DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 071800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 07.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Westlage: Im Süden sommerlich warm, im Norden eher kühl, in der Mitte regnerisch
mit Dauerregenpotenzial in einigen Staulagen. Am Freitag im Süden markante
Gewitter möglich, Unwetter nicht ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... befindet sich Deutschland an der Südflanke eines
Langwellentrogkomplexes über Nord- und Nordwesteuropa unterhalb einer recht
glatten westnordwestlichen Höhenströmung, die vom mittleren Nordatlantik bis
nach Osteuropa reicht. Lediglich über Norddeutschland ist diese am Südrand eines
Höhentiefs über Südschweden leicht zyklonal konturiert; dort bleibt die
Luftmasse bis etwa 600 hPa bzw. knapp darüber leicht labil geschichtet, wodurch
die Schauertätigkeit dort im Laufe der Nacht nicht wirklich zum Erliegen kommt
und vor allem an den Küsten mit Annäherung eines weiteren kurzwelligen
Troganteils, der morgens Schleswig-Holstein bzw. die Ostseelüste erreicht, sogar
nochmal ein wenig auflebt. Etwas MU-Cape wird ebenfalls simuliert, summa
summarum können auch einzelne kurze Gewitter nicht ausgeschlossen werden. An der
Südflanke eines Bodentroges, der sich im Laufe der Nacht von Südnorwegen nach
Südschweden verlagert, weht vor allem an den Küsten anfangs noch lebhafter West-
bis Nordwestwind mit steifen, exponiert stürmischen Böen. Von Westen her fächert
der Gradient aber auf und der Wind nimmt zögernd ab.
In der Mitte und im Süden dominiert zunächst noch der Einfluss eines von einem
kräftigen Hoch bei den Azoren über Frankreich bis nach Süddeutschland reichendes
Hochkeils. Vor allem südlich des Mains lösen sich die flachen Quellwolken abends
auf und die Nacht läuft vielerorts gering bewölkt, im Südwesten und südlich der
Donau später auch wolkenlos.
Von Nordwesten her setzt mit Annäherung der oben erwähnten Kurzwelle, auf deren
Vorderseite - unterstützt durch beständige WLA - dynamische Hebung generiert
werden kann, Druckfall ein. Dabei greift im Laufe der Nacht die Warmfront einer
vom nahen Ostatlantik nach Ostengland bzw. zum Ostausgang des Ärmelkanals
ziehenden Frontalwelle auf die Nordsee und Benelux über. Bereits weit im Vorfeld
setzt aufgrund der WLA Regen ein, der sich vor allem im Laufe der zweiten
Nachthälfte rasch von Westen her über die Mitte und die südliche Norddeutsche
Tiefebene ostwärts ausweitet. Bis Mittwochfrüh fallen meist zwischen 1 bis 5 mm,
gebietsweise mehr.
Vor allem in der Südhälfte fällt die Nacht mit Tiefstwerten zwischen 10 und 5
Grad nochmals recht frisch aus, sonst bleibt es mit 14 bis 9 Grad etwas milder.

Mittwoch ... zieht die flache Kurzwellen über dem Nordosten des Landes rasch
weiter Richtung Polen. Dahinter bleibt die westnordwestliche Höhenströmung glatt
konturiert.
Vor allem im Nordosten können sich innerhalb der bis etwa 600 hPa labil
geschichteten Luftmasse noch einzelne Schauer entwickeln, kurze Gewitter nicht
ausgeschlossen, diese klingen aber nach Abzug des Troges am Nachmittag
allmählich ab.
Die Frontalwelle kommt kaum nach Osten voran und verliert mehr und mehr an
Kontur. Übrig bleibt eine Tiefdruckrinne, die abends vom Ostatlantik über Irland
und England bis nach Westdeutschland reicht. An der Südflanke gelangt zunehmend
Warmluft aus Südwesteuropa nach Süddeutschland, die Temperatur in 850 hPa steigt
dort bis zum Abend auf 10 bis 15 Grad. In den Norden und in die mittleren
Landesteile gelangt dagegen weiterhin erwärmte Polarluft (T 850 hPa zwischen 4
und 7 Grad), so dass sich über den mittleren Landesteilen eine recht markante
Luftmassengrenze etablieren kann. Frontale Hebungsprozesse, die durch WLA
gestützt wird, sorgen dabei weiterhin für leichte Regenfälle im Bereich der
Luftmassengrenze, die vorübergehend etwas nach Süden vorankommen, in der
Norddeutschen Tiefebene dagegen nachlassen. Mit Ausweitung der Tiefdruckrinne
von den Britischen Inseln nach Westdeutschland können sich die Niederschläge
dort am Nachmittag und Abend etwas intensivieren. Im Südwesten NRW`s werden 5
bis 10 mm in 12 Stunden simuliert, sonst meist nur weniger als 5 mm.
Im Norden und Nordosten setzt sich zumindest zeitweise die Sonne durch, auch im
Süden, vor allem vom Schwarzwald bis zum ostbayerischen Mittelgebirgsraum und
südlich davon, bleibt es recht sonnig. Dort wird es mit 23 bis 28 Grad
sommerlich warm, sonst bewegen sich die Höchstwerte zwischen 17 und 21 Grad, bei
Dauerregen werden nur etwa 15 Grad erreicht.
Der Wind lebt vor allem im Ostseeumfeld noch einmal auf, wobei es aber wohl nur
in Schauernähe für einzelne Böen Bft 7 reicht. Auch am Südrand der
Luftmassengrenze weht in höheren Lagen lebhafter Westwind mit Böen Bft 6 bis 7.

In der Nacht zum Donnerstag zieht - gekoppelt an einen flachen Kurzwellentrog -
eine Frontalwelle entlang der Luftmassengrenze bis in den Süden der Niederlande.
Dadurch intensivieren sich die Niederschläge erneut etwas und weiten sich sowohl
nach Süden als auch nach Norden ein wenig aus. Vor allem ICON-EU simuliert von
Lauf zu Lauf mit allerdings unterschiedlicher räumlicher Verteilung in einigen
Regionen (im aktuellen Lauf im Groben vom Süden bzw. der Mitte NRW`s über
Nordhessen bis zum Thüringer Wald bzw. bis zum Vogtland) immer wieder Mengen
zwischen 10 und 15 mm in 12 Stunden, im Bergischen Land im aktuellen 12 UTC-Lauf
sogar kleinräumig um 25 mm. Für den Zeitraum Mittwoch bis Donnerstag, 06 bzw. 12
UTC hat ICON-EU-EPS im Bergischen Land geringe Wahrscheinlichkeiten für
Dauerregen auf der Agenda. Betroffen davon dürften aus aktueller Modellsicht
aber wohl nur exponierten Staulagen sein, womit sich keine entsprechende Warnung
aufdringen würde.
Etwas geringere Mengen bei ähnlicher räumlicher Verteilung simuliert das IFS
(von 00 UTC), während GFS diese Frontalwelle gar nicht im Programm hat und
deutlich geringere Mengen entlang der Luftmassengrenze simuliert.
Im Norden und Nordosten bleibt es im Zustrom frischer Meeresluft aufgelockert
bewölkt, Schauer gibt es dort kaum mehr. Im Süden werden die Wolken zwar etwas
dichter, allerdings bleibt es zumindest von Nordbaden bis zur Oberpfalz und
südlich davon wohl weitgehend trocken. Während die Nacht im Norden mit 11 bis 7
Grad frisch ausfällt (lediglich an den Küsten bleibt es etwas milder), bleibt es
in der Mitte und unter den nunmehr dichteren Wolken auch im Süden mit 17 bis 12
Grad (lediglich an den Alpen und im südlichen Vorland darunter) mild.

Donnerstag ... verlagert sich vom Seegebiet südlich Islands ein etwas
markanterer Randtrog bis zum Abend ins Seegebiet westlich von Schottland,
wodurch die Höhenströmung über Mitteleuropa etwas auf West zurückdreht. Ein
darin eingebetteter flacher Kurzwellentrog zieht bis zum Abend zur südwestlichen
Nordsee.
Im Bodenfeld bleibt die über die Mitte des Landes hinweglaufende
Luftmassengrenze zunächst noch quasistationär. Die an ihr von den Niederlanden
ostwärts ablaufende flache Frontalwelle schwächt sich ab und ist später kaum
mehr als solche auszumachen. Somit klingen auch die Niederschläge entlang der
Luftmassengrenze vorübergehend ab.
Ein weiteres, aus dem ehemaligen Tropensturm "EDOUARD" resultierendes Wellentief
kann mit dem oben genannten Kurzwellentrog interagieren (dynamische Hebung vor
allem aufgrund von PVA, unterstützt durch WLA), intensiviert sich etwas und
zieht bis zum Abend zum Ostausgang des Ärmelkanals. Mit Annäherung der Warmfront
des Tiefs intensivieren sich am späten Nachmittag bzw. Abend die Regenfälle über
Westdeutschland, gleichzeitig kommen sie zusammen mit der Luftmassengrenze
aufgrund der niedertroposphärisch auf Südwest drehenden Strömung über der
Westhälfte allmählich nach Norden voran. Am Südrand der Niederschläge sind auch
einzelne konvektive Umlagerungen in Form schauerartiger Verstärkungen denkbar,
ob es für Gewitter reicht, ist aber aus aktueller Modellsicht mehr als fraglich.
Insgesamt werden bis 18 UTC im Bereich der Luftmassengrenze 1 bis 5 mm in 12
Stunden simuliert, in einigen Regionen auch bis an die 10 mm (in erster Linie
kleinräumig in NRW).
In die Südhälfte gelangt dabei nach wie vor eine sehr warme (T 850 hPa zwischen
12 und 17 Grad) und indifferent bis leicht labil geschichtete Luftmasse aus dem
südwesteuropäischen Raum. Dynamischer Hebungsantrieb wird dort nicht simuliert
und aufgrund nicht mehr ungehinderter Einstrahlung dürfte auch die
Auslösetemperatur nicht erreicht werden, so dass - wenn überhaupt - lediglich an
bzw. in den Alpen mal ein Gewitter denkbar ist, ansonsten sollte es aber trocken
bleiben. Mit 22 bis 28 Grad wird es dort erneut sommerlich warm, dabei machen
sich aber auch vermehrt hohe bzw. mittelhohe Wolkenfelder bemerkbar.
Auch im Norden des Landes, vor allem an den Küsten, lässt sich zwischen lockerer
flacher Quellbewölkung (Absinkinversion knapp unter 750 hPa) immer wieder die
Sonne blicken. Dort bleibt es weitgehend trocken, allerdings steigen die
Temperaturen im Einflussbereich der frischen Meeresluft (T 850 hPa um 5 Grad)
nur auf 16 bis 20 Grad.

In der Nacht zum Freitag greift der Randtrog auch Schottland über, der flache
Kurzwellentrog zieht über die Mitte Deutschlands rasch nach Osten und verliert
an Kontur. Die Frontalwelle kann sich noch etwas intensivieren und kommt etwa
bis ins südöstliche bzw. östliche Niedersachsen voran, wobei sich die Regenfälle
noch etwas nach Norden ausweiten und es wohl lediglich im nordwestlichen
Niedersachsen, in Schleswig-Holstein und an der Ostsee trocken bleibt. Vor allem
an deren Südflanke sorgen recht markante Hebungsprozesse für schauerartige
Verstärkungen im Regengebiet, dabei wird auch etwas MU-Cape simuliert, so dass
auch einzelne kurze Gewitter nicht ausgeschlossen werden können. Von Ost- bzw.
Südwestfalen über Nordhessen und Thüringen bis nach Sachsen und dem südlichen
Brandenburg werden vom aktuellen ICUM-EU-Lauf recht verbreitet 10 bis 15 mm in
12 Stunden simuliert, gebietsweise auch mehr.
Etwa südlich von Mosel und Main bleibt es dagegen noch weitgehend trocken und
aufgelockert, südlich der Donau auch gering bewölkt. Im Norden und Nordosten
liegen die Tiefstwerte zwischen 13 und 8 Grad, sonst zwischen 17 und 13 Grad.

Freitag ... verlagert sich der Randtrog bis zum Abend zur Nordsee. Die
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet dreht somit mehr auf Südwest. Die
Frontalwelle zieht rasch weiter zum Baltikum, die Kaltfront kommt aber -
eingebettet in die südwestliche Höhenströmung - nur zögernd weiter nach Süden
voran und erreicht bis zum Abend in etwa die "südliche Mitte" des Landes (im
aktuellen Lauf die Linie Pfalz - Zittauer Gebirge). Im frontalen Bereich fallen
weiterhin schauerartige Niederschläge, wobei diese zunehmend konvektiven
Charakter annehmen. Innerhalb der bis knapp über 500 hPa labil geschichteten
Luftmasse sind auch Gewitter möglich, die bei PPW-Werten zwischen 25 und 30 mm
und mehreren 100 J/kg ML-Cape von Starkregen, kleinkörnigem Hagel und Böen Bft 7
bis 8 begleitet werden können. Bei über 20 m/s hochreichender Scherung (0 bis 6
km) ist auch organisierte Konvektion denkbar, dann können auch Sturm- oder gar
schwere Sturmböen lokal eng begrenzt auftreten.
Postfrontal gelangt weiterhin erwärmte Polarluft (T850 hPa um 5 Grad) nach
Norddeutschland, die lediglich bis etwa 700 hPa leicht labil geschichtet ist, so
dass es dort kaum für Schauer reichen sollte. Mit Annäherung des Randtroges
beginnt die Luftmasse allerdings im Nordseeumfeld am Nachmittag und Abend zu
labilisieren.
Süddeutschland befindet sich dagegen nach wie vor im Einflussbereich sehr warmer
Luftmassen subtropischen Ursprungs (T850 hPa am Nachmittag zwischen 12 und 18
Grad). Mit südwestlicher Überströmung der Alpen setzt im Vorland leichter
Druckfall ein, was in einer flachen Tiefdruckrinne mündet. Auch dort steigen die
Instabilitätsparameter etwas an (über 30 mm PPW, bis nahe 500 J/kg ML-Cape) und
am Nachmittag und Abend kann es aus den Alpen heraus einzelne kräftige Gewitter
geben. Bei ebenfalls gut gescherter Umgebung, aber wohl geringerer
Zuggeschwindigkeit ist dabei die Unwettergefahr etwas höher als in den mittleren
Landesteilen.
Am Temperaturgefälle ändert sich nur wenig. Vor allem südlich der Donau scheint
nochmals länger die Sonne und innerhalb der noch etwas wärmeren Luftmasse können
die Temperaturen auf 25 bis 30 Grad, eventuell auch noch etwas darüber steigen.
Im Norden bleibt es mit 16 bis 20 Grad leicht unterkühlt, in der breiten Mitte
werden je nach Bewölkung 19 bis 24 Grad erreicht.



Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Bis zum Donnerstag sind anhand der synoptischen Basisfelder kaum
Modellunterschiede auszumachen. Bzgl. der Niederschlagsprognosen gibt es noch
Differenzen, vor allem gegenüber dem GFS, das aufgrund einer nicht simulierten
Frontalwelle auch im aktuellen Lauf weniger Niederschläge auf der Agenda hat als
IFS und vor allem ICON-EU, das nach wie vor die höchsten Mengen simuliert.
Am Freitag laufen dann auch die Basisfelder auseinander. Wie schon seit einigen
Läufen, simuliert das GFS auch im 12 UTC-Lauf eine bessere Interaktion der aus
dem Ex-Tropensturm hervorgehenden Frontalwelle mit dem auf Schottland und später
auf die Nordsee übergreifenden und auch schärfer simulierten Höhentrog. Die
Welle soll sich nach Lesart des Modells im Laufe der Nacht zum und am Freitag zu
einem kleinräumigen Sturmtief entwickeln, das vom Ostausgang des Ärmelkanals bis
Freitagabend nach Südschweden zieht und dort mit einem Kerndruck von ca. 995 hPa
aufschlägt. Auf der Rückseite greift das Sturmfeld mit Böen Bft 8 bis 9,
exponiert vielleicht sogar Bft 10 am Freitagnachmittag auf die Nordsee- und am
Abend auch auf die Ostseeküste über. Rückseitig gelangt hochreichend kalte
Meeresluft polaren Ursprungs nach Nordwestdeutschland (T500 hPa bis -23 Grad,
T850 hPa um 2 Grad) innerhalb derer sich vor allem im Nordseeumfeld und im
Nordwesten Schauer und auch kurze Graupelgewitter entwickeln können.
Auch das GEM fährt eine gegenüber ICON deutlich verschärfte Variante mit einem
kräftigen, nach Norddeutschland ziehenden Tief und den stärksten Böen (durchaus
im markanten Bereich) am Freitagnachmittag bzw. -abend an dessen Westflanke in
Westdeutschland.
Die Varianten des IFS ähnelten dagegen bisher immer eher denen des ICON.

Dieses Auseinanderlaufen der Modelle ist allerdings typisch bei Einbeziehung
eines ehemaligen tropischen Sturmes in die Westwindzone.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff