Thema des Tages

07-04-2020 07:50

Erneut viel Wind vom Schwarzen Meer bis hin zur Ägäis

Bei hohem Luftdruck über der Balkan-Halbinsel und tiefem Luftdruck
über der Türkei stellt sich zwischen Schwarzem und Ägäischem Meer
häufig stürmischer Nordostwind ein, der gerade über See mit
Zusatzeffekten zu teils orkanartigen Böen führen kann.

Seit einigen Tagen hat sich über Südosteuropa eine relativ stationäre
Wetterlage eingestellt. Einerseits herrscht hoher Luftdruck über der
Balkan-Halbinsel, andererseits sorgt tiefer Luftdruck über dem
östlichen Mittelmeer und der Türkei für einen ernst zu nehmenden
Widerpart.

Dort haben sich aufgrund der Strömungsverhältnisse veritable
Temperaturgegensätze herauskristallisiert. So wird um das Hoch herum
aus Norden und Nordosten relativ kalte Luft über die östlichen
Balkanländer und das westliche Schwarze Meer über den Bosporus bis in
die südliche Ägäis geführt. Gleichzeitig pumpt ein Tief, das sich
über der Türkei festgesetzt hat, entgegen dem Uhrzeigersinn warme
Luft aus Süden und Südosten weit nach Norden bis über das östliche
Schwarze Meer. Damit etabliert sich ein eher meridionaler Austausch
der Luftmassen, der dafür sorgt, dass sich die beiden
Luftdruckgebilde festgebissen haben und erstmal nicht daran denken,
weiter zu ziehen.

Nun ja, diese Temperaturgegensätze führen zu einer Verschärfung der
Luftdruckgegensätze auf relativ engem Raum, die mit der Höhe noch
zunehmen. Das bedeutet unter anderem viel Wind für diese Region,
speziell über den Meeresoberflächen. Dort ist ja bekanntlich die
Reibung, also der Widerstand, auf den die Luftbewegung trifft,
geringer. Folglich treten über der See generell höhere
Windgeschwindigkeiten auf.

Dazu kommt ein weiterer Effekt. Derzeit weist das westliche Schwarze
Meer Wassertemperaturen so um die 10 Grad, die Ägäis so um die 15
Grad auf. In rund 1500 m Höhe herrschen dagegen in dieser Region
zwischen 0 und -2 Grad. Durch die Temperaturunterschiede zwischen
relativ warmer Meeresoberfläche und der Umgebungsluft (bis in rund
1500 m Höhe) tritt ein signifikanter vertikaler Temperaturgradient
auf, der zu verstärkten Vertikalbewegungen (Aufsteigen der wärmeren
Luft über dem Meer und kompensatorisches Absinken kälterer Luft aus
der Höhe) führt. Damit sind die Voraussetzungen gegeben für ein
verstärktes Heruntermischen des ohnehin sehr starken Höhenwindes
(siehe auch Thema des Tages vom 06.01.2020:
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/1/6.html).

Dabei traten im Verlauf des Sonntags teils schwere Sturmböen an der
Schwarzmeerküste in Bulgarien (Burgas 101 km/h, Bft 10) auf, an der
Ägäis-Küste im Norden Griechenlands wurden sogar einzelne orkanartige
Böen registriert (Alexandropoulis 104 km/h, Bft 11). In der
beigefügten Abbildung sind die 6-stündig aufgetretenen maximalen Böen
am Sonntag, den 05.April 2020 im Zeitraum von 14 bis 20 Uhr Ortszeit
aufgeführt.

Über dem offenen Meer sind sicher noch höhere Windgeschwindigkeiten
aufgetreten (siehe Anmerkungen oben), dort verfügen wir allerdings
nicht über entsprechende Messstationen.

Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.04.2020

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