DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-10-2020 18:01
SXEU31 DWAV 311800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 31.10.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Abwechslungsreiche zyklonale Südwestlage (SWz) mit reichlich Tiefdruckwuhling
über dem Ost- und Nordostatlantik. Bei uns aber keine volle Winddröhnung,
sondern mehr oder weniger effektive Streifschüsse.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... fällt der Luftdruck über Deutschland, womit die Richtung für den
weiteren Werdegang bereits vorgegeben ist: Es wird wieder zyklonaler.
Hauptimpulsgeber sind ein von UK zur Nordsee schwenkender und später gen
Norwegen abdriftender KW-Trog sowie das korrespondierende Sturmtief NINA. Es
liegt heute Abend mit etwas unter 970 hPa im Kern knapp nördlich von Schottland,
von wo aus es seine Nachtwanderung in Richtung Norden startet. Damit entfernen
sich sowohl das Tief als auch der Trog faktisch von uns, aber es gibt ja noch
die sogenannten Ausläufer. Im konkreten Fall ist dies eine Kaltfront, die von
der Nordsee und Benelux übergreift und morgen früh leicht schleifend etwa auf
einer gekrümmten Linie Ostvorpommern-Südpfalz zu liegen kommt.
Mit der Front kommt nicht nur subpolare Meeresluft (Rückgang T850 auf 5 bis
2°C), sondern auch schauerartiger zu uns rein. Dieser breitet sich auf weite
Teile Nord- und Westdeutschlands sowie der Mitte aus, wo er in der zweiten
Nachthälfte anfängt, stark zu schwächeln - mit einer Ausnahme. Im Zuge einer
sich von Frankreich nähernden flachen Welle verstärkt sich der Regen in den
frühen Morgenstunden in RP und im Saarland, während es gleichzeitig in
Nordwestdeutschland schon wieder trocken bleibt. Summa summarum bleiben die
Niederschlagsmengen gering (meist unter 5 l/qm) und die von COSMO-D2 für den
Norden simulierten Gewitter sind alles andere als wahrscheinlich. Im Süden und
Südosten sowie in Teilen Ostdeutschlands bleibt es (weitgehend) trocken, in
Bayern sowie zwischen oberer Donau und Bodensee bildet sich gebietsweise Nebel.
Der Süd- bis Südwestwind nimmt präfrontal vorübergehend zu, was so wirklich aber
nur auf und an der Nordsee (Böen 7 Bft) sowie in höheren Lagen (7-8 Bft,
exponierte Kamm- und Gipfellagen 9 Bft) zu spüren ist. Hinter der Front weicht
der Gradient schon wieder auf, so dass der Wind an der Nordsee in der zweiten
Nachthälfte schon wieder abnimmt.

Sonntag ... gelangt Deutschland unter den diffluenten Ausgang der sich über dem
Ostatlantik vorübergehend zonal organisierenden Frontalzone. Auf der kalten,
also der nördlichen Seite herrscht weiterhin Hochbetrieb unter den zahlreichen
Tiefs und Wellen. Während NINA an der isländischen Ostküste vorbei in Richtung
Grönlandsee zieht, setzt sich südlich von Island ein weiteres Sturmtief in
Szene. Dieses Tief absorbiert im Laufe des heutigen Tages bzw. in der Nacht zum
Sonntag den ehemaligen Tropensturm ZETA, so dass sich die FU Berlin dazu
entschlossen hat, dieses Tief Ex-ZETA zu betiteln. Und als drittes wäre noch
eine offene Welle zu erwähnen, die sich südlich von Ex-ZETA auf Ostkurs befindet
und zur Mittagszeit knapp westlich Irlands aufschlägt.
Viel zyklonales Brimborium also, das auch bei uns seine Wirkung nicht verfehlt.
Zunächst mal überquert die im Druckfeld völlig unscheinbare flache Welle die
mittleren Landesteile ostwärts. Der von ihr induzierte stratiforme Regen breitet
sich über der Mitte und im Süden zügig nach Osten aus, wobei gebietsweise um
oder etwas über 5 l/qm innert 6 h zusammenkommen können. Ob der Niederschlag die
Alpen erreicht, ist nicht sicher. Wenn, dann fällt sicher nicht viel und bezogen
auf ganz Deutschland ist der Alpenrand die Region, wo am ehesten mal die Sonne
zu sehen sein wird. Ansonsten startet der November - standesgemäß möchte man
hinzufügen - mit reichlich Grau. Und kaum ist der das eine Regengebiet durch,
gibt sich schon das nächste die Ehre. Angefacht durch die rasch auf Deutschland
zusteuernde Warmfront von Ex-ZETA respektive starker präfrontaler WLA fängt es
schon in der Mittagszeit von Westen her wieder an zu regnen, ohne dass aber an
irgendwelchen Warnschwellen gekratzt wird.
Regen ist das eine, Wind das andere. Nach Abzug der flachen Welle verschärft
sich der Gradient von Westen her wieder, so dass der zunächst südliche, später
auf Südwest drehende Wind etwa ab Mittag auffrischt. Spürbar wird das vor allem
an und auf der Nordsee (7-8 Bft) sowie im Bergland oberhalb 400-600 m (7-8 Bft,
exponierte Kuppen und Gipfel 9-10 Bft, Brocken bis 11 Bft). Aber auch in einigen
Tieflagen sind einige 7er-Böen wahrscheinlich, insbesondere im nördlichen SH
sowie in den Leelagen einiger westlicher Mittelgebirge).
Trotz überwiegend starker Bewölkung und zeitweiliger Regenfälle zeigt sich die
Temperatur in der einfließenden Biskayaluft (Anstieg T850 in der Südwesthälfte
auf 10 bis 12°C) eher frühlingshaft mit 13 bis 19°C, ganz im Süden lokal
vielleicht 20°C.

In der Nacht zum Montag kommt es über dem Atlantik zu einer signifikanten
Austrogung, an der Ex-ZETA nicht ganz unbeteiligt ist. Schließlich zapft sie
ordentlich Kaltluft aus Grönland sowie der Labradorsee an und steuert diese weit
nach Süden. Das Ergebnis ist ein ziemlich breiter, aber trotzdem progressiver
Trog, der rasch ostwärts vorankommt.
Uns erreicht er freilich noch nicht, gleichwohl beginnt hier und auch weiter
westlich die Höhenströmung etwas rückzudrehen. Das hat zur Folge, dass die o.e.
Welle ihren Kurs von rein Ost auf Nordost ändert und via Nordsee Südskandinavien
ansteuert. Deutschland gelangt komplett in den Warmsektor der Welle, in dem in
breitem Strome sehr milde Luftmassen von der Biskaya advehiert werden (T850 10
bis 13°C). Bei zunehmendem Wind sind Durchmischung und Advektion derart gut
ausgeprägt, dass die Frühtemperaturen mit Ausnahme des Südens und Südostens
entweder ähnlich hoch oder gar noch höher als am frühen Sonntagabend ausfallen.
Oder mit anderen Worten, es liegt kein Elektronikfehler vor, wenn am
Montagmorgen die Digitalanzeige der heimischen Volks- und Raiffeisenbank in
Lingen, Wesel oder Dinslaken eine 17 oder 18 aufblinken lässt.
Während es in weiten Landesteilen WLA-bedingt zumindest zweitweise regnet, legt
der Südwestwind noch eine Schippe drauf. D.h., Böen 7 Bft sind nun auch im west-
und nordwestdeutschen Tiefland möglich, im Norden SHs auch ´ne "8". An der
Nordsee sind 7er- bis 8er-Böen Programm, auf offener See kann auch mal eine
Sturmböe 9 Bft dabei sein. Das Bergland wartet je nach Exposition weiterhin mit
Böen 7-9 Bft, exponiert 10 Bft, Brocken 11 Bft auf.

Montag ... kommt der Trog bis zum nahen Ostatlantik respektive UK/Irland voran,
wodurch die Höhenströmung bei uns weiter rückdreht. Ex-ZETA dreht von den
Färöers kommend in Richtung Norwegische See ab, wobei sich das Tief beginnt
aufzufüllen. Zwar wird die zugehörige Kaltfront durch eine flache Welle noch
etwas aufgehalten, am Ende greift sie aber etwa gegen Mittag doch von der
Nordsee auf den Vorhersageraum über. Bis Tagesende kommt sie mit ihrem frontalen
und schauerartig verstärkten Regenband etwa zu einer Linie Rügen-Pfalz voran und
leitet dabei einen merklichen Luftmassenwechsel von subtropischer Warmluft (T850
10 bis 13°C) hin zu subpolarer Meeresluft (T850 nur noch 4 bis -1°C) ein.
Stichwort Regen, der nicht nur in Verbindung mit der Kaltfront auftritt. Zuvor
regnet oder nieselt es auch schon zeit- und gebietsweise im Warmsektor, so dass
sich die Sonne einmal mehr rarmacht. Die größten Chancen für Auflockerungen
bieten sich im äußersten Süden, mit Abstrichen auch noch in der Mitte.
Warntechnisch steht am Montag eindeutig der Wind im Blickpunkt des Geschehens.
So kann sich im Warmsektor ein respektabler Gradient aufbauen, der den
Südwestwind trotz stabiler Schichtung ganz gut pusht und mit Passage der
Kaltfront seinen Höhepunkt findet. So stehen aus heutiger Sicht in der
Nordwesthälfte (im Süden und Südosten fällt der Gradient schwächer aus)
vielerorts Böen 7-8 Bft, an der Nordsee sowie im nördlichen SH bis 9 Bft, mit
geringer Wahrscheinlichkeit sogar 10 Bft auf der Karte. Müßig zu erwähnen, dass
sich auch das Bergland nicht lumpen lässt mit Spitzen 7-9 Bft, exponiert 10 Bft,
Brocken bis 12 Bft (also volle Orkanstärke). Hinter der Front weicht der
Gradient auf und der Wind zeigt deutlich abnehmende Tendenz. Einzig an der Küste
reicht es weiterhin für Böen 7 Bft, Nordsee teils 8 Bft. Und auch auf den Bergen
dauert es wohl bis in die Nacht, bis der Wind spürbar schwächer wird. Tatsache
ist, dass der Wochenstart alles andere als kalt ausfällt, im Gegenteil, "Spring
in November" lautet das Motto angesichts apostrophierter 17 bis 23°C, im
Südwesten lokal sogar 24°C.

In der Nacht zum Dienstag kommen Front und Regen weiter südostwärts voran,
trotzdem reicht es im Süden und Südosten noch nicht ganz für einen
Luftmassenwechsel (T850 am frühen Morgen zwischen Schwaben und Niederbayern noch
bei 9/10°C, im Norden und Westen dagegen um 1°C). Auf alle Fälle steigt der
Luftdruck und von Frankreich her schiebt sich ganz allmählich ein schwacher
Hochkeil bis in den Südwesten vor. Das führt dazu, dass der Gradient weiter
auffächert und der Wind weitere einschneidende Einbußen hinnehmen muss. Einzig
an der See sowie in exponierten Hochlagen entpuppt er sich als widerspenstiger
Robustling mit Böen 7 Bft, Nordsee 8 Bft, Brocken 9 Bft.

Dienstag ... fasst der Höhentrog den überraschenden Gedanken, seine Progression
weitgehend einzustellen bzw. durch in die Rückseite laufende kurzwellige Anteile
zu regenerieren. Anders ausgedrückt, wir verbleiben unter einer südwestlichen
Höhenströmung, was dazu führt, dass die Front im äußersten Süden und Südosten
schleift. Dabei kommt es vor allem südlich der Donau, aber auch noch etwas
weiter nach Norden ausgreifend zu teils länger andauernden Regenfällen mit
gebietsweise bis zu 10 l/qm, lokal um 15 l/qm innert 12 h.
Im großen Rest des Landes setzt sich leichter Zwischenhocheinfluss durch mit
Auflockerungen oder in Norddeutschland auch längeren sonnigen Abschnitten.
Später am Tage rückt von Benelux und der Nordsee ein Bodentrog näher, was im
Westen und Nordwesten die Schauerwahrscheinlichkeit ansteigen lässt. Außerdem
legt der südliche bis südwestliche Wind dort wieder etwas zu, wahrscheinlich
aber unterhalb der Warnschwelle. Ansonsten spielt der Wind von wenigen
exponierten Hochlagen abgesehen keine große Rolle mehr. Mit 11 bis 16°C werden
die Temperaturen gegenüber den Vortagen gestutzt, richtig kalt geht aber anders,
ganz anders.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle ähnlich. Leicht unterschiedlich wird
derzeit noch die Welle behandelt, die morgen Mittag vor Irland aufschlägt. Sie
bleibt bei ICON flach, während sie bei GFS von 12 UTC und IFS von 00 UTC
durchaus Entwicklungspotenzial für ein kleines Sturmtief offenbart. In diesem
Fall wäre die Windentwicklung bei uns zum Montag hin etwas stärker und auch das
Timing der Kaltfront könnte leicht beeinträchtigt werden. An ihrem Übergreifen
noch im Laufe des Montags bestehen aber keine Zweifel.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann