DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

01-12-2020 13:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 01.12.2020 um 10.30 UTC



Unbeständiger, anfangs teils windiger frühwinterlicher Wettercharakter mit
Schnee, Schneeregen und Regen, teils gefrierend.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 08.12.2020


Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums am kommenden Freitag sowie in der Nacht
zu Samstag liegt Deutschland auf der Vorderseite eines kräftigen Höhentiefs über
England sowie dem korrelierenden Bodentief über der Nordsee. Eingebettet in die
südliche bis südwestliche Grundströmung ist nach Lesart des IFS ein okkludierter
Frontenzug der sich von Südwesten nach Nordosten über Deutschland hinweg
erstreckt. Um das hochreichende Tiefdruckgebiet herum wird dabei von Westen bzw.
Südwesten erwärmte Polarluft ins Land geführt. Entsprechend zeigen die
Temperaturen in 850 hPa mit Werten zwischen 5 und -4 Grad ein Ost-West-Gefälle.
Zudem sorgt PVA kurzwelliger Anteile im Westen für Hebung und nachfolgend
schauerartigen Niederschlägen. Zudem wir auf dessen Basis der Frontenzug
aktiviert, sodass im Umfeld der Okklusion ebenfalls Niederschläge zu erwarten
sind.

Zum Samstag ändert sich bei den Grundstrukturen wenig. Das hochreichende Tief
befindet sich weiter quasistationär über Südwestengland. Allerdings kann der zum
Höhentief gehörende Trog seine Amplitude deutlich südwärts vergrößern, sodass
dieser bis nach Nordafrika reicht und in der Nacht zum Sonntag leichten
ostwärtigen Schub bekommt. Nachfolgend kann auf der Westflanke durch eine
stramme Nordströmung die Polarluft ebenfalls bis an die afrikanische
Mittelmeerküste vordringen. Auf der Ostseite ist aufgrund eines schwächer
ausgeprägten Gradienten konträr eine weniger starke Süd- bis Südostströmung
aktiv. In diese eingebettet befindet sich weiter der Frontenzug, der durch die
nahezu Strömungsparallele Lage kaum oder keine ostwärtige Verlagerung aufweist.
Entsprechend sorgen hierzulande frontale Hebung gepaart mit zeitweiligem
PVA-Antrieb kurzwelliger Anteile im Umfeld der Front von Süd nach Nord für
weiter Niederschläge. Zudem macht sich im Alpenraum ein Tief im Golf von Genua
bemerkbar, indem dieses feuchte Luft nordwärts über die Alpen schiebt und für
kräftige Niederschläge sorgt. Direkt an den Alpen fallen diese teils bis in
tiefe Lagen an Schnee, sodass dort in 24 Stunden 10 bis 30 cm Neuschnee möglich
sind. Auch bei den Temperaturen bleibt das Ost-West-Gefälle erhalten, wobei die
kühlere Luft in 850 hPa etwas weiter nach Osten vorankommt.

Auch Sonntag und in der Nacht zum Montag bewegt sich das hochreichende Tief über
Südengland kaum von der Stelle. Der korrelierende Trog jedoch schwenkt
allmählich ostwärts, sodass dessen Achse ausgehend von Frankreich, Korsika und
Sizilien nordwärts schiebt und sich somit von Süden dem deutschen Raum annähert.
Am Boden stützt der Höhentrog noch das Tief, welches nun vom Golf von Genua über
Norditalien in den Osten Österreichs wandert. Einhergehend wir auch der
okkludierte Frontenzug nun langsam ostwärts verschoben und verlässt das Land
nach Tschechien und später auch Polen. Zuvor wird aber auf der Vorderseite des
Bodentiefs weiter feuchte Mittelmeerluft in den Alpenraum gepumpt, sodass bis
nach Süddeutschland hinein noch teils kräftige Niederschläge zu erwarten sind.
Zudem ist auch weiter die Front aktiv und geht mit mehr oder weniger intensiven
Regenfällen einher. In der Nacht zum Montag kommt zudem der Nordwesten in den
Einflussbereich des Tief vormals über Südengland, indem dieses sich entscheidet
seine Lage ebenfalls nach Osten über die Nordsee zu verschieben. Die Folge sind
schauerartige Niederschläge im Nordwesten Deutschlands.

Am Montag eiert dann der gesamte hochreichende Tiefdruckkomplex über der
südwestlichen Nordsee und wird dabei weiter von zwei kräftigen Rücken über dem
Atlantik und Osteuropa in die Zange genommen. Dabei weist die Strömung um das
Tief herum wiederholt Kurzwellentröge auf, die bodennah mit mehr oder weniger
stark ausgeprägten Randtiefs einhergehen. Einer dieser Tröge zieht sich in der
Höhe von der Nordsee über das Erzgebirge südostwärts. In dessen korrelierenden
Bodentrog liegt noch die okkludierte Front, die aber nur noch den äußersten
Nordosten schrammt. Dort sind dann auch weiter Niederschläge zu erwarten. Ein
weiterer Höhentrog zieht sich ausgehend von Westfrankreich südwestwärts und
stützt am Boden ein Randtief über der Biskaya. Aus Wettersicht gibt es in
Deutschland neben den frontalen Prozessen im Nordosten noch Hinweise auf Schauer
im Westen und Nordwesten durch PVA des nahen Tiefs. Mittlerweile hat dann auch
die um das Tief herumgeholte erwärmte Polarluft ganz Deutschland geflutet,
sodass die Temperaturen in 850 hPa zwischen +1 und -6 Grad liegen und somit in
den westlichen und zentralen Mittelgebirgen etwas Schnee möglich machen.

Am Dienstag ändert sich an den großskaligen Strukturen fast nichts. Die Tröge
verlagern sich gegen den Uhrzeigersinn weiter und verändern dabei Amplitude und
Wellenlänge. Deutschland selber wird nach dem IFS am Dienstag kaum
Hebungsimpulse erfahren. Die Okklusion ist nach Polen und die Ostsee abgezogen.
Neue nennenswerte kurzwellige Anteile sind zunächst nicht verfügbar, geringe
Schauersignale sind nur im Westen zu erkennen. Die Südströmung induziert dagegen
an den Alpen Föhn, sodass sich an diesen und deren Vorland eine Erwärmung breit
macht, die sich langsam bis nach Sachsen frisst. Ansonsten liegen die
Temperaturen in 850 hPA weiter unter dem Gefrierpunkt. Erst ab der Nacht zum
Mittwoch wird es von Westen her wieder spannender, wenn das Höhentiefei langsam
mehrere Drehzentren ausbildet, die wiederum mit teils markanten Kurzwellentrögen
einhergehen. Ein erster nähert sich auch Deutschland an, kann aber wohl nur das
Schauerpotential im äußersten Westen etwas steigern. Interessanter könnte ein
zweiter Trog sein, der bodennah mit einem Tief zwischen England und Frankreich
korreliert. An dem Bodentief ist dabei auch ein Frontensystem gebunden, welches
im Verlauf ostwärts steuert.

Zusammenfassend wird das Wetter in Deutschland von den Wetterlagen Trog
Westeuropa bzw. Südost zyklonal geprägt. Entsprechend ist regional wiederholt
mit Niederschlägen zu rechnen, die aufgrund der Temperaturen teils bis in tiefe
Lagen als Schnee fallen können.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des heutigen 00 UTC Laufes des IFS ist bis Sonntag gut. Ab
Sonntag sind jedoch signifikante Unterschiede zum gestrigen 00 UTC Lauf zu
verzeichnen, indem der neuste Lauf keinen abgeschlossenen Höhentiefkomplex mehr
über Mitteleuropa zeigt und sich stattdessen mit einem Kurzwellentrog zufrieden
gibt. Dies schlägt sich entsprechend auch auf das Bodenniveau durch. Dort wo der
gestrige 00 UTC Lauf noch ein Bodentief vor Benelux präsentierte, sieht der
aktuelle IFS Lauf leicht stromaufwärts nur noch einen schwachen Bodentrog. Als
Folge wären in der Westhälfte des Landes trockenere Witterungsverhältnisse zu
erwarten.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die großskalige Grundstruktur wird von allen betrachteten Globalmodellen (IFS,
ICON, GFS, GEM, UKMO) wiedergegeben. Alle Modelle zeigen über West und
Mitteleuropa einen Langwellentrog mit einem kräftigen Höhentiefkomplex, der von
einem Rücken übe dem Atlantik und einem Rücken über Osteuropa in die Zange
genommen wird. Entsprechend stellt sich bei allen Lösungen eine mehr oder
weniger stabile Wetterlage ein.

Schaut man jedoch genauer hin, wird schnell ersichtlich, dass sich die
Globalmodelle deutlich unterscheiden. Die Lage des hochreichenden Tiefs, sowie
auch die Ausdehnung und Verlagerung der Tröge wird sehr verschieden simuliert.
Diese Tatsache hat weniger Einfluss auf die herrschenden Temperaturen als auf
potentielle Niederschläge. Gerade die Niederschläge sind im Modellvergleich
sowohl in der räumlichen Einordnung als auch Intensität voneinander abweichend.
Aus dieser Sicht sind Niederschlagsprognosen auf Basis eines Multimodells kaum
sinnvoll zu geben.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bei Betrachtung der IFS-ENS-Rauchfahnen diverser Städte in Deutschland zeigt
sich schnell, dass schon zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums die Vorhersagen
mit größeren Unsicherheiten behaftet sind und somit die Güte eher mäßig
ausfallen lassen. Zwar liegen der Haupt- und Kontrolllauf meist im Bereich der
meisten ENS-Lösungen und somit größten Eintrittswahrscheinlichkeit, bei einem
Spread der Temperatur, der häufig zwischen 10 und 16 Grad liegt, ist eine
seriöse Vorhersage aber nur bedingt möglich. Gleiches trifft auf das
Geopotential in 500 hPA zu, wo zwar der grundsätzliche Trend zu sehen ist,
Abweichungen von 20 bis 40 hPA die Einordnung aber sehr erschweren. Die
Unsicherheiten des ENS werden auch in den Meteogrammen sichtbar, indem die
Box-Plots sich vertikal recht ordentlich strecken.

Auch die Clusteranalyse bringt dabei nichts Neues. Im Zeitraum von +72 bis +96h
werden vier Cluster benötigt, um die Unsicherheiten im ENS-Raum ausreichend zu
erklären. Allerdings gehören alle Cluster dem Schema einer negativen NAO an.
Wobei diese Einordnung aufgrund der Definition des Schemas für den anstehen
mittelfristigen Zeitraum nur bedingt aussagekräftig für die Wettereigenschaften
in Mitteleuropa ist. Eine zonale Strömung ist nämlich kaum zu finden.
Stattdessen ist ein Trog Trumpf, der allenfalls zeitweilig über dem Atlantik
meridionale Strömungseigenschaften zulässt. Nichts desto trotz zeigen die
Cluster bei der großskaligen Analyse kaum Unterschiede. Im Detail werden jedoch
Kurzwellentröge sowie korrelierende Bodentiefs in Intensität und Verlagerung
leicht verschieden interpretiert. Die nur geringen Unterschiede der Cluster
zeigt sich auch bei der Einordnung des Haupt- und Kontrolllaufes, die in den
Rauchfahnen einen vergleichbaren Verlauf haben. Während sich der Hauptlauf mit
weiteren 14 Member in Cluster 2 befindet, wurde der Kontrolllauf mit 19
Mitgliedern in das erste Cluster einsortiert.

Im Zeitraum +120 bis +168h werden wieder vier Cluster benötigt, um die
Unsicherheiten der Geopotential- und Luftdruckmuster zu beschreiben. Dabei sind
nun alle Cluster dem Schema eines Blockings zugeordnet, was auch besser die
Verhältnisse über Europa beschreibt. Das blockierende osteuropäische Hoch wird
von allen Lösungen vergleichbar simuliert. Die Unterschiede beziehen sich auf
den Trog über West- bzw. Mitteleuropa, dessen Amplitude, Wellenlänge sowie
Achsenausrichtung für die Abweichungen und somit für die vier Cluster
verantwortlich ist. Sowohl Haupt- als auch Kontrolllauf werden dabei dem Cluster
2 zugeordnet, der sich zu dem etwa gleichverteilten ersten Cluster durch einen
weniger stark amplifizierten und dafür etwas breiter aufgestellten Trog
unterscheidet.

In der erweiterten Mittelfrist von +192 bis +240h sind es erneut vier Cluster,
welche die Unsicherheiten des ENS-Raum des IFS beschreiben. Allerdings wechseln
in diesem Zeitraum je nach Cluster die Schemata wild hin und her. Das mit 21
Repräsentanten stärkste Cluster 1 sowie Cluster 3 mit 12 Mitgliedern bleiben
allerdings bei einer stabilen Blockierung. Bei Cluster 1 dominiert dabei über
West- und Südwesteuropa weiter ein kräftiger Höhentiefkomplex, mit Deutschland
auf der Ost- bzw. Nordostflanke. Bei Cluster 3 gibt das Höhentief den west- und
mitteleuropäischen Raum weitgehend auf und zieht sich zur Iberischen Halbinsel
zurück. Die beiden starken Rücken über dem Atlantik und Nordosteuropa sind in
beiden Lösungen vergleichbar. Der Haupt- und der Kontrolllauf mit 13 Member in
Cluster 3 lieben dagegen die Abwechslung. Positive NAO, Blocking und negative
NAO heißen die Schemata. Als Grund ist anzuführen, dass der Trog sich zunächst
weiter östlich über Mitteleuropa befindet und somit die Strömung auf dem
Atlantik zeitweilig zonal ausgerichtet ist. Im Verlauf amplifiziert er sich aber
ebenfalls über Westeuropa ohne aber im Vergleich zu Cluster 1 und 3 soweit nach
Süden zu reichen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Der EFI zeigt bezüglich des Modellklimas am Freitag im Westen punktuell
überdurchschnittliche Windspitzen und am Samstag an den Alpen leicht
überdurchschnittliche Niederschlagsmengen. Ansonsten gibt es vom EFI keine
Hinweise auf ungewöhnliche Extrema.

Die Hinweise des EFI für markante Böen am Freitag im Westen sowie ablandig auf
den Nordseeinseln werden auch von der Probabilistik mit Wahrscheinlichkeiten
zwischen 10 und 40%, exponiert auch bis 50% gestützt. Zudem gibt es beim EZ-EPS
und ICON-EPs Signale zwischen 0 und 20% in den Alpen für stürmische Böen oder
Sturmböen, exponiert auf den Gipfeln sind es 70 bis 100% für entsprechende
Windspitzen. Am Samstag gibt es allenfalls noch im Erzgebirge und Ostsachsen
Wahrscheinlichkeiten zwischen 5 und 35%, im Zittauer Land bzw. Elbtal durch den
Böhmischen Wind auch bis 75% für markante Böen (Bft 8-9).

Am Samstag sind zudem vor allem am direkten Alpenrand sowie inneralpin kräftige
und länger anhaltende Niederschläge zu erwarten, die teils bis in tiefe Lagen
als Schnee fallen. Über 24 Stunden sind dort demnach 10 bis 30, lokal auch bis
40 l/qm zu erwarten, was in etwa 10 bis 30, örtlich bis 50 cm Neuschnee
entsprechen würde. Die Probabilistik stützt warnwürdige, markante Mengen dort im
Kontext des Niederschlags mit 5 bis 25% Wahrscheinlichkeit. Mit Blick auf
potentielle Schneemengen zeigt das EZ-EPS für Samstag einen Schneeanteil über 15
l/qm mit Wahrscheinlichkeiten zwischen 5 bis 55%, mit den höheren Werten je
weiter in die Alpen hinein. Im Süden Österreich wären es z.B. dann 80 bis 100%.

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Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, ICON-EPS, mit Abstrichen für TT MOSMIX.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel