DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

24-01-2021 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 24.01.2021 um 10.30 UTC



Sehr wechselhaft bei stark schwankender Schneefallgrenze. Im Südwesten mild mit
Tauwetter und teils sehr windig.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 31.01.2021


Die Mittelfrist kann insgesamt als sehr wechselhaft und zeitweise windig bis
stürmisch bezeichnet werden. Allerdings muss festgehalten werden, dass dieser
Vorhersagezeitraum dieses Mal als ausgesprochen unsicher bezeichnet werden muss.


Beginnend in der Stratosphäre ergeben sich weiterhin große Fragezeichen
bezüglich der Kopplung zwischen dem Wirbel in der Stratosphäre (SPW) und der
Troposphäre (TPW). Wiederholt zu erwartende Wärmeflüsse aus dem asiatischen
Sektor erlauben weiterhin keine durchgreifende Regeneration des Wirbels. Dieser
liegt zum Beginn der Mittelfrist in 10 hPa im Umfeld der Laptew- und Karasee,
sollte sich jedoch die Mittelfrist über rasant in Richtung Grönland verlagern,
während eine umfangreiche Antizyklone über dem nordpazifischen Sektor dieses
"displacement" des SPW forciert. Ähnliches ist auch bis hinunter zum
Übergangsbereich SPW zum TPW auszumachen, wenngleich dort der Wirbel weiterhin
recht schwach ausgeprägt ist. Interessant ist, dass wenigstens das GEFS eine
Kopplung zum Beginn der Mittelfrist andeutet.
Soweit so gut. Allerdings hat die Numerik massive Probleme bei der Druckprognose
im gesamten arktischen Bereich. Das zeigt sich in markanten Lauf-zu-Lauf
Diskrepanzen der Druckminima von teils mehreren hundert Kilometern, sowie
wiederholt stark wechselnden cross-polaren Kälteflüssen vom asiatischen Sektor
zunächst in den kanadischen, mittlerweile verstärkt in den
skandinavischen/sibirischen Bereich (womöglich Folgen der angedeuteten Kopplung
zwischen SPW und TPW?). Auch beim Blick auf den Ensemblespread ergeben sich
rasch so nachhaltige Unsicherheiten, dass jegliche Detailarbeit obsolet wird.

Was aber auffällt in der Troposphäre ist eine Zunahme der Wellenzahl mit
vergleichsweise kurzen Amplituden und somit erhöhter Progressivität. Ausgelöst
bzw. forciert wird dieser Wellenzug durch wiederholt auftretende positive
Anomaliemaxima im 500 hPa Geopotenzialfeld im Umfeld der Aleuten. Diese wandern
zügig über Nordamerika nach Osten, allerdings auf einer recht südlichen Zugbahn.
Dies wiederum ist anormal hohem Geopotenzial über dem kanadisch-arktischen
Archipel geschuldet oder anders ausgedrückt einer retrograd nach Westen
versetzten negativen NAO-Anomalie, die sogar zunehmend soweit westlich ansetzt,
dass die berechnete NAO allmählich in Richtung 0-Linie rutscht. Der/die NAM/AO
jedoch verbleiben im negativen Bereich, wobei die Memberstreuung zum Ende der
Mittelfrist dramatisch zunimmt, was aber mit der Verlagerung des TPW in Richtung
Grönland zusammenhängen könnte, denn diese Entwicklung sorgt in der Nähe zum
Nordpol für dann einsetzend fallendes Geopotenzial.

Dieser südlich ansetzende Rossbywellenzug interagiert nun die Mittelfrist über
mit einer Luftmasse über dem östlichen tropischen und subtropischen Atlantik,
die mit Blick auf das Modellklima ausgesprochen warm ist (u.a. hervorgerufen
durch weitläufig positive Anomaliewerte der Wasseroberflächentemperatur, aber
auch durch Reste einer bis vor kurzem vorherrschenden intensiven subtropischen
Antizyklone über den Kanaren, die kräftig Wüstenluft nach Westen advehierte und
durch Subsidenz weiter erwärmte). Diese Luftmasse wird zwischen den kräftigen
Atlantiktiefs und einer sich nur zögernd abschwächenden Antizyklone über Marokko
nach Nordosten geführt. Zwar kühlt sich die Luftmasse durch Hebung etwas ab,
dennoch können die Mittelfrist über im Südwesten und Süden Europas 850 hPa
Temperaturwerte von 10-15 Grad erwartet werden. Der EFI unterstreicht die
ungewöhnliche Wärme Südwesteuropas mit Werten von 0.8-1 und einem SOT von teils
über +1. Schaut man sich die entsprechenden CDFs an, so erkennt man sehr steile
Verläufe (Anzeichen für hohe Sicherheit) im Rekordbereich. Auch die EFI 2m Werte
(wöchentlich gemittelt) liegen diese Mittelfrist über zwischen der Iberischen
Halbinsel und Nordafrika zwischen 0.8 und 1 und an Hand ausgewählter Meteogramme
befinden wir uns jenseits des 99-iger Perzentils. Oder anders ausgedrückt:
Rekordwerte sind besonders in Spanien und über Nordafrika möglich.

Am Westrand dieser warmen Luftmasse wird im Zuge der regen atlantischen
Tiefdruckaktivität ein ausgeprägter sog. "Atmosphärenfluss" initiiert, der mit
vorhergesagten integrierten Wasserdampfwerten von 30-40 mm viel Feuchte in
Richtung West- und teils auch Mitteleuropa führt. Bedeutet, dass die von Westen
hereinschwenkenden Tiefdruckgebiete Anschluss an eine anormal warme und feuchte
Luftmasse haben und somit üppiger Niederschlag für Teile West- und Mitteleuropas
ein Thema wird. Dabei liegt der die Mittelfrist über gemittelte EFI beim
Niederschlag über Süddeutschland bei 0.7 mit Medianwerte nahe des 90-iger
Perzentils.

Bis hierhin ist die Vorhersage in den vergangenen Tagen vergleichsweise
persistent gewesen. Seit gestern hat sich jedoch die Unsicherheit für die
deutsche Mittelfrist erhöht, da die Kaltluft über Grönland und Skandinavien
sukzessive weiter nach Süden ausgreift und somit die von Westen nach Deutschland
hereinschwenkenden Tiefdruckgebiete auf einer südlicheren Zugbahn als bisher
erwartet nach Osten schickt. Bedeutet, dass wir eine breit aufgestellte und
stark schwankende Luftmassengrenze haben, die zeitweise die warme Atlantikluft
nach Deutschland drückt, dann aber auch wieder kalte Polarluft von Skandinavien
wenigstens nach Norddeutschland einsickern lässt. Ausgelöst wird diese
Unsicherheit u.a. durch die variabel (bezüglich Lage und Intensität) berechneten
atlantischen Tiefdruckgebiete, die von Lauf zu Lauf teils um mehrere hunderte km
wechseln (z.B. die Zyklone vom 28. Januar über Nordwesteuropa, die mal über
Irland, mal über der Nordsee gesehen wird, was u.a. advektiv natürlich bedeutend
ist). Da vom IFS die normalisierte Standardabweichung im Bodendruckfeld mehr
oder weniger über ganz Europa hohe Werte aufweist und die jeweiligen
Protagonisten sich teils noch nicht mal entwickelt haben, wird es auch weitere
Verschiebungen geben. Zudem wird die Antizyklone über Skandinavien immer stärker
gerechnet, was grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit einer markanten
Luftmassengrenze über dem nördlichen Mitteleuropa oder südlichen Nordeuropa
erhöht.

Wegen dieser neuen Tendenz wird diese Mittelfrist auf die beiden letzten
IFS-Läufe aufgebaut und recht allgemein gehalten, denn mit weiteren
Überraschungen ist zu rechnen.

Zum Beginn der Mittelfrist (von Mittwoch bis Sonntag, den 27.1. bis 31.1.),
bringt eine erste Front aus West der Mitte und dem Süden Schnee, wobei die
Warmfront immer aktiver berechnet wird (Hebung dürfte überschaubare Advektion
überkompensieren), sodass mit Schneefällen zu rechnen ist, die im Süden, Osten
und der Mitte einige Zentimeter, im Bergland auch teils markante Neuschneemengen
bringen dürfte. Nach Norden verläuft der Tag insgesamt trockenere (geringes
Schauerrisiko).

Doch bereits am Donnerstag greift die Zonalisierung in Form einer markanten
Warmfront aus West voll durch und bereits hier ergeben 20 hPa Lauf-zu-Lauf
Unterschiede massive Unsicherheiten (der neueste IFS-Lauf bringt in der Nacht
zum Freitag ein 988 hPa Tief nach Nordwestdeutschland, während der Vorlauf eher
eine Welle andeutete). Am sichersten ist noch die Aussage, dass im Tagesverlauf
von Westen skalige Niederschläge auf Deutschland übergreifen, die über der Mitte
und ostwärts zunehmend in Schnee übergehen. Je nach Ausprägung des Bodentiefs
kommt die Warmfront eher schleifend oder zügig nach Osten voran, was alles
Auswirkungen auf die Schneeakkumulation und die Wind- und Temperaturverteilung
hat. Im Südwesten und Westen wird es mit teils bis +10 Grad bereits sehr mild,
nach Osten zu bleibt es nass-kalt und der Wind frischt je nach Druckgradient und
Zugbahn bevorzugt über der Mitte und dem Süden stark auf mit Sturm im Bergland
(Spielraum bezüglich der Intensität nach oben und unten, was mit Blick auf die
anderen Modelle unterstützt wird).

Folgen wir dem jüngsten Lauf, dann würde am Freitag im Norden mit viel Wind und
Schnee ein winterlicher Tag ins Haus stehen, während es sonst im breiten
Warmsektor über der Mitte und dem Süden bei zeitweiligen Regenfällen und Maxima
von +4 bis +9 Grad nass und mild werden würde. Dabei deuten sich in der feuchten
Luftmasse im Stau des Schwarzwaldes besonders am Donnerstag und mit geringeren
Wahrscheinlichkeiten am Freitag markante Dauerregenmengen bzw. ein markantes
Niederschlagsdargebot an.

Zum Wochenende sollte die Luftmassengrenze sukzessive nach Süden vorankommen und
daran ablaufende Tiefdruckgebiete würden der Mitte und dem Süden teils kräftige
Schnee- oder Regenfälle bescheren, abhängig von der Lage zu den
Tiefdruckgebieten (maximale Schneefallmengen im Scheitel/Okklusionsbereich der
Wellen und Zyklonen). Dabei klopft im Norden teils die -11 Grad in 850 hPa an,
während an den Alpen die +2 oder +3 Grad verweilt.

Es muss wohl nicht gesagt werden, dass bei der aktuellen Tendenz eines
kräftigeren nordeurop. Kaltluftkörpers und der von Westen hereinziehenden regen
Tiefdrucktätigkeit das Potenzial für Überraschungen jeder Art sehr hoch ist -
von frühlingshaften Nachmittagsstunden im breit aufgespannten Warmsektor im
Südwesten über anhaltende Regenfälle entlang der Luftmassengrenze bis hin zu
regional tief winterlichen Bedingungen im Scheitel-/Okklusionsbereich der Wellen
und Zyklonen. Für weitere Feinheiten ist es aber definitiv noch zu früh.

Südseitig der möglichen Luftmassengrenze soll natürlich auch auf die wiederholt
auftretenden Regenfälle hingewiesen werden, die die Mittelfrist über akkumuliert
in Staulagen teils bis zu 100 l/qm Regen bringen (exklusive Abtauen!) und auch
sonst zwischen den zentralen Mittelgebirgen und Alpen für 30-60 l/qm Nass gut
sind. Die Pegelvorhersagen der Flüsse reagieren bereits mit Ausschlägen teils
bis in den 2-/5-jährigen Bereich eines Hochwassers.

Und die erweiterte Mittelfrist? Die Tendenz zu einer markanten Luftmassengrenze
erhöht sich, aber aus aktueller Sicht eher nördlich von Mitteleuropa. Somit
würde die erweiterte Mittelfrist wechselhaft und mild verlaufen - aber warten
wir es einfach mal ab.
__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Güte der vergangenen 3 IFS-Läufe kann insgesamt als "gut" bezeichnet werden.
Dabei wird einheitlich die beginnende Zonalisierung angedeutet, allerdings mit
teils erheblichen Diskrepanzen beim Blick auf die in die Strömung eingebetteten
Kurzwellen. Diese Wellen und einhergehend Bodentiefs und Fronten gestalten das
Wetter sehr wechselhaft. Da sich über Deutschland eine Luftmassengrenze aufbaut,
fallen diese Niederschläge teils als Schnee oder Regen, wobei jedoch
Detailfragen noch nicht geklärt werden können.
__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Beim Vergleich der weiteren internationalen Modelle ist recht zügig ein
Phasenversatz einzelner Wellen zu erkennen, sodass hier trotz der Gesamttendenz
zu West-zyklonal den Modellen eine größere Unsicherheit bescheinigt werden muss.
Zusammengefasst wird die Mittelfrist wechselhaft und teils windig verlaufen,
weitere Aussagen lassen sich dank der teils eklatanten Bodendruckschwankungen
jedoch keine treffen. Tendenziell wird es aber auch hier im Südwesten deutlich
milder als im Nordosten mit einem Niederschlagsschwerpunkt im Süden und ggf.
auch über der Mitte.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Cluster spiegeln die unsichere Entwicklung mit durchweg 5 Clustern während
der Mittelfrist wider. Es dominiert das klimatologische Regime "negative NAO"
und sowohl Kontroll- als auf der det. Lauf suchen sich ihre eigenen Cluster
während der Mittelfrist variabel heraus.
Das große Problem scheint u.a. zu sein, wo sich nachhaltig positive
Geopotenzialanomaliebereiche ausbilden können, wobei die im Umfeld des
kanadisch-arktischen Archipels noch am deutlichsten auszumachen ist. Zudem
deuten die Cluster auch zunehmend eine Blockierung im Bereich Ural-Asien an,
sodass die Option eines sich in diesen Bereichen ausdehnenden Kaltluftkörpers
zunehmen. Was auch in den meisten Clustern zu erkennen ist, dass der Einfluss
des Atlantiks bei uns vorerst zu überwiegen scheint und somit der Zustrom milder
Atlantikluft andauern dürfte. Auch die in der Mittelfrist beschriebene Abkühlung
über Skandinavien ist noch fraglich, wie standhaft sie dem Atlantik gegenüber
sein wird. Die meisten Cluster deuten eher auf eine temporäre Episode hin.

Die Meteogramme in Deutschland zeigen bereits ab Donnerstag eine zunehmende
Streubreite der Member mit Blick auf die Temperatur, was der Option einer
Luftmassengrenze geschuldet sein dürfte. Dabei fällt aber auf, dass die meisten
Member aktuell eine eher weit nach Norden durchgreifende Warmluftadvektion
bevorzugen, während der det. Lauf eher auf der kalten Seite liegt. Überall wird
ein sehr wechselhafter Wetterabschnitt gezeigt, wobei auch immer wieder Member
Schneeoptionen zeigen. Die Rauchfahnen der 850 hPa Temperatur und des 500 hPa
Geopotenzials streuen zum Ende der kommenden Woche ebenfalls stark, was die
allgemeine Unsicherheit dieser Mittelfrist hervorhebt.
_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


NEUSCHNEE:
Am vergleichsweise sichersten sind noch die markanten Neuschneemengen von
Mittwoch auf Donnerstag am Alpenrand (10-30 cm) und ggf. entlang des Bayerischen
Waldes (10 bis 15 cm) jeweils in 24h.

In der Folge gibt es tagtäglich das Potenzial für strichweise markante
Neuschneemengen, wobei die Platzierung jedoch von der Zugbahn der Wellen bzw.
der Tiefdruckgebiete abhängt.

WIND:
Besonders im Bergland Süddeutschlands und teils auch über den zentralen
Mittelgebirgen treten Sturmböen Bft 9 aus West auf. Exponiert sind auf den
Alpengipfeln zeitweise auch schwere Sturmböen bis Orkanböen möglich (Bft 10 bis
12). Die Ausprägung der Windmaxima hängt von den jeweiligen
Wellen/Tiefdruckgebieten ab. Somit ist auch im Tiefland Süddeutschlands
zeitweise stürmischer Wind aus West wenig wahrscheinlich.

DAUERREGEN/TAUWETTER:
Besonders am Donnerstag können im Stau des Schwarzwaldes markante
Dauerregenmengen um 30 l/qm/24h fallen. Hierbei ist das Schmelzwasser nicht
inbegriffen, was bei einer Schneefallgrenze von wohl deutlich über 1500 m zu
berücksichtigen ist.
In der Folge treten wiederholt Niederschläge auf, wobei das
Niederschlagsdargebot regional für eine markante Warnung ausreichen könnte. Die
Unsicherheit der Niederschlagsschwerpunkte macht jedoch eine feinere Aussage
noch nicht möglich.

GLATTEIS:
Im Falle einer schleifenden Luftmassengrenze kann regional GLATTEIS durch
gefrierenden Regen nicht ausgeschlossen werden. Diese Option ist jedoch aus
aktueller Sicht nur gering wahrscheinlich.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, IFS, GEFS und MOSMIX
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy