DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-07-2016 09:00
SXEU31 DWAV 270800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 27.07.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Ww

Verbreitet Schauer und Gewitter, im Südosten und Osten Unwetter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges, der
sich aktuell vom Seegebiet zwischen Schottland, Island und der norwegischen
Küste (Geopotentialminimum) nach Süden über die Britischen Inseln bis nach
Nordfrankreich erstreckt. Bis zum Abend greift die Trogachse auf den Nordwesten
unseres Landes über, so dass auf dessen Vorderseite anfangs zumindest der
Nordwesten, später auch die Mitte unter einer südwestlichen Höhenströmung liegt,
die diesen Namen auch verdient, sprich wo der Geopotentialgradient auch als
solcher bezeichnet werden kann. Über dem Südosten Deutschlands fächert das
Geopotentialfeld deutlich auf, was bei möglicher Gewitterbildung erneut auf eine
nur geringe Zuggeschwindigkeit hindeutet. Damit bildet insbesondere Bayern den
westlichen Rand eines "Geopotentialniemandslandes", das sein Zentrum über
Rumänien und der Ukraine hat. Im Bodendruckfeld korrespondiert mit dem
Langwellentrog ein Bodentief bzw. eine Tiefdruckrinne, die in ihrem nördlichen
Teil unter dem Geopotentialminimum liegt und kaum Verlagerungstendenzen zeigt.
Ein zweites Tief ist am Morgen östlich von Schottland auszumachen, es wandert im
Tagesverlauf nach Osten und erreicht am Abend die Südwestküste Norwegens. Dabei
vertieft es sich etwas und lässt der Gradienten im Nordwesten im Tagesverlauf
etwas anziehen, Warnwürdige Böen sehen die Modelle dabei unisono aber selbst auf
den Nordseeinseln mit der Passage dem sich südlich an das Tief anschließenden
Bodentrog und der in ihm eingelagerten Okklusion, die zum Abend etwas Regen
bringt, nicht. Deutlich warnaffiner geht es dagegen in Südosten und Osten
Deutschlands zu, ist doch mit dem o. a. Tiefdruckgebiet ein Frontensystem
verknüpft, das in einem weiten Bogen über Skandinavien und die Ostsee bis nach
Deutschland reicht. Dort trennt es feucht-warme Luft im Südosten von etwas
trockenerer und stabiler geschichteter Luft im Nordwesten. Aktuell (04 UTC)
verläuft die Front laut 00-UTC-Lauf von COSMO-EU und ICON etwa über der Lausitz
in Richtung Thüringen, wo sie im Bereich eines flachen Tiefs wellt und nach
Süden bis zum Bodensee bzw. Hochrhein verläuft. Entsprechend lässt sie sich auch
analysieren. Besagtes flaches Tief ist dabei über dem Norden Thüringens zu
finden, wo mit 1016,8 hPa die aktuell niedrigsten Druckwerte gemessen werden /
respektive wurden. Betrachtet man die gewitterrelevanten Größen, so fallen
erneut die hohen ppw-Werte im Süden und Osten ins Auge. Sie liegen laut COSMO-EU
und ICON von der Pfalz über Ostwestfalen bis zur Ostsee sowie in den Gebieten
östlich bzw. südöstlich davon bei über 30 mm, lokal bei über 40 mm. COSMO-DE
simuliert lokal sogar über 70 mm. Im Tagesverlauf ist dabei zumindest im
Südwesten eine Austrocknung der Luftmassen zu beobachten. Die CAPE-Werte im
Südosten sollen laut COSMO-EU und COSMO-DE bei über 2000 J/kg liegen, ICON
simuliert mit etwa 700 J/kg deutlich defensiver, bezüglich der KO-Indices
liefern die deutschen Modelle einheitlich Werte im Südosten Bayerns unter -5.
Wie dem auch sei, schwere Gewitter, die bezüglich Starkregens erneut
Unwetterpotential besitzen, sind im Südosten auf jeden Fall wieder zu erwarten.
Dies gilt auch, obwohl die Scherungswerte mit unter 10 m/s sowie die Lapse Rates
mit maximal -12 Grad (jeweils COSMO-EU um 12 UTC) keine übermäßig hohen Werte
annehmen.

In der Nacht zu Donnerstag kommt der Trog einerseits sehr zögerlich nach Osten
voran, andererseits greift er weiter nach Süden aus. Damit nimmt auch die
Höhenströmung - zwar sehr verhalten, aber dennoch - Fahrt auf, was das schon
ohnehin tagesgangbedingt geringere Unwetterrisiko durch Starkregen weiter
dämpft. Darüber hinaus wandert das flache Bodentief allmählich nach Osten aus,
zum Morgen soll es laut COSMO-EU etwa an der Weichsel liegen, womit auch die
sich südlich anschließende Kaltfront Deutschland weitgehend nach Osten passiert
haben sollte. Damit stellt sich auch im Südosten eine deutliche Wetterberuhigung
ein, zumal postfrontal ein merklicher Druckanstieg zu beobachten sein wird.
Während das kleinräumige Tief über der norwegischen Südwestküste unter
Abschwächung nach Nordosten zieht, kommt das mit ihm verbundene teilokkludierte
Frontensystem bis in die Mitte voran und bringt dort etwas Regen. Im Süden kann
sich, vor allem in den Schauer- und Gewittergebieten des Tages mit der
entsprechend feuchten Grundschicht, Nebel bilden.

Donnerstag... verlagern sich der Trog und seine Achse kaum, letztere weist von
der Nordsee in Richtung Südosten bis ins Berchtesgadener Land.. Im
Bodendruckfeld zieht das Norwegen-Tief weiter nach Nordosten in Richtung
Schweden, auf seiner Rückseite mach sich über weiten Teilen der Nordsee und auch
des Nordens und Westens Deutschlands Druckanstieg bemerkbar. Da dadurch auch die
frontsenkrechte Schubkomponente des Druckfeldes sinkt, kommt die Front über dem
Westen und der Mitte Deutschlands zunehmend ins Schleifen. In der Folge steigen
in den betroffenen Gebieten die Niederschlagsmengen. Sowohl die deutschen
Modelle COSMO-EU und ICON wie auch EZMW simulieren 12-stündig
Niederschlagsmaxima von 10 bis 15 mm, wobei die deutschen Modelle den
Schwerpunkt in einem Streifen vom Niederrhein und der Saar bis nach
Sachsen-Anhalt hinein sehen. EZMW ist bei der Verlagerung nach Süden mit den
deutschen Modellen im Einklang, allerdings deuten die Europäer auch bis an die
Nord- und Ostsee noch Regen an, wo die Deutschen den Tag schon trocken sehen.
Einheitlich simulieren die Modelle auch noch Regen an den Alpen, wo die Reste
der Front des Polen-Tiefs noch nicht endgültig "über'n Berg" sind. Bezüglich der
Gewitterneigung muss man konstatieren, dass diese weiterhin möglich sind,
allerdings bei weitem nicht mehr das Unwetterpotential der Vortage besitzen. Im
Westen und der Mitte liegen die ppw-Werte zwar wieder über 30 mm, allerdings
sind die CAPE-Werte, die Lapse-Rates und auch die Scherungswerte recht niedrig,
so dass es bei den Gewitter doch bei gewöhnlichem Starkregen und damit bei
"ocker" bleiben sollte. Eventuell möglich ist dabei, sollten mehrfach Schauer
über das gleiche Gebiet ziehen, auch Starkregen über 20 mm in 6 Stunden, und
etwas Wahrscheinlicher ist auch, im Vergleich zu heute, das Auftreten von
stürmischen Böen oder Sturmböen, da der Gradient ja insgesamt etwas anzieht.

In der Nacht zu Freitag zeigt der Trog weiterhin ein Ausgreifen nach Süden und
Verlagern nach Osten in insgesamt homöopathischen Dosen. Auch im Bodendruckfeld
ändert sich nicht allzu viel, weiterhin streckt sich ein Ausläufer des
Azorenhoch zu den Alpen hin aus, auf der anderen Seite sinkt über dem Nordwesten
vorderseitig eines Randtiefs über den Britischen Inseln der Druck etwas.
Insofern ist keine durchgreifende Änderung der Situation zu erwarten, speziell
nach Südosten zu kann sich in den Frühstunden wieder Nebel bilden.

Freitag... Überquert die Trogachse auch den Osten Deutschlands, auf ihrer
Rückseite stellt sich über weiten Teilen Deutschlands eine zonale Strömung ein.
Da jedoch der trog in der Nacht über dem Nnahen Ostatlantik regeneriert wird,
steilt die Höhenströmung schon in der Nacht zu Samstag wieder auf. Das Randtief
verliert zwar an Kontur, verlagert sich aber weiter nach Osten und damit über
die Nordsee, was im Nordwesten Deutschlands für einen anziehenden Gradienten
sorgt und damit zu auffrischendem Wind führt. Im Zuge dieser Entwicklung sind im
Westen, später auch in der Mitte starke Böen zu erwarten, EZMW nimmt
diesbezüglich die Vorreiterrolle ein, die deutschen Modelle präsentieren sich
dagegen mit nur einzelnen Böen, vor allem auf den Bergen. Die Front über dem
Westen und der Mitte kommt weiterhin nur sehr zögerlich voran, trotzdem
verschiebt sich entlang der Front der Niederschlagsschwerpunkt nach Nordosten,
so dass der Osten und Nordosten am stärksten von Regen betroffen sein sollten.
Hier bietet COSMO-EU sogar Starkregenmengen über 25 mm in 12 Stunden an (00 UTC
bis 12 UTC), steht mit diesem Mengen aber recht allein, die globalen Modelle
bleiben deutlich unter den Warnschwellen. Unter Trogeinfluss bleibt die
Konvektion ein Thema, wenngleich Unwetterpotential nicht mehr auszumachen ist.
Mögliche Zellen ziehen deutlich schneller als an den Vortagen, die ppw-Werte
erreichen noch mit Mühe und Not Werte über 30 mm, und auch die CAPE-Werte liegen
dann auch bei COSMO-EU nicht mehr über 1000 J/kg.

Modellvergleich und -einschätzung
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Insgesamt simulieren die Modelle die Abläufe ähnlich, insbesondere, soweit die
entsprechenden Größen zur Verfügung stehen, bezüglich des Gewitterrisikos am
heutigen Nachmittag/Abend. In Bezug auf die Zugrichtung und Geschwindigkeit,
aber auch allgemein auf die Druckverteilung, simulieren die Modelle bei der
flachen Druckverteilung erwartungsgemäß Unterschiede, so simuliert ICON
beispielsweise eine schnellere Verlagerung des Tiefs als EZMW und COSMO-EU. Auf
weitere Unterschiede zwischen den Modellen wurde im Text eingegangen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas