DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-05-2020 17:01
SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 27.05.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Weiterhin Hochdruckrandlage ohne markante Wettererscheinungen; im Osten/Südosten
nachts und morgen leichte Regenfälle, sonst meist trocken, vor allem im
Westen/Nordwesten recht sonnig.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland nach wie vor an der Ostflanke eines
umfangreichen und blockierenden Hochdruckgebietes mit Schwerpunkt über den
Britischen Inseln bzw. der Nordsee, und viel wird sich daran auch in den
kommenden Tagen nicht ändern.
Das Hoch wird gestützt durch einen sowohl in 500 als auch in 300 hPa breit
angelegten Höhenrücken, der von einer Höhenantizyklone über der Biskaya
nordwärts über die Britischen Inseln hinweg bis nach Island bzw. ins Nordmeer
reicht. Der Rücken wird über- bzw. umlaufen von mehreren Kurzwellentrögen, die
am Südrand der weit nach Norden verschobenen Frontalzone (der Jet in 300 hPa
reicht von der Irmingersee über die Dänemarkstraße ostnordostwärts und knickt
dann über dem Nordmeer auf der Rückseite eines auf Skandinavien übergreifenden
Höhentroges nach Südosten Richtung mittleres Norwegen ab) ost- bzw. südostwärts
geführt werden. Einer dieser Kurzwellentröge konnte sich im Lee des Norwegischen
Küstengebirges verschärfen, hat aktuell Südschweden, Jütland und die Deutsche
Bucht erreicht und verlagert sich im Laufe der Nacht Richtung Polen, wobei
dessen Achse Donnerstagfrüh bis in den östlichen Mittelgebirgsraum bzw. nach
Franken reicht. Der vorgelagerte, vom Höhenrücken über Westeuropa über das
Vorhersagegebiet ostwärts bis nach Osteuropa reichende Höhenkeil wird dadurch
nach Süden abgedrängt und mit Annäherung an einen Höhentiefkomplex über
Südosteuropa mehr und mehr abgebaut.
Im Bodenfeld hat die teilokkludierte, mehrfach verwellende Kaltfront eines Tiefs
nördlich der Framstraße, die quer über Skandinavien hinweg südwärts reicht,
inzwischen Norddeutschland erreicht. Ihre Wetterwirksamkeit beschränkte sich
bisher mangels dynamischen Hebungsantriebs auf dichtere Wolkenfelder. Mit
Annäherung des Kurzwellentroges wird sie im Laufe der Nacht allerdings aufgrund
zunehmender, aus PVA resultierender Hebung aktiviert und erreicht in den
Frühstunden in etwa die "südliche Mitte" des Landes (Zittauer Gebirge,
Erzgebirge, Südhessen, Pfalz). Nach Osten zu, etwa vom mittleren Brandenburg bis
ins Thüringer Becken, vielleicht noch bis nach Osthessen und weiter südlich (bis
ins östliche Bayern), setzt mit Frontpassage schauerartiger Regen ein, zunächst
hauptsächlich postfrontal ("Anafrontcharakter"). Dabei werden zwölfstündige
Mengen zwischen 1 und 8 mm simuliert. Kurze Gewitter können vor allem vom
mittleren Brandenburg und Sachsen-Anhalt bis nach Sachsen, wo auch etwas MU-Cape
simuliert wird (in erster Linie zwischen 900 und 600 hPa) nicht ausgeschlossen
werden, C-D2 hat in einigen Läufen auch welche im Programm.
In der Südhälfte bleibt es zunächst noch gering bewölkt, später werden die
Wolken, wie auch in der Mitte, aber dichter, so dass Nebel und Bodenfrost
(letzterer vielleicht noch in höheren abgelegenen Alpen- und Bayerwaldtälern)
keine Rolle mehr spielen sollten. Postfrontal lockern die Wolken wieder auf,
gebietsweise ist es gering bewölkt. Trotz Advektion maritimer Polarluft (1 bis 4
Grad in 850 hPa) reicht es bei noch längere Zeit spürbaren Nord- bis
Nordwestwind wohl auch dort nicht für Bodenfrost.
Apropos Wind: Mit Vorrücken eines Hochkeils setzt postfrontal Druckanstieg ein
und der Gradient verschärft sich. Das führt zu einer Windzunahme, vor allem in
den höheren Lagen. Auf einigen Mittelgebirgsgipfeln gibt es steife, exponiert
auch stürmische Böen. Für eine Warnung dürfte das aber nicht ausreichen.


Donnerstag ... tropft der Kurzwellentrog über Südwestpolen aus und zieht als
Kaltlufttropfen bis zum Abend nach Böhmen. An dessen Westflanke nimmt die
Strömung über dem Südosten des Landes eine zyklonalere Kontur an und vor allem
am Nachmittag und Abend verstärkt sich dort der PVA-getriggerte dynamische
Hebungsantrieb etwas.
Die Kaltfront erreicht im Laufe des späten Nachmittags/Abends mit schauerartigen
Regenfällen (nach Lesart des ICON-EU Mengen zwischen wenigen mm im Allgäu und
knapp über 10 mm im Berchtesgadener Land) die Alpen. Präfrontal wird ins
Alpenvorland eine etwas instabiler geschichtete Luftmasse eingesteuert (ICON-EU
bis 300 J/kg ML-Cape), so dass dort vor allem mit Einsetzen der Niederschläge
auch kurze Gewitter nicht ausgeschlossen sind.
Die Annäherung des Kaltlufttropfens und die damit einhergehende Advektion von
Höhenkaltluft (bis -24 Grad in 500 hPa) führt, unterstützt durch die diabatisch
getriggerte Erwärmung der Grundschicht, im äußersten Osten (etwa von der Lausitz
bis zum Erzgebirge, später auch im ostbayerischen Mittelgebirgsraum) zu einer
Labilisierung der Luftmasse. Unterstützt durch die weiter oben erwähnte Hebung
sollte das für Schauer reichen, auch kurze Gewitter mit Böen Bft 7 sind dabei
durchaus in Betracht zu ziehen.
Im großen Rest des Landes dominiert dagegen der Einfluss des seinen Schwerpunkt
ein wenig mehr Richtung Nordsee verlagernden Hochdruckgebietes. Ein kleiner
Kurzwellentrog verlagert sich zwar im Tagesverlauf von der mittleren Nordsee zum
Ostausgang des Ärmelkanals, tangiert das Vorhersagegebiet wettertechnisch aber
nicht weiter. Ihm folgt ein Höhenkeil, der sich am Abend über die mittlere
Nordsee ostwärts bis zur südlichen Ostsee erstreckt. Dieser stützt weiterhin den
von Nordwest nach Südost über Deutschland gerichteten Bodenhochkeil. Nach Abzug
der Front lockern die Wolken somit vielerorts rasch wieder auf und die Sonne
setzt sich durch. Lediglich südlich der Donau bleibt es meist stark bewölkt,
Richtung Alpen auch bedeckt, von der Lausitz bis nach Ostbayern hält sich
vermehrt Quellbewölkung. Ansonsten reicht es höchstens nur noch für flache
Quellbewölkung, die sich an der Absinkinversion (um 950 hPa im Westen, um 800
hPa in der Mitte) auch etwas mehr horizontal ausbreiten kann. Vor allem über den
Nordwesten/Westen können auch ein paar hohe/mittelhohe Wolkenfelder
hinwegziehen, die mit dem weiter westlich nach Süden ziehenden Trog in
Zusammenhang stehen.
Von Norden her wird nach niedertroposphärisch wie vor maritime Polarluft ins
Vorhersagegebiet advehiert, so dass die Temperatur in 850 hPa lediglich auf
Werte um 2 Grad im Nordosten, im Südwesten mit viel Sonne dagegen bis auf +8
steigt. Das mündet in Höchstwerte zwischen 17 und 22 Grad, am Oberrhein bis 24
Grad, in den dicht bewölkten Regionen am Alpenrand und am Erzgebirge werden
dagegen die 15 Grad nur mühsam oder gar nicht erreicht.

In der Nacht zum Freitag kommt der Kaltlufttropfen allmählich südwärts voran und
erreicht Freitagfrüh nach Lesart des ICON-EU Kärnten. Ein von ihm ausgehender
Randtrog schwenkt im Laufe der Nacht über Südostdeutschland hinweg südwärts.
Dahinter stellt sich eine leicht antizyklonal konturierte nordöstliche
Höhenströmung ein, ausgehend vom markanten Höhenrücken über den Britischen
Inseln reicht ein Keil weiterhin über die Nordsee und Südskandinavien hinweg zur
südöstlichen Ostsee.
Im Bereich des durchziehenden Randtroges kann es im östlichen und ostbayerischen
Mittelgebirgsraum auch nachts noch vereinzelte kurze Schauer geben, an den Alpen
fällt etwas Regen. Gewitter sind nicht ausgeschlossen, insbesondere in der
ersten Nachthälfte.
Im Rest des Landes dominiert weiterhin Hochdruckeinfluss. Während es im Südosten
noch bewölkt, am Erzgebirgsnordrand und an den Alpen oft bedeckt bleibt, zeigt
sich der Himmel sonst teils gering bewölkt oder wolkenlos, stellenweise kann
sich Nebel bilden, am ehesten wohl im Nordwesten. Die Advektion von Polarluft
von Norden her dauert an (T850 hPa Freitagfrüh zwischen 1 Grad im Nordosten und
4 Grad im Südwesten), so dass mit Tiefstwerten zwischen 8 und 1 Grad eine recht
kalte Nacht ins Haus steht, lediglich an den Küsten und in einigen Innenstädten
bleibt es etwas milder. In ungünstigen, windgeschützten Lagen gibt es
Bodenfrost, in einigen Mittelgebirgs- "Kältelöchern" ist auch Frost in 2 m Höhe
nicht ausgeschlossen.
Vor allem an der Südflanke des Hochs bzw. Hochkeils, über Südwestdeutschland,
verschärft sich der Gradient im Laufe der Nacht etwas, so das der Wind aus Ost
bis Nordost auffrischt. Verstärkt durch Low Level Jets kann es auf einigen
Kuppen und Gipfeln eventuell Böen Bft 7 bis 8 geben.

Freitag ... verlagern sich Kaltlufttropfen und Randtrog weiter nach Süden. Die
aus der nach wie vor dort lagernden Höhenkaltluft resultierende "Restlabilität"
im Südosten bzw. äußersten Osten Deutschlands reicht dort eventuell noch für
einzelne kurze Schauer, am ehesten in den Mittelgebirgen und an den Alpen,
Gewitter erscheinen aus aktueller Modellsicht eher unwahrscheinlich.
Das durch den nach wie vor umfangreichen Höhenrücken über den Britischen Inseln
und der Nordsee, der sich wieder mehr ins Nordmeer ausweitet, gestützte
Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt allmählich zur Norwegischen See, wobei
ein kräftiger Keil nach Nordwestdeutschland gerichtet bleibt. Im Süden des
Vorhersagegebietes, vor allem aber über dem Alpenraum und weiter südlich, setzt
dagegen leichter Druckfall ein, so dass sich der Gradient im Süden und in der
Mitte des Landes noch etwas verschärfen kann. Mit der im Tagesverlauf sich
verstärkenden turbulenten Durchmischung der Grundschicht nimmt der Nordostwind
auf den exponierten Mittelgebirgsgipfeln etwas ab, in den Niederungen dagegen
zu, vor allem südlich der Alb bis ins Schweizer Mittelland kann es in freien
Lagen eventuell einzelne steife Böen (Bft 7) geben.
Ansonsten dominiert weiterhin Hochdruckeinfluss, wobei sich mit dem etwas
auffrischenden Nordostwind die Advektion der polaren Luftmassen
niedertroposphärisch noch ein wenig verstärkt und die diabatische Erwärmung kaum
mehr dagegenhalten kann, so dass die 850 hPa-Temperatur bis zum späteren
Nachmittag nur noch auf 1 bis 7 Grad steigt. Dabei bleibt es im Südosten
bewölkt, ansonsten scheint aber neben flachen Quellwolken und einigen hohen bzw.
mittelhohen Wolkenfeldern meist die Sonne. Die Höchsttemperaturen erreichen
Werte zwischen 17 und 23 Grad, am Niederrhein vielleicht 24 Grad, im östlichen
Mittelgebirgsraum werden erneut kaum 15 Grad erreicht.

In der Nacht zum Samstag nimmt ein umfangreiches Höhentief über Osteuropa
(Schwerpunkt über der Ukraine) einen zunehmend dominanteren Part in der
Verteilung der Geopotenzialgebilde rund um das Vorhersagegebiet ein. Der
Höhenrücken über Westeuropa wird dadurch etwas nach Norden abgedrängt, der
Schwerpunkt befindet sich Samstagfrüh in etwa über der nördlichen Nordsee, wobei
allerdings nach wie vor eine stabile Potenzialbrücke über die Britischen Inseln
hinweg südwärts nach Südwesteuropa reicht.
Für das Vorhersagegebiet hat das zur Folge, dass die bis dato recht glatte
nordöstliche Höhenströmung ein wenig ins Mäandrieren gerät bzw. eine leicht
zyklonale Kontur annimmt, wobei ein flacher, allerdings nicht weiter
wetterwirksamer Randtrog von Nordosten her nach Westdeutschland zieht.
Allerdings können von Osten her - wohl auch etwas mitteltroposphärischer WLA
resultierend - vor allem über Ost- und Norddeutschland zeit- und gebietsweise
lockere hohe und mittelhohe Wolkenfelder hinwegziehen. Im Südosten bleibt es mit
nordöstlicher Anströmung gegen Alpen und Erzgebirge noch eher stark bewölkt, die
vereinzelten Schauer klingen aber wohl allmählich ab.
An Lage und Intensität des Bodenhochs ändert sich nur wenig, nach wie vor bleibt
der Gradient über Süddeutschland relativ scharf ausgeprägt. Tagesgangbedingt
nimmt mit der Abkopplung der Grundschicht der Wind in den Niederungen aber
wieder ab, in den Kamm- und Gipfellagen des Schwarzwaldes dagegen zu, auf
einigen Gipfeln kann stürmische Böen oder Sturmböen aus Nordost geben.
Die Advektion niedertroposphärisch recht trockener Polarluft verstärkt sich noch
ein wenig (T 850 hPa Samstagfrüh zwischen 0 und 4 Grad), entsprechend kühlt es
je nach Bewölkung auf 9 bis 0 Grad ab, inklusive Frost in Bodennähe in
ungünstigen Lagen bzw. Luftfrost in einigen klassischen "Kältelöchern".

Samstag ... weitet sich das osteuropäische Höhentief (Schwerpunkt: Ukraine)
Richtung Mitteleuropa und Ostalpenraum aus. Mit der auf Ostnordost drehenden
Höhenströmung wird ein weiterer kurzwelliger Randtrog über Nord- und
Nordwestdeutschland hinweg nach Westen geführt. Auch dieser erweist sich als
wenig wetterwirksam in Form lockerer Wolkenfelder, aus denen aber kein
Niederschlag fällt. Mit der Ausweitung des Höhentroges nach Westen gelangt der
Südosten des Landes erneut in den Einflussbereich etwas labiler geschichteter
Höhenkaltluft, so dass sich am ehesten an den Alpen und im ostbayerischen
Mittelgebirgsraum einzelne kurze Schauer entwickeln können. Während IFS (von 00
UTC) dem ICON-EU ähnelt und lediglich ganz vereinzelte Schauer auf der Agenda
hat, simuliert GFS bei nahezu identischer synoptischer Ausgangssituation mal
wieder recht verbreitet (allerdings nur) leichte Schauer in einem breiten, etwa
von der Nordsee südostwärts bis zum Erzgebirge bzw. bis zum Ostalpenraum
reichenden Streifen. Diese Prognose sollte aufgrund der von diesem Modell zu
hoch simulierten Grundschichtfeuchte allerdings mit Vorsicht betrachtet werden.
Auf der Rückseite des über Norddeutschland hinwegschwenkenden Randtroges setzt
am späten Nachmittag und Abend von Polen her über der Osthälfte Deutschlands
verstärkt mitteltroposphärisch WLA ein. Das führt dort zum Aufzug dichter
Wolkenfelder von Osten her. Ob in der Lausitz in den Abendstunden bereits Regen
einsetzt, wie im aktuellen Lauf simuliert, oder ob es, wie im Vorlauf bzw. im
IFS-Lauf von 00 UTC, noch trocken bleibt, ist noch unsicher.
Ansonsten dominiert aber nach wie vor der Einfluss des seinen Schwerpunkt
allmählich Richtung Nordskandinavien verlagernden Hochdruckgebietes, weiterhin
bleibt ein kräftiger Hochkeil zur Nordsee und nach Norddeutschland gerichtet.
Auch am Gradienten an dessen Südflanke ändert sich nur wenig, so dass der Wind
vor allem in der Mitte und im Süden des Landes im Tagesverlauf in den
Niederungen erneut aus Ost bis Nordost auffrischt. Dabei ist noch unsicher, ob
es zumindest in freien Lagen für einzelne Böen Bft 7 reicht.
Insgesamt bleibt es wohl etwas bewölkter als an den Vortagen, nach wie vor
überwiegen im Norden und Westen aber deutlich die sonnigen Anteile. Die
niedertroposphärische Advektion trockener und kühler Festlandsluft (T850 hPa
zwischen 1 und 4 Grad) sorgt nach wie vor für ein etwas gedämpftes
Temperaturniveau. Mehr als 15 bis 19 Grad sind im bewölkten Osten bzw. Südosten
nicht drin, während im sonnigen Westen 20 bis 24 Grad erreicht werden, in Lingen
reicht es vielleicht sogar für einen Sommertag.



Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle simulieren im Kurzfristzeitraum eine sehr ähnliche
Entwicklung. Die kleineren Differenzen im Detail wurden bereits im Text
angesprochen und sind nicht warn- bzw. kaum prognoserelevant.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff