DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

26-01-2021 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 26.01.2021 um 10.30 UTC



Markante Luftmassengrenze am Freitag/Samstag mit Dauerregen, starkem Tauwetter
und Sturmböen auf der Südseite und markanten, vereinzelt auch unwetterartigen
Schneefällen an der Nordflanke. Nach kurze Kaltphase wieder zunehmend
Atlantikeinfluss.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 02.02.2021


Am Freitag... zeigt sich eine recht zonalisierte Höhenströmung mit einem leicht
nordwestlichen Touch. Darin eingelagert sind kurzwellige Anteile. Am Boden
erststreckt sich eine Tiefdruckrinne von den Britischen Inseln, über Deutschland
bis nach Tschechien. Auf der Vorderseite eines kurzwelligen Anteils wird ein in
die LMG eingelagertes Tief über dem Westen von Deutschland gestützt. Die
Temperaturgegensätze reichen von +2 Grad in 850 hPa im Südwesten und -7 Grad im
Nordosten, wobei sich die Gegensätze vor allem auf die LMG konzentrieren.
Entlang der LMG gibt es eine scharfe Windkonvergenz, entlang derer sich auch
gestützt durch den Antrieb in der Höhe, die Haupthebungsantriebe befinden.

Im Osten und Nordosten bleibt es damit trocken und bei östlichen Winden werden
allenfalls zarte Plusgrade erreicht, nachts gibt es zum Teil mäßige Fröste. Im
Südwesten und dort am Oberrhein steigen die Höchstwerte bis auf +13 Grad. Dazu
regnet es zum Teil langanhaltend und ergiebig mit Dauerregenpotential in
Staulagen. Zudem ist mit starkem Tauwetter zu rechnen.

An der kalten Seite der LMG muss mit länger anhaltenden und teils kräftigen
Schneefällen gerechnet werden. In einem schmalen Streifen sind dann durchaus
Mengen im Unwetterbereich möglich (Streifen vom Emsland zu Lausitz, nachts dann
wieder etwas südlicher).

Zu erwähnen ist auch noch der Wind an der Südflanke des LMG. Dort muss mit Böen
Bft 7/8, im Bergland Bft 8/9, auf Gipfeln Bft 10/11 gerechnet werden.

Am Samstag... zieht die stark zonalisierte Höhenströmung ostwärts ab. Rückseitig
stößt ein sich amplifizierender Trog nach Süden vor und bringt damit die
Luftmassengrenze in Bewegung, die sich im Tagesverlauf südwärts bewegt und zur
Mittagzeit etwa vom Rhein-Main Gebiet bis zum Vogtland reicht, sich zum Abend in
den Südosten verlagert und anschließend aus Deutschland abzieht, sodass ein
Hochkeil auf den Westen übergreifen kann.

Damit halten im Bereich der LMG und südlich davon die teils kräftigen
Niederschläge zunächst an. Im Verlauf trocknet es dann von Nordwesten
südostwärts ausgreifend ab.

Das zunächst noch anhaltende Tauwetter schwächt sich im Tagesverlauf mit einer
von Norden sinkenden Schneefallgrenze allerdings immer mehr ab. Am Oberrhein
werden zuvor nochmal bis 10 Grad erwartet, während sich im Osten und Norden
bereits Dauerfrost einstellt und nachts mäßige Nachtfröste zu erwarten sind.

Markante Windböen konzentrieren sich dann nur noch auf die höheren Berglagen,
lassen aber immer weiter nach.

Am Sonntag... befindet sich Deutschland trogrückseitig in einer nördlichen bis
nordwestlichen Höhenströmung. Am Boden schiebt sich ein Zwischenhoch in den
Süden Deutschlands. Damit ist der Tag allgemein antizyklonal geprägt und bei
Werten unter -10 Grad in 850 hPa in der Südosthälfte auch kalt mit leichtem
Dauerfrost.

Im Osten liegt die 500 hPa Temperatur unter -35 Grad, sodass von der Ostsee
kommend vor allem in Vorpommern und Ostbrandenburg ein paar Schneeschauer
auftreten. Ebenso wie vereinzelt im Anstau der Mittelgebirge.

Nachts kann es über Schnee im Osten und Süden zum Teil strengen Frost geben.
Nach Westen ziehen hingegen schon wieder dichte Wolken auf.

Am Montag... macht sich in der Südwesthälfte bereits wieder Tiefdruckeinfluss
mit milderen Luftmassen bemerkbar, während im Rest des Landes noch
Hochdruckeinfluss mit vor allem bodennah kalten Luftmassen und Dauerfrost
überwiegt.
Zum Dienstag... greifen die milden Luftmassen bei einer Zonalisierung der
Höhenströmung wieder bis in den Osten aus. Frontensysteme bringen dann erneut
einiges an Regen, der zumindest zu Beginn vor allem nach Osten zu einer
Glatteislage führen könnte. Zudem setzt nachfolgend wiederum (starkes) Tauwetter
ein und auch der Wind hat wieder ein gehöriges Wörtchen mitzureden.

In der erweiterten Mittelfrist... setzt sich die unbeständige, zonal geprägte
Großwetterlage fort, wobei die Frontalzone und damit die 0 Grad-Grenze in 850
hPa, allmählich wieder weiter nach Süden gedrückt wird. Damit gehen die
Tageswerte wieder etwas zurück. Die Luftmasse bleibt bei einem lebhaften Wind
aber weiter gut durchmischt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Zu Beginn der Mittelfrist ist die Konsistenz mit den Vorläufen gut gegeben. Von
allen Läufen wurde die LMG gezeigt. Und auch ihre Lage ist soweit gut
wiedergegeben ... vielleicht im neuen 00 UTC Lauf etwas weiter südlich, als noch
gestern Morgen.
Am Samstag nehmen dann die Unterschiede bereits zu. Im neuesten ECMWF-Lauf wird
die LMG viel schneller in den Süden gedrückt, als noch im gestrigen 00 UTC Lauf.
Der 12 UTC zeigte diese Südverschiebung bereits an. Entsprechend trocknet es von
Norden her auch viel rascher ab.
Zum Sonntag stößt der Höhentrog nun bis in den Golf von Genua vor, was in den
Vorläufen noch nicht so ausgeprägt war. Damit kann sich stromaufwärts ein viel
kräftigerer Hochkeil über Westeuropa aufbauen. Insgesamt wird der
Kaltluftvorstoß im jüngsten ECMWF-Lauf viel aggressiver vorhergesagt.

Nachfolgend zeigen alle Läufe ein Wiederaufleben des Atlantik und ein Abdrängen
der Kaltluft nach Osten. Allerdings ist der WL-Vorstoß im neuesten EZ-Lauf
rascher und kräftiger, als noch im gestrigen 00 UTC Lauf prognostiziert.

Danach zeigen alle Läufe eine aktive Frontalzone mit verstärkten
Tiefdruckeinfluss. Die zeitliche Abfolge und Stärke der entlang der Frontalzone
von West- nach Ost ziehenden (Sturm)tiefs und damit auch die Auswirkungen auf
Deutschland sind noch sehr unsicher.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die verschiedenen Modelle zeigen zu Beginn der Mittelfrist alle eine
Luftmassengrenze über Deutschland. Bezüglich der genauen Lagen gibt es aber noch
gewisse Differenzen, wenn auch lange nicht mehr in dem Ausmaß wie gestern. GFS
zeigt die LMG weiter nach Nordosten verschoben. Bei ICON ist die Lage ähnlich
wie bei EZ, allerdings ist die LMG stärker Nord-Süd orientiert, was an der Lage
des Tiefzentrums über der südlichen Nordsee liegt (EZ: Tief über
Westdeutschland).

Zum Samstag zeigen alle Modelle ein Vorstoßen der Kaltluft nach Süden, wobei EZ
klar am aggressivste ist. Das betrifft vor allem die Stärke der Höhenströmung
und ihre Nord-Süd Ausrichtung. ICON ist zwar im Grund ähnlich, wenn auch etwas
langsamer, aber die Höhenströmung ist flacher. Bei GFS würde sich eher eine
Nordwestströmung in der Höhe ergeben. Die -10 Grad Isotherme wäre demnach noch
außerhalb von Deutschland über der Ostsee, während diese im Vergleich bei ICON
bereits die Mitte überquert und bei EZ schon im Süden ankommt.

Bei GFS würde der nur schwache KL-Vorstoß rasch verpuffen und von Westen schon
zum Sonntag eine WF mit milderen Luftmassen übergreifen. ICON bleibt hingegen
wie EZ länger kalt. Das gilt auch noch für den Montag, wo EZ bereits ein
Übergreifen von Tiefdruckeinfluss auf den Westen simuliert und ICON auch dort
noch kalt ist. GFS schwimmt da mit einem Tief direkt über Deutschland und
kräftigen Niederschlägen, bereits in anderen Sphären.

Die weitere Entwicklung wird dann zunehmend diffus. Es lässt sich einzig
festhalten, dass alle Modelle eine aktive Frontalzone mit milden Einschüben
zeigen. Der Kurzzeitwinter hätte damit wieder ausgedient.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen von Offenbach zeigen zu Beginn der Mittelfrist einen gebündelten
Verlauf mit Haupt- und Kontrolllauf im Bereich des Median, welcher auch den
Absturz der 850 hPa Temperatur im Verlauf des Samstages zeigt. Allerdings gibt
es Member, die diesen später (einige) oder auch eher (wenige) zeigen. Der Blick
auf das Geopotential in 500 hPa zeigt zudem, dass zwar die Mehrzahl der Member
den sich weit nach Süden amplifizierenden Trog zeigen, aber eben nicht alle. Bei
einigen (sogar gebündelten) Membern, verläuft das Geopotential weiter auf recht
hohem Niveau.
Im weiteren Verlauf ist bei einer erhöhten Streubreite ein Ansteigen des
Geopotentials zur neuen Woche zu sehen. Auch die 850 hPa Temperatur geht
deutlich nach oben. Selbst die kältesten Member steigen über -5 Grad. Die
Einigkeit des Ensembles nimmt zum Ende eher wieder zu.
Wie schnell dieser Anstieg von Statten geht, da gehen die Lösungen deutlich
auseinander. Es gibt durchaus einige Member, die eine schneller Erwärmung sehen,
aber auch nicht wenige, bei denen es noch bis Dienstag oder gar Mittwoch dauern
könnte.

Das Clustering des ECMWF bietet für den Zeitraum +120 h bis +168 h (So00 bis Di
00UTC) die volle Palette an 6 Lösungen. Diese zeigen im Wesentlichen alle eine
negative Potentialanomalie für Mitteleuropa und damit Trogeinfluss. Die
Amplitude des Troges, die genaue Phasenlage und die nachfolgende Aktivierung der
Frontalzone zeigen hingegen Differenzen, was sich dann natürlich auch
zwangsläufig auf die genaue Wetterentwicklung niederschlägt.
Im Zeitraum +192 h bis +240 h (Mi00 bis Fr00 UTC)) werden noch drei
Möglichkeiten angeboten, was eben eine sich wieder erhöhende Sicherheit in der
erweiterten Mittelfrist suggeriert. Alle drei Lösungen sehen für Deutschland
sogar ziemlich ähnlich aus. Alle drei zeigen mehr oder weniger stark ausgeprägt
eine negative Potentialanomalie über Westeuropa und dem nahen Ostatlantik sowie
ein Blocking über dem Nordmeer. Damit würde Deutschland vorderseitig in eine
südwestliche Strömung gelangen. Wie stark die Südkomponente dieser Strömung ist
und folglich auch, wie warm es damit werden würde, wird von den drei Clustern
noch unterschiedlich prognostiziert.

Die GFS-Ensemble bestätigt die zuvor getroffenen Aussagen. Es ist zu sehen, dass
Haupt- und Kontrolllauf eher zu den warmen Membern gehören, was den
Kaltluftvorstoß vom Samstag betrifft. Das Ensemble zeigt durchaus Lösungen, die
der Entwicklung des ECMWF-Hauptlaufes sehr ähnlich sind und auch 2 bis 3 kalte
Tage bringen. Der nachfolgende Anstieg ist schließlich wie beim EZ-Ensemble
stärker gebündelt und strahlt eine größere Sicherheit aus, als die Entwicklung
bis dahin.

Fazit: Anfang und Ende der Mittelfrist scheinen aus heutiger Sicht recht klar.
Wie starten mit einer LMG über dem nördlichen Deutschland und enden in einer
Vorderseitenlage im Laufe der kommenden Woche. Was dazwischen passiert ist noch
recht unsicher. Frage 1: Wie schnell und massiv ist der KL-Vorstoß am Samstag,
Frage 2: Wie nachhaltig beeinflusst die polare Kaltluft Deutschland und wie
schnell greift die zonalisierte Frontalzone mit milden Luftmassen auf
Deutschland über. Daran ketten sich natürlich noch eine Reihe von Detailfragen
vor allem zu Beginn der MF (z.B. Wo + wieviel Schnee auf der kalten Seite der
LMG fällt). Diese gilt es dann freilich beim Übergang in die Kurzfrist zu
klären.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Viel Warnkriterien im markanten und Unwetterbereich sind vor allem zu Beginn der
Mittelfrist zu erwarten.

So setzt sich das schon am Donnerstag eingeläutete Tauwetter fort und wird sich
am Freitag sogar noch intensivieren. Ein hohes Wasseräquivalent der durch hohe
Temperaturen und kräftigen Wind abschmelzenden Schneedecke sowie anhaltende, in
Staulagen auch markante Dauerniederschläge kombinieren sich.
Entsprechend ist vornehmlich im Südwesten und Süden (Schwarzwald, und Alpen
allgemein, insbesondere Allgäu) mit einer Unwetterlage und einem großen Input in
die Flüsse mit der Gefahr eines stärkeren Hochwassers zu rechnen. Die Situation
wird sich erst im Laufe des Samstages mit dem Vorstoß kälterer Luftmassen
allmählich entspannen.

Der Wind wird vor allem am Freitag an der Südflanke der LMG sehr ruppig sein mit
stürmischen Böen bis ins Flachland und Sturmböen im Bergland, auf den Bergen bis
hin zu Orkanböen). Samstag nachlassend.

Auf der kalten Seite der Luftmassengrenze ist von Freitag bis Samstag
gebietsweise mindestens mit markanten Neuschneemengen zu rechnen, unwetterartige
Bedingungen sind in einem schmalen Streifen nicht ausgeschlossen. Dazu gesellen
sich dann natürlich auch noch Folgeerscheinungen wie Schneebruch und
Leiterseilschwingungen.

In der Nacht auf Sonntag und Montag besteht im Osten und Süden über Schnee die
Gefahr von strengen Nachtfrösten.

Mit den von Westen vorstoßenden milden Luftmassen zu Beginn der neuen Woche ist
ab der Nacht auf Dienstag gebietsweise eine Glatteislage denkbar. Das gilt aus
heutiger Sicht vor allem für das Bergland und den Osten und Südosten des Landes.


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Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, MOS-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Marcus Beyer