DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-05-2020 17:01
SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 29.05.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Pfingstwochenende unspektakuläre Hochrandlage mit etwas Wind und nur wenig
bis überhaupt keinem Regen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... steht einem Höhenrücken, der sich von Südwest- über Westeuropa bis
ins westliche Skandinavien erstreckt, ein Langwellentrog über Osteuropa
gegenüber. Dieser besteht einerseits aus einem großräumigen Cut-Off-Tief, dessen
Kern in der Nacht im Grenzgebiet zwischen Rumänien und der Ukraine herumwabert,
und andererseits tiefem Geopotential über Nordskandinavien und dem Nordmeer. Die
beiden genannten Trogschwerpunkte sind dabei über eine schwache
Geopotentialrinne miteinander verknüpft. Das Herumwabern des Höhentiefs über
Südosteuropa hat zur Folge, dass die anfangs recht glatte Höhenströmung über
Deutschland in der Nacht eine leicht zyklonalen Einschlag erhält. Das führt
dazu, dass von der Ostsee bis zum Main, in der zweiten Nachthälfte auch bis zu
den Alpen und zum Hochrhein, hin und wieder hohe und mittelhohe Wolkenfelder
durchziehen, die aber keinen Niederschlag bringen. Mit den genannten
Geopotentialkomplexen korrespondieren bodennah einerseits das Hoch STEFFEN über
Skandinavien und andererseits die holde ISOLDE, ein Tief, das in der Nacht von
der Ukraine nach Westrussland zieht und dabei durch einen kurzwelligen
Troganteil eine leichte Intensivierung erfährt. Diese reicht allerdings nicht,
um STEFFEN in der Nacht seine dominierende Rolle beim Wetterschauspiel streitig
zu machen. Es bleibt für uns bei der schon am Tage zu beobachtenden
Hochrandlage, bei der auch die Biese im äußersten Süden Baden-Württembergs
wieder einschlafen wird. Der Wind zieht sich, durch eine kräftige Inversion von
der Grundschicht entkoppelt, in höhere Lagen zurück, wobei auf den
Schwarzwaldgipfeln weiterhin die Bft 8 angepeilt wird. In der aus dem Hoch
ausströmenden trockenen Kaltluft reicht es allenfalls im äußersten Nordosten, wo
die Luftmassen durch das Überströmen der Ostsee angefeuchtet werden, mal für
Dunst oder flache, aber nicht warnwürdige Nebelfelder. Somit verliert die Nacht
zumindest meteorologisch ihren Schrecken. Beachtlich ist lediglich, dass auch
jetzt, also Ende Mai, im meist wolkenfreien Westen und Nordwesten in geschützten
(Mittelgebirgs-)Lagen weiterhin Frost in Bodennähe nicht ausgeschlossen ist.

Samstag ... sind im Geopotentialfeld weiterhin der Höhenrücken über Westeuropa
und das Höhentief über Südosteuropa die dominierenden Protagonisten, wobei
letzteres zu dem zu dem bekannten Kern im Bereich der rumänisch-ukrainischen
Grenze einen zweiten über der Slowakei hinzugewinnt, der zum Abend nach Ungarn
zieht. Dabei schafft es das Höhentief nicht nur, die nordöstliche Höhenströmung
über Deutschland weiterhin leicht zyklonal zu gestalten, sondern es kann den
lang gestreckten Höhenrücken über England sogar etwas einschnüren. In die
Höhenströmung sind einerseits kurzwellig Troganteile, andererseits aber auch
Bereiche relativer Höhenkaltluft (T500 unter -21°C) eingelagert. Das reicht bei
850er Temperaturen um 2 Grad allenfalls im Südosten für ein paar schwache
unelektrische Schauer (eine Ausnahme bildet GFS, bei dem, wohl aufgrund der zu
hohen Feuchte der Grundschicht, auch im Norden kräftigere Schaueraktivität
simuliert wird). Ausreichen dürfte die Labilität aber für die Ausbildung
größerer Stratocumulusfelder (meist zwischen 800 und 700 hPa und
schwerpunktmässig im Osten und Süden) und für das Heruntermischen der Höhenwinde
aus dem 850er Niveau. Dies führt aufgrund eines von Nordost nach Südwest über
Deutschland liegenden niedertroposphärischen Starkwindbandes dazu, dass vor
allem von der Ostsee bis in den Südwesten einzelne Böen Bft 7 auch im Flachland
nicht ausgeschlossen sind. In diesem Bereich können die Hochlagen verbreiteter
mit Böen Bft 7, exponierte Gipfellagen sogar mit Böen Bft 8 reüssieren. Das
alles ist zumindest einen Blick wert - ob es auch eine Warnung wert ist, wird
sich zeigen. Apropos Blick: Ein kurzes Augenmerk sei an dieser Stelle auch auf
das Bodendruckfeld gerichtet, wobei keine durchgreifenden Änderungen auf dem
Plan stehen. Hoch STEFFEN wandert etwas nach Norden, über Nordschweden und dem
angrenzenden Norwegen soll der Druck zumindest vorübergehend mal auf über 1035
hPa steigen. Die holde ISOLDE bewegt sich zwar etwas retrograd und erreicht so
zum Abend hin Weißrussland, einen größeren Einfluss auf unser Wetter beschert
ihr dieser Ortswechsel aber nicht - wenn man von den schon angesprochenen
Stratocumulusfeldern, die auch von hohem und mittelhohen Wolkenfeldern begleitet
sein können, absieht. Zwischen beiden strömt, auch bodennah aus zumeist
nordöstlicher Richtung, recht trockene Luft nach Deutschland. Das
Temperaturniveau erreicht von der Ostsee bis zu den Alpen meist 15 bis 19 °C, in
den übrigen Gebieten 19 bis 25 °C, ganz lokal kann es im äußersten Westen auch
noch etwas höher hinausgehen. Den meisten Sonnenschein gibt es trotz einiger
(auch dort nicht ausgeschlossener) Quellungen sowie ein paar mittelhoher oder
hoher Wolkenfelder im Westen und Nordwesten, wo man dem Rücken am nächsten ist.


In der Nacht zum Sonntag kann das Höhentief bzw. dessen westlicher Trogausläufer
den Höhenrücken über England tagsächlich kappen, so dass über Nordeuropa ein
eigenständiges Höhenhoch entsteht. Zwischen diesem und dem sich zum Balkan
verlagernden westlichen Drehzentrum des Osteuropatrogs dreht die Höhenströmung
mehr und mehr auf östliche Richtungen. Dabei greift von Nordosten WLA auf
Deutschland über, die entsprechende Bewölkung erreicht bis zum Morgen den
Nordwesten, die Mitte und den Südosten. Wolkenarm bleibt es bis zum Morgen
hingegen vom Hochrhein bis zum Niederrhein. Grundsätzlich präsentiert sich die
Grundschicht weiterhin vergleichsweise trocken, Dunst oder Nebel (wahrscheinlich
nicht warnwürdig!) könnten allenfalls im Südosten, wenn schwache Schauer des
Vortages die Grundschicht angefeuchtet haben, ein Thema sein. Im Bodendruckfeld
erreicht die rückwärtsgewandte ISOLDE erst den Südwesten Weißrusslands, dann
wieder den Westen der Ukraine. Die Nähe der Holden führt dann auch über dem
Nordosten Deutschlands zu einer etwas stärkeren Drängung des Gradienten. In der
Folge simulieren die Modelle dort einen leicht auflebenden Wind, das böenaffine
IFS sieht - als einziges Modell - in den Frühstunden um das Stettiner Haff sogar
mal Böen der Stärke 7 Bft. Bleibt noch zu erwähnen, dass es dort, wo es längere
Zeit aufklart, vereinzelt erneut leichten Frost in Bodennähe geben kann.

Sonntag ... und in der Nacht zum Montag verbleibt Deutschland zwischen der
Höhenantizyklone über Nordeuropa und dem Höhentief über Osteuropa. Dessen
markantester Troganteil verläuft zu Tagebeginn in einem weiten Bogen von
Osteuropa über Ungarn und Oberitalien bis nach Benelux. Auch wenn ein
kleinräumiges Höhentief als Residuum des Troges bis in die Nacht zum Montag über
Frankreich verbleibt - der Trog verlagert sich doch allmählich südwärts und
somit kommt auch der Süden Deutschlands mehr und mehr auf die Rückseite der
Trogachse (der Rest des Landes kennt diese Lage schon seit Tagesbeginn bzw.
sogar schon aus der Nacht heraus). Dies bedeutet aber auch steigendes
Geopotential, und in der Folge glättet die Höhenströmung durch bzw. wird
gebietsweise wieder antizyklonaler. Alles in allem Abläufe, die Absinken und nur
wenige Wolken erwarten lassen. Wäre da nicht die störende WLA, die sich vor
allem im Südosten bemerkbar macht. Denn während im übrigen Land bei einem
insgesamt sehr freundlichen Wettercharakter nur hohe oder mittelhohe Wolken
durchziehen, sind dort verbreiteter auch tiefe Wolken unterwegs, die in den
östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen mitunter auch ein paar Tropfen bringen
können. Zwar beginnt ISOLDE schon im Laufe des Tages sich aufzufüllen, ein
Prozess, der in der Nacht zum Montag anhält, allerdings bleibt der Gradient über
dem Nordosten etwas schärfer konturiert und das Aufweichen des Gradienten wird
tagsüber durch die tagesgangbedingte Konvektion überkompensiert. In der Folge
lebt der Wind im Nordosten noch etwas auf, und von der Ostsee bis zur Lausitz
sind, ebenso wie in den Hochlagen der sächsischen Mittelgebirge, einzelne Böen
Bft 7 zu erwarten, die erst in der Nacht wieder nachlassen. Laut IFS können auch
abseits der Küsten Böen Bft 8 möglich sein, eine Einschätzung, die andere
Modelle, u.a. ICON, nicht teilen. Bezüglich der Temperatur ist zu sagen, dass
die 850er-Werte leicht ansteigen und vor allem deutschlandweit gerechter
verteilt sind. Letztendlich liegen sie sehr verbreitet um 5 Grad, was
Höchstwerte zwischen 15 Grad bei vielen Wolken im Südosten und bis zu 23 Grad im
Westen erwarten lässt. In der Nacht ändern sich die Bewölkungsverhältnisse, aber
auch die großräumigen Druck- und Strömungsverhältnisse, nicht grundlegend. Im
Nordosten lässt aber der Wind tagesgangbedingt, aber auch durch den sich
aufweitenden Gradienten, nach. Im Südosten halten sich teils dichte Wolken,
sonst sind es nur hohe oder mittelhohe Wolken, die durchziehen. Die Tiefstwerte
sollten zwischen 10 und 4 °C liegen.

Montag ... liegt Deutschland weiter am Südrand der hochreichenden blockierenden
Antizyklone, deren Kern über Südskandinavien zögerlich nach Süden vorankommt und
die sich im Tagesverlauf und auch in der Nacht allmählich abschwächt. Dabei wird
der Zustrom mäßig warmer Festlandsluft aus Ost- und Nordosteuropa
aufrechterhalten. Diese kann sich auf ihrem Weg nach Südwest aber weiter
erwärmen, was sich auch in den 850er Temperaturen widerspiegelt, die sich um 7
°C bewegen. Damit könnte im Westen auch wieder die 25-Grad-Marke fallen. Der
weit auseinandergezogene Gradient sorgt für insgesamt schwachwindige
Verhältnisse. Dabei setzt sich die Trockenheit fort, nur das mit dem
niedertroposphärischen Feuchtebias um die Ecke kommende GFS lässt im Süden
verbreiteter ein paar Tropfen fallen.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die wenig spektakulären Abläufe der kommenden Tage sehr
ähnlich. Warnrelevante Unterschiede betreffen vor allem den Wind und wurden im
Text angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas