DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-10-2020 07:30
SXEU31 DWAV 140800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 14.10.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NEz (Nordost zyklonal)

Heute in der Nordosthälfte windig bis stürmisch mit Schwerunkt an der
ostvorpommerschen Ostseeküste. Zudem bis in die Harzgegend markanter Dauerregen.
An Donnerstag sukzessive Wetterberuhigung ohne nennenswerte Warnerregung.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... befinden sich weite Teile Mittel- und Westeuropas unter einer
dipolartigen Potenzialstruktur, deren Drehzentren (2 Höhentiefs) sich ganz
langsam um eine gemeinsame Achse (liegt knapp nördlich der Alpen) gegen den
Uhrzeigersinn drehen. So bewegt sich das westliche Tief im Laufe des Tages von
der Bretagne zur Löwengolfküste, während der östliche Teil vom Dreiländereck
Tschechien-Slowakei-Polen in den Osten Polens zieht. Als antizyklonaler
Gegenpart zum Dipol fungiert eine hochreichende und nahezu ortsfeste Antizyklone
über dem Nordmeer (OTMAR; 576 gpdm in 500 hPa und rund 1035 hPa am Boden), deren
Keil bis nach Nordwestdeutschland reicht und dort heute für einen trockenen
Mittwoch sorgt.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die beiden Höhentiefs korrespondierende
Bodentiefs aufweisen, die aber beide den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht oder
schon überschritten haben. Während das westliche Tief FOELKE kaum Einfluss auf
Deutschland ausübt, kann man das von GIESELA im Osten nicht behaupten. Hierbei
handelt es sich um ein veritables Tief, das heute früh 06 UTC mit einem kleinen
995-hPa-Kern über Niederschlesien analysiert werden konnte. Es wird seine
Position im Laufe des Tages kaum verändern (lediglich eine leichte
O-NO-Tendenz), sich aber kontinuierlich auffüllen, so dass um Mitternacht ein
rund 10 hPa höherer Kerndruck zu Buche steht.
Bis es soweit ist, wird es aber noch reichlich Einfluss auf weite Teile des
Vorhersageraums nehmen, wobei es zwei Schwerpunkte zu erörtern gilt:
Niederschlag und Wind. Zunächst zum Niederschlag, der bereits in der Nacht von
Osten her eingesetzt und insbesondere in Sachsen und im südlichen BB ordentlich
zugeschlagen hat. So wurden heute früh etwa südöstlich einer Linie
Chemnitz-Cottbus 12-stündige Mengen zwischen 20 und 40 l/qm registriert.
Induziert wird der stratiforme Regen vornehmlich durch WLA, auf der diffluenten
Westflanke des Höhentiefs aber auch durch PVA-Anteile. Fakt ist, dass sich die
WLA in den nächsten Stunden noch weiter in Richtung Westen ausweitet, dabei aber
deutlich an Substanz einbüßt. Entsprechend breitet sich der Regen über die
mittleren Landesteile ebenfalls nach Westen aus, wird dabei aber immer schwächer
und dürfte z.B. das Rheinland oder den "Pott" gar nicht erreichen. Trocken
bleibt es bei leichtem Zwischenhocheinfluss auch im äußersten Süden.
Akkumuliert über 12 h fällt der meiste Regen weiterhin in Sachsen (allerdings
weiter westlich als in der Nacht), wo gebietsweise um 25, punktuell um 30 l/qm
zusammenkommen können. In den angrenzenden Regionen (Teile BBs, Thüringens und
Sachsen-Anhalts sowie dem Nordostzipfel Bayerns) stehen immerhin noch 10 bis 20
l/qm auf der Karte. An den geltenden Dauerregenwarnungen jedenfalls muss derzeit
nichts geändert werden. Die Schneefallgrenze liegt anfangs bei rund 1000 m,
steigt tagsüber von Osten her aber allmählich an.
Punkt 2 betrifft den Wind, der ebenfalls in der Nacht schon erste Duftmarken im
Osten sowie an der gesamten Ostseeküste gesetzt hat. Der Gradient zwischen
Nordmeerhoch OTMAR und Tief GIESELA nimmt am Vormittag vorübergehend noch
geringfügig zu, was mit Unterstützung des Tagesgangs eine Intensivierung, aber
auch eine räumliche Ausdehnung des aus nördlichen Richtungen wehenden
Starkwindes hat. Von der Nordsee über SH bis hinüber zur Ostsee sowie im
gesamten Binnenland zwischen Ostsee und Erzgebirge werden Böen der Stärke 7 Bft,
in nordostdeutschen Binnenland z.T. 8 Bft erreicht. Abgesehen von einigen
exponierten Hochlagen schlägt der Wind an der Ostsee am stärksten zu mit Böen
8-9 Bft, an der vorpommerschen Küste zwischen Fischland/Darß und Oderhaff sogar
bis zu 10 Bft (schwere Sturmböe), was eine vereinzelte "11er" (orkanartig) nicht
gänzlich ausschließt. Im Laufe des Nachmittags, vor allem aber in den
Abendstunden schwächt sich der Wind im Binnenland ab, während er an der See
sowie in höheren Lagen weiterhin prominent unterwegs bleibt.
Die Temperatur erreicht in der von Nord-Nordost einfließenden feuchten Polarluft
(T850 um 0°C, nur im Osten etwas höher) Höchstwerte von 7 bis 13°C, im östlichen
und zentralen Bergland bei Dauerregen etwas darunter.

In der Nacht zum Donnerstag wird über dem Ligurischen Meer eine Zyklogenese
induziert (genau genommen setzt diese schon etwas eher ein). Das resultierende
Tief wird morgen früh mit knapp über 1000 hPa Kerndruck über Norditalien
erwartet. Derweil füllt sich GIESELA über Polen weiter auf, was dem Einfluss auf
das hiesige Wettergeschehen wenig zuträglich ist. Wind und Regen schwächen sich
ab, kommen aber nicht völlig zum Erliegen. Immerhin fallen bis zum Frühstück mit
Ausnahme des Nordwestens und des äußersten Südens noch mal 1 bis 8 l/qm, in der
Mitte und im Nordosten gebietsweise um 10 l/qm innert 12 h. Im Stau des Harzes
liegen die Mengen darüber, so dass dort die Dauerregenwarnung weiterläuft,
während sie in den übrigen Gebieten auslaufen kann.
Der Wind weht wie bereits erwähnt an der Küste und in höheren Bergland weiterhin
ziemlich flott, büßt aber bis zum Morgen 1-2 Windstärken ein (in den östlichen
und südöstlichen Mittelgebirgen auch mehr). Nebel und Frost sind kein großes
Thema, einzig in höher gelegenen Lagen Süddeutschlands reicht es lokal knapp für
negative Tiefstwerte.

Donnerstag... verabschiedet sich das östliche Höhentief unter Abschwächung mehr
und mehr in Richtung Belarus und auch von der guten GIESELA am Boden bleibt
letztlich nicht mehr viel übrig. Dafür rückt das Tief südlich der Alpen stärker
in den Fokus. Während der Part in der Höhe mit seinem Drehzentrum vom Löwengolf
zum Ligurischen Meer wechselt, splittet sich das Bodentief in zwei Kerne auf. Um
12 UTC liegt einer davon über dem Golf von Genua, der andere über der nördlichen
Adria, jeweils mit knapp unter 1005 hPa. Zwischen diesem Doppeltief und dem über
dem Nordmeer thronenden Hoch wird bei uns nach wie vor eine nördliche bis
nordöstliche Strömung generiert, mit der bodennah kühle Polarluft advehiert wird
(die Tatsache, dass T850 etwas ansteigt auf leicht positive Werte, hat auf die
2-m-Temperaturen keinen großen Einfluss).
Wettertechnisch darf/muss sich der größte Teil des Landes auf einen grauen und
bedeckten Donnerstag einstellen, einzig der Nordwesten darf auf einige Brosamen
von Hoch OTMAR in Form von Auflockerungen und etwas Sonne sowie trockener
Verhältnisse hoffen. Ansonsten sorgen schwache WLA sowie von Süden über die
Alpen nach Norden ausgreifende Hebung (WLA + kurzwellige Troganteile) für
zeitweiligen leichten Regen unter 5 l/qm binnen 12 h. Nur in Staulagen der
Mittelgebirge sowie unmittelbar am Alpenrand deuten sich punktuell etwas höhere
Mengen an. Ob das allerdings ausreicht, die bis Donnerstag 20 Uhr dauernde
Dauerregenwarnung im Harz den ganzen Tag aufrecht zu erhalten, ist fraglich. Die
Schneefallgrenze liegt über 1000 m, teils bei 1500 m.
Windtechnisch ist gegenüber heute nicht mehr viel los. Am längsten macht der
N-NO-Wind noch an der See und das insbesondere an der vorpommerschen Küste
zwischen Fischland/Darß und Usedom auf sich aufmerksam, wo es bis zum Abend Böen
7-8 Bft um Nord gibt. Dass auch der Brocken tagsüber mal an der "8" kratzt, ist
eigentlich gar nicht erwähnenswert.

In der Nacht zum Freitag fallen in der Mitte und im Süden weitere, meist leichte
Niederschläge (meist unter 5 l/qm, nur in Staulagen etwas mehr), wobei die
Schneefallgrenze hoch bleibt. Darüber hinaus werden es Frost und Nebel nicht in
die Schlagzeilen schaffen und nur sehr vereinzelt auftreten.

Freitag... schlägt das südliche Höhentief einen Nordostkurs ein und steuert bis
zum Abend sie Slowakei an. Das korrespondierende (Doppel)Bodentief will die
Reise nicht mitmachen, es füllt sich im Tagesverlauf immer mehr auf und
verschwindet schlussendlich von der Wetterkarte. Das kann man vom Hoch über dem
Nordmeer nicht behaupten, auch wenn es von einer aus der Polarregion nach Süden
vorstoßenden Störung etwas "angeknabbert" wird.
Unter dem Strich bleibt uns auch am Freitag Nordwind erhalten, der aber nur noch
schwach bis mäßig unterwegs ist, so dass Warnungen nicht fällig werden. Was
bleibt, ist die Zufuhr polarer Luftmassen (T850 um den Gefrierpunkt, Tmax
7-13°C), die zudem weiterhin recht feucht respektive wolkenreich ist. Auch wenn
keine klaren Antriebe erkennbar sind (zumindest nicht für den Verfasser), kommt
es im Osten und Süden in leicht zyklonal konturiertem Umfeld zu weiteren
leichten, im Nordstau der Mittelgebirge und Alpen auch mäßigen Niederschlägen.
Im Norden und Nordwesten hingegen trocknet die Luftmasse von Skandinavien her
allmählich etwas ab, was die Chancen auf größere Auflockerungen oder gar sonnige
Abschnitte erhöht, insbesondere in SH.


Modellvergleich und -einschätzung
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Hinsichtlich der Wetterentwicklung sind sich die Modelle einig. Das
Warnmanagement steht weitgehend, ggf. sind nur kleine In-situ-Anpassungen
vonnöten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann