DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-06-2020 07:30
SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 17.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrW, Übergang zu TrM
An allen Tagen Unwettergefahr durch Starkregen. Heute in der Südwesthälfte,
morgen in einem Streifen von Sachsen bis zum Emsland, Freitags im Nordosten.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... befindet sich ein Höhentief nahezu ortsfest über der Bretagne. Im
Tagesverlauf schwenkt seine Achse von Frankreich nordwärts und richtet sich
damit zonal aus. Auf der Vorderseite der Höhentiefachse wird Hebung induziert.
Die Folgen kann man jetzt schon über Frankreich und der Schweiz in Form eines
größeren Regengebietes sehen, welches derzeit noch nahezu ortsfest und konvektiv
durchsetzt ist.

Abgesehen vom Nordosten und Osten liegen auch heute wieder feuchte Luftmassen
über Deutschland. Dies zeigen neben den recht hohen Taupunkten (um 15 Grad) auch
die morgendlichen Nebelfelder. Die ppw-Werte werden in den Aufstiegen von 00 UTC
zwischen 25 und 30 mm gemessen. Auch die Vertikalprofile sind abgesehen von
kleineren Trockeneinschüben im mittleren Troposphärenniveau hochreichend feucht.
Den Feuchtetendenzen folgend sollte die Feuchtanreicherung im Südwesten im
Tagesverlauf weiter voranschreiten. Dies wird nicht zuletzt auch gestützt durch
eine sich immer besser entwickelnden Windkonvergenz in der unteren Troposphäre.
Die daraus resultierende Feuchtekonvergenz führt zu einem Anstieg der
spezifischer Feuchtewerte auf über 11 g/kg. Auch die ppw-Werte sollen dann recht
verbreitet um oder über 30 mm liegen.

Die Hauptlabilitätsfläche liegt den Prognosesoundings folgend zwischen 500 m und
3 km. In Kombination mit der im Vergleich zum Vortag gestiegenen bodennahen
Feuchte werden deutlich größere und auch hochreichende (bis zur Tropopause)
CAPE-Werte zwischen 500 und 1000 J/kg vorhergesagt. Die Untergrenzen sind recht
niedrig bei etwa 500 m. Die Aufstiegskurve des Luftpaketes liegt dann bei etwas
über 4 km. Die Dicke der warmen Koaleszenzschicht, also der Schicht in der warme
Wolkenprozesse (Flüssigwasser) stattfinden, liegt entsprechend bei über 3.5 km
und erfüllt gut das Kriterium für eine hohe Niederschlagseffizienz. Oder in
anderen Worten: Der Starkregen wird bei den sich entwickelnden Gewittern auch
heute wieder im Vordergrund stehen, weil der zu erwartende Flüssigwasseranteil
in den Wolken ziemlich hoch ist. Da hilft es auch nicht, dass die Gewitter
insgesamt etwas höhere Zuggeschwindigkeit aufweisen als Vortags (von West nach
Ost um 10 kn). Diese wird durch die höhere Feuchte gegenkompensiert. Punktuelle
Unwettermengen von bis 40 mm in kurzer Zeit sind also erneut recht
wahrscheinlich.

Die ersten Schauer und Gewitter werden sich voraussichtlich wieder ab den
Mittagsstunden bilden. Aufgrund sonst fehlender größerer Hebungsimpulse werden
sich die Gewitter wohl vor allem auf das Bergland konzentrieren. Bei fehlender
hochreichender Scherung wird es sich vornehmlich um pulsierende Konvektion
handeln. Durch herauslaufende Outflow-
Boundaries können in der weiteren Folge auch in den Regionen etwas abseits der
Berge neue Gewitter induziert werden.

Neben dem bereits diskutierten und klar im Vordergrund stehenden
Starkregenpotential kann durch die höheren CAPE-Werte auch mal kleinkörniger
Hagel mit dabei sein.

Interessant wird es dann ab den Nachmittagsstunden im Südwesten und Süden des
Landes. Dafür schauen wir nochmal auf das konvektiv verstärkte Regengebiet über
der Schweiz und Ostfrankreich. Mit der zunehmend zonalen Ausrichtung der
Höhentiefachse, die sich damit in Richtung Nordosten verschiebt, wird ab den
Mittag auch der Niederschlagkomplex Fahrt aufnehmen und sich nordostwärts
verlagern.
Gleichzeitig kann sich auf seiner Vorderflanke die bodennahe Windkonvergenz
deutlich stärker ausbilden (gestützt durch den Höhenantrieb, aber auch die
thermische Querzirkulation). Die Windkonvergenz mit von Ost auf West drehenden
Winden zeigt sich nicht nur bei den 10 m Winden, sondern allgemein in der
unteren Troposphäre.
Mit dieser Entwicklung und der Unterstützung des Tagesganges wird die
Vorderseite des Niederschlagsgebietes zunehmend konvektiv und es können sich
vermehrt Gewitter bilden. Ob diese dann zu einer richtigen Linie zusammenwachsen
ist weiter unsicher. Die Option besteht durch die parallel zu Konvergenz
orientierten Höhenwinde (500 hPa aus Südost).

Im Zuge dieser Entwicklung soll sich von der Schweiz kommend eine
Druckanstiegswelle formieren, die dann auch mit der Entwicklung eines LL Jets
einhergeht. Dieser wird von COSMO-D2 etwa bei 950 hPa mit 35 kn vorhergesagt,
wobei die Winde aus Ost kommen. Durch die damit fehlende senkrechte
Windkomponente zur Konvergenz ist die Windgefahr im Südwesten etwas minimiert,
stürmische Böen können aber durchaus noch auftreten. Besser sieht es hingegen in
Bayern aus. Dort läuft die Anstiegswelle von West nach Ost und ist senkrecht zur
Windkonvergenz. Im Alpenvorland sind entsprechend Sturmböen vorstellbar.

Am Abend erreicht die konvektive Vorderkante des Niederschlagsgebietes etwa die
Mitte. Da die Höhentiefachse kaum noch nordostwärts vorankommt, läuft die Linie
über der westlichen Mitte schließlich in die östlichen Höhenwinde in der
mittleren Troposphäre hinein und es ist davon auszugehen, dass damit die
Gewittertätigkeit immer mehr abnimmt. Dennoch kann es in den Nachtstunden hier
und da auch noch (teils ungewittrigen) Starkregen geben. Durch die zunehmend
ortsfeste Lage der Bodenkonvergenz ist dies auch durch mehrstündige
Niederschlagssummen möglich).
Gerade am Alpenrand ist das (mehrstündige) Starkregenpotential deutlich erhöht.
Das startet am Abend im Allgäu und setzt sich in der Nacht vom Berchtesgadener
Land bis zum Bayerischen Wald fort. Dabei hilft auch die vertikale
Windverteilung mit westlichen Winden in der unteren Troposphäre und Drehung auf
Ost darüber (Gegenstromlage). Markanter Starkregen erscheint (auch den Wkt. von
CD2 EPS folgend) wahrscheinlich und unwetterartiger Starkregen durchaus möglich.


Im Südwesten kann die Wolkendecke nachts zum Teil auflockern und sich Nebel
bilden.

Gar nicht erwähnt wurde bisher die Nordosthälfte. Dort bleibt es mit trockenen
Luftmassen störungsfrei und wird hochsommerlich warm mit Höchstwerten bis 29
Grad.


Donnerstag... wird das Höhentief in einen stromaufwärts gelegene und sich
annähernden Trog eingebunden. Damit ergibt sich in der Höhe eine vom Ärmelkanal
über Deutschland bis zum Schwarzen Meer sich erstreckende Tiefdruckrinne mit
ziemlich zonal orientierter Trogachse.

Dem vorgelagert zeigen alle Modelle ein skaliges Niederschlagsband ausgehen von
Ostbayern bis nach Holland, das sich nur sehr langsam nordostwärts bewegt. Auf
seiner Vorderseite lässt sich am Boden weiterhin eine Tiefdruckrinne mit
eingelagerter Bodenkonvergenz finden. In Kombination von Feuchte und Labilität
werden im Tagesverlauf CAPE-Werte bis 750 J/kg vorhergesagt. Wiederum ab den
Mittagstunden wird die Vorderseite des skaligen Regengebietes aktiviert und es
bilden sich verbreite Schauer im Grenzbereich zur trockenen Luft. Die Höhenwinde
im 500 hPa Niveau kommen vornehmlich aus Ost und weisen damit kein sonderlich
starke frontsenkrechte Komponente auf. Neben der moderaten bis schwachen
Verlagerungsgeschwindigkeit besteht damit auch die Möglichkeit, dass Zellen
wiederholt über die gleiche Region ziehen. Die ppw-Werte werden erneut über 30
mm vorhergesagt. Entsprechend ist klar, dass auch wieder unwetterartige
Entwicklungen durch Starkregen zu erwarten sind. Besonders hoch ist das
Potential nach Durchsicht der Modelle vor allem nördlich von Erzgebirge und
Thüringer Wald, wo das CD2 EPS auch Mengen in einem 6h Zeitraum bis in den
extremen Unwetterbereich vorhersagt. Wenn man dies aus jetziger Sicht noch als
etwas zu hoch angesetzt, so bleibt doch zumindest ein ziemlich hohes
Unwetterpotential.

Südwestlich des Niederschlagsbandes kommt zunehmend die Sonne zum Vorschein und
einzelne meist schwache Schauer bleiben auf das Bergland beschränkt. Auch im
Nordosten ist es noch länger sonnig bei Maxima bis 28 Grad.

In der Nacht auf Freitag verlagert sich das Gesamtsystem noch ein Stück weiter
nach Nordosten, sodass nun bis Mecklenburg-Vorpommern ausgreifend konvektiv
verstärkte Niederschläge aufkommen. Zwar nimmt die Gewittertätigkeit insgesamt
ab. Die Gefahr von Starkregen auch im mehrstündigen Bereich bleibt aber hoch.

Die Modellunsicherheiten nehmen deutlich zu. Das betrifft zum einen die Frage,
ob die Niederschläge tatsächlich auch der äußerste Nordosten erreicht und zum
anderen die Frage nach den Schwerpunkten der Starkregenfälle. Es gibt einige
Modellösungen, die nördlich des Erzgebirges auch weiterhin hohe
Niederschlagsmengen prognostizieren, so zum Beispiel auch das COSMO-D2.

Abgesehen von etwas skaligem Regen am Alpenrand bleibt es in der Südwesthälfte
bei teils größeren Wolkenauflockerungen trocken.

Freitag... erstreckt sich die Trogachse weiterhin von den Britischen Inseln über
Deutschland bis zum Schwarzen Meer. Vorderseitig befindet sich am Boden weiter
eine Tiefdruckrinne mit einer gut ausgeprägten Windkonvergenz. Die Modelle
schwanken noch ein wenig, wie weit im Nordosten diese Konvergenz zu finden sein
wird. Prinzipiell ist die Lage ähnlich zum Vortag.

Ein skaliges im Tagesverlauf auch konvektiv verstärktes Regengebiet liegt im
Nordosten quer über Deutschland und an seiner Vorderkante entwickeln sich im
Tagesverlauf bei CAPE-Werten um 700 J/kg wiederholt Gewitter mit erhöhtem
Starkregenpotential durch nur geringe Zuggeschwindigkeiten und wiederholt über
die gleiche Region hinweg ziehende Zellen. In den betroffenen Regionen ist das
Unwetterpotential weiter hoch, zumal die ppw-Werte nochmal ansteigen und zum
Teil über 35 mm liegen.

Während in der Nordosthälfte die Sonne nur selten zu sehen ist, kann sie sich
mit jedem Kilometer weiter nach Südwesten häufiger zeigen. Allerdings treten im
Bereich des Troges auch in der Südwesthälfte weitere Schauer und auch kurze
Gewitter auf, insbesondere im Bergland. Diese haben aber lange nicht das
Potential wie im Nordosten. Die Lapse Rates sind zwar recht gut ausgeprägt, der
Feuchtegehalt der Luftmasse ist aber deutlich reduziert, sodass auch die
CAPE-Werte nur bei wenigen 100 J/kg liegen. Die Zuggeschwindigkeiten sind
weiterhin nur mäßig, sodass zumindest lokal markanter Starkregen mit mehr als 15
l/qm nicht ganz ausgeschlossen werden kann.

In der Nacht auf Samstag muss im Nordosten weiterhin mit konvektiv verstärkten
und gewittrig durchsetzten Niederschlägen gerechnet werden, die in der zweiten
Nachthälfte allmählich nachlassen. IM Rest des Landes ist es wechselnd wolkig
und weitgehend trocken.

Gerad im ost- und südostdeutschen Bergland besteht wie auch schon am Tag in
Gipfellagen das Potential für markante Böen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Kurzfristvorhersage wird im Prinzip recht einheitlich prognostiziert. Es
ergeben sich aber gewisse Unsicherheiten im Detail. Das betrifft beispielsweise
die Entwicklung der heutigen Konvektion und Starkregenfälle vom Alpenrand bis
zum Bayerischen Wald.

Am Donnerstag und vor allem am Freitag gibt es Unsicherheiten wie schnell die
Windkonvergenz weiter nach Nordosten wandert. Auch bezüglich der genauen
Positionierung des Hotspots ist noch etwas Vorsicht angebracht.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer