DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-12-2020 18:01
SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 01.12.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Mittwoch schwache Hochdruckbrücke mit statischem Grenzschichtwetter. Ab
Donnerstag von Westen zyklonale Annäherungsversuche mit (möglicherweise)
vielschichtiger Niederschlagsentwicklung. In den Alpen aufkommender Südföhn.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... beginnen Luftdruck und Geopotenzial von Norden her zu steigen, was
zwei Gründe hat. Zum einen füllt sich das über Westdeutschland liegende
Bodentief UNDINE immer weiter auf, bis es im Laufe der Nacht ganz in den ewigen
Jagdgründen verschwindet. Zum anderen verlässt uns das abgetropfte Höhentief in
Richtung Schweiz und später zum Golf von Genua, so dass ein vom mittleren
Nordatlantik via Nordsee gen Skandinavien verlaufender Höhenrücken dichter an
den Vorhersageraum heranrücken kann. Summa summarum also alles Prozesse, die für
eine Beruhigung des tagsüber ohnehin schon nicht mehr so turbulent auftretenden
Wetters sorgen.
Wettertechnisch bedeutet das in der eingeflossenen feucht-kalten Luftmasse (T850
-5 bis 0°C) weiterhin viel tiefe Bewölkung (die mittlere Troposphäre trocknet
mehr und mehr ab), die zum Teil aufliegt (=>orografischer Nebel), aus der aber
nur noch wenig Niederschlag in Form von (gefrierendem) Nieselregen oder
Schneegriesel fällt (Süden/Südwesten). Auflockerungen gibt es am ehesten im
Osten und Südosten des Landes, wo von Osten her etwas trockenere Luft
einsickert.
Mit Ausnahme tiefer Lagen West- und Nordwestdeutschlands sinkt die Temperatur
vielerorts in den Frostbereich (den sie teilweise im Südosten und in einigen
Mittelgebirgen tagsüber gar nicht verlassen hat), im süd- und südostdeutschen
Bergland lokal etwas unter -5°C. Dort, wo noch Schnee liegt respektive Restnässe
oder Matsch (also Schneematsch) vom Tage vorhanden sind und die Temperatur unter
dem Gefrierpunkt liegt, muss streckenweise mit Schnee- und Eisglätte gerechnet
werden (=> offensive Glättewarnung).

Mittwoch ... richtet sich das Cut-Off-Tief über dem Golf von Genua ein, wo es
eine zunehmend elliptische Form mit meridionaler Achse einnimmt. Derweil weitet
sich über dem nahen Ostatlantik, ausgehend von den Seegebieten um Island herum,
ein veritabler Höhentrog bis nach UK/Irland aus, so dass der o.e. Höhenrücken
mehr und mehr in die Zange genommen und "zusammengequetscht" wird. Uns in
Deutschland bringt das vorübergehend unter geopotenzielles Niemandsland und auch
im Druckfeld lässt sich kein wirklicher Gradient konstatieren. Wenn man so will
verbringen wir den Mittwoch in einer schwachen Hochdruckbrücke, die die zwei
antizyklonalen Alphatiere über dem mittleren Nordatlantik (etwas über 1040 hPa)
und Russland (etwas über 1045 hPa) verbindet.
Vor dem Hintergrund solcher Rahmenbedingungen sind am morgigen Mittwoch keine
großen Sprünge beim Wetter zu erwarten. Grundsätzlich ist die Lage
grenzschichtgeprägt, wobei im Süden eine gut definierte Inversion zwischen 900
und 850 hPa zu finden ist. Weiter nördlich ist die Inversion weniger klar und
von einigen Faltungen (Zick-Zack-Verlauf der Zustandskurve) gekennzeichnet, was
für die Wetterentwicklung schlussendlich aber nicht kriegsentscheidend ist. Im
Osten und Südosten stehen die Chancen gut, dass sich das trübe Grau auflöst bzw.
Lücken bekommt. Den meisten Sonnenschein dürften die Sachsen im Lee der
Mittelgebirge (Erzgebirge bis Zittauer Gebirge) abbekommen, die von Südosten her
angeströmt werden. Aber auch weiter nördlich in BB und dem östlichen
Sachsen-Anhalt reicht es für einige Sonnenstunden.
Weitaus trister sieht es in der gesamten Westhälfte sowie in weiten Teilen
Süddeutschlands aus, wo der Tag eher bedeckt oder neblig-trüb über die Bühne
geht. Nennenswerte Niederschläge sind allerdings nicht zu erwarten. In der
alternden Luftmasse erreicht die Temperatur Höchstwerte, die meist zwischen 0
und 5°C liegen. Im Süden und in den Mittelgebirgen herrscht gebietsweise
Dauerfrost, dafür quält sich das Thermometer ganz im Westen punktuell auf 6 oder
gar 7°C.

In der Nacht zum Donnerstag stößt der Höhentrog über dem nahen Ostatlantik noch
etwas weiter nach Süden vor. Gleichzeitig löst sich aus dem elliptischen
Höhentief ein kleiner Randtrog, der von Österreich bzw. Bayern zur östlichen
Mitte des Vorhersageraums zieht, wo er in die Zirkulation des o.e. Troges
aufgenommen wird. Dieser steht übrigens mit einem schmalen Tief in Verbindung,
das gegen Mitternacht vom Seegebiet um Jan Mayen kommend knapp östlich an Island
vorbei nach Süden zieht. Das zugehörige Frontensystem (ein Warmsektor ist in der
Nacht kaum noch zu finden, so dass es sich um eine weitgehend okkludierte
Kaltfront handelt) nähert sich der Deutschen Bucht respektive Benelux. Im
Vorfeld setzt etwas Hebung ein, was dem Grenzbereich zu Belgien und den
Niederlanden sowie der Nordseeküste ein paar Tropfen bringen könnte.
Leichter Schneefall könnte im Zusammenhang mit dem sich ablösenden Randtrog auch
im äußersten Süden und Südosten Bayerns auftreten, wobei hier noch nicht das
letzte Wort gesprochen ist. Ansonsten kann im Süden und Westen jederzeit etwas
Nieselregen oder Schneegriesel aus der hochnebelartigen Bewölkung fallen,
während sich im Osten einige Wolkenlücken halten. Mit Ausnahme West- und
Nordwestdeutschlands sinkt die Temperatur verbreitet in den leichten, im Osten
bei längerem Aufklaren sowie im südlichen und östlichen Bergland bis in den
mäßigen Frostbereich. Örtlich bildet sich Nebel, wobei wirklich dichter Nebel
aufgrund der vielfach starken Bewölkung am ehesten im Bergland durch aufliegende
Wolken auftritt.

Donnerstag ... gelangen wir mehr und mehr auf die Vorderseite des sich weiter
amplifizierenden Höhentrogs, der dabei eine immer schärfere Kontur annimmt. Vor
allem auf der diffluenten Vorderseite der Trogspitze fällt der Luftdruck
kräftig, was im Tagesverlauf über England und Nordfrankreich ein knackiges
Doppeltief entstehen lässt (am Tagesende um 975 hPa). Dafür büßen muss das o.e.
ursprüngliche Tief, das sich auf seinem Weg in Richtung Schottland allmählich
auflöst.
Die zugehörige Okklusion kommt von Westen her noch etwas landeinwärts voran,
verliert dabei aber zunehmend den Support der Trogvorderseite, was ihrer
Wetterwirksamkeit wenig zuträglich ist. Mit anderen Worten, im Westen und
Nordwesten fällt etwas Niederschlag, meist als Regen, im höheren Bergland als
Schnee. Weiterhin unsicher ist derzeit noch, ob auch im äußersten Osten und
Südosten am Rande einer über Tschechien, der Slowakei und Polen nach Norden
führenden Warmluftschliere (langer Südfetch mit angezapfter Mittelmeerluft)
etwas Niederschlag fällt und wenn ja, in welcher Form. Hier bedarf es weiterer
Modellläufe.
Im großen Rest des Landes präsentiert sich das Donnerstagswetter mit reichlich
Gewölk (häufig Hochnebel, aus dem hier und da etwas Nieselregen oder
Schneegriesel fällt. Ein paar Auflockerungen deuten sich am ehesten im Süden und
Osten an. Erwähnenswert ist auf alle Fälle die Tatsache, dass der Gradient
zwischen dem Tiefkomplex im Westen und dem Hoch über Russland merklich anzieht
(am Abend rund 65 hPa auf 3500 km), was uns jetzt nicht gerade den Sturm des
Grauens bringt, sehr wohl aber den südöstlichen Wind etwas in Schwung bringt.
Für ´ne dicke Warnlage wird´s freilich nicht langen, aber über der Nordsee sowie
in einigen Hochlagen reicht es für Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft und auch im
Westen könnte tagsüber die erste 7er-Böe registriert werden. Ach ja, nicht zu
vergessen, dass sich in den Alpen ganz allmählich eine Südföhnlage
zusammenbraut.
Während die Tageshöchstwerte im Süden und Osten nur um oder wenig über dem
Gefrierpunkt liegen, werden im Westen und Nordwesten 4 bis 7°C erreicht.

In der Nacht zum Freitag verlagert sich der südliche Kern des Doppeltiefs zum
Ostausgang des Ärmelkanals, was es dichter an den Vorhersageraum heranbringt.
Darüber hinaus wird auf der Vorderseite des Haupttroges ein Sekundärtrog über
Frankreich und Benelux nach Norden gesteuert. Folgerichtig nehmen vor allem
durch PVA, anfangs auch durch WLA die dynamischen Hebungsantriebe zu, was in den
westlichen Landesteilen die Niederschläge intensiviert und auch noch etwas nach
Osten vorankommen lässt. Dabei könnten nach heutigem Stand - ähnlich wie gestern
Abend - wieder alle denkbaren Aggregatzustände von Regen über gefrierenden Regen
und/oder Eiskörnern bis hin zu Schnee auftreten. Zugegeben, noch ist es für
Detailfragen zu früh, eine ganz grobe Verteilung - sozusagen als first guess -
lässt sich aber schon skizzieren: im äußersten Westen "normaler" Regen, in
höheren Lagen Schnee, je weiter nach Osten vorankommend zunehmende Gefahr von
gefrierendem Regen/Eiskörner ("warme Nase" in den Prognosesoundings), z.T. aber
auch in Schnee übergehend.
Im großen Rest des Landes verläuft die Nacht teils bedeckt oder neblig und
weitgehend niederschlagsfrei, gebietsweise klart es auch auf. Stellenweise
bildet sich Nebel. Mit Ausnahme des Westens und Nordwestens sinkt die Temperatur
in den leichten bis mäßigen Frostbereich mit den tiefsten Werten im östlichen
und südöstlichen Bergland sowie an den Alpen.
Der Südostwind zieht insbesondere über der Nordsee sowie in exponierten
Hochlagen merklich an mit vermehrt Böen 8 Bft, exponiert 9 Bft, und auch der
Föhn in den Alpen legt eine weitere Schippe drauf (evtl. erste 10er-Böen). Im
Tiefland verläuft die Intensivierung des Windes moderater, hier dürfte vor allem
im Westen gebietsweise die 7-Bft-Schwelle erreicht werden. Ob in Ostsachsen
schon der Böhmische Wind erste nennenswerte Duftmarken setzt, ist noch fraglich.


Freitag ... manifestiert sich das in den Trog integrierte Höhentief über
Südengland, während das bipolare Bodentief eine Kippbewegung gegen den
Uhrzeigersinn vollzieht. Um 12 UTC befindet sich nach Lesart von ICON (12 UTC)
der westliche Kern über der Irischen See, der östliche Kern knapp nördlich der
Themsemündung, beide ausgestattet mit etwas unter 975 hPa. Vorderseitig des
gesamten Konstrukts kommen die Niederschläge bei uns zwar noch etwas nach Osten
voran, bedingt durch die südöstliche Windkomponente hält sich die Progression
aber in Grenzen, so dass weite Teile Bayerns sowie die Regionen zwischen
Erzgebirge und Ostsee weitgehend niederschlagsfrei bleiben. Dort lockert es
gebietsweis sogar auf, allerdings besteht diese Chance im Tagesverlauf auch im
Westen. Die Gefahr von gefrierendem Regen nimmt mit zunehmender Tageserwärmung
ab, in höheren Lagen fällt etwas Schnee.
Der östliche bis südliche Wind lässt im Laufe des Tages mit Abdrehen des
östlichen Tiefkerns allgemein nach, in den Alpen bleibt der Südföhn hingegen
prominent unterwegs. Ob es auf Deutschlands Kämmen und Kreten allerdings für
orkanartige Böen oder Orkanböen reicht, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass im
Laufe des Freitags auf der Alpensüdseite ergiebige Schneefälle einsetzen, die an
der einen oder anderen Stelle (z.B. in der Ostschweiz) sogar über den Hauptkamm
"hinüberlurge". Bei uns wird davon aber nichts ankommen.
Bliebe zum Schluss nur noch die Temperatur, die infolge vergleichsweise guter
Durchmischung meist über den Gefrierpunkt steigt, wenn auch im Süden und
Südosten stellenweise nur knapp. Am mildesten wird es in frischer Meeresluft im
Westen mit bis zu 9°C und auch bei Föhn am Alpenrand geht´s hoch in ähnliche
Dimensionen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Großwetterlage wird von den Modellen ähnlich simuliert. Trotzdem offenbaren
sich derzeit noch ein paar Fragezeichen, die heute Abend noch nicht getilgt
werden können. Eine der Kernfragen ist dabei die Niederschlagsentwicklung in der
Nacht zum Freitag, bei der viele Komponenten zusammenkommen. Das geht los bei
der genauen Geometrie und Position des Tiefs respektive Höhentrogs und endet bei
der Schichtung und dem genauen Temperaturverlauf in Deutschland. Es kann
spannend werden, es kann aber auch einen "Rohrkrepierer" geben, wenn die
Niederschläge nicht besonders weit nach Osten vorankommen. Abwarten!


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann