DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-02-2021 09:30
SXEU31 DWAV 040800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 04.02.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Ws (West zyklonal)

Heute und morgen vergleichsweise harmloses Vorgeplänkel, ab Samstag knallt´s.
Massive Einwinterung in Teilen Nord- und Nordwestdeutschlands im Anmarsch!

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... weist die großräumige Potenzialverteilung einen monumentalen
Höhentrog auf, der sich mit stark positiv geneigter Achse von Sibirien über den
gesamten fennoskandischen Raum bis zum nahen Ostatlantik west-südwestlich der
Iberischen Halbinsel erstreckt. Als "Antipode" fungiert ein breit aufgespannter
Höhenrücken, der große Teile des Mittelmeerraums überdeckt. Für Deutschland
bedeutet diese Konstellation eine westliche Höhenströmung, die am heutigen
Donnerstag eindeutig antizyklonale Konturen annimmt, was auf eine limitierte
Wetteraktivität hindeutet.

Und tatsächlich stellt sich heute nach dem Abzug von Sturm- und Regentief
SIEGERT in Richtung Belarus ("Siegbert meets Alexander L.") leichter
Zwischenhocheinfluss ein. Dabei nimmt ein Hoch über dem zentralen Mittelmeer
(hier hätte die FU Berlin Geld verdienen können, wenn sie denn einen Namen
vergeben hätte) Fühlung zum Hoch GIESELA über dem Nordmeer respektive
Skandinavien auf, was in eine schwache Brücke mündet. Der weiterhin über
Norddeutschland positionierten und zonal exponierten Tiefdruckrinne sowie der
eingelagerten Luftmassengrenze (sie trennt modifizierte Polarluft arktischen
Ursprungs im Norden und Nordosten (T850 unter -5°C) von erwärmter Meereskaltluft
weiter südlich) schmeckt das freilich nur bedingt, weil sie sich andauernden
Druckanstiegs erwehren muss, was sehr mühsam ist. Und so kommt es am Ende wie es
kommen muss, die Rinne wird bis zum Abend "zugeschüttet" und die aktuell im
Norden und Osten noch auftretenden Niederschläge (teils Schnee, teils Regen)
werden immer schwächer bzw. hören z.T. ganz auf. Vor allem zwischen der
Deutschen Bucht und dem nördlichen BB kann es aber noch hin und wieder leicht
schneien, allerdings bleibt aufgrund steigender Belagstemperaturen nicht allzu
viel davon liegen.

Ansonsten ist die Geschichte des Tages rasch erzählt. Während es im Osten und
Norden weitgehend bedeckt bleibt, lockert die Wolkendecke in den übrigen
Landesteilen mal mehr (vor allem im Süden), mal etwas weniger auf, so dass die
seit Wochen in weiten Teilen sehr dürftige Sonnenscheinbilanz wenigstens hier
und da etwas aufpoliert wird. In den Südwesten driften allerdings am Nachmittag
und Abend die ersten hohen und mittelhohen Wolkenfelder, ausgesandt vom
iberischen Tief TRISTAN, der auf seiner Vorderseite afrikanische Warmluft über
das westliche Mittelmeer nordwärts steuert.

Die Temperatur erreicht im Norden und Osten Höchstwerte von 0 bis 5°C, sonst 5
bis 11°C, im Oberrheingraben sowie im Alpenvorland lokal bis zu 14°C. Der Wind
spielt heute tagsüber keine prominente Rolle, allerdings dreht er bis zum Abend
landesweit auf östliche Richtungen (nachdem er zuvor im Weste, in der Mitte und
im Süden noch längere Zeit aus westlichen Richtungen weht).

In der Nacht zum Freitag verändert sich an der Potenzialstruktur nichts
Wesentliches und insbesondere im Norden und Osten verstärkt sich der
Zwischenhocheinfluss noch etwas, weil sich ein Keil des Nordmeerhochs bis nach
Polen vorschiebt. Damit sinkt die Niederschlagsneigung noch etwas (was
vereinzelt etwas Schneegriesel oder (gefrierenden) Nieselregen nicht
ausschließt), dafür stellt sich in der Nordosthälfte vielerorts leichter, in
Vorpommern bei auflockernder Bewölkung auch mäßiger Frost ein. Da Beläge häufig
noch nass oder feucht vom Tag sind (viel Wind mit trocknender Wirkung gibt es
nicht), besteht die Gefahr gefrierender Nässe, was im Warnmanagement offensiv
gewürdigt werden sollte (gelbe Glättewarnungen sollten aber reichen). Außerdem
kann sich in der Mitte Stellenweise Nebel bilden. Der Ostwind nimmt vornehmlich
über der Nordsee wieder etwas zu, was den Helgoländern in den frühen
Morgenstunden die ersten 7er-Böen bescheren könnte - oha.

Im Süden macht sich die vom Tief TRISTAN ausgehende WLA nunmehr nicht nur durch
Bewölkung, sondern auch durch Regenfälle vorderseitig einer Warmfront bemerkbar.
Streifenförmig organisiert arbeitet sich der Regen ganz langsam nordwärts voran
und erfasst dabei weite Teile Bayerns und BWs. Wie viel Regen am Ende fällt, ist
noch offen. Während die deutsche Modellkette recht defensiv agiert, sehen einige
"Externe" zumindest in BW gebietsweise bis zu 10 l/qm innert 12 h, lokal sogar
noch etwas mehr. Auf alle Fälle wird die Zufuhr niedertroposphärischer warmer
Luft forciert, so dass in 850 hPa am Morgen +7°C an der Grenze zur CH sowie im
südlichen Alpenvorland auf der Karte stehen. Gleichzeitig sind es in Vorpommern
-9/-10°C, was unter dem Strich satte 17 Grad Unterschied macht - nicht schlecht,
Herr Specht.

Freitag... deutet sich westlich der Iberischen Halbinsel ein Abtropfprozess an.
Weit nach Norden und Nordosten ausgreifende WLA sorgt dafür, dass der
Höhenrücken in seinem Westteil regeneriert wird und bei uns die westliche
Höhenströmung antizyklonal konturiert bleibt. Im Bodendruckfeld tut sich auch
nicht allzu viel: auf der einen Seite die Tiefs REINHARD (UK/Irland) und TRISTAN
(Iberien), auf der anderen Seite Nordmeerhoch GIESELA mit Keil bis nach Polen.
Deutschland liegt zwar nur am Rande der genannten Druckgebilde, kann dafür aber
gleich mit zwei Luftmassengrenzen protzen. Im Norden die "alte" Front, die aus
dem Hoch ausfließende arktische Polarluft im Nordosten (T850 -6 bis -10°C) von
erwärmter Meereskaltluft weiter südlich trennt. Im Süden die Warmfront von
TRISTAN, die die Meereskaltluft von Subtropikluft im äußersten Süden (T850
7/8°C) abgrenzt.

Beide Fronten zeigen sich am morgigen Freitag mäßig aktiv. Für den Norden
bedeutet das von der Deutschen Bucht bis hinüber nach BB mitunter etwas
Schneefall, der aber nicht besonders substanziell daherkommt und somit auch kaum
für eine Neuschneedecke taugt. Gleichwohl kann es auf den Straßen stellenweise
glatt werden, weil die "Frostluft" aus dem Nordosten in den unteren Schichten
weiter nach Südwesten vorankommt, als es die 850-hPa-Tempertatur erahnen lässt.
Vereinzelt ist auch etwas gefrierender Nieselregen nicht ausgeschlossen,
ansonsten hält sich die Glatteisgefahr tagsüber aber in Grenzen. Darüber hinaus
wird über der Ostsee eine leichte Schaueraktivität simuliert, von denen einige
SH erreichen sollen, allerdings mit geringer Wucht.

Weiter südlich kommen die Regenfälle aus dem Süden bis in die mittleren
Landesteile voran. Akkumuliert über 12 h liegen die Mengen meist unter 5 l/qm,
nur punktuell etwas darüber. An den Alpen sowie im südlichen Vorland bleibt es
trocken und dank leicht föhniger Komponente (Südüberdruck von rund 5 hPa
zwischen Bozen und Innsbruck lässt den Föhn langsam aufleben) zeigt sich sogar
die Sonne für längere Zeit.

Abgesehen von einigen Alpengipfeln, auf denen der Süd-Südwestwind in Böen
allmählich Stärke 8 Bft erreicht, geht der Wind eigentlich nur noch an der Küste
sowie auf See so richtig aus dem Sattel. Oder seriös ausgedrückt, an und auf der
Nordsee erreicht der Ostwind in Böen Stärke 7 bis 8 Bft, im Bereich der
westlichen Ostsee sowie im Binnenland SHs 7 Bft in der Spitze. Die Temperatur
kommt im Norden und Nordosten kaum noch über 0°C hinaus, während ganz "unten" im
Süden und Südwesten angesichts Maxima nahe 13°C der Vorfrühling weiterhin munter
Punkte sammelt.

In der Nacht zum Samstag intensivieren sich die Hebungsvorgänge an der südlichen
Luftmassengrenze auf Kosten der Aktivität an der nördlichen. So bleibt es im
Norden häufig niederschlagsfrei, nur hier und da fällt etwas Schnee oder
Schneeregen. Ansonsten verlagern sich die frontalen Niederschläge
schwerpunktmäßig vom Süden in die Mitte. Meist fällt Regen, nur an der Grenze
zur Kaltluft im Osten kommt zunehmend die Schneephase ins Spiel. Aus jetziger
Sicht trifft das auf Teile Sachsen und Thüringens zu, allerdings fängt es erst
spät an zu schneien, so dass bis zum Morgen noch nicht viel liegt. Im
Übergangsbereich von Regen in Schnee ist punktuell auch gefrierender Regen mit
Glatteis nicht ausgeschlossen.

In der Nordosthälfte geht die Temperatur in den leichten, im wolkenfreien
Nordosten (Vorpommern, Uckermark) auch mäßigen Frostbereich zurück. An den
Küsten weht weiterhin ein ruppiger, teils stürmischer Ostwind.

Samstag... ist das dann so langsam Schluss mit "Haydns Streichquartett", dann
betreten so ganz allmählich Bruckner und Mahler die Bühne. Die Achse des breiten
Rückens verlagert sich mehr und mehr nach Osten, was uns auf die Vorderseite
eines sich von Westen nähernden Höhentrogs bringt. Damit wird das Setup in der
Höhe sukzessive zyklonaler, so wesentlicher sind die Prozesse in der unteren
Troposphäre.

So fließt aus dem Nordmeerhoch weiterhin arktische Polarluft aus, die mit
strammen Ostwind westwärts verfrachtet wird. Gleichzeitig bildet Tief TRISTAN
über den Pyrenäen ein kleines, aber entwicklungsfähiges Teiltief, das via
Frankreich nordwärts zieht und am Sonntag Benelux erreicht. Das Tief pumpt mit
Hilfe des Höhentrogs subtropische Warmluft nach Norden, die sich - wie sollte es
anders sein - an der Kaltluft die Zähne ausbeißt. Die Folge ist eine weitere
Verschärfung der Temperaturkontraste genau hier über Deutschland. Expressis
verbis werden am Samstagabend in 850 hPa Werte zwischen -13°C rund um Rügen und
föhnpolierte +12°C im Alpenvorland gemessen -wow!

Wettertechnisch gilt es zu berichten, dass die nördliche Luftmassengrenze
zunehmend ihren Geist aufgibt, während die südliche Front nicht zuletzt wegen
fortdauernder frontogenetischer Prozesse vollständig das Heft des Handelns in
die Hand nimmt. Das Niederschlagsgebiet jedenfalls arbeitet sich peu a peu nach
Norden voran und erreicht bis zum Abend etwa eine Linie Münsterland/Grafschaft
Bentheim-Harz-Oberlausitz. Dabei fällt im Nordteil Schnee, weiter südlich Regen
und im Übergangsbereich zunehmend gefrierender Regen mit Glatteis. Zwar
offenbaren die Modelle immer noch Unschärfen, gleichwohl kristallisiert sich ein
Streifen vom südwestlichen NDS/Westfalen bis hinüber nach Sachsen heraus, in dem
bis zum Abend 1 bis 5 cm, in Staulagen bis zu 10 cm Neuschneefallen.

Zu der Niederschlagsproblematik rückt auch noch das Thema Wind in Fokus, der aus
östlichen Richtungen kommend in der gesamten Nordhälfte auffrischt mit Böen 7
Bft, Küste und küstennahes Binnenland 8 Bft, auf der Nordsee sowie dem Brocken 9
Bft. In den Alpen verstärkt sich der Föhn bis hin zu orkanartigen Böen auf
einigen Gipfeln und Windböen in anfälligen Tälern. Dabei sollte man sich nicht
wundern, wenn die Temperatur am Nachmittag punktuell auf hemdsärmelige 17 oder
18°C ansteigt, ja selbst eine "20" ist nicht völlig aus der Luft gegriffen.
Derweil schlägt man sich im Norden und Osten verbreitet mit Werten um oder sogar
etwas unter dem Gefrierpunkt herum, wobei noch der Windchill-Faktor
draufgesattelt werden muss.

In der Nacht zum Sonntag - aus Zeitgründen hier nur sehr kurz abgehandelt - geht
es dann richtig ins Eingemachte. Die Schneefälle kommen weiter nach Norden voran
(wahrscheinlich aber nicht bis zu Küste, zumindest der Ostseeküste) und
intensivieren sich noch, was auch für den begleitenden Ostwind gilt.
Insbesondere im Nordwesten, schwerpunktmäßig vom Osnabrücker Land und dem
südlichen Emsland bis hinüber in die Harzgegend deuten sich extreme Schneefälle
von 10 bis 20 cm innert 12 h an, kräftige Verwehungen inclusive. Aber auch sonst
wintert es zwischen deutsch-niederländischer Grenze und Neiße merklich ein. Im
Übergangsbereich zum Regen weiter südlich steigt die Gefahr anhaltenden
gefrierenden Regens mit Glatteis. Schäden an der Infrastruktur sind ebenso
vorprogrammiert wie ehebliche Behinderungen auf Schiene und Straße - sowohl in
Verbindung mit Schnee und Verwehungen als auch mit Glatteis (Eisbruch). Es kommt
zu einer doppelten, ja dreifachen Unwetterlage (Starkschneefall, Verwehungen und
Glatteis), wobei beim Schneefall zumindest regional sogar die extreme Warnung
droht (> 25 cm/12 h).
Sollte also ein Steven King oder ähnliches bei Ihnen auf dem Nachtschrank liegen
- forget ist. In den nächsten Tagen sind Synoptische Übersichten und
Wetterberichte das Mittel der literarischen Wahl. Fortsetzung folgt...


Modellvergleich und -einschätzung
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Hinsichtlich der Niederschläge am Samstag haben sich die Modelle angepasst, auch
wenn man die Prognosen weiterhin mit erfahrungsgegebener Vorsicht bewerten
sollte. Das Grundmuster steht aber, es geht im Wesentlichen um regionale Fragen
bzw. Intensitäten des Niederschlags.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann