blick auf den
nahen Ostatlantik reicht aus, um zu sehen, dass etwas nördlich der
ursprünglichen Frontalzone ein neuer, gut ausgebildeter Jetstreak ansetzt, die
Fortsetzung des windigen bis stürmischen Westwetters zu garantieren. Und
tatsächlich, schon heute früh konnte noch weit westlich von Irland eine offene
Welle analysiert werden, die klaren Ostkurs fährt und bis morgen zumindest
einigermaßen mit dem o.e., durch Austrogung zunehmend zyklonal konturierten
Jetstreak zusammenarbeitet, dass am Ende der kleine LUIS auf der Matte steht -
ein kleines aber feines Sturmtief, das morgen die Nordsee passiert und uns einen
stürmischen Bundesligasamstag beschert.

Bis es soweit ist, dauert es aber noch ein bisschen und so gilt es, sich erstmal
dem heutigen Freitag zu widmen. Da wäre zunächst mal der Vorgänger von LUIS zu
nennen, das Sturmtief KLAUS, das uns gestern bis in die Nacht hinein ganz
ordentlich die Zähne gezeigt, inzwischen aber die lange Leine ausgepackt hat. So
hat sich der gute KLAUS bis weit in die obere Troposphäre gebohrt und zudem
etwas an Gewicht zugelegt (obwohl er mit etwas unter 965 hPa gegenüber knapp
unter 960 hPa gestern zur Hochzeit (Hoch-Zeit, verheiratet ist KLAUS nicht)
immer noch Adonisstrukturen aufweist). Er hat zwischen Schottland und Island am
Südwestrand der Norwegischen See liegend die Funktion eines steuernden
Zentraltiefs eingenommen, von wo aus die Geschicke weiter südlich und somit auch
bei uns gelenkt werden.

Was den heutigen Tag angeht bedeutet das zunächst mal eine weiterhin recht
flotte west-südwestliche Grundströmung, mit der vorübergehend etwas mildere
subpolare Meeresluft (T850 -1 bis -4°C) advehiert wird. Dabei stellt sich sogar
so etwas wie leichter Zwischenhocheinfluss ein, auch wenn das im Druckfeld kaum
sichtbar ist. Am frühen Morgen jedenfalls stieg der Luftdruck landesweit und in
der westlichen war und ist auch noch eine leicht antizyklonale Krümmung zu
erkennen. Die Bewölkung lockert vielerorts auf und auch die Schaueraktivität
lässt hinter den heute früh noch auftretenden, nun aber ostwärts abziehenden
vorübergehend nach. Der Südwest- bis Westwind hingegen legt kaum eine Pause ein
und lebt mit Unterstützung des Tagesgangs alsbald wieder auf. Dabei stehen
zunächst mal verbreitet Böen 7 Bft, exponiert und vermehrt im Norden 8 Bft, im
Bergland je nach Exposition 8 bis 10 Bft auf der Karte.

Das nächste zyklonale Leckerli wird uns (na sagen wir Teilen von uns) ab den
Mittagsstunden kredenzt, wenn nämlich ein in die westliche Höhenströmung
eingelagerter flacher KW-Trog nebst korrespondierendem Bodentrog (mit
eingelagerter Konferenz) von der Nordsee, Benelux und Ostfrankreich übergreift.
Durch KLA teilkompensierte PVA ("Vorticutykomma") lässt ein bandförmiges, stark
konvektiv geprägtes Regenband auf den Westen und Nordwesten übergreifen, in das
auch vereinzelte Gewitter eingelagert sein können (auch wenn nicht allzu viel
CAPE generiert wird). Allein durch die trogbedingte Isobarenstauchung (man
könnte auch sagen durch die Gradientverschärfung) häufen sich stürmische Böen 8
Bft. Hinzu kommt aber noch die konvektive Komponente, nehmen doch die Höhenwinde
in der unteren Troposphäre auf bis zu 50 Kt in 850 hPa, im Nordwesten sogar auch
in 925 hPa zu, so dass bei günstigem Vertikalaustausch auch mit Sturmböen 9 Bft
zu kalkulieren ist. Die Wahrscheinlichkeit für schwere Sturmböen 10 Bft ist nur
gering, ausgeschlossen sind sie in Einzelfällen aber nicht.

Mit der guten Durchmischung steigt die Temperatur auf Höchstwerte zwischen 7 und
13°C, im Bergland darunter.

In der Nacht zum Samstag passieren die beiden Tröge den Vorhersageraum zügig
ostwärts, wobei sie durch rasch nachfolgende WLA (generiert vom nächsten System
um LUIS herum) an Kontur verliert. Wind und Niederschlag erfassen den Süden und
Osten nur in abgeschwächter Form, so dass in tiefen Lagen in der Spitze meist
nur Böen 7 Bft, lediglich vereinzelt sowie an der See (von der Nord- zur Ostsee
verlagernd) 8 Bft auftreten. Mit der nunmehr wieder einfließenden etwas kälteren
Luftmasse (T850 -2 bis -5°C) sinkt die Schneefallgrenze auf 800 bis 600 m. Eine
wirkliche Neuschneeakkumulation ist aber nicht zu erwarten, gleichwohl kann es
in den entsprechenden Höhenlagen durchaus mal glatt werden durch etwas
Schnee(matsch) oder gefrierende Nässe (leichter Frost ist lediglich in den
Hochlagen zu erwarten).

Nach einer nur kurzen "posttrogalen" Pause gilt es im Westen bereits das nächste
System in Empfang zu nehmen. Zwar muss LUIS mit dem korrespondierendem KW-Trog
erst Irland/UK überqueren, was er übrigens sehr wahrscheinlich noch als offene
Welle tut. Bereits am Morgen erreicht er aber die Doggerbank (westliche
Nordsee), wo die Wahrscheinlichkeit erster geschlossener Isobaren um einen Kern
von rund 980 hPa zunimmt. Derweil hat im Westen und Nordwesten WLA-bedingter
skaliger Regen eingesetzt (quasi klassisch vor der Warmfront des zu LUIS
gehörenden Frontensystems) und auch der vorübergehend auf südliche Richtungen
drehende Wind legt schon wieder zu. Trotz weitgehend stabiler Schichtung reicht
es verbreitet für Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft, in höheren Lagen je nach
Ausrichtung 9 bis 10 Bft.

Samstag... greift der relativ breit angeordnete, im weiteren Verlauf ab deutlich
an Amplitude zulegende Höhentrog auf Deutschland über, während gleichzeitig das
kleine Sturmtief LUIS via mittlere Nordsee auf Jütland zusteuert. Mit einer
weiteren Vertiefung des Kerndrucks ist dabei nicht zu rechnen, da sich das Tief
rasch aus dem entwicklungsgünstigen Teil der Höhenströmung verabschiedet.
Tatsache ist, dass erst die Warm-, dann die Kaltfront von West nach Ost
durchgehen, wobei im Norden der Okklusionsprozess fortschreitet. Dabei kommt es
zunächst zu skaligen Regenfällen (im Bergland anfangs etwas Schnee, meist aber
nur kurzzeitig; lediglich im Hochschwarzwald könnte es für einige Zentimeter
reichen), die sich rasch nach Osten und Süden vorankommen. Hinter der Kaltfront,
die am Mittag bereits weite Teile des Landes hinter sich gelassen hat, strömt
labil geschichtete und zunehmend hochreichende Kaltluft subpolaren Ursprungs
(T850 um -3°C, T500 -30 bis -34°C) heran, in der sich - teils in kleinen Linien
organisiert - Regen- und Graupelschauer (im höheren Bergland etwas Schnee
darunter, tagsüber aber noch kein Glätteproblem), vereinzelt auch kurze Gewitter
entwickeln. Bei Oberwinden, die in 925 hPa bis 45 Kt, in 850 bis rund 50 Kt
betragen, muss mit konvektiven Böen 8-9 Bft, mit geringer Wahrscheinlichkeit 10
Bft gerechnet werden.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich das gradient-getriggerte
Starkwindfeld des Sturmtiefs ost-südostwärts auf fast den gesamten
Vorhersageraum ausbreitet, wobei der Wind von anfangs Süd auf Südwest bis West
dreht. Im Osten und Nordosten kommt der starke Wind relativ spät und zumindest
im Tiefland auch abgeschwächt an (Böen 7 Bft, Häkchen 8 Bft), im äußersten
Südosten (Teile Oberbayerns im Schutz der Alpen) bis zum Abend wahrscheinlich
gar nicht. In den übrigen Gebieten dürfte eine markante Grundwarnung "Sturm"
fällig sein mit Böen 8-9 Bft, im höheren Bergland je nach Exposition 10 bis 12
Bft. Apropos Orkan bzw. orkanartig, diese Windstärken sind morgen nicht nur auf
den "üblichen Verdächtigen" wie Brocken, Fichtelberg, Feldberg/Schwarzwald
angesagt (dort sichere Unwetterwarnungen), auch andere Kamm- und Kuppenlagen wie
z.B. der Thüringer Wald, die Schwäbische Alb oder die Wasserkuppe könnten in den
Genuss von Böen >= 11 Bft kommen. In den meisten Fällen dürfte dort aber eine
ausgereizte Ocker-Warnung mit Häkchen (11 Bft) reichen.

Bei sehr guter Durchmischung steigt die Temperatur in der einfließenden
(sub)polaren Meeresluft auf 6 bis 12°C, im äußersten Süden und Südosten lokal
etwas darüber (Alpenrand leicht föhnig, dort zunächst auch noch längere Zeit
Sonne).

In der Nacht zum Sonntag weitet sich der Höhentrog unter weiterer Amplifizierung
auf ganz Deutschland aus. Gleichzeitig wird der Vorhersageraum mit
hochreichender Meereskaltluft polaren Ursprungs geflutet, in der T850 auf rund
-5°C und T500 auf -32 bis -36°C zurückgeht. Derweil zieht das Tief LUIS in das
Seegebiet unweit von Öland respektive Gotland, wobei so ganz allmählich der
Auffüllprozess beginnt. Es kommt zu weiteren, teils schauerartigen, im Süden
z.T. auch länger andauernden Niederschlägen sowie einzelnen Gewittern. Die
Schneefallgrenze sinkt auf 600 bis 300 m, so dass es im Süden bis runter ins
südliche Alpenvorland schneit. Der meiste Schnee fällt im Stau des Oberallgäus
mit über 10 cm, lokal vielleicht um oder etwas über 15 cm. Sonst stehen meist
nur wenige Zentimeter oder etwas Schneematsch, lediglich im Hochschwarzwald bis
zu 10 cm innert 12 h auf der Karte.

Der Südwestwind lässt in weiten Landesteile nach, selbst auf den Bergen ist eine
gewisse Entspannung absehbar (wenn auch immer noch stürmisch). Eine
Sonderstellung nehmen die Küste und Teile der Norddeutschen Tiefebene ein, wo
der Bodentrog von LUIS noch mal ein sekundäres Windmaximum von West nach Ost
"durchjagt" mit Böen 8 Bft, an der See exponiert 9 Bft (an der Küste dreht der
Wind hinter dem Trog auf west bis Nordwest). Darüber hinaus sorgt "herumgeholte"
Warmluft für ein mesoskaliges Regengebiet, das ebenfalls ostwärts durchzieht.

Sonntag... schwenkt die Hauptachse des Höhentrogs langsam ostwärts durch, wobei
sich der Trog weiter nach Süden ausweitet. Als flacher KW-Trog gestartet weist
er mittlerweile die Statur eines soliden LW-Troges auf - ein echter Karrieretrog
sozusagen, gepusht durch nahezu unaufhörliche Kaltluftadvektion in seine
Rückseite. Im Bodendruckfeld stellt sich zwischen dem weit nach Osten
verschobenen Azorenhoch ((Zentrum um 12 UTC knapp westlich von Kap Finisterre)
und dem langsam nach Finnland abziehenden Tief LUIS eine grundsolide und
spürbare West-Nordwestströmung ein, mit der erwärmte Meereskaltluft aus polaren
Breiten advehiert wird (T850 um -4°C, T500 um -33°C). Mit dem Tagesgang wird
eine rege Schauertätigkeit garantiert, bei der auch einzelne Graupelgewitter
nicht auszuschließen sind. Oberhalb 400 bis 600 m kann es für etwas Schneematsch
oder eine dünne Schneedecke reichen, im Schwarzwald und an den Alpen können es
auch mal 5 bis 10 cm binnen 12 h sein.

Der Wind frischt böig auf und erreicht in Spitzen Stärke 7 Bft, bei
entsprechender Konvektion auch mal 8 Bft, im Bergland je nach Ausrichtung 8 bis
9 Bft, exponiert bis 10 Bft. Mit 3 bis 10°C wird es etwas frischer als die Tage
zuvor.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle ziehen im Großen und Ganzen an einem Strang.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann