DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

25-01-2021 15:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 25.01.2021 um 10.30 UTC



Unbeständig. Im Norden/Nordosten eher kalt, im Süden/Südwesten vorübergehend
sehr mild mit Tauwetter und zeitweise stürmisch. Im Übergangsbereich Schnee
und/oder Glatteis.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 01.02.2021


In der Mittelfrist (Do., 28.01., bis Mo., 01.02.) steht uns ein sehr
unbeständiger Wetterabschnitt bevor. Er wird vor allem zu Beginn von großen
(Temperatur-)Gegensätzen zwischen einem wahrscheinlich durchweg kalten
Norden/Nordosten und einem vorübergehend sehr milden Süden/Südwesten geprägt und
hält somit sicherlich das ein oder andere markante und synoptisch spannende
Wetterereignis für uns bereit. Während auf der kalten Seite durchaus Potenzial
für markante Schneefallereignisse besteht, dürfte die Kombination von teilweise
ergiebigem Regen und Wind oder gar Sturm auf der warmen Seite für vorübergehend
bis in die Kammlagen durchgreifendes Tauwetter sorgen.

Die Detailprognose der mittelfristigen Wetterentwicklung gestaltet sich
schwierig, so viel sei schon mal vorweggenommen. In erster Näherung lassen sich
zwei treibende Kräfte der hiesigen Großwetterlage ausmachen: Zum einen wäre da
der mit reichlich Kaltluft angefüllte Höhentiefkomplex, der im Laufe der
Mittelfrist gerne nach Süden in Richtung Mitteleuropa ausbrechen möchte. Zum
anderen wäre da die vorübergehende Zonalisierung über dem Nordatlantik. Der
relativ weit südlich verlaufende Rossbywellenzug greift mitsamt teils kräftiger
Tiefdruckgebiete auf West- und Mitteleuropa über und interagiert dabei mit einer
über dem tropischen und subtropischen Atlantik lagernden, extrem warmen und
feuchten Luftmasse. Da wir genau in der "Kampfzone" der synoptischen Gebilde und
Luftmassen liegen, verwundert es nicht, dass schon kleinste Modifikationen der
Druckkonstellation sowohl von Modell zu Modell als auch von Modelllauf zu
Modelllauf jüngst zu signifikanten Unterschieden in Ausprägung und Position der
Luftmassengrenze führten. Eine Detailprognose ist demnach nicht zielführend.
Dennoch soll - auf Basis des jüngsten IFS00Z Laufes - eine Art "Grundrezept"
vorgestellt werden.

Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag und Freitag vollzieht sich die
Zonalisierung über dem Nordatlantik, in dem mehrere Kurzwellentröge aus dem
Höhentrog mit Kern über der Labradorsee herauslaufen und den ehemals
monumentalen Rücken über Westeuropa zunehmend abhobeln bzw. in seinem Mittelteil
durchstoßen. Einer der Kurzwellen schafft es am Freitag an die Südflanke des o.
e. skandinavischen Höhentiefkomplexes und wird als Randtrog in der
nordwestlichen Höhenströmung schließlich über Mitteleuropa südostwärts
gesteuert. Gleichzeit stößt an der Ostflanke des aus dem Rücken hervorgehenden
Höhenhochs südlich von Island Kaltluft vom Nordmeer in die Nordsee vor und formt
dort einen weiteren Randtrog. Das mit erstem Randtrog korrespondierende Tief
zieht nach IFS-Lesart von den Britischen Inseln quer über die nördliche Mitte
Deutschlands ostwärts. An der Südflanke wird mit strammer Westströmung milde
Meeresluft herangeführt. T850 steigt in der Südhälfte von Südwesten her
vorübergehend auf +1 bis +3 Grad an, um durch Hebung und Niederschlagsabkühlung
wieder auf Werte um 0 Grad abzusinken. Die mit übergreifender Warmfront von
Südwesten aufkommenden Niederschläge gehen somit nach und nach bis in die
Kammlagen der Mittelgebirge in Regen über. Beim Übergang von Schnee zu Regen ist
vor allem in geschützten Tallagen Glatteis nicht ausgeschlossen. Bevor das
Tauwetter durchgreift können in den Hochlagen der Mittelgebirge zuvor aber
nochmal 5-10 cm, in den Alpen oberhalb 1000-1500 m auch über 20 cm Neuschnee
zusammenkommen. Insbesondere im Schwarzwald akkumulieren sich die
Niederschlagsmengen 48-stündig mit hoher Wahrscheinlichkeit auf 40 bis 60 l/qm,
sodass unter Berücksichtigung des Schmelzwassers mit einem markanten, eventuell
sogar unwetterartigen Niederschlagsdargebot gerechnet werden muss. Auch in den
übrigen Mittelgebirgen sind markante Abflussmengen im Bereich des Möglichen. Dem
Tauwetter zuträglich dürfte auch der Wind sein, der im Warmsektor stark böig
auffrischt. Im Bergland sind Böen Bft 8-9 wahrscheinlich, im Tiefland nicht
ausgeschlossen. Auf Mittelgebirgs- und Alpengipfeln ist mit Böen Bft 10-11 zu
rechnen. Im Gegensatz dazu bleibt nördlich des Tiefs Kaltluft wetterbestimmend,
T850 liegt dort von Nord nach Süd zwischen -8 und -1 Grad. Am Nord-/Nordostrand
des Niederschlagsgebietes fällt - bei sich einstellender niedertroposphärischer
Isothermie - durchweg Schnee, allerdings wahrscheinlich nicht sehr ergiebig.
Dennoch sollte sich in Teilen der Norddeutschen Tiefebene eine dünne, nasse
Schneedecke ausbilden können.

Am Wochenende zieht der Randtrog mit korrespondieredem Tief ostwärts ab.
Rückseitig dreht die Strömung folgerichtig auf nördliche Richtungen, sodass die
Luftmassengrenze als Kaltfront südwärts schwenkt und nun auch weite Teile
Süddeutschlands wieder von skandinavischer Kaltluft geflutet werden können (T850
auf -7 bis -10 Grad sinkend). Fraglich ist noch, wie eine weitere atlantische
Kurzwelle mit dem o.e., von der Nordsee nach Mitteleuropa schwenkenden Randtrog
interagiert und in wie weit die Kaltfront vor allem am Samstag dadurch nochmal
zurückhalten werden kann. Je nach dem könnte es über dem Süden oder gar in der
Mitte nochmal zu einem Schwung ergiebiger Niederschläge kommen, die dann
zunehmend als Schnee fallen. Nach IFS00Z schleift die Kaltfront weit im Süden
bzw. an Alpen, wo zumindest in höheren Staulagen markante Neuschneemengen zu
erwarten sind. In den übrigen Regionen stehen mit Übergreifen des mit reichlich
Höhenkaltluft (IFS <-40 Grad auf 500 hPa!) angefüllten Höhentroges von der
Nordsee Schnee- und/oder Graupelschauer, vielleicht sogar einzelne
Wintergewitter auf dem Programm.


Im Laufe des Sonntags sowie am Montag beruhigt sich das Wetter mit Annäherung
eines Rückens von Westen vorübergehend. Markant ist dann allenfalls noch der
mitunter strenge Frost über Schnee in höheren Mulden.

In der erweiterten Mittelfrist rennen von Westen neue atlantische Tiefs mit
milder Luft gegen den nordosteuropäischen Kälteblock an. Wie erfolgreich, ist
unklar. Von Schnee, über gefrierenden Regen und erneut durchgreifendes Tauwetter
ist alles möglich.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der jüngsten IFS-Modellläufe ist bis Samstag insgesamt als gut zu
bezeichnen.
Ab Samstag divergieren die Berechnungen etwas stärker. In den beiden neuen
IFS-Läufen (gestriger 12Z und heutiger 00Z) wird Deutschland schneller von der
skandinavischen Kaltluft geflutet, während der gestrige 00Z-Lauf die
Luftmassengrenze mit entsprechend ergiebigen Regen- und Schneefällen noch 1-2
Tage länger über Deutschland beließ.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Schon zu Beginn der Mittelfrist zeigen sich signifikante Unterschiede bezüglich
der Geopotenzial- und Druckverteilung. Bei GFS verlagert es sich das Tief am
Donnerstag/Freitag auf deutlich nördlicherer Zugbahn über Nord- und Ostsee,
sodass ganz Deutschland vorübergehend in den "Genuss" von Regen und milder Luft
kommt. Zudem wird es deutlich stärker simuliert (Kerndruck bei GFS rund 10 hPa
niedriger), sodass eine landesweite Sturmlage ins Haus stünde. Bei ICON bleibt
das Tief über der Nordsee, sodass zumindest der äußerste Nordosten noch etwas
länger in der Kaltluft bliebe.
Für das Wochenende divergieren die Modellberechnungen weiter. Bei GFS würde
Deutschland rückseitig des abziehenden Sturmtiefs zwar auch von Kaltluft
geflutet werden, allerdings lässt die nordwestliche Anströmung eine eher
moderate Kaltluft vermuten, zudem fehlt die in IFS so markante Höhenkaltluft.
ICON sieht komplett anders aus. Das deutsche Modell betont die neue, atlantische
Kurzwelle deutlich stärker und lässt ein Sturmtief entstehen, das von Frankreich
nach Norddeutschland zieht. Die Folge? Erst Sturm und Regen, rückseitig später
dann auch Kaltluft, allerdings ohne signifikante Schneefälle.
Fazit: IFS ist bezüglich Kälte und Schnee am offensivsten, ICON und GFS betonen
die Sturmlage stärker, auch wenn mit völlig unterschiedlichem Timing.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Member des IFS-EPS folgen mehrheitlich dem deterministischen Lauf.
Allerdings zeigen immerhin 1/3 Member einen Warmluftvorstoß zwischen Donnerstag
und Samstag bis in den Norden und Nordosten, die übrigen 2/3 bleiben auf
niedrigem, oft sogar leicht absinkendem Niveau. Den Kaltluftvorstoß zum
Wochenende sehen ebenfalls fast alle Member, allerdings mit recht
unterschiedlicher Ausprägung und unterschiedlichem Timing. Der deterministische
Lauf ist bezüglich Ausprägung und Timing auch innerhalb des hauseigenen EPS mit
am progressivsten. Eine nicht zu vernachlässigende Anzahl an Membern lassen die
Kaltluft erst verzögert und abgeschwächt im Laufe des Wochenendes einfließen. In
der erweiterten Mittelfrist wird mehrheitlich ein landesweit deutlicher Anstieg
von T850 simuliert.

Bezüglich der Niederschlagssignale zeigt sich einheitlich ein Maximum
Donnerstag/Freitag. Ein sekundäres Maximum findet sich zudem am Samstag, wobei
dieses von einigen Membern im Gegensatz zum Hauptlauf nicht nur im Süden,
sondern auch in der Mitte gesehen wird. Am Sonntag und Montag gehen die Signale
schließlich überall deutlich zurück, um ab Dienstag wieder zuzunehmen.

Im Hinblick auf den Wind folgt der deterministische Lauf bis Freitag ziemlich
genau dem Median. Insbesondere im Süden ist ein deutlicher Peak zu erkennen. Am
Samstag und Sonntag läuft der Median landesweit auf ein weiteres relatives
Maximum zu, was vom deterministischen Lauf nicht oder nur bedingt getragen wird.


FAZIT: Die Luftmassengrenze am Donnerstag/Freitag irgendwo quer bzw. diagonal
über Deutschland mit Schnee auf der einen und Regen/Tauwetter/Sturm auf der
anderen Seite ist schon ein durchaus nicht unwahrscheinliches Szenario. Dass
sowohl GFS als auch ICON im Verlauf eine durchgreifende Milderung rechnen und
dies von immerhin 1/3 der EPS-Member gestützt wird, gibt aber zu denken und
zeigt, dass das letzte Wort definitiv noch nicht gesprochen ist. Infolgedessen
kann auch eine landesweite Sturmlage, sei es am Donnerstag/Freitag oder am
Wochenende, nicht ausgeschlossen werden. Auch markante Schneefallereignisse, die
nicht nur den Süden und die Staulagen, sondern auch weiter nördlich gelegene
Landesteile erfassen, sind noch nicht vom Tisch.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


STURM:
Am Donnerstag in den südlichen, am Freitag auch in den zentralen Mittelgebirgen
Sturmböen, im Süden und in den Alpen auf Gipfeln schwere Sturmböen und exponiert
orkanartige Böen wahrscheinlich.
Am Freitag stürmische Böen im süddeutschen Tiefland gering wahrscheinlich.

SCHNEE:
Am Donnerstag in Hochlagen der Alpen (>1000-1500 m) markante Neuschneemengen
wahrscheinlich, in Hochlagen der Mittelgebirge (insbesondere der östlichen)
dagegen nur gering wahrscheinlich.
Am Samstag in der Mitte und im Süden, speziell in höheren Lagen und in den Alpen
markante Neuschneemengen möglich.

TAUWETTER:
Am Donnerstag und Freitag im Schwarzwald Tauwetter mit markanten Abflussmengen
wahrscheinlich, Unwetter nicht ausgeschlossen. In Staulagen der Mittelgebirge
Dauerregen und/oder Tauwetter gering wahrscheinlich.

GLATTEIS:
Bei Übergang von Schnee zu Regen insbesondere am Donnerstag örtliches Glatteis
besonders in geschützten Tallagen der Mittelgebirge nicht ausgeschlossen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, EZ-MOS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser