DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-08-2020 08:01
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 15.08.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SEa

Im Tagesverlauf mit Ausnahme des Nordostens gebietsweise schwere (Unwetter-)
Gewitter mit heftigem Starkregen, dabei vereinzelt Sturmböen und größerer Hagel
nicht ausgeschlossen. Lokal bezüglich Starkregens extremes Unwetter mit extrem
heftigem Starkregen.


Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegt Deutschland unter einem insgesamt schwachgradientigen
Geopotentialfeld. Westlich der Biskaya liegt ein abgeschlossenes Höhentief, das
bis zum Abend nur sehr zögerlich nach Nordosten vorankommt. Ein zweites
Höhentief liegt weitgehend ortsfest über Russland, und zwischen diesen
Geopotentialminima erstreckt sich über Mitteleuropa ein Rücken, der vom
westlichen Mittelmeer bis nach Skandinavien reicht und dessen Achse den ganzen
über Deutschland zu finden ist. Der Rücken ist dabei so schwach ausgeprägt, dass
die Geopotentialdifferenz über Deutschland gerade mal ein bis zwei gpdm beträgt.
Im Bodendruckfeld zeigen sich ebenfalls nur geringe Gegensätze, wobei sich den
gesamten Tag über eine Tiefdruckrinne vom nahen Ostatlantik bis nach
Südosteuropa erstreckt, nur der Südwesten kommt in den Genuss eines schwachen
Hochkeils, der sich von Frankreich hereinschiebt - aber im Tagesverlauf abgebaut
wird. Die in der Tiefdruckrinne vorhandene Luftmasse zeichnet sich insbesondere
durch einen sehr hohen Feuchtegehalt aus. In einem breiten Streifen vom Westen
und Nordwesten bis in den Osten und Südosten liegen die PPW-Werte laut ICON-EU
um 40 mm, eine Einschätzung, die z.B. auch von GFS oder COSMO-D2 geteilt wird.
Trockener geht es mit PPW-Werten zwischen 30 und 35 mm im Südwesten zu, die
geringste Feuchte ist im Nordosten, also von Schleswig-Holstein bis ins
nördliche Brandenburg zu beobachten. Dort sickert aus östlichen bzw. nördlichen
Richtungen trockenere Luft ein, so dass trotz höherer Labilitätswerte mit
Lapse-Rates bis -0,65 K/100m wegen der fehlenden Feuchte keine Gewitter
auftreten sollten. In den anderen Regionen wird es im Tagesverlauf dagegen
gebietsweise wieder ordentlich zu Sache gehen, auch wenn die Schichtung bei
Lapse-Rates zwischen -0,55 und -0,6 K/100m etwas stabiler rüberkommt. Dafür baut
sich dort im Tagesverlauf erneut CAPE auf, ICON-EU liefert in der Spitze Werte
über 1000 J/kg. Damit liegt dieses Modell auf einer Wellenlänge mit GFS und
niedriger als COSMO-D2, welches Maxima von bis zu 1600 J/kg bietet. Neben der
Auslöse durch das profane Erreichen der Auslösetemperatur werden erneut die
Orografie und lokale Konvergenzen, eventuell auch die gebietsweise Advektion von
Vorticity die Gewitterauslöse triggern. Dynamische Hebungsvorgange spielen im
vorhandenen schwachgradientigen Umfeld keine Rolle. Da die letzten Tage für eine
niedertroposphärische Anreicherung von Feuchte gesorgt haben, ist die
Entwicklung von Fallböen bis in den Sturmbereich zwar nicht ausgeschlossen, aber
doch unwahrscheinlich. Auch die Scherungswerte und damit der Organisationsgrad
der Gewitter sind gering. Und so liegt der Fokus bei den Begleiterscheinungen
der Gewitter erneut auf dem Starkregen. Alleine aus den PPW-Werten lässt sich
ableiten, dass es wieder gebietsweise zu Unwettern durch heftigen Starkregen
zwischen 25 und 40 l/qm in kurzer Zeit kommen kann, lokal ist auch wieder mit
extrem heftigem Starkregen über 40 l/qm in kurzer Zeit zu rechnen. Laut ICON und
EZMW sollen dabei die kräftigsten Niederschläge in einem Streifen von NRW bis
nach Südbayern auftreten, dazu arbeiten diese Modelle einen Schwerpunkt über den
östlichen Mittelgebirgen heraus. EURO4 unterstreicht mit einigen Hot-Spots über
dem Südwesten das Potential auch in dieser Region, EURO4 und auch COSMO-D2
können sich auch heftige Umlagerungen an der Weser vorstellen. Letztendlich wird
wieder das Nowcasting mittels Fernerkundung über die Ausgabe von Warnungen
entscheiden. Was es sonst noch gibt? Warntechnisch nix, bei 850er Temperaturen
um 14 Grad liegen die Maxima bei einem im Südwesten und Nordosten oft gering
bewölkten oder wolkenlosen, ansonsten aber wechselnd wolkigen Himmel meist
zwischen 23 und 29 Grad, im Nordosten sorgt die weitgehend ungestörte
Einstrahlung der Sonne für Spitzenwerte jenseits der 30-Grad-Marke.

In der Nacht zum Sonntag ist keine durchgreifende Änderung der Lage zu erkennen.
Immerhin verschieben sich die Geopotentialmuster etwas nach Osten. Damit
erreicht das Höhentief über dem Ostatlantik bis Biskaya, und über dem Westen
Deutschlands ist ein kurzwelliger Troganteil auszumachen. Die von ihm
ausgehenden Hebungsimpulse sind aber sehr gedämpft, in den Omegafeldern lässt
sich nichts Nennenswertes erkennen. Der Trog schiebt auch den Rücken weiter nach
Osten, in der zweiten Nachthälfte verlässt seine Achse uns in Richtung Polen.
Unterhalb des nach Osten wandernden Höhenrückens steigt über Polen und Osteuropa
der Druck, so dass die Tiefdruckrinne in ihrem östlichen Teil abgebaut wird.
Deutschland gelangt damit auf die Ostflanke der Tiefdruckzone. Da aber immer
noch kein Luftmassenaustausch stattfindet, bleibt die schwül-warme Luft in
weiten Teilen Deutschlands wetterbestimmend. Die Gewitter des Tages lassen nur
zögerlich nach, teils retten sie sich bis in die zweite Nachthälfte - oder
flackern sogar neu auf. Auch die Gefahr ungewittrigen Starkregens ist erneut
real. Im Südwesten und Süden bleibt es dagegen - wie auch im Nordosten - oft
gering bewölkt. Zum Morgen können sich gebietsweise Nebelfelder bilden. Dabei
sinken die Temperaturen meist auf 19 bis 13 Grad.

Sonntag... kommt die ostwärtige Verlagerung der Geopotentialsysteme wieder etwas
ins Stocken. Das Höhentief vor der Biskaya dreht nach Norden ein und erreicht
zum Abend den Westausgang des Ärmelkanals. Der kurzwellige Troganteil wandert
nach Norden, so dass die Höhenströmung über dem Westen unsres Landes zwar
zyklonal, aber recht gleichmäßig gekrümmt verläuft. Über dem Nordosten macht
sich dagegen weiterhin das von Südschweden zum Baltikum ziehende Höhenhoch
bemerkbar. Die dort lagernde trockene Luft kommt dadurch nach Süden voran und
erreicht bis zum Abend auch Sachsen. Östlich von Elbe und Saale stellt sich
durch das entsprechende Absinken sehr sonniges Wetter ein, Gewitter sind dort
dann kein Thema mehr - einzig ein kleines Höhentief im tschechisch-slowakischen
Grenzgebiet könnte am Erzgebirge diesbezüglich für eine Überraschung sorgen. Im
übrigen Land bleibt uns dagegen die extrem Feuchte Luftmasse des Vortages
erhalten. Da unterhalb des Höhentiefs der Druck leicht fällt, bildet sich ein
neues flaches Tief aus, dass zum Abend nach ICON unmittelbar vor der
Südwestspitze Cornwalls liegen und von den aus ein Bodentrog nach Benelux
gerichtet ist. Durch den leichten Druckanstieg im Osten und den Druckfall im
Westen kommt es - auf sehr gedämpftem Niveau - zu einem leichten Anstieg der
Dynamik, zum Abend hin kann vor allem über Benelux, vielleicht aber auch im
äußersten Westen Deutschlands zum ersten Mal nach längerer Zeit eventuell
dynamisch induzierter Hebungsantrieb aufgrund von PVA wirksam werden. Am
Charakter der Luftmasse ändert dies, wie oben schon erwähnt, allerdings nichts.
Insbesondere in einem Streifen vom Emsland bis nach Thüringen liegen laut
ICON-EU die PPW-Werte weiterhin um 35 mm. Über dem Südwesten präsentiert sich
die Luftmasse mit PPWs zwischen 20 und 30 mm dann aber etwas trockener. Durch
die Annäherung des Troges wird die Vertikalstruktur insgesamt labiler, was sich
im Südwesten auch am Rückgang der Lapse-Rates auf unter -0,65 K/100m zeigt. Da
die höhere Labilität die geringere Feuchte kompensiert, zeigen die Modelle,
abgesehen vom Nordosten und Osten, durchweg mittlere bis hohe CAPE Werte. In dem
angesprochenen Streifen vom Emsland bis nach Thüringen liegen diese laut ICON-EU
um 1000 J/kg, an der Grenze zur Schweiz sollen sie sogar um 1500 J/kg erreichen.
Hier zeigen sich dann schon deutlichere Modellunterschiede, z. B. im Vergleich
zu GFS, bei dem die trockene Luft aus dem Osten deutlich weiter nach Westen (bis
nach Osthessen) vorankommt und die CAPE-Schwerpunkte über den Niederlanden und
über Südbayern liegen. Etwas dämpfend auch die Gewitterentwicklung dürfte die
beginnende niedertroposphärischer WLA wirken, wodurch die Luftmasse zunehmend
gedeckelt ist, auch bleibt die Scherung gering. Letztendlich werden wieder
lokale Faktoren wie Orografie und lokale Konvergenzen die Auslöse triggern. Am
Charakter der Zellen ändert sich letztendlich wenig. Wieder liegt der Starkregen
im Fokus, der auch erneut den Unwetterbereich erreichen wird. Ob es für extremes
Unwetter reichen wird ist unsicher, da die Zellen sich etwas mehr verlagern und
nicht mehr nur an Ort und Stelle abregnen. Sturmböen und größerer Hagel sind
nicht ausgeschlossen, ideal sind die Bedingungen dafür aber nicht (fehlende
Scherung, nur moderat ausgebildete inverse V-Struktur). Insgesamt wird es wieder
wärmer als an den Vortagen-. Einerseits scheint die Sonne wieder verbreiteter,
andererseits wird es mit 14 bis 17 Grad in 850 hPa auch niedertroposphärisch
etwas wärmer. Das Ganze mündet in Höchstwerte zwischen 27 und 33 Grad, mit den
höchsten Werten am Oberrhein und im östlichen norddeutschen Tiefland, wobei am
Oberrhein bei recht hoher Feuchte wieder eine gewisse Wärmebelastung vorhanden
ist. Bei auflandigem Wind bleibt es an einigen Küstenabschnitten etwas kühler.

In der Nacht zum Montag weitet sich der Trog zunehmend auf das Vorhersagegebiet
aus, laut ICON wird in die Zirkulation auf seiner Vorderseite auch das
angesprochene kleinräumige Tief mit einbezogen. Das kleinräumige Tief nimmt eine
Verbindung mit einem Zentraltief über dem Nordatlantik auf, wodurch über
Westeuropa erneut eine Tiefdruckrinne entsteht. Sein Frontensystem greift von
Westen her auf Deutschland über, wodurch auch in der Nacht die Schauer- und
Gewittertätigkeit vom Westen in die Mitte ausgreifend nicht zur Ruhe kommt. Bei
PPW-Werten von weiterhin um 40 mm dürfte Starkregen sicherlich wieder ein Thema
werden, eventuell sogar bis in den Unwetterbereich - abhängig von der
Zuggeschwindigkeit. Die Zunehmende Scherung begünstigt dann auch wieder besser
organisierte Zellen mit Sturmböen und größerem Hagel. Ruhig bleibt es dagegen
erneut im Osten und Nordosten, und bei 850er Temperaturen um 14 Grad sinken die
Temperaturen auf 19 bis 13 Grad.

Montag... und in der Nacht zum Dienstag verlagert sich das Höhentief vom
Ärmelkanal nach Nordengland. Deren stark diffluente Vorderseite begünstigt
Hebungsprozesse über Norddeutschland, so dass die westeuropäische Tiefdruckrinne
weiter nach Osten ausgreifen kann und in der Nacht in West-Ost-Richtung über der
Norddeutschen Tiefebene verläuft. Durch den Luftdruckfall und die damit über
weiten Teilen Deutschlands auf Süd- bis Südwest drehende Bodenströmung wird die
extrem feuchte Luft wieder etwas nach Nordosten gedrückt. Hierbei verläuft die
Luftmassengrenze am Nachmittag etwa entlang der Elbe, so dass es - erneut mit
Ausnahme des Nordostens - bei CAPE-Werten lokal bis knapp 1000 J/kg, PPW-Werten
bis 40 mm und durchaus vorhandener Labilität erneut mit kräftigen Gewittern bis
in den Unwetterbereich gerechnet werden muss. Insbesondere am Nachmittag sollte,
angefacht durch den dynamischen Hebungsinput und mit Unterstützung durch die
Orographie bzw. lokale Bodenkonvergenzen, die Gewitteraktivität (in erster Linie
an der Südwestflanke der Rinne) wieder aufleben. Die Scherung bleibt nach
aktueller Modelllage voraussichtlich gering, so dass die Zellen keinen
sonderlich großen Organisationsgrad aufweisen dürften. Aufgrund der geringen
Zuggeschwindigkeit steht das Thema Starkregen als Begleiterscheinung im Fokus,
schnell sind die Warnschwellen für Unwetter, vielleicht auch extrem, erreicht.
Aber auch größerer Hagel sollte (je nach Cape) in Betracht gezogen werden und
die ein oder andere Böe zwischen 80 und 100 km/h, bei einigen Systemen
vielleicht auch mehr, ist ebenfalls nicht ausgeschlossen. Der Nordosten bleibt
bis zum Abend noch im Einflussbereich der trockeneren Festlandsluft, erst in der
Nacht kommt die Rinnt weiter nach Norden voran (s. o.). Inzwischen zeigen die
Modelle auch recht ähnliche Auffassungen darüber, wie weit die Gewitter genau
vorankommen. Bis zum Abend an der Elbe, bis zum Morgen an der Grenze zu
Vorpommern und zur Uckermark - darauf können sich EZMW, GFS und ICON jetzt
einigen, wenngleich GFS noch immer eine etwas zügigeren Verlagerung zeigt.
Rückseitig der Rinne gelangt eine weiterhin instabil geschichtete, allerdings
etwas kühlere und nicht mehr so energiereiche Luftmasse nach West- und
Südwestdeutschland. In der können sich ebenfalls noch einige Schauer und
Gewitter entwickeln, allerdings mit nicht mehr allzu hohem Unwetterpotenzial.
Während es präfrontal im Osten und Nordosten mit 29 bis 32 Grad noch einmal sehr
warm bis heiß wird, liegen die Höchstwerte sonst zwischen 23 und 28 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle sehen die Entwicklung recht ähnlich, Unterschiede wurden im Text
angesprochen. Auf das Warnmanagement haben die Unterschiede keinen Einfluss -
das läuft ohnehin im Nowcasting ab.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas