DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-01-2021 09:01
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 22.01.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TrW

In der Mitte nachlassende stürmischen Böen und Sturmböen. In den Alpen in der
Nacht zum Samstag Föhnzusammenbruch. In der Nacht zum Samstag und am Samstag im
Süden und Südosten Schnee, dort im Bergland markante Neuschneemengen und
Schneeverwehungen möglich. Lokal Schnee-Unwetter nicht ausgeschlossen. Auch in
der Folge im Bergland kräftige Schneefälle möglich, gebietsweise stark windig,
nachts verbreitet Frost und auch abseits von Schnee Glätte möglich.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegen weite Teile Westeuropas unter einem großräumigen
Langwellentrog. Dieser weist ein Höhentief über der Südwestküste Norwegens auf.
Das Höhentief verlagert sich im Tagesverlauf etwas nach Nordosten und somit ins
Landesinnere, an der Dominanz des Troges selbst ändert dies jedoch nichts. Im
südlichen Bereich des Langewellentroges lässt sich über der Biskaya die
Trogachse gut erkennen, sie greift bis zum Abend auf Frankreich und das
westliche Mittelmeer über, wobei sich über den Seealpen ein zweites,
kleinräumiges Höhentief bildet. Deutschland, auf der Vorderseite des
Langwellentroges positioniert, liegt dabei ganztags unter einer südwestlichen
bis südlichen Höhenströmung. Im Bodendruckfeld korrespondiert mit dem steuernden
Höhentief - weitgehend senkrecht unter diesem positioniert und damit kein
dynamisches Entwicklungspotential mehr aufweisend - ein ausgedehntes Tief. Im
Tagesverlauf füllt es sich etwas auf (Kerndruck am Abend knapp unter 970 hPa,
bei einem Kerndruck von aktuell noch unter 965 hPa) und zerfleddert, mit anderen
Worten zum Abend hin soll es mehrere kleine Kerne aufweisen. Während dieses Tief
die Strömung maßgeblich steuert, wandert im Tagesverlauf ein kleinräumiges Tief
von der Loire-Mündung nach Süddeutschland. Dort intensiviert es sich im Lee der
Alpen, so dass seine Konturen deutlicher zu Tage treten. Das Frankreichtief ist,
wie auch ein kleines Tief über Schleswig-Holstein und Dänemark, in einen
Frontenzug eingebettet, der ursprünglich dem steuernden Zentraltief zuzuordnen
war. Über Nordosteuropa zeigt dieser Frontenzug jedoch schon deutliche
Auflösungserscheinungen, so dass seine markantesten Strukturen über Mitteleuropa
zu finden sind. Im Radarbild aktuell als scharfe Linie zu erkennen, zieht die
Front zögerlich über Deutschland hinweg nach Südosten, wird aber im Tagesverlauf
über dem Süden durch das Frankreichtief zurückgehalten. Somit kristallisiert
sich für den Vormittag als Niederschlagschwerpunkt ein breiter Streifen von der
Eifel und der Saar bis nach Thüringen heraus, in dem in 6 Stunden lokal auch
über 10 l/qm an Niederschlag fallen können. Der scharfe Temperaturgradient
(850er Temperaturen im Süden bis 7 Grad, im Nordwesten nur -3 Grad) sorgt
postfrontal für ein rasches Absinken der Schneefallgrenze auf etwa 400 bis 600m,
so dass in den Hochlagen der Regen in Schnee übergehen wird, was allerdings wohl
nur oberhalb von 600m für die Ausbildung einer Schneedecke rechen sollte. Am
Abend ist die Front dann etwa vom Schwarzwald in Richtung Lausitz orientiert,
wobei sich der Streifen des kräftigsten Niederschlages, bei zögerlicher
Abschwächung der Niederschlagsintensität, vom Schwarzwald und der Saar nach
Thüringen erstreckt. Die Front ist aber nicht nur im thermischen Feld sehr gut
zu erkennen, sie trennt auch einen scharfen präfrontalen Gradienten von einem
aufgefächerten postfrontalen. Somit weht der Wind frontvorderseitig kräftig, im
Flachland gibt es steife Böen, auf den Bergen Sturmböen, auf dem Borken Orkan.
Mit dem Druckfall über Süddeutschland wird der Gradient aber auseinandergezogen,
so dass der Wind nachlässt. Eine Ausnahme bilden die Küstenregionen, wo der
Gradient eher anzieht und zunehmend steife, unmittelbar an der Küste auch
stürmische Böen und Sturmböen auftreten. Dabei steigen die Temperaturen im
Markgräfler Land auf bis zu 16 Grad, in der Eifel werden in Hochlagen dagegen
nur um 4 Grad erreicht.

In der Nacht zum Sonntag kommt die Trogachse weiter nach Osten voran, sie greift
dabei zum Morgen auf den äußersten Südwesten über, das kleinräumige Höhentief
zieht dabei nach Oberitalien. Ihm folgt im Bodendruckfeld ein flaches Tief, das
sich bei seinem Weg nach Osten etwas intensiviert. Das kleinräumige Tief über
Süddeutschland verlagert sich über das Böhmische Becken hinweg zum
Riesengebirge. Es sorgt für Niederschläge in weiten Teilen des Südens und
Mitteldeutschlands. Dabei liegt die Schneefallgrenze von Baden bis nach
Thüringen schon zu Beginn der Nacht schon bei etwa 400m, so dass dort in den
höheren Lagen Schnee zu erwarten ist. Im Südosten dagegen ist die
Schneefallgrenze zu Beginn der Nacht noch bei deutlich über 1000m (bis 1500m) zu
finden und fällt erst mit der Verlagerung des kleinräumigen Tiefs in der zweiten
Nachthälfte bis in tiefe Lagen ab. Neuschneemengen um 10cm sind dabei im
Thüringer Wald, im Erzgebirge, im Schwarzwald und auf der Alb sowie an den Alpen
denkbar, an den Alpen kann es in höheren Lagen auch um 15cm geben. Rückseitig
der Front und des kleinräumigen Tiefs schiebt sich von Südwesten her ein
Bodenkeil herein. Dieser verzögert die Verlagerung eines Tiefs, das vom Atlantik
zum Westausgang des Ärmelkanals zieht, er sorgt im Westen und zunehmend auch im
Südwesten aber auch für eine Wetterberuhigung. Über dem Norden fächert der
Gradient deutlich auf, so dass der Wind auch dort in die Knie geht. Warnwürdige
Böen sind dann nur noch im südlichen Bayern und bis herüber zum Bodensee zu
erwarten, also dort, wo zwischen dem Bodenkeil und dem böhmischen Tief der
Gradient anzieht und der Leitplankeneffekt an den Alpen den Wind verstärkt - was
dann auch Schneeverwehungen nach sich ziehen kann. Auf der Rückseite des Tiefs
kommt in 850 hPa auch im äußersten Südosten die Null-Grad-Isotherme an, zum
Morgen liegen die entsprechenden Werte zwischen -1 und -4 Grad. Das lässt
Tiefstwerte von 2 bis -3 Grad erwarten, neben Schneeglätte gibt es gebietsweise
auch Glätte durch Reif.

Samstag... bleibt der Langwellentrog in 500 hPa das dominierende
Geopotentialgebilde. Durch in seine Rückseite hineinlaufende Kaltluft wird er
regeneriert, was auch zur Ausbildung einer neuen markanten Achse führt. Diese
greift von der Biskaya her auf Frankreich über und erreicht zum Abend das
Elsass. Damit überläuft die Trogachse das kleinräumige, vom Ärmelkanal nach
Luxemburg ziehende Tief. Dieses hat in der Folge einen über den Tag betrachtet
recht gleichbleibenden Kerndruck von etwas unter 990 hPa. Der dem Tief
vorlaufende Bodenkeil flacht ab und wird ins östliche Mitteleuropa geführt.
Damit ergibt sich zum Abend das Bild einer Tiefdruckamöbe, die mit mehreren
Kernen ein Gebiet von Island bis zur Adria und von Lappland bis zum nahen
Ostatlantik überspannt. Bezüglich des Windes ist diese Konstellation recht
entspannt, zu Tagesbeginn kann es in den Hochlagen des Südostens, zum Tagesende
in den Hochlagen des Südwestens stürmische Böen geben, sonst ist diesbezüglich
nicht viel zu erwarten. Interessanter ist da schon der Blick auf den Schneefall.
Denn durch das böhmische bzw. Riesengebirgstief, das im Tagesverlauf über den
Westen Polens bis zur zentralen Ostsee zieht, wird insbesondere in der ersten
Tageshälfte feuchte Luft von Südosten her nach Mitteldeutschland und dann
Richtung Erzgebirge, Elbsandsteingebirge und Zittauer Gebirge gesteuert. Das
entsprechende Aufgleiten auf die dort inzwischen liegende Kaltluft sorgt für
Hebungsprozesse und Niederschläge, die oberhalb von etwa 200m als Schnee fallen
sollten. Bei den Niederschlagsschwerpunkten sind sich die Modelle noch nicht
einig. EURO4 setzt, wie auch GFS, die stärksten Niederschlagssignale an den
Nordstau des Erzgebirges, ICON an den Nordstau des Elbsandstein- und des
Zittauer Gebirges. Einigkeit herrscht dagegen bei den Mengen: 15 bis 20 cm in 6
Stunden sollen in der Spitze möglich sein, was dann sogar eine Unwetterwarnung
nach sich ziehen könnte. Ansonsten fallen in der Lausitz 5 bis 10cm, in
Thüringen und in der Osthälfte Bayerns einige wenige cm Neuschnee. Während die
Schneefälle im Osten im Tagesverlauf rasch nachlassen und es in den westlichen
Landesteilen und über der Mitte zu Schauern kommt, die je nach Unterstützung
durch Troganteile auch mal häufiger und kräftiger ausfallen können, ziehen in
der zweiten Tageshälfte mit dem kleinräumigen Frankreichtief in den Südwesten
neue, allerdings recht schwache Schneefälle. Damit frischt in den Hochlagen des
Südwestens der Wind auch wieder mit steifen bis stürmischen Böen auf. Die
Höchstwerte bewegen sich in einer Spanne von 1 bis 9 Grad.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich das kleinräumige Tief von Luxemburg bis
nach Thüringen. Der Schwerpunkt der damit verbundenen Niederschläge liegt über
der Mitte Deutschlands. Da die Temperaturen noch etwas zurückgehen (T850 zum
Morgen um -5 Grad) sinkt die Schneefallgrenze bis in tiefste Lagen ab, so dass
dann auch dort eine dünne Nassschneedecke im Bereich des Möglichen ist. In Lagen
oberhalb von 300/400m reicht es dagegen bei kräftigeren Schneeschauern durchaus
für markante Neuschneemengen von 5 bis 10 cm in 12 Stunden. Weiter nach Norden
und Osten halten sich Auflockerungen bei eher geringer Niederschlagsneigung. In
den großen Flusstälern im Südwesten und Westen liegen die Minima um oder etwas
über 0 Grad, sonst gibt es meist leichten Frost und häufig auch Glätte; wenn
nicht durch Schnee, dann durch gefrieren von Nässe. An der Südflanke des Tiefs
lebt der Westwind über dem Südwesten, später auch über dem Südosten stärker auf
mit einzelnen 7er Böen, im Bergland stürmischen Böen oder Sturmböen.

Sonntag... und in der Nacht zum Montag zieht das kleinräumige Tief weiter in den
Westen Polens, wo es sich nach ICON auflöst. Hinter dem Tief schiebt sich ein
Bodentrog nach Deutschland, der in der Nacht von den Alpen bis zur Nordsee
reicht. In der Höhe (500 hPa) bleibt der Langwellentrog der dominierende
Spieler, die dortigen Temperaturen von um -37 Grad deuten auf polare Luftmassen
hin. Zwischen Donau, Eifel und Ostsee kommt es weiterhin zu allmählich nach
Osten ziehenden Schneefällen, die lokal auch bis 10cm in 6 Stunden erreichen
können und damit markant ausfallen. Während die Schneefälle in der Nacht im
Osten deutlich nachlassen, setzten im Südwesten neue, meist schwache Schneefälle
ein. Über der Südhälfte präsentiert sich der Druckgradient gestrafft, was
tagsüber stürmische Böen bis ins Flachland und exponiert Sturmböen zur Folge
hat. Am Nachmittag und in der Nacht zum Montag lässt der Wind dann wieder nach.
Am Tage liegen die Höchstwerte zwischen -1 und 5 Grad, die Tiefstwerte in der
Nacht zum Montag dann an der Küste um null, sonst bei -2 bis -10 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe im Großen und Ganzen ähnlich, zeigen im
Detail aber merkliche Unterschiede. So sieht ICON das kleinräumige Tief heute
Vormittag über dem Großraum Paris, EZMW dagegen bei der Loire-Mündung. Die
Zugbahn und den Kerndruck des Tiefs schätzen beide Modelle recht ähnlich ein,
allerdings zeigen sich dann Unterschiede in den Geopotentialfeldern. Dazu kommen
unterschiedliche Muster der Niederschläge (z.B. die im Text erwähnten
Schneemaxima morgen früh in Sachsen). Diese Unterschiede in den
Niederschlagmustern sind auch am Sonntag zu erkennen, dann ist es aber GFS, das
deutlicher von EZMW und ICON abweicht.

Für das Warnmanagement sind diese kleinräumigen Unterschiede mitunter
entscheidend, so dass zu hoffen ist, dass weitere Modellläufe zu einer besseren
Übereinstimmung führen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas