DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-06-2020 07:30
SXEU31 DWAV 020800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 02.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNFa, Übergang zu TM
Heute noch ruhiges Hochdruckwetter ohne markante Wettererscheinungen (abgesehen
von eventuellen vereinzelten Gewittern ganz im Osten). Mittwoch und Donnerstag
teils kräftige Gewitter (Unwetter nicht ausgeschlossen), Donnerstag von
Nordwesten deutliche Abkühlung.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... befindet sich Deutschland weiterhin im Einflussbereich eines
allerdings zunehmend an Substanz verlierenden Höhenkeiles, der sich von
Nordfrankreich und Benelux über den Nordwesten Deutschlands hinweg nordostwärts
bis nach Nordfinnland bzw. zur Kola-Halbinsel erstreckt. Der Keil wird flankiert
von einem Höhentief über Osteuropa und von einem auf den Norden der Britischen
Inseln bzw. der nördlichen Nordsee übergreifenden Höhentrog und dadurch
zunehmend in die Zange verloren. Aufgrund der Blockadewirkung des Osteuropatiefs
kommt er im Tagesverlauf nur noch wenig nach Osten voran, abends erstreckt sich
dessen Achse etwa von den Vogesen bis nach Westmecklenburg.
Im Bodenfeld wird der zur Nordsee bzw. nach Mitteleuropa reichende Keil einer
sich vom mittleren Nordatlantik über das Nordmeer und Skandinavien bis nach
Nordwestrussland erstreckenden Hochdruckzone im Tagesverlauf von Südwesten her
mehr und mehr abgebaut und es stellt sich ein sehr gradientschwaches Druckfeld
ein mit flachen Tiefdruckrinnen ganz im Westen Deutschlands sowie von Polen bis
zur Lausitz reichend. Niedertroposphärisch kann sich die Luftmasse weiter
erwärmen, bis zum Abend steigt die Temperatur in 850 hPa auf 9 Grad an der Neiße
und bis 13/14 Grad im Westen/Südwesten. Das führt im Tagesverlauf zu einer
deutlichen Labilisierung der unteren und auch mittleren Troposphäre (bis etwa
400 oder 300 hPa). Von Nordosten her gelangt allerdings weiterhin sehr trockene
Festlandsluft ins Vorhersagegebiet, so dass es in weiten Teilen des Landes kaum
für Auslöse reichen dürfte, zumal auch kein dynamischer Hebungsantrieb vorhanden
ist. Eine Ausnahme bildet am ehesten noch die Lausitz; innerhalb der bis dorthin
reichenden Tiefdruckrinne findet entlang der Feuchteflusskonvergenz eine gewisse
Feuchteanreicherung statt (PPW-Werte über 20 mm, 7 bis 8 g/kg spezifische
Feuchte), dazu bietet das Höhentief über Osteuropa eventuell auch einen geringen
dynamischen Hebungsantrieb. Entsprechend simulieren einige Konvektion zulassende
Modelle am Nachmittag/Abend dort auch vereinzelte Gewitter (SuperHD). C-D2 hat
die Gewitter eher Richtung Bayerischer Wald bzw. in Niederbayern auf der Agenda
(ebenfalls nur ganz vereinzelt und auch nicht in jedem Lauf), wo die Orographie
vielleicht noch unterstützend wirken dürfte.
Sollten diese Gewitter auftreten, kommen als Begleiterscheinung aufgrund der
trockenen Grundschicht am ehesten Böen in Frage (Bft 7 bis 8, im Extremfall 9),
Starkregen spielt wahrscheinlich eher weniger eine Rolle, kleinkörniger Hagel
mangels Cape (kaum mehr als 200 bis 300 J/kg) ebenfalls.
Im großen Rest des Landes scheint meist die Sonne, allerdings ziehen im Westen
und Nordwesten mit Annäherung des Troges im Tagesverlauf hohe, teils auch
mittelhohe Wolkenfelder auf. Die trockene Luftmasse kann sich im Tagesgang
wieder kräftig erwärmen; bei meist schwachem, gebietsweise mäßig auflebendem
Wind aus Ost - in der Osthälfte eher aus Nord - werden Höchstwerte zwischen 23
Grad im Süd- bzw. Nordosten erreicht und 30 Grad im Westen (der erste heiße Tag
steht an einigen Stationen wohl ins Haus), in Lingen dürfte es bis 32,
vielleicht sogar 33 Grad hochgehen, an auflandigen Küstenabschnitten werden
dagegen kaum 20 Grad erreicht.

In der Nacht zum Mittwoch weitet sich der an Wellenlänge gewinnende Höhentrog
über Nordwesteuropa weiter Richtung Britische Inseln und Nordsee aus, das
Höhentief über Osteuropa bleibt hingegen quasistationär. Der dazwischenliegende
Höhenkeil wird somit weiter abgebaut, befindet sich aber mit seiner Achse
weiterhin über dem Vorhersagegebiet. Ein erster, kurzwelliger Troganteil greift
allerdings ausgangs der Nacht auf den Westen/Nordwesten des Landes über.
Mit Annäherung des Troges kann über dem Vorhersagegebiet großflächig, allerdings
nur schwache Hebung (hauptsächlich aufgrund von PVA) wirksam werden. Dadurch
bleibt die Schichtung oberhalb der nachts abgekoppelten Grundschicht labil, vor
allem im Westen. Während sich die in die Lausitz reichende Tiefdruckrinne
auffüllt, verstärkt sich der Druckfall im Westen bzw. Nordwesten Deutschlands im
Laufe der Nacht und es entwickelt sich ein flaches Bodentief, das sein
Drehzentrum bis Mittwochfrüh etwa ins Weser-Ems-Gebiet verlagert mit einer nach
Süden reichenden Rinne. Innerhalb dieser Rinne könnte die durch das zunehmend
konvergente Bodenfeld getriggerte Hebung für einzelne Schauer und Gewitter
ausreichend sein, am ehesten wohl im Bergland bzw. in der Nähe des Tiefkerns.
Einige Konvektion erlaubende Modelle springen bereits darauf an (C-D2, AROME),
andere nicht (SuperHD). Markante Begleiterscheinungen sind innerhalb eventueller
Gewitter wahrscheinlich nicht zu erwarten (niedrige PPW, wenig MU-Cape).
Im übrigen Land steht eine ruhige Nacht ins Haus. Eventuelle Schauer/Gewitter im
Südosten bzw. Osten klingen nachts rasch ab. Dann ist es vor allem im Südosten
teils gering bewölkt, sonst eher schon wolkiger. Vor allem im Nordwesten bleibt
die Nacht mit Minima zwischen 11 und 15 Grad recht mild.

Mittwoch... weitet sich der Höhentrog über West- bzw. Nordwesteuropa bis zum
Westausgang des Ärmelkanals aus. Durch WLA auf dessen Vorderseite kann sich der
Höhenkeil über dem Vorhersagegebiet vorübergehend noch etwas verstärken, kommt
aber - trotz Blockadewirkung durch das osteuropäische Höhentief - auch ein wenig
nach Osten voran. Somit gelangen der Westen und Norden Deutschlands zunehmend in
den trogvorderseitigen Bereich, wobei sich der dynamische Hebungsantrieb etwas
verstärken kann.
Im Bodenfeld setzt sich der Druckfall über Mitteleuropa großflächig fort, so
dass das Druckfeld schwachgradientig bleibt. Nach wie vor erstreckt sich eine
flache Tiefdruckrinne über die Westhälfte Deutschlands nordwärts (inklusive
Bodentief über Nordwestdeutschland), von dort aus bilden sich weitere Rinnen,
einerseits Richtung Sachsen reichend, andererseits auch Richtung Bayern.
Insgesamt schwächt sich die Zufuhr trockener Festlandsluft weiter ab, lediglich
im Nordosten bleibt sie noch wirksam (PPW-Werte dort unter 20 mm). Ansonsten
wird die Luftmasse von Südwesten her allmählich etwas feuchter, vor allem
entlang der Feuchteflusskonvergenzen steigen die PPW-Werte auf etwa 25 mm. Die
Luftmasse bleibt im gesamten Vorhersagegebiet labil geschichtet und mit der
Feuchteanreicherung in der Grundschicht werden vor allem entlang der
Konvergenzen gebietsweise mehr als 500 J/kg ML-Cape simuliert. Das reicht unter
Zuhilfenahme der frontalen und dynamisch getriggerten Hebungsantriebe zur
Auslöse, ausgehend wohl von den Mittelgebirgen bzw. vom Tiefdruckkern im
Nordwesten. Die Hauptgewitteraktivität dürfte sich entlang der von Modell zu
Modell noch leicht unterschiedlich simulierten Konvergenzen abspielen, also im
Westen (in den äußersten Westen sickert bereits etwas stabilere Luft), im
Mittelgebirgsraum und etwa vom Nordwesten bis nach Sachsen. Als
Begleiterscheinungen kommen Starkregen, Hagel und aufgrund der noch immer
trockenen Grundschicht auch Sturmböen in Frage. Aufgrund der langsamen
Zuggeschwindigkeit kann vor allem bzgl. Starkregen das niedrig angesetzte
Unwetterkriterium (25 mm/1h) durchaus auch überschritten werden.
Im Nordosten dürfte es innerhalb der dorthin advehierten Festlandsluftmasse
trocken bleiben, auch im Südosten reicht es wohl nur für vereinzelte Gewitter.
Vor allem in diesen Regionen scheint auch nochmals häufig die Sonne, ansonsten
bleibt es eher bewölkt. Somit erreichen die Höchsttemperaturen trotz ähnlich
hoher 850 hPa-Temperatur wohl nicht ganz die Werte des Vortages, mit 22 bis 29
Grad bleibt es aber sommerlich warm, lediglich an Küstenabschnitten mit
auflandigem Wind werden kaum 20 Grad erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag wird der Höhentrog über Westeuropa von Norden her
regeneriert und kommt zunächst kaum nach Osten voran. Der vorgelagerte Höhenkeil
wird etwas nach Osten abgedrängt, dessen Achse befindet sich Donnerstagfrüh über
dem deutsch-polnischen Grenzgebiet. Auf der zunehmend diffluent konturierten
Trogvorderseite kann nun aufgrund von PVA verstärkt Hebung generiert werden.
Dadurch kann sich das Bodentief über Nordwestdeutschland weiter vertiefen und
verlagert sein Drehzentrum zumindest nach Lesart des ICON-EU etwas nach
Nordwesten. Innerhalb der sich ebenfalls verstärkenden, über der Westhälfte und
der Mitte nach Süd bzw. Südosten reichenden Tiefdruckrinne (inklusive Kaltfront
bzw. Konvergenz) wird eine zunehmend feuchte und potenziell instabile Luftmasse
advehiert und zusammen mit der Hebung reicht das vor allem im Laufe der zweiten
Nachthälfte für schauerartige, teils mit Gewittern durchsetzte Regenfälle, wobei
nach wie vor Starkregenkriterien (ein-, drei- oder sechsstündig) überschritten
werden können, Unwetter nicht ausgeschlossen.
In der Osthälfte und im Südosten verläuft die Nacht dagegen noch verhältnismäßig
ruhig. Wie weit genau die Gewitter bzw. die schauerartigen Regenfälle nach Osten
ausgreifen, ist im Detail noch unklar.

Donnerstag... kommt der Höhentrog über den Britischen Inseln weiter nach Westen
voran und weitet sich bis nach Südfrankreich bzw. ins westliche Mittelmeer aus.
Der Höhenkeil wird endgültig nach Polen und Tschechien abgedrängt und der
gesamte Vorhersagebereich gelangt auf die Trogvorderseite.
Das Bodentief über Nordwestdeutschland bzw. der Deutschen Bucht verlagert sein
Drehzentrum allmählich nordnordwestwärts, die von ihm ausgehende Tiefdruckrinne
kommt zusammen mit der verwellenden Kaltfront über der Mitte Deutschlands
mangels Schubkomponente nur sehr langsam nach Osten voran. Innerhalb der Rinne
kommt es weiterhin vielerorts zu schauerartigen, teils mit Gewittern durchsetzen
Regenfällen, die sich nur zögernd nach Osten verlagern. Bei PPW-Werten bis 30 mm
dürfte in einigen Regionen nach wie vor das Starkregenkriterium (auch ohne
Gewitter) gerissen werden, eventuell auch bis in den Unwetterbereich. Im
aktuellen ICON-EU-Lauf werden die höchsten Mengen in einem Streifen vom
Südwesten des Landes über den zentralen Mittelgebirgsraum bis nach
Schleswig-Holstein simuliert, bei GFS sieht die räumliche Verteilung ähnlich
aus.
Vorderseitig der Rinne gelangt vor allem in den Südosten und Osten nochmals eine
potenziell instabile Luftmasse, dabei werden erneut gebietsweise mehr als 500
J/kg ML-Cape simuliert. Ganz im Nordosten dürfte die nach wie vor dorthin
advehierte trockene Festlandsluft verstärkte Gewitteraktivität unterbinden,
ansonsten dürften sich dort im Tagesverlauf, am ehesten nachmittags und abends,
teils kräftige Gewitter entwickeln mit Starkregen, Hagel und Sturmböen. Bzgl.
Starkregen kann aufgrund relativ geringer Zuggeschwindigkeit erneut das
Unwetterkriterium gerissen werden, im Südosten vielleicht auch bzgl. Hagels.
In den Nordwesten und Westen sickert rückseitig der Rinne bereits kühlere und
stabiler geschichtete Meeresluft, dort dürfte es kaum mehr Schauer geben.
Mit Vertiefung der Rinne frischt der Wind vor allem im Nordosten im Tagesverlauf
böig aus Ost auf. Im Ostseeumfeld kann es Böen Bft 7, exponiert vielleicht auch
Bft 8 geben.
Während in den Südosten nochmals warme Luftmassen gelangen (T850 hPa zwischen 10
und 14 Grad), kühlt es im Westen bereits deutlich ab (um 5 Grad in 850 hPa am
Abend). Dort bleibt es auch meist stark bewölkt, so dass sich die Höchstwerte
dort wohl nur noch zwischen 15 und 19 Grad bewegen. Im Osten und Südosten werden
dagegen mit etwas Sonnenschein nochmals 21 bis 25 Grad erreicht.

In der Nacht zum Freitag tropft der Trog nach Lesart des ICON-EU über der
westlichen Nordsee aus. Die Tiefdruckrinne im Bodenfeld kommt weiter nach Osten
bzw. Nordosten voran, so dass sich nach und nach im gesamten Vorhersagebereich
die kühle Meeresluft durchsetzen kann, bis Freitagfrüh sinken die 850
hPa-Temperaturen im Westen auf nahe 0 Grad, im äußersten Nordosten, der sich
noch unmittelbar vorderseitig der Rinne befindet (zumindest nach IFS und ICON)
verharrt sie noch bei etwa 10 Grad.
Mit der Rinne verlagern sich die schauerartigen Regenfälle mehr und mehr in den
Osten und Südosten des Landes, dabei kann es weiterhin auch Gewitter geben und
regional Starkregen auftreten (v.a. nach Lesart des ICON-EU die die Rinne noch
am langsamsten verlagern lassen, GFS simuliert sie bereits um Mitternacht an der
polnischen Grenze).
Postfrontal dürfte es zwar für eine kurze Wetterberuhigung reichen, allerdings
simulieren IFS und vor allem ICON-EU im Westen mit Annäherung eines weiteren
kurzwelligen Randtroges im Vorfeld eines Bodentroges erneut schauerartige, teils
gewittrige Regenfälle, während GFS dort kaum mehr Niederschläge auf der Agenda
hat.
Im Osten verläuft die Nacht nochmals verhältnismäßig mild mit Minima zwischen 14
und 9 Grad, sonst kühlt es im Zustrom Meeresluft polaren Ursprungs auf 11 bis 5
Grad ab.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptischen Basisfelder werden im Kurzfristzeitraum von allen Modellen sehr
ähnlich simuliert. Im Detail ergeben sich aber Unterschiede, in erster Linie,
was die Verlagerung der Tiefdruckrinne am Donnerstag bzw. in der Nacht zum
Freitag angeht. Das hat durchaus auch Einfluss auf die Niederschlagsprognosen
und wurde im Text bereits besprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff