Thema des Tages

27-01-2021 16:20

Satellitenmeteorologie (Teil 1) - Die 12 Augen der Wettersatelliten

Wettersatelliten sind ein essenzielles Hilfsmittel in der
Wetteranalyse. Heute geben wir einen kurzen Einblick, was
Wettersatelliten alles "sehen" können.

Wettersatelliten sind in der heutigen modernen Meteorologie nicht
mehr wegzudenken. Sie liefern zum einen wichtige Beobachtungsdaten
für Wettervorhersagemodelle, die für eine präzise numerische
Wettervorhersage unerlässlich sind. Mit ihrem Blick aus dem Weltall
auf unsere Erde leisten sie außerdem unschätzbare Dienste bei der
Wetteranalyse und der Kürzestfristvorhersage. Unter letzterem
versteht man die Vorhersage des Wetters der kommenden Stunden, für
die man nicht zwangsläufig Vorhersagemodelle benötigt. Die Satelliten
machen alle 15 Minuten Aufnahmen von unserer Erde, die uns
Meteorologen einen schnellen Überblick geben, wo sich beispielsweise
aktuell in der Atmosphäre Wolken befinden. Auf einem Blick können wir
so Tiefdruckgebiete identifizieren, um die sich die Wolkenbänder
schlängeln. Mittels zeitlicher Abfolge vergangener Bilder können wir
sogar abschätzen, in welche Richtung sich die Wolken und die
dazugehörigen Tiefs bewegen werden, ob sich die Wolken auflösen oder
verdichten, wo in Kürze Gewitter entstehen könnten und vieles mehr.

Im heutigen Tagesthema zeigen wir, was Wettersatelliten alles sehen
bzw. messen können. (Auf die der Satellitenmeteorologie zugrunde
liegenden Strahlungstransporttheorie soll an dieser Stelle bewusst
verzichtet werden, damit auch Leserinnen und Leser ohne Physikstudium
oder Physikleistungskurs nicht den Durchblick verlieren.) Das
wichtigste Messgerät der Wettersatelliten ist das sogenannte
Radiometer, das die von der Erde zurückgesandte Strahlung misst. Ein
Radiometer ist eine Art Multifunktions-Kamera, die weit mehr
aufnehmen kann als unser menschliches Auge, nämlich die von der Erde
abgegebene Strahlung im solaren (sichtbaren) und infraroten
(thermischen) Spektralbereich.

Stellen Sie sich vor, Sie wären Alexander Gerst (deutscher Astronaut)
und blicken von der ISS auf die Erde. Was Sie sehen würden, ist ein
Abbild unseres blauen Planeten im für das menschliche Auge sichtbaren
(solaren) Spektralbereich (Wellenlängen zwischen 380 und 780
Nanometer). Unser Auge erkennt also eine ganze Bandbreite an
Wellenlängen, die es unterschiedlichen Farben zuordnet. Die
Radiometer der Wettersatelliten funktionieren nach einem ähnlichen
Prinzip, nur bestehen sie nicht nur aus einem "Auge", sondern aus
gleich zwölf Augen, den sogenannten Kanälen. Jeder der zwölf Kanäle
empfängt einen bestimmten von der Erde emittierten
Wellenlängenbereich. Die Kanäle messen dabei die Intensität der
empfangenen Strahlung, ohne diese Farben zuzuordnen. So entstehen
Schwarz-Weiß-Bilder, bei denen weiß eine hohe Strahlungsintensität
und schwarz eine geringe Strahlungsintensität bedeutet. Drei der
zwölf Kanäle empfangen ähnlich zum menschlichen Auge Strahlung im
solaren (kurzwelligen) Bereich, aber mit einer jeweils kleineren
Bandbreite als unser Auge. Weitere acht Kanäle empfangen Strahlung im
thermischen (langwelligen) Strahlungsbereich und damit Informationen,
die unser Auge nicht erfassen kann. Jeder dieser elf Kanäle sieht für
sich betrachtet zwar weniger als unser Auge, in der Kombination aller
Kanäle erfasst ein Radiometer aber weitaus mehr Informationen von der
Erde als der sehende Mensch. Das zwölfte Auge des Radiometers, der
HRV-Kanal (High Resolution Visible), ist das Adlerauge unter den
Kanälen, es sieht besonders scharf, also mit einer höheren Auflösung
im gesamten sichtbaren Spektralbereich.

Jeder der einzelnen Kanäle liefert den Meteorologen ganz individuelle
Informationen. Die sichtbaren Kanäle geben uns beispielsweise
Auskunft über die räumliche Verteilung und Dicke der Wolken, sowie
dort, wo keine Wolken vorhanden sind, auch über die Beschaffenheit
der Erdoberfläche (obere Abbildung, HRV-Kanal). Die Kanäle im
thermischen Strahlungsbereich sind hingegen sensitiv für bestimmte
Strahlungstemperaturen. Da die Temperatur in der Atmosphäre
gewöhnlich mit der Höhe abnimmt, kann mithilfe der erfassten
Strahlungstemperaturen an den Oberkanten von Wolken auf die
Wolkenhöhe geschlossen werden. Somit kann unterschieden werden, ob es
sich um flache und tiefe Wolken, um hohe Schleierwolken oder um
mächtige hochreichende Wolken handelt (untere Abbildung,
IR8.7-Kanal). Einige der infraroten Kanäle messen zudem in den
Absorptionsbereichen atmosphärischer Gase wie Ozon, Kohlenstoffdioxid
(CO2) oder Wasserdampf. So kann man die Ozonkonzentration in der
Atmosphäre bestimmen oder erhält Auskunft darüber, in welchen
Bereichen der Atmosphäre sich viel oder wenig Wasserdampf befindet.
Zudem kann man noch eine Fülle weiterer Informationen aus den
einzelnen Kanälen selbst oder aus einer Kombination verschiedener
Kanäle gewinnen, was allerdings den Rahmen dieses Themas sprengen
würde.

Im nächsten Teil dieser Reihe erfahren Sie, wie man mit einer
geschickten Technik farbige Bilder erzeugen kann, die den
Meteorologen weitere Möglichkeiten der Wetteranalyse bieten.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.01.2021

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