DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-10-2020 08:30
SXEU31 DWAV 130800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 13.10.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Nz/NEz (Nord bzw. Nordost zyklonal)

Nach schwachem Zwischenhocheinfluss heute tagsüber ab dem Abend von Osten her
zunehmender Tiefdruckeinfluss mit Dauerregen und Wind/Sturm. Höhepunkt am
Mittwoch, aber auch Donnerstag noch zyklonaler Einfluss.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein recht bizarres Muster,
geprägt von einem "windschiefen" Langwellentrog, der von der Barentssee bis
hinunter zum Mittelmeer reicht. Flankiert wird der Trog von zwei entzückenden
Rücken, von denen der eine weite Teile des Ostatlantiks überdeckt und sich bis
hoch nach Ostgrönland bzw. Spitzbergen erstreckt, während der andere Osteuropa
als Heimatadresse nennt. Davon ausgehend weist ein Keil nach Westen, der im
Tagesverlauf über der Nord- und Ostsee zu einer Brücke mutiert und damit Fühlung
zu Rücken Nr. 1 über dem Atlantik aufnimmt. Doch nicht nur das, damit wird auch
das fragile Trogkonstrukt insofern zerschlagen, als dass der nordeuropäische
Teil mit Drehzentrum über Finnland vom mittel- und westeuropäischen Part
getrennt wird. Letzterer zeichnet für das hiesige Wettergeschehen verantwortlich
und besteht aus einem dipolartigen Doppeltief, das sich gegen den Uhrzeigersinn
um eine gemeinsame Achse dreht, die heute Mittag etwa im Dreiländereck
Deutschland-Frankreich-Luxemburg verortet ist und von dort langsam Richtung
Süden rutscht. Die beiden Höhentiefs selbst eiern im Laufe des Tages von England
zur Bretagne sowie von Venezien zur Slowakei.
Von der Höhe in Bodennähe, wo den genannten Potenzialgebilden größtenteils
entsprechende Hochs und Tiefs zugeordnet werden können. So reicht vom
Ostatlantik bis hoch zum Europäischen Nordmeer eine umfangreiche Hochdruckzone,
die ihren Schwerpunkt mit etwas über 1030 hPa zwischen Island und Schottland
ausbildet und den Namen OTMAR trägt. FOELKE schimpft sich das Tief, das heute
früh über der westlichen Nordsee liegt und von dort langsam und mit leichter
Auffülltendenz gen Frankreich zieht. Dann wäre da noch ESTHER über Finnland, die
für uns aber keine Rolle mehr spielt, was man von wiederum von GIESELA nicht
behaupten kann. Hierbei handelt es sich um ein derzeit noch mehrkerniges
Tiefdrucksystem über dem Balkan, das sich unter Intensivierung und Fokussierung
auf einen Einzelkern in Richtung Polen verlagert, wo es am Donnerstag 00 UTC
zentral mit einem Kerndruck zwischen 1000 und 995 hPa aufschlägt.
Bis es soweit ist, verbringt Deutschland den heutigen zwischen den "Ladys" in
einem gradientschwachen Raum mit dem Attribut Zwischenhoch, im dem leichtes
Absinken vorherrscht. Als Ergebnis kommt dabei schwache Inversion bei etwa
800/750 hPa heraus, die eine vergleichsweise feuchte Grundschicht (Polarluft mit
T850 um 0°C) von einer trockenen Mitteltroposphäre trennt. Das tagsüber daraus
resultierende Wetter ist ruhig und gänzlich unspektakulär mit einer typisch
herbstlichen Mischung aus nächtlichen Restnebelfeldern (die sich aber auflösen
dürften) und Wolken respektive Hochnebel, aber auch einigen Auflockerungen.
Davon profitieren tun vor allem der Nordwesten und Nordosten, aber auch sonst
besteht durchaus mal die Chance auf einige Lücken. Der Temperatur wird das
allerdings nicht allzu viel bringen, mit 7 bis 13°C, im Nordwesten auch mal 14°C
bleiben die Höchstwerte für Mitte Oktober leicht unterdurchschnittlich.

Am Abend bzw. in der Nacht zum Mittwoch wird´s langsam ernst, wenn zunächst mal
Jogi und seine Jungs die benachbarten Eidgenossen zum Nati-Kick in Kölle
begrüßen. Doch wen interessiert derzeit schon die Nationalmannschaft, wo doch
ganz andere Helden (oder besser Heldinnen) die große Bühne betreten. Tief
GIESELA und ihr Mentor in der Höhe bringen sich ordentlich in Schwung, was vor
allem Teile Ostdeutschlands zu spüren bekommen. Zum einen greifen von Osten her
kräftige WLA, in der diffluenten östlichen Höhenströmung aber auch PVA-Anteile
über, die einen substanziellen und flächigen Hebungsimpuls generieren.
Entsprechend werden stratiforme Regenfälle ausgelöst, die bis zum Morgen auf
Sachsen, das südliche BB sowie Teile Sachsen-Anhalts, Thüringens und des
südlichen Niedersachsens übergreifen. Auch Nord- und Ostbayern wird mit
Niederschlag bedacht. Der Schwerpunkt liegt aber in Sachsen und dem südlichen
BB, wo gebietsweise bis zu 25 l/qm, punktuell (Oberlausitz, Zittauer- und
Osterzgebirge) um oder etwas über 30 l/qm innert 12 h fallen können. Die
Schneefallgrenze liegt in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen bei rund
1000 m
Neben dem Regen rückt auch der Wind mehr und mehr in den Fokus, weil sich
zwischen GIESELA auf der einen und dem sich ebenfalls weiter verstärkenden OTMAR
auf der anderen Seite ein prominenter Gradient aufbaut, der den nördlichen Wind
insbesondere im Grenzbereich zu Polen, im Erzgebirge und auf dem Brocken sowie
an der gesamten Ostseeküste merklich aufleben lässt. Böen 7 Bft, im Bergland je
nach Exposition 8 bis 9 Bft sind die Folge. Stürmisch wird es auch an der Ostsee
mit einem klaren Ost-West-Gradienten; während zwischen Rügen und dem Oderhaff
die Gefahr von 9er-Böen besteht, sind es im übrigen Küstensaum MVs in der Spitze
eher Böen 8 Bft, in SH gar überwiegend nur 7er-Böen. Grund für diese Verteilung
sind nicht nur die Lage zum Tief, sondern auch der Fetch des nordöstlichen
Windes über die freie Ostsee im Kontext zur Küstenexposition.
Die Geschichte für den Rest des Landes ist rasch erzählt. Die Hebungsvorgänge
bei unseren westlichen Nachbarn (FOELKE) tangieren uns kaum, so dass es
weitgehend trocken bleibt. Nebelfelder gibt es vor allem im Süden und Südwesten,
allerdings nicht mehr in der flächenmäßigen Ausdehnung wie vergangene Nacht.
Zwischen Schwarzwald und Alpenrand besteht die Gefahr von leichtem Luftfrost,
wenn es tatsächlich für längere Zeit aufklart.

Mittwoch... setzt sich die Drehbewegung des Potenzial-Dipols weiter fort. Dabei
landet der westliche Teil am Ende des Tages an der südfranzösischen Küste zum
Löwengolf, während das östliche Höhentief gaaanz langsam die Osthälfte Polens
erreicht. Interessant dabei die korrespondierenden Entwicklungen am Boden. So
wird über dem westlichen Mittelmeer eine Zyklogenese induziert, dessen
resultierendes Tief um 24 UTC mit etwas unter 1005 hPa die toskanische Küste
erreicht. Im Gegenzug geht GIESELA im Laufe des Tages ganz schön die Luft aus,
wobei sie mangels klarer Steuerungsmechanismen aus der Höhe etwas uninspiriert
über Polen herumeiert. Zum Datumswechsel legt ICON das Tief mit nahe 1005 hPa
Kerndruck (am Mittag noch unter 1000 hPa) in den Süden unseres östlichen
Nachbarlandes.
Wie auch immer, Fakt ist, dass sich der stratiforme Regen von Osten her
gemächlich westwärts ausbreitet, dabei aufgrund sich abschwächender WLA aber an
Intensität einbüßt. Aufsummiert über 12 h wird das Maximum mit rund 30 l/qm
abermals in Sachsen sowie dem südlichen BB gesehen, so dass man dort akkumuliert
über 24 h (18 bis 18 UTC) auf 30 bis 50 l/qm, im Erzgebirge und dem Zittauer
Gebirge staubedingt lokal auch auf etwas höhere Summen kommt, was per
definitionem Unwetter darstellt, aber nicht unbedingt als solches bewarnt werden
muss (Stichwort "Häkchen"). Während die Schneefallgrenze im Erzgebirge
sukzessive ansteigt, fällt in den Hochlagen des Bayerischen Waldes oberhalb 1000
m weiterhin Schnee, so dass sich trotz Einzelfallentscheidung - beginnend in der
kommenden Nacht - eine Schneefallwarnung anbietet mit 10 bis 15 cm Neuschnee bis
Mittwochabend. In den Westen und Nordwesten wird der Regen bis zum Abend
voraussichtlich nicht kommen und auch der äußerste Süden und Südwesten etwa vom
Alpenrand bis hinüber zum Südschwarzwald bleibt davon ausgeklammert. Dort sowie
an der Nordsee und in SH kann man sich sogar Hoffnungen auf ein paar
Wolkenlücken mit etwas Sonne machen, während sonst die Schotten weitgehend dicht
bleiben.
Thema Numero zwo neben dem Niederschlag ist und bleibt der Wind, der mit
Unterstützung des Tagesgangs sowie einer weiteren Gradientverschärfung (Hoch
OTMAR legt auch noch etwas Gewicht auf und kommt um 12 UTC auf etwas über 1035
hPa) sowohl zulegt als auch ausweitet. So kommt es im gesamten Tiefland zwischen
Ostsee und Erzgebirge sowie in SH und dem östlichen Niedersachsen verbreitet zu
steifen Böen 7 Bft, vor allem im Nordosten auch stürmischen Böen 8 Bft aus
nördlichen Richtungen. Den fettesten Sturm mit Böen bis 10 Bft (exponiert ist
sogar eine 11 Bft = orkanartig nicht ausgeschlossen) gibt es an der
vorpommerschen Küste zwischen Rügen und Oderhaff sowie auf Fischland/Darß.
Weiter westlich dürften die Spitzenböen bei 8 bis 9 Bft, an der Nordsee bei 7-8
Bft liegen. Mit Ausnahme der Küste sowie einiger Hochlagen (wo tagsüber in
exponierten Lagen Böen bis 10 Bft möglich sind, vor allem auf dem Blocksberg im
Harz) nimmt der Wind zum Abend hin wieder ab.
Noch ein Satz zur Temperatur, die im Osten zumindest niedertroposphärisch
ansteigt auf bis zu +3°C in 850 hPa, was unten aber nicht ankommt. Nach wir vor
stehen deutschlandweit Tageshöchstwerte von 7 bis 13°C auf der Karte, bei
Dauerregen im östlichen und zentralen Bergland noch etwas darunter.

In der Nacht zum Donnerstag ändert sich an der Gesamtkonstellation wenig, wenn
man mal davon absieht, dass sich Tief GIESELA weiter auffüllt. Der Regen
erreicht nun auch den Westen und Südwesten, gleichzeitig hört es von Polen und
Tschechien her auf zu regnen. Weiterhin außen vor bleiben der äußerste Süden und
der Nordwesten des Landes, wo sich örtlich Nebel bildet. Das Intensitätsmaximum
des Niederschlags wird modellübergreifend im Nordstau des Harzes simuliert, das
allerdings mit einer gewissen Streuung. Unter dem Strich reicht es auch dort
etwa von Mittwoch- bis Donnerstagmittag für 30 bis 50 l/qm, lokal auch etwas
mehr.
Trotz des auffächernden Gradienten bleibt der nördliche Wind an der Küste und in
höheren Lagen des nördlichen und östlichen Berglands prominent unterwegs mit
Böen 7-8 Bft, an der vorpommerschen Küste 9 Bft, anfangs exponiert 10 Bft. Im
Binnenland hingegen lässt sich eine eindeutige Windabnahme konstatieren.

Donnerstag... wird weiter gekreiselt, wobei das östliche Höhentief für unseren
Raum mehr und mehr an Bedeutung verliert. Es zieht im Tagesverlauf unter
Radiusverlust gen Baltikum respektive Belarus, bevor es irgendwann von dem über
Nordwestrussland liegenden Trog aufgeschnappt wird. Derweil zieht es das andere
Drehzentrum zur Poebene, während das korrespondierende Bodentief einen Split
vollzieht. Übrig bleiben ein Kern über dem Golf von Genua und einer über der
nördlichen Adria (24 UTC). Zwischen dem Doppeltief und dem als Fixpunkt
agierenden OTMAR über dem Nordmeer bleibt eine hochreichende und leicht zyklonal
konturierte nördliche bis nordöstliche Strömung erhalten, mit der feuchte
Polarluft advehiert wird (T850 -1 bis +3°C).
Bedingt durch über die Alpen nach Norden ausgreifende Hebungsprozesse sowie über
dem Nordosten liegende Reste der zu GIESELA gehörenden Okklusion kommt es in
weiten Teilen des Vorhersageraums zu leichten, in der Mitte mitunter auch
mäßigen Niederschlägen. Am meisten kommt im Harz und im Thüringer Wald runter
(lokal um oder etwas über 10 l/qm innert 12 h), während im Nordwesten und
Südosten eher gegeizt wird und es gebietsweise sogar trocken bleibt. Die
Erwartungen an Sonnenschein bleiben im Keller, einzig an der Nordsee sowie in SH
kann man auf einige Auflockerungen hoffen. In den Alpen sowie im Südschwarzwald
fällt oberhalb etwa 1000 m etwas Neuschnee.
Thema Wind, der an der Küste und im nordostdeutschen Binnenland noch mal auf
sich aufmerksam macht mit Böen 7 Bft, an der Ostsee 8 Bft. Spätestens am
Nachmittag erfolgt von Westen her eine kontinuierliche Abnahme, zwischen Zingst
und Usedom wird es aber bis zum Abend noch ordentlich blasen.
Temperaturmäßig geht es gegenüber den Vortagen eher noch etwas nach unten. Man
sollte sich auf Spitzen zwischen 6 und 12°C einstellen, wenn man nicht gerade im
höheren Bergland herumkraxelt, wo es freilich noch etwas kälter ist.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle sprechen im Großen und Ganzen dieselbe Sprache. Hinsichtlich des
Tiefs GIESELA hat inzwischen auch eine Annäherung stattgefunden. Hinsichtlich
der Warnungen empfiehlt es sich, heute Mittag/früher Nachmittag mit den
Dauerregenwarnungen herauszugehen (außer Harz, der erst später). Beim Wind kann
noch etwas abgewartet werden, die Ausgabe sollte in den Abendstunden erfolgen.
Details zu Intensität, räumlicher Verteilung und zeitlicher Staffelung wurden in
der Frühkonferenz besprochen bzw. können der Guidance entnommen werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann