DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-07-2020 15:30
SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 03.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Endlich mal eine sommerliche Westlage: zyklonal in der Nordwesthälfte,
antizyklonaler nach Südosten zu. Dabei zunehmend windig, auf Bergen und an der
See stürmisch. Sonntag/Montag auch im Binnenland Gefahr von stürmischen Böen,
insbesondere im Norden und Nordwesten.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... schreitet die Zonalisierung der Großwetterlage weiter voran. Die nur
leicht mäandrierende Frontalzone läuft von Neufundland im Mittel entlang des 50.
Breitengrades über den Nordatlantik und biegt bei den Britischen Inseln zur
Nordsee und nach Jütland schließlich leicht nach Norden ab. Als steuernden
Zentraltief fungiert das sich vertikal über die gesamte Troposphäre erstreckende
Tief VERENA südwestlich Island. Rückseitig erfolgt kräftige KLA nach Süden,
vorderseitig eines Troges vor der US-Ostküste WLA nach Norden. Dadurch
verschärfen sich die Temperaturgegensätze über dem mittleren Nordatlantik. Die
zunehmende Baroklinität manifestiert sich in einem erstarkenden Jet-Streak, der
im Laufe der kommenden Nacht bereits Windgeschwindigkeiten um 160 Knoten
erreicht, was wahrlich ungewöhnlich ist für die Jahreszeit. Der Jetausgang
erreicht Samstagfrüh die Britischen Inseln. Vorderseitig wird ein Teiltief am
Okklusionspunkt von VERENAS Frontensystem gestützt, das von Schottland über die
mittleren Nordsee nach Südschweden zieht.
Auch Deutschland kommt zunehmend in den Einfluss der westlichen Höhenströmung,
die vor allem nach Norden zu zyklonal konturiert ist. Die Frontalzone greift in
Form einer Warmfront des o.e. Teiltiefs (VERENA III) auf den Norden und
Nordwesten über, hinter der eine feuchte und warme Subtropikluft herangeführt
wird. Dort zieht folglich mehrschichtige, dichte Bewölkung auf und es beginnt
leicht zu regnen. An der Südflanke des Tiefkomplexes sorgt WLA für Druckfall,
sodass sich der Gradient allmählich verschärft und der Südwestwind im Norden und
Nordwesten auffrischt. Warnwürdige Böen beschränken sich in der Nacht allerdings
auf das unmittelbare Küstenumfeld und exponierte Gipfel (namentlich Brocken mit
Bft 9). Neben steifen Böen Bft 7 dürften vor allem an der Nordsee auch
stürmische Böen Bft 8, in Nordfriesland im Umfeld der Warmfront vorübergehend
auch Sturmböen Bft 9 auftreten.
Das übrige Land profitiert vom Einfluss eines Rückens, der über Mittelfrankreich
nach Süddeutschland gerichtet ist und langsam zu den Alpen schwenkt. Er stützt
einen Azorenhochkeil. Wenn die flache Tages-Konvektion am Abend in die Knie
geht, klart es verbreitet auf. Nur an den Alpen bleibt es in der noch recht
feuchten Luft etwas wolkiger. Die Tiefsttemperaturen liegen zwischen 16 Grad
unter den Wolken im Norden und 7 Grad im Bayerischen Wald.



Samstag ... verändert das hochreichende, steuernde Zentraltief VERENA mit Kern
gut 500 km südwestlich von Island seine Position kaum. Die außerordentlich gut
ausgeprägte, nur leicht mäandrierende Frontalzone läuft an der Südflanke von
VERENA vom mittleren Nordatlantik über die Britischen Inseln und die Nordsee
nach Jütland und von dort in einem Bogen über die Ostsee nach Nordschweden, wo
sie im Teiltief VERENA III mündet. Der korrespondierende, durch starke
Baroklinität über dem Nordatlantik sehr gut ausgeprägte Jet-Streak erreicht mit
seinem Ausgang die Britischen Inseln. Dort befindet sich eine flache Welle, die
(nach ICON-Lesart) am rechten Jetausgang aber (noch) entwicklungsungünstig
positioniert ist. Die Warmfront von VERENA III wird in der leicht zyklonal
konturierten westlichen Höhenströmung über die Nordhälfte Deutschlands ostwärts
geführt, hängt in ihrem Südteil aber weit nach Südwesten zurück. Die rückseitig
einsickernde sehr feuchte Subtropikluft kommt somit in etwa bis zu einer Linie
Nordbaden-Oderbruch voran. Nordwestlich davon ist (auch begünstigt durch
kräftige WLA und etwas PVA) mit starker Bewölkung und zeitweiligen Regenfällen
zu rechnen. Ganz im Norden (besonders in Schleswig-Holstein) halten die
Regenfälle länger an, was modellübergreifend zu 12-stündigen Regenmengen von
stellenweise um 20 mm führt. Die Überschreitung von Dauerregenwarnschwellen ist
aber unwahrscheinlich. Weiter südöstlich schwenkt der Rücken zwar über die Alpen
nach Süden durch, insgesamt behält der Azorenhochkeil aber seinen Einfluss,
sodass es ein weiterer freundlicher, im Südosten vielfach auch sonniger Tag
wird. Der Luftdruckgradient zwischen der nordeuropäischen Tiefdruckzone und dem
Azorenhochkeil bleibt bestehen, sodass an der See weiterhin steife bis
stürmische Böen Bft 7-8 auftreten. Ob die turbulente Durchmischung unter der
Wolkendecke stark genug ist, dass sich die vorangegangene Gradientverschärfung
auch im Binnenland durch warnwürdige Böen bemerkbar macht, ist fraglich. Am
ehesten sind einzelne steife Böen noch im an die Küste angrenzenden Binnenland
sowie in höheren Lagen und Leelagen der Mittelgebirge zu erwarten. Der
exponierte Brockengipfel erlebt derweil sogar schwere Sturmböen Bft 10, einige
weitere exponierte Gipfel eventuell Sturmböen Bft 9. T850 steigt an auf 8-13
Grad, was mit Unterstützung der Sonne in der Südosthälfte sommerliche
Höchstwerte zwischen 24 und 28 Grad bedeutet. Unter den Wolken im Norden und
Nordwesten sind es nur 17 bis 23 Grad.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich das hochreichende Zentraltief VERENA
etwas nach Südosten in das Seegebiet zwischen Island und Schottland. Die o. e.
Welle läuft nun über die Jetachse auf den linken Jetausgang unter recht starke
Höhendivergenz. Folglich kann sich die Welle auch nach ICON-Lesart deutlich
vertiefen (auf rund 990 hPa) und zur mittleren Nordsee ziehen. GFS und IFS
lassen die Welle bereits am Samstag tagsüber stärker vertiefen, sodass sie in
der Nacht bereits einen Kerndruck von unter 985 hPa erreicht und etwas früher
Richtung Schottland eindreht. Deutschland kommt in den Warmsektor des
Wellentiefs. Die feuchte Subtropikluft setzt sich daher in weiten Teilen des
Landes durch, sodass die Nacht oft wolkenverhangen verläuft. Insbesondere nach
Norden und Nordwesten zu fällt auch etwas Regen, da dort am ehesten etwas Hebung
durch WLA und PVA in der weiterhin leicht zyklonal konturierten Höhenströmung
generiert wird. Ganz im Süden sowie im Südosten ist die Höhenströmung leicht
antizyklonal und die Luft noch etwas trockener, sodass es teilweise gering
bewölkt bleibt. Durch Abkopplung der Grundschicht lässt die Böigkeit des Windes
im Binnenland nach, an der See (Bft 7-8) und auf Berggipfeln (Bft 8-9, Brocken
Bft 10) bleibt er warnwürdig. Unter den Wolken wird es eine milde Nacht mit
Tiefsttemperaturen zwischen 18 und 15 Grad, im Süden und Südosten gehen die
Temperaturen bis auf 12 Grad zurück.



Sonntag ... zieht das Wellentief unter weiterer Vertiefung zum Skagerrak (ICON,
ca. 985 hPa) bzw. zur Norwegischen See (GFS, IFS, 980-985 hPa). Dabei gräbt es
sich immer weiter bis in die mittlere und obere Troposphäre und bildet dort
schließlich einen neuen Trog. Dadurch übernimmt es die Funktion des steuernden
Zentraltiefs. Kräftige KLA rückseitig des Tiefs sorgt für eine Richtung
Britischer Inseln gerichtete Austrogung. Dadurch kann die Höhenströmung über
Deutschland etwas auf Südwest aufsteilen. In der Nordwesthälfte ist sie leicht
zyklonal konturiert, nach Südosten zu nahe des sich wieder etwas verstärkenden
Rückens über dem Alpenraum eher leicht antizyklonal. Die Frontalzone bekommt auf
der Rückseite des Tiefs einen Schub nach Südosten und erreicht den Norden und
Nordwesten als Kaltfront. Die Kaltfront wird zwar von KLA überlaufen, leichte
PVA und frontale Prozesse sollten aber ausreichend Hebung generieren, dass es zu
teils schauerartig verstärkten Regenfällen kommt. Nennenswerte Konvektion bis
hin zu Gewittern ist nach jetzigem Stand aber ausgeschlossen, da die Schichtung
stabil bzw. in der mittleren Troposphäre "gedeckelt" ist. Von der Mitte
ausgehend nach Süden und Südosten bleibt es unter schwachem Hochdruckeinfluss
überwiegend trocken, Richtung Alpen kann sich durch stärkeres Absinken sogar
längere Zeit die Sonne zeigen. Eventuell hat auch eine schwache föhnige
Komponente die Finger im Spiel. Die Windlage verschärft sich im Vergleich zum
Vortag deutlich, wenngleich sie aufgrund der Unschärfen bei der Prognose des
Wellentiefs noch mit größeren Unsicherheiten behaftet ist. Steife Böen Bft 7
werden aber modellübergreifend und sehr verbreitet simuliert. An der Küste sind
stürmische Böen Bft 8, an der Nordsee sowie auf Mittelgebirgsgipfeln einzelne
Sturmböen Bft 9 recht wahrscheinlich. Ob es auch im Tiefland (vor allem des
nordwestdeutschen Binnenlandes) kommt, bleibt abzuwarten. Während postfrontal im
Nordwesten schon wieder etwas kühlere Meeresluft herangeführt wird, macht die
Erwärmung in der mittleren und unteren Troposphäre ansonsten weitere
Fortschritte. T850 steigt auf 10 bis 15 Grad, was Höchsttemperaturen zwischen 25
und 30 Grad möglich macht. Im Nordwesten liegen sie "nur" noch bei 18 bis 24
Grad.

In der Nacht zum Montag zieht das frisch geborene, für die Jahreszeit
außerordentlich starke Zentraltief zum Bottnischen Meerbusen (ICON, 980 hPa)
bzw. nach Mittelskandinavien (GFS, IFS). Der nachfolgende Trog schwenkt von den
Britischen Inseln zur Nordsee. Die Kaltfront erreicht die mittleren Landesteile,
verliert in der recht glatten, südwestlichen Höhenströmung aber etwas an Schub
und beginnt leicht zu wellen. Dort regnet es zeitweise schauerartig. Im Norden
und Nordwesten labilisiert die Schichtung mit Trogannäherung, womit Schauer und
möglicherweise auch einzelne Gewitter auf den Plan gerufen werden. Dazwischen
bleibt es wolkig, aber überwiegend trocken- genauso, wie im Südosten, mit dem
Unterschied, dass es dort mitunter gering bewölkt ist. An der See und im
angrenzenden Binnenland bleibt der Südwestwind spürbar, mit Böen der Stärke 7
(Binnenland) bzw. 8-9 (exponierte Küste) auch warnwürdig (erst recht bei
Gewittern). Auf den exponierten Gipfeln treten (schwere) Sturmböen auf (Bft
9-10). Sonst sollte der Wind durch die Abkopplung der Grenzschicht nachlassen.
In der postfrontal einfließenden kühlen Meeresluft gehen die Temperaturen auf 14
bis 9 Grad zurück, ansonsten liegen sie meist zwischen 18 und 14 Grad.



Montag ... schwenkt der Trog von der Nordsee nach Mitteleuropa. Ihm folgt ein
flacher Rücken über den Britischen Inseln. Das hochreichende Zentraltief zieht
Richtung fennoskandischen Raum. Der Luftdruck steigt durch KLA von Westen
deutlich an, sodass die Kaltfront in der von Südwest auf West bis Nordwest
drehenden Strömung im Tagesverlauf zu den Alpen geführt wird. Sie hat durch die
überlaufende KLA kaum Wetterwirksamkeit, fällt allenfalls durch dichte
Wolkenfelder und geringfügigen Regen auf. Erst an den Alpen könnte es zum Abend
staubedingt länger regnen. Davor ist die Subtropikluft wahrscheinlich nicht
hochreichend genug labil geschichtet, sodass Gewitter sehr unwahrscheinlich
sind. Vom Norden und Nordwesten bis zur Mitte sind Schauer und einzelne, kurze
Gewitter im Trogbereich unter höhenkalter Luft (-20 bis -25 Grad auf 500 hPa)
dagegen recht wahrscheinlich. Durch recht starke Oberwinde und Scherung gehen
sie mit Sturmböen, eventuell schweren Sturmböen einher (Bft 9-10), Starkregen
ist vor allem durch wiederholte Schauer an der See nicht ausgeschlossen.
Zwischen Kaltfront und der Schauerzone kristallisiert sich ein Streifen (vom
Südwesten bis in den Osten) heraus, wo es vielerorts trocken und teilweise
freundlich bleibt. Der Gradient zwischen Zentraltief und dem erstarkenden
Azorenhochkeil bleibt veritabel, sodass auch abseits der Schauer häufig steife
Böen Bft 7, teils auch stürmische Böen Bft 8, an der See Sturmböen Bft 9
auftreten. Bei der Temperatur stellt sich ein Nordwest-Südost-Gefälle ein (17
Grad an der Nordsee, 27 Grad in Südostbayern).


Modellvergleich und -einschätzung
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Unterschiede in den synoptischen Basisfeldern ergeben sich vornehmlich bei der
Simulation des Wellentiefs (wie schnell und stark kann es sich vertiefen?). Die
Unterschiede wurden im Text bereits angesprochen.
Aus Sicht des Warnmanagements ist dies im Hinblick auf die zu erwartenden Böen
von Interesse. Nach jetzigem Stand dürfte zunächst nur die Küste und exponierte
Berggipfel von etwaigen Sturmböen betroffen sein. Sonntag und Montag besteht
aber auch im Binnenland ein gewisses Potenzial für eine sommerliche "Sturmlage".



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser