Thema des Tages

15-08-2020 10:20

Und schon wieder (k)ein Treffer?! - Die Krux mit der
Gewittervorhersage


Wer kennt es nicht? Im einen Ort sintflutartige Regenfälle, im
Nachbarort nicht mal ein Tröpfchen. So etwas exakt vorherzusagen, ist
quasi unmöglich, aber warum eigentlich?

"Auch heute muss örtlich wieder mit kräftigen Schauern und Gewittern
gerechnet werden, die lokal unwetterartig ausfallen können." - ein
Satz, der so oder so ähnlich seit Tagen eine Stammplatzgarantie in
den diversen Wetterberichten genießt. Und doch gibt es sicherlich
viele unter Ihnen, die von diesen meteorologischen Erscheinungen
überhaupt nichts mitbekommen haben und verständlicherweise diese
Vorhersagen mit einem Kopfschütteln quittieren.

Das Problem an der ganzen Sache ist, dass eine Prognose, wann und wo
Gewitter exakt auftreten, im Prinzip nicht möglich ist. Gewitter sind
nämlich besonders in ihrer Entstehung sehr kleinräumige
Wetterphänomene, die von unseren Wettermodellen nur schlecht
"aufgelöst" werden können. Das kann man ganz grob mit einem
Fischernetz vergleichen: Je kleiner die Maschen des Netzes sind,
desto kleinere Fische kann man fangen. Beträgt die Maschenweite
zwischen zwei Knoten z.B. 50 cm, wird man Schwierigkeiten haben,
einen Goldfisch zu erwischen. Ähnlich verhält es sich mit den
Wettermodellen. Das hochauflösende Wettermodell des DWD (COSMO-D2)
hat aktuell eine Maschenweite von Knoten zu Knoten von 2,2 km.
Gewitter sind aber vor allem während ihrer Entstehung deutlich
kleiner (wenige Hundert Meter Durchmesser). So ist es nicht selten,
dass es bei Gewittern in einem Stadtteil "Land unter" heißt, während
es in einem anderen trocken bleibt.

Jetzt könnte man sich natürlich fragen, warum man die Auflösung der
Modelle nicht einfach auf z.B. 100 m hochschraubt. Nun ja, einerseits
würde dann ziemlich schnell unser Rechner zum Abschied leise
"Servus!" piepsen, andererseits gibt es noch weitere Faktoren, die
die Wettervorhersage im Allgemeinen und damit auch die
Gewitterprognose beeinträchtigen (Messungenauigkeiten, zu geringe
Messdichte, notwendige Vereinfachungen in den numerischen Gleichungen
eines Wettermodells, usw.).

Mit diesen Einschränkungen Gewitter auf den Punkt genau vorhersagen
zu können, würde veranschaulicht gesagt bedeuten, dass man in einem
Topf mit aufkochendem Wasser auf den Millimeter und die Sekunde exakt
prognostizieren kann, wo und wann sich das erste Luftbläschen am
Topfboden bildet und aufsteigt. Sollten Sie dieses Experiment beim
nächsten Wasserkochen ausprobieren, werden Sie feststellen, dass das
ein unmögliches Unterfangen ist.

Was man dagegen meist recht gut vorhersagen kann, ist zum einen die
Region, in der Schauer und Gewitter auftreten können und zum anderen
das Potenzial der Luftmasse und die damit einhergehenden
Begleiterscheinungen wie Starkregen, Böen und Hagel. Am heutigen
Samstag muss mit Ausnahme des Nordostens und äußersten Nordens
überall mit Gewittern gerechnet werden, die vor allem vom südlichen
Emsland und NRW bis in den östlichen und südöstlichen
Mittelgebirgsraum aufgrund von Starkregen lokal unwetterartig
ausfallen können.

Wann und wo genau uns die Wetterküche diese allerdings servieren
wird, muss abgewartet werden.


Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.08.2020

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst