DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

04-12-2020 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 04.12.2020 um 10.30 UTC



Wahrscheinlich Troglage mit zeitweiligen Niederschlägen, teils Regen, teils
Schnee. Mäßig kalt.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 11.12.2020


Zu Beginn des Mittelfristzeitraums am kommenden Montag weist die großräumige
Strömungskonfiguration weiterhin ein stark blockierendes Muster auf. Wenn man so
will haben wir es mit einer inversen oder "auf den Kopf gestellten" Omegalage zu
tun, bei der wir hier in Deutschland innerhalb eines umfangreichen Höhentrogs
liegen. Dieser reicht am Montag von Grönland über Westeuropa respektive das
westliche Mitteleuropa bis hinunter zum zentralen Mittelmeerraum. Flankiert wird
der Trog von einem breiten Höhenrücken über dem mittleren Nordatlantik und einem
hochreichenden Hoch (also kein rein thermisches Hoch) über Russland. Zwar finden
sich innerhalb des Troges verschiedene Drehzentren wieder, die durchaus auch
ihre Position ändern, gleichwohl zeigt sich das Gesamtsystem vergleichsweise
statisch. Oder mit anderen Worten ausgedrückt, bis Freitag kommen wir nicht raus
aus den Klauen des Potenzialtrogs.
Wenn oben also nicht viel passiert, riskieren wir doch mal einen Blick in die
untere Troposphäre. Da gilt es zunächst mal ein kleines Tief zu erwähnen, das
sich schon am Sonntag mit Hilfe der Orografie am Alpennordrand bildet, um von
dort über die Mitte Deutschlands (Nacht zum Montag) zur Nordsee zu ziehen.
Montagmittag soll das Tief dann bereits die Deutsche Bucht in Richtung Fischer
bzw. Forties verlassen. Auf seiner Südflanke gelangt ein Schwall Meereskaltluft
nach Deutschland (T850 0
bis -5°C), in der es im Westen und Nordwesten noch längere Zeit regnet, im
Bergland schneit. Ansonsten fällt im Osten hier und da noch etwas Regen, während
es im Süden trocken bleibt und die Wolkendecke zumindest partiell aufreißt.
Am Dienstag stellt sich zwischen dem zur nördlichen Nordsee abziehenden Tief und
einer Neuentwicklung über dem Golf von Genua leichter Zwischenhocheinfluss ein.
Kompensatorisches Absinken lässt wahrscheinlich eine schwache Inversion
entstehen, die die recht feuchte Grundschicht von einer trockenen
Mitteltroposphäre trennt. Entsprechend dürfte sich das Durchsetzungsvermögen der
Sonne in Grenzen halten, auch wenn es im Westen und Südosten durchaus mal
auflockern kann, so zumindest der Stand heute. Ansonsten überwiegt aber tiefe,
häufig hochnebelartige Bewölkung oder es bleibt gleich neblig-trüb.
Am Mittwoch und Donnerstag setzt sich vorübergehend das Tief südlich der Alpen
in Szene, sprich, es greifen Hebungsvorgänge bis in den Süden und die Mitte des
Landes über. Dabei kommt es zu zeitweiligen Niederschlägen, die bei
850-hPa-Temperaturen zwischen -1 und -5°C und relativ geringer Durchmischung
recht weit runter als Schneefallen können. Allerdings wäre es vermessen, heute
schon eine Schneefallgrenze anzugeben (die kann derzeit ja noch nicht mal für
den Kurzfristzeitraum einigermaßen befriedigend taxiert werden). Ebenso unsicher
ist, ob es im Grenzbereich zu niedertroposphärisch etwas milderer Luft im Norden
und Nordosten irgendwo mal gefrierenden Regen gibt.
Fakt ist, dass die Niederschläge im Laufe des Donnerstags schwächer werden und
spätestens in der Nacht zum Freitag ganz aufhören. Der Grund dafür ist das
Abwandern des "Genuatiefs" in Richtung Griechenland bzw. Ionisches Meer, was
auch bei uns für Druckanstieg sorgt. So kann sich zum Freitag hin ein Keil des
stationären Hochs über Russland durchsetzen, der uns einen weitgehend trockenen
Tag beschert. Teils lockert es dabei auf, teils hält sich ganztägig Nebel oder
Hochnebel respektive Restbewölkung von den Vortagen.
Abschließend noch ein kleiner Exkurs in die erweiterte Mittelfrist (3.
Adventswochenende). Laut IFS geht es mit der Troglage zu Ende, stattdessen
greift die mäandrierende Frontalzone auf den Vorhersageraum über. Neben
neuerlichen Niederschlägen würde dies auch eine Milderung bedeuten, da mit
südwestlichen bis westlichen Winden atlantische Luftmassen Zugriff auf
Mitteleuropa bekommen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Aus der großräumigen Perspektive betrachtet kann dem IFS (ECMF) eine gute
Konsistenz attestiert werden. Demnach steht uns - wie oben beschrieben - in der
kommenden Woche eine Troglage bevor, bei der es zu zeitweiligen Niederschlägen,
aber auch ein paar "Ruhephasen" (Zwischenhoch) kommt. Das Temperaturniveau liegt
etwa im Normalbereich für Anfang/Mitte Dezember, d.h. weder ein echter Kälte-
noch ein durchgreifender Wärmeeinbruch ist zu erwarten.
Das Hauptproblem - und hier beginnt die gute Konsistenz etwas zu wackeln - liegt
in der genauen Positionierung sowie der Phasenbestimmung (Höhe der
Schneefallgrenze, gefrierender Regen ja/nein) der Niederschläge. Zum Teil werden
diesbezüglich erst relativ kurzfristig genauere Vorhersagen möglich sein, so
dass in der Mittelfristprognose häufiger mit Allgemeinplätzen hantiert werden
muss (was für eine mittelfristige Wettervorhersage aber nichts wirklich
Besonderes darstellt).

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Der Vergleich der an dieser Stelle für gewöhnlich dem TÜV unterzogenen
Globalmodelle startet am Montag gleich mal mit einem Dämpfer. Konkret, die
Niederschlagsverteilung wird von ICON gänzlich anders gesehen als von IFS und
GFS. Während die beiden externen Modelle den Schwerpunkt bei uns im Westen und
Nordwesten sehen, setzt ICON auf einen Streifen, der von Ostbayern bis hoch nach
Mecklenburg-Vorpommern reicht. Dabei sehen die Basisfelder gar nicht mal so
unterschiedlich aus, allerdings fehlt bei ICON das o.e. kleine, zur Nordsee
ziehende Tief. Gerne schaut man in solchen Situationen auf das kanadische GEM in
der Hoffnung, einen weiteren Bundesgenossen für die bis dahin schmale Mehrheit
zu gewinnen. Doch Pustekuchen, die Kanadier schwadronieren auf einer Linie mit
ICON, während UKMO (leider ohne RR-Prognose) das Tief über der Nordsee simuliert
und so zumindest auf Linie von IFS/GFS zu liegen scheint.
Im weiteren Verlauf der Woche sind sich die großen Modelle zumindest
hinsichtlich der andauernden Troglage einig. Dass es im Detail mit der Kongruenz
etwas hapert, ist normal. So muss u.a. das kleine "Schneetief", das uns GFS zum
Freitag hin von Osten her kredenzt, mit der gebotenen Skepsis betrachte werden.
Hinsichtlich der erweiterten Mittelfrist - hier steigen ICON und UKMO aus -
fällt auf, dass GEM eher der Linie von IFS folgt. GFS hingegen "zieht" die
Frontalzone erst mal in den Mittelmeerraum nach dem Muster einer südlichen
Westlage (Ws), was bei uns zwar ebenfalls wechselhaftes Wetter bedeuten würde,
aber auf einem etwas niedrigerem Temperaturniveau.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen ausgewählter deutscher Städte zeigen bis Freitag einen
passablen Verlauf, der die Aussagen des Hauptlaufs weitgehend stützt. Dass dabei
im Einzelnen gewisse Schwankungen auftreten, ist normal, ändert aber nichts an
der Grundausrichtung. Der weitgehend trockene Zwischenhocheinfluss am Dienstag
spiegelt sich in den Ensembles etwas klarer wider als der für den nächsten
Freitag. Im Osten (Referenz Berlin und Leipzig) gibt es immerhin mehr als eine
Handvoll Lösungen, die für Montag 2 bis 7 l/qm Niederschlag prognostizieren, was
die ICON-Lösung nicht ganz unwahrscheinlich erscheinen lässt. Auf der anderen
Seite bietet ICON-EPS für denselben Tag im Nordwesten durchaus Niederschlag an,
so dass einmal mehr konstatiert werden kann "nichts Genaues weiß man nicht".
Fakt ist, dass die EPS-Vorhersagen ab Freitag (erweiterte Mittelefrist)
anfangen, stärker zu streuen, wobei der Haupt- und Kontrolllauf am oberen Rand
der Kurvenscharen herumfischen.
Von den Rauchfahnen zur Clusterung, die für den Zeitraum T+72...96h
(Montag/Dienstag) vier Schubladen aufmacht. Vom Potenzial her betrachtet
unterscheiden sich die Cluster kaum. Beim Luftdruck 1000 hPa allerdings fällt
auf, dass in CL 4 (8 Fälle) das von den Alpen zur Nordsee ziehende Tief fehlt,
was dem ICON-Szenario ähnelt. Mehrheitlich, genau genommen 43
Ensemblemitglieder, wird aber die Variante des Hauptlaufs gestützt.
Von Mittwoch bis Freitag (T+120...168h) reduziert sich die Anzahl der Cluster auf
zwei (30 Fälle, 21 + HL/KL). Während CL 2 die beschriebene Troglage stützt,
setzt CL 1 auf "High-over-Low" mit einem hochreichenden Tief knapp südlich der
Alpen und hohem Luftdruck über dem Nordmeer und Fennoskandien. Diese Variante
hätte bei uns eine z.T. flotte östliche Strömung zur Folge, mit der im Schnitt
etwas kältere Luft herangeführt würde.
Ab Samstag (T+192...240h) erhöht sich die Anzahl der Cluster auf drei (27 + CL, 14
+ HL, 10 Fälle). CL 1 setzt die Frontalzone ähnlich wie GFS recht weit südlich
an, wohingegen CL 2 nördlicher aufgestellt ist. CL 3 wiederum ist an einer
Verlängerung der Troglage interessiert.


FAZIT: Die Wahrscheinlichkeit für zyklonal geprägtes Wetter in der nächsten
Woche ist hoch, wenn auch in den Details noch unsicher (deterministisch und
probabilistisch). Wo die Reise zum 3. Adventswochenende hingeht, ist noch offen.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Das Hauptaugenmerk in Bezug auf signifikante Wettererscheinungen im Verlauf der
nächsten Woche liegt eindeutig auf dem Niederschlag. Dabei besteht weniger die
Gefahr, dass besonders große Mengen fallen. Neuralgischer ist die Frage nach der
zeit-räumlichen Verteilung sowie der Phase der Niederschläge. Es besteht
durchaus die Chance, dass es zumindest zeitweise mal bis ganz runter schneit.
Belastbare Aussagen, wo es wie viel schneit und ob evtl. auch mal gefrierender
Regen am Start ist, lässt sich heute noch nicht seriös beantworten.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-ECMF mit IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann