DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-03-2021 18:01
SXEU31 DWAV 091800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 09.03.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Vorerst keine markanten Wettergefahren. Mittwochabend in Nordfriesland und auf
dem Brocken aufkommend Sturmböen. In der Nacht zum Donnerstag weiter
auffrischender Wind, an der See stürmische Böen, abgesehen vom Südosten im
Bergland generell Sturmböen Bft 8/9, exponierte Berggipfel schwere Sturmböen Bft
10.
Am Donnerstag Wind im Norden, Westen und in der Mitte noch zunehmend. Verbreitet
und wiederholt Sturmböen Bft 8/9, in Verbindung mit kräftigeren Schauern oder
kurzen Gewittern auch im Binnenland schwere Sturm- und orkanartige Böen Bft
10/11. An der Nordsee sowie auf exponierten Gipfeln Bft 11, Brocken Orkan Bft
12. Höhepunkt der Sturmlage am frühen Nachmittag. Im Süden und Osten nur im
Bergland Sturmböen Bft 8/9, exponiert schwere Sturmböen. Zum Abend hin
abflauender Wind, an der Küste und im höheren Bergland weiterhin Sturmböen Bft
8/9.
In der Nacht zum Freitag in den süddeutschen Mittelgebirgen und auf Alpengipfeln
Sturmböen Bft 8/9, bis ins Alpenvorland stürmische Böen Bft 8. An der Küste und
sonst auf höheren Gipfeln mit geringer Wahrscheinlichkeit noch stürmische Böen.
In Verbindung mit kräftigeren Schauern oder kurzen gewittern jedoch weiterhin
(auch in tiefen Lagen) Sturmböen Bft 8/9.
Am Freitag erneut auflebender Wind. Im Norden und in der Mitte großflächig
stürmische Böen, in Küstennähe und im Bergland Sturmböen Bft 9, auf exponierten
Gipfeln Gefahr schwerer Sturmböen. In Schauer- und Gewitternähe Böen um 1 Bft
stärker. Im Süden nur vereinzelt in freien Lagen stürmische Böen, im Bergland
Sturmböen Bft 8/9, exponiert Bft 10. Wind zum Abend hin abflauend.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unter einem Kurzwellentrog, der von einem
Langwellentrog über Westrussland ausgehend nach Marokko gerichtet ist und unter
Verkürzung seiner Wellenlänge mit seinem Nordteil über die Alpen hinweg
südostwärts schwenkt. Der nachfolgende Keil greift auf Skandinavien über,
wodurch das kräftige Bodenhoch über Finnland weiterhin gestützt wird. Das mit
dem Kurzwellentrog korrespondierende flache Bodentief ist bereits von diesem
Trog überlaufen worden und füllt sich daher weiter auf, bis Mittwochfrüh ist
auch die verbleibende Tiefdruckrinne verschwunden. Etwas Niederschlag bringt
diese Struktur aber noch zustande. In den zentralen und östlichen Mittelgebirgen
oberhalb 200 bis 400 m und später auch am Alpenrand handelt es sich hierbei um
Schneeregen oder Schnee, d.h. um wenige (weniger als 5) Zentimeter. Wenn auch
nichts liegen bleibt, so besteht zumindest Glättegefahr, auch durch überfrorene
Nässe. Schneegriesel und örtlich gefrierender Niederschlag kann ebenfalls nicht
ganz ausgeschlossen werden. Meist handelt es sich hierbei um nicht allzu
hochreichende Bewölkung, deren Obergrenze zwischen 600 und 800 hPa liegt.
Demzufolge ist die Intensität der Niederschläge gering. In tieferen Lagen West-
und Südwestdeutschlands sowie der Mitte sollten diese Niederschläge ohnehin in
flüssiger Phase fallen.
Die Regionen nordöstlich der Elbe werden von der Bewölkung des sich auffüllenden
Tiefs und erst recht von den Niederschlägen nicht erfasst. Klarer Himmel lässt
dort (und auch im östlichen Mittelgebirgsraum) die Temperatur in den Bereich
mäßigen Frostes absinken. Meist sind jedoch Tiefsttemperaturen zwischen +1 und
-3 Grad zu erwarten. Westlich der Weser und in tieferen Lagen West- und
Südwestdeutschlands sollte es weitgehend frostfrei bleiben.

Mittwoch ... greift der o.g. Keil auf Deutschland über, was mit
Zwischenhocheinfluss einhergeht. Dieser kommt durch eine Hochbrücke zustande,
die, ausgehend von dem Hoch über Nordosteuropa, über den Alpenraum hinweg
südwestwärts gerichtet ist und eine Verbindung zu einem südlich der Azoren
liegenden ausgedehnten Hoch darstellt.
Stromaufwärts hat sich über dem Nordatlantik eine kräftige Frontalzone
ausgebildet und setzt sich auch über die Nordsee hinweg ostwärts durch. Ein
darin eingelagerter Trog nähert sich Schottland. Das mit diesem Trog
korrespondierende Bodentief entwickelt sich zu einem Sturmtief, das bis
unmittelbar vor die Hebriden gesteuert wird. Dessen Warmfront rückt in die
Nordsee vor, gegen Abend setzen an der Nordseeküste frontale Niederschläge ein.
Bereits zuvor erfasst kräftige Warmluftadvektion weite Teile Deutschlands. Der
hierdurch aufkommende Druckfall bewirkt eine Gradientzunahme, so das zum Abend
hin an der Nordsee Windböen und in Nordfriesland sowie auf exponierten Gipfeln
der nördlichen Mittelgebirge erste stürmische Böen aufkommen.
Längere sonnige Abschnitte zeichnen sich noch im Nordosten, etwa nordöstlich der
Elbe, ab, was durch die Nähe zu dem über Nordosteuropa liegenden Hoch bedingt
ist. Im Tagesverlauf kommen auch von Südwesten her vermehrt Auflockerungen
zustande. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 4 bis 9, in tieferen Lagen West-
und Südwestdeutschlands Werte um 10 Grad. Im höheren Bergland sind nur Maxima um
2 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Donnerstag setzt sich die Frontalzone, wenngleich durch
Überströmung des ostwärts abziehenden Keils noch antizyklonal gekrümmt, auch
über Mitteleuropa hinweg ostwärts durch. Die Warmfront des zu den Shetlands
ziehenden Sturmtiefs lässt auf weite Teile Deutschlands Niederschläge
übergreifen, ganz im Norden sind 10 bis über 15 mm innerhalb von 12 Stunden
vorstellbar. Am östlichen Rand des Niederschlagsgebietes kann anfangs die
gefrierende Phase nicht ganz ausgeschlossen werden, wodurch örtlich die Gefahr
von Glatteis besteht. Am wahrscheinlichsten wäre dies im östlichen Brandenburg
sowie in den östlichen Mittelgebirgen. Trocken bleibt es aller
Wahrscheinlichkeit nach nur noch in der Lausitz zur Neiße hin sowie im Südosten
Deutschlands.
Wenngleich das Hauptsturmfeld des zu den Shetlands ziehenden Sturmtiefs das
Vorhersagegebiet noch weitgehend verschont, so erfolgt doch deutschlandweit eine
Gradientzunahme. Abgesehen vom Osten und von Süddeutschland kommen Windböen, an
der See stürmische Böen, abgesehen von den südöstlichen Mittelgebirgen im
höheren Bergland Sturmböen Bft 8/9 und auf exponierten Gipfeln schwere Sturmböen
(Brocken Bft 11) auf.

Donnerstag ... nähert sich ein in der Frontalzone eingelagerter breiter Trog,
aus dem kurzwellige Anteile, die in die kräftige west-südwestliche Strömung
eingelagert sind, über Deutschland hinweg ostwärts gesteuert werden. In
Verbindung mit diesen Kurzwellentrögen stößt staffelartig labil geschichtete
maritime Polarluft von der Nordsee her in den Norden Deutschlands vor. Eine
erste Staffel zeichnet sich gegen Mittag ab, eine weitere (mit Temperaturen, die
im 500 hPa-Niveau deutlich unter -30 Grad absinken) folgt gegen Abend.
Das Sturmtief verlagert sich zwar von den Shetlands nordostwärts. Kräftiger
Druckfall am Okklusionspunkt des Frontensystems dieses Tiefs bringt die
Entwicklung eines Randtiefs mit Tendenz zur Skagerrakzyklone in Gang. Der von
dieser Entwicklung ausgehende Bodentrog überquert am frühen Nachmittag den
Norden Deutschlands und bringt den Höhepunkt der Sturmlage mit sich. Bis dahin
erfolgt eine weitere Gradientverschärfung, so dass im Norden, Westen und in der
Mitte großflächig Sturmböen Bft 8/9 auftreten. Im nordwestdeutschen Binnenland
bis ins südliche Niedersachsen hinein sind auch in tieferen Lagen schwere
Sturmböen, an der Nordseeküste und im höheren Bergland orkanartige Böen Bft 11
vorstellbar. Auf höheren Gipfeln wird volle Orkanstärke erreicht.
Vergleichsweise windschwach bleibt es hingegen im Süden und im äußersten Osten.
Dort sind Sturmböen Bft 8/9 auf Berglagen (exponiert auf Gipfeln Bft 10)
beschränkt. In tieferen Lagen Südostdeutschlands sowie in der Lausitz ist der
Wind wahrscheinlich noch nicht einmal warnrelevant.
Problematisch sind die Böen, die in Verbindung mit den o.g. Kaltluftstaffeln
auftreten können. Für kurze Gewitter ist die Labilität durchaus hinreichend. Der
Oberwind erreicht von der Nordsee bis ins nördliche NRW hinein sowie später auf
die mecklenburgische Ostseeküste übergreifend selbst im 925 hPa-Niveau 55 bis 65
kt, die dann in Verbindung mit konvektiven Umlagerungen (auch bei kräftigeren
Schauern) bis zum Boden heruntergemischt werden können, d.h. es sind noch um 1
Bft höhere Böen vorstellbar.
Eine zweite Staffel greift zum Abend hin auf den Nordwesten Deutschlands über.
Zwar ist dann die Labilität höher, was vor allem aus dem tieferen
Temperaturniveau in der mittleren Troposphäre resultiert. Bis dahin sollte aber
der Gradient bereits etwas aufgeweicht sein, auch der Oberwind wird schwächer
und erreicht kaum noch 50 kt, so dass dann im Norden und Nordwesten bis weit ins
Binnenland hinein noch Sturmböen Bft 8/9 und an der See schwere Sturmböen
auftreten, aber orkanartige Böen dann unwahrscheinlich sind. In der Mitte und im
Süden sollte der Wind bis zum Abend aber so weit abflauen, so dass Windböen auf
freie Lagen beschränkt sind. In höheren Berglagen sind weiterhin Sturmböen Bft
8/9, auf exponierten Gipfeln (Brocken, auch Schwarzwaldgipfel) schwere Sturmböen
zu erwarten.
Die Niederschläge, die dann durchweg konvektiv geprägt sind, erfassen dann auch
die anderen Landesteile. In Staulagen sind 10 bis über 15, im Schwarzwald auch
mehr als 20 mm Niederschlag innerhalb von 12 Stunden möglich. Für ein paar
Wolkenlücken reicht es allenfalls ganz im Süden und durchmischungsbedingt auch
im Nordwesten und Norden. Mit Höchsttemperaturen zwischen 8 und 14 Grad wird es
gegenüber den Vortagen vergleichsweise mild.

In der Nacht zum Freitag gelangt Deutschland unter einen breiten Trog, der in
der Frontalzone ostwärts gesteuert wird. In dessen Bereich gehen die
Temperaturen im 500 hPa-Niveau nahezu deutschlandweit unter -30 und im Norden
unter -35 Grad zurück, so dass die Labilität für weitere konvektive Umlagerungen
(bis hin zu kurzen Gewittern, die dann auch südlich der Mittelgebirge auftreten
können) hinreichend ist. Der Trog steuert die hierfür erforderliche Hebung bei.
In Verbindung mit kräftigeren Schauern oder Gewittern sind Niederschläge in
fester Phase (Schneeregen, Schnee oder Graupel) auch bis in tiefe Lagen
vorstellbar.
Das aus der oben beschriebenen Randtiefentwicklung hervorgegangene Tief wird,
ohne sich wesentlich aufzufüllen, in den Raum Stockholm gesteuert. An dessen
Südflanke wird der Gradient nur unwesentlich schwächer. Abseits konvektiver
Umlagerungen sind, abgesehen vom Osten, nahezu flächendeckend Wind- und in
freien Lagen (auch im alpennahen Vorland, dort bedingt durch den
Leitplankeneffekt) stürmische Böen zu erwarten. An der See und im Bergland muss
durchweg mit stürmischen Böen, auf exponierten Gipfeln mit Sturmböen Bft 9
gerechnet werden. In Verbindung mit kräftigeren Schauern und kurzen Gewittern
dürften die Böen um mindestens 1 Bft höher liegen. Da die Luftmasse keine Chance
hat, zur Ruhe zu kommen, ist leichter Frost auf die Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge beschränkt.

Freitag ... verbleibt Deutschland auf der kalten Seite der relativ zonal
ausgerichteten, aber leicht mäandrierenden Frontalzone. Ein weiterer, darin
eingelagerter Trog, der sich auch im Bodendruckfeld abbildet, erreicht bis zum
Abend Ostfrankreich. Somit ist die Strömung vorübergehend leicht antizyklonal
geprägt. Was aber nicht heißen soll, dass die Gefahr konvektiver Umlagerungen
gebannt ist. Die Schichtung ist nach wie vor sehr labil. Wiederholt kräftige
Schauer sind vor allem im Norden und Nordwesten sowie über dem Bergland zu
erwarten, wobei die feste Phase auf die Kamm- und Gipfellagen beschränkt ist.
Kurze Gewitter sind noch in Küstennähe und im Nordosten vorstellbar. Südlich der
Mittelgebirge und in deren Lee sowie im Osten dürften im Tagesverlauf vermehrt
größere Auflockerungen zustande kommen.
Der Gradient schwächt sich zwar gegenüber der Nacht zuvor etwas ab. Allerdings
wird dieser Effekt durch den inzwischen ausgeprägten Tagesgang kompensiert.
Nahezu flächendeckend frischt daher der Wind tagsüber wieder auf und erreicht in
Böen Bft 7, im Norden und in der Mitte auch in tiefen Lagen Bft 8. Im Bergland
und zum Teil auch an der Küste muss mit Sturmböen Bft 9, exponiert mit schweren
Sturmböen gerechnet werden. In Verbindung mit kräftigeren Schauern oder kurzen
gewittern können auch im nördlichen und nordöstlichen Binnenland Sturmböen Bft 9
nicht ganz ausgeschlossen werden. Mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 7 und 12
Grad wird es nicht mehr ganz so mild wie am Vortag.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich kaum prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. So lässt sich lediglich herausarbeiten, dass EZMW am
Donnerstagabend etwas ausgeprägter eine Skagerrakzyklogenese zeigt.
Hinsichtlich der Böen am Donnerstag zeigt COSMO-LEPS eine schwächere Entwicklung
als ICON-EU EPS und auch EZ-EPS, wobei aus synoptischen Gründen die von EZMW und
ICON sowie deren EPS-Verfahren gezeigten Böen eher plausibel sind.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann