DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

26-02-2020 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 26.02.2020 um 10.30 UTC



SWz/Ww/Ws: Unbeständig, nass und zeitweise windig bis stürmisch. Nur im höheren
Bergland phasenweise leicht winterlich.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 04.03.2020


Über weite Strecken der Mittelfrist dominieren weiterhin zonale
Zirkulationsformen. An der Südflanke einer sich fortwährend regenerierenden
negativen Geopotenzialanomalie über dem Nordatlantik und Nordwesteuropa stößt
die aktive Frontalzone bis nach Mitteleuropa vor. Da über Osteuropa verstärkt
ein blockierender Rücken in Erscheinung tritt, neigt die Frontalzone beginnend
über Mitteleuropa nach Nordwesten abzubiegen bzw. aufzufächern. Die reinrassige
zyklonale Westlage (Wz) wird somit durch eine Südwest- (SWz), Winkelwest (Ww)
oder gar südliche Westlage (Ws) ersetzt. Die Fortdauer des unbeständigen, nassen
und zeitweise sehr windigen bis stürmischen Wettercharakters kann somit als
quasi gesichert gesehen werden. Der allgemeinen "Unruhe" der zyklonalen
Wetterlage folgend wird das Temperaturniveau eher im für die Jahreszeit milden
Bereich verbleiben, auch wenn immer wieder mal Polarluft eingesteuert wird.
Zeitweise winterlich wird es somit wahrscheinlich nur noch im höheren Bergland
werden.

Zu Beginn der Mittelfrist am Samstag überquert uns ein durch kräftige WLA
gestützter Rücken rasch ostwärts. Ihm folgt ein Kurzwellentrog, der Samstagabend
mit seiner Achse bereits den Westen erreicht und im Laufe der Nacht zum Sonntag
durchschwenkt. Die Kurzwelle stützt ein Sturmtief, das sich ins Seegebiet
zwischen Island und Schottland verlagert und die Funktion eines steuernden
Zentraltiefs übernimmt. Die Warmfront zieht bis Samstagabend ostwärts durch.
Dahinter spannt sich ein Warmsektor mit subtropischer Luft auf, in dem T850 auf
+2 bis +10 Grad ansteigt, um hinter der rasch folgenden Kaltfront in subpolarer
Meeresluft wieder auf -1 bis -5 Grad abzusinken. Die Niederschläge fallen somit
nur zu Beginn an der Warmfront sowie in den Schauern hinter der Kaltfront im
Bergland, an der Warmfront nach Norden und Osten zu sowie allgemein hinter der
Kaltfront bei kräftigen Schauern/Gewittern auch in tiefen Lagen teils als Schnee
(nur wenige cm, an den Alpen staubedingt vielleicht auch etwas mehr). Markanter
ist die Windentwicklung: Der weht im Warmsektor im Bergland in Böen mit Bft
9-10, an der Kaltfront sind dann auch in tiefen Lagen (vor allem nach Westen zu
sowie im Norden) zumindest Böen Bft 8-9 wahrscheinlich.

Am Sonntag folgt in der westsüdwestlichen Höhenströmung ein weiterer
Kurzwellentrog, der für Schauerwetter sorgt, im Bergland fällt etwas Schnee. Der
Gradient fächert zwar an der Südflanke des Zentraltiefs südlich Island
(zumindest nach IFS-Lesart) tendenziell etwas auf, aber gerade nach Nordwesten
zu sowie im Bergland müssen Böen Bft 8-9, exponiert bis Bft 10 weiterhin ins
Kalkül gezogen werden.

In der Nacht zum Montag und Montag tagsüber schwenkt eine Kurzwelle von den
Britischen Inseln über die Nordsee zum Oslofjord. Am Boden wird dabei ein
Randtief induziert, das nach IFS00 von Nordengland nach Südnordwegen zieht und
die Frontalzone nochmal "auffängt". Diese greift okkludiert von Westen auf
Deutschland über und bringt wieder etwas flächiger Niederschlag. Da der
Haupttrog westlich weit nach Süden ins westliche Mittelmeer vorstößt, dreht die
Strömung über Deutschland mehr auf Südwest rück, womit etwas mildere Luft
advehiert wird (T850 -1 bis +5 Grad). Die Niederschläge fallen somit nur noch in
den Kammlagen als Schnee. Der Gradient zieht in der Westhälfte vorübergehend
nochmal an, womit verbreitet Böen Bft 8, exponiert auch Bft 9 möglich sind. Da
der südwärts vorstoßende Trog über dem Löwengolf eine Zyklogenese anregt,
fächert der Gradient aber im Tagesverlauf rasch auf.

Am Dienstag tropft der Haupttrog ab und bildet im zentralen Mittelmeerraum ein
Cut-Off. Das Trogresiduum schwenkt über Deutschland hinweg. Nachfolgend steigt
zwischen dem Cut-Off und der vom Nordatlantik Richtung Britischer Inseln
übergreifenden Frontalzone das Geopotenzial an, ein flacher Rücken stützt am
Boden gar einen Azorenhochkeil. Das Trogresiduum kann so kaum oder nur
vorübergehend Wetteraktivität entfalten, von gebietsweisen, leichten
Regenfällen, in Kammlagen Schneefällen abgesehen, passiert aber nicht mehr viel.


Am Mittwoch greift die leicht mäandrierende Frontalzone dann allerdings wieder
voll auf Mitteleuropa über und leitet in der erweiterten Mittelfrist einen
weiteren unbeständigen Wetterabschnitt ein. Die Sturmgefahr ist im Verlauf
deutlich erhöht!
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der jüngsten IFS-Modellläufe ist ungewohnt schlecht. Als Folge
der durch das osteuropäische Blocking über Mitteleuropa an Struktur
verlierenden, auffächernden Frontalzone resultieren größere Unschärfen in der
Vorhersage des progressiven Trog-Rücken-Musters. Schon zu Beginn der Mittelfrist
zeigen sich größere Unterschiede in Timing und Ausprägung der von Westen
vorstoßenden Tröge mit Prognoserelevanz für Deutschland. Die durch die Tröge
forcierten Tiefentwicklungen fallen von Lauf zu Lauf stark verschieden aus. So
rechnete IFS00 von gestern beispielsweise für den Sonntag einen Schnelläufer
direkt über Deutschland, was in den darauffolgenden Läufen verworfen wurde.
Dafür simuliert IFS00 von heute Morgen für den Donnerstag der kommenden Woche
ein veritables Sturm-/Orkantief über dem Norden des Landes, was in der Form in
den beiden vorangegangenen Berechnungen keine Entsprechung findet.
Der genaue Ablauf der Niederschlags-, Wind- und Temperaturentwicklung ist also
unsicher, wenngleich der grobe Charakter "nass, windig bis stürmisch und eher
mild" natürlich recht sicher und im obigen Text beschrieben ist.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Ähnlich wie schon innerhalb der IFS-Modellwelt schaukeln sich auch zwischen den
großen Globalmodellen die Unschärfen in Timing und Ausprägung des
Trog-Rücken-Musters schon zu Beginn der Mittelfrist rasch so weit auf, dass sich
darauf eine Prognoserelevanz für das Wetter in Deutschland ableiten lassen.

Markant sind die Unterschiede bereits am Sonntag: Während GFS und IFS von der
Sturmtiefentwicklung über Deutschland nichts (mehr) wissen wollen, soll nach
ICON-Lesart der Nordwesten von einem veritablen Sturmfeld eines Tiefs mit Kern
über der mittleren Nordsee erfasst werden (mindestens Bft 9-10, exponiert an der
See Bft 11!). Im Verlauf bzw. am Montag haben dann sowohl ICON als auch GFS im
Gegensatz zu IFS einen Randtrog mit entsprechender Sturmgefahr im Programm.

Zur Wochenmitte weicht ICON signifikant von den IFS- und GFS-Simulationen ab,
indem es über dem Nordostatlantik vorübergehend einen blockierenden Rücken mit
korrespondierendem Hoch über Nordskandinavien berechnet, an dessen Rand
Deutschland in den Zustrom deutlich kälterer Polar-/Arktikluft gelangen würde.
Bei T850 von teils unter -10 Grad kann man schon mal von "Winterwetter"
sprechen. Diese Variante scheint nach Durchsicht weiterer Globalmodelle eher
eine Extremlösung darzustellen, wenngleich UKMO und auch GEM zumindest
ansatzweise ähnliche Entwicklungen (mit aber weniger starker KLA über
Deutschland) auf der Agenda haben.

Danach, insbesondere in Richtung erweiterter Mittelfrist, sind aber alle
betrachteten Modelle - unter gebührender Berücksichtigung der großen
Unsicherheiten im genauen Ablauf - auf dem Trichter, dass die zyklonale Westlage
(mit hoher Sturmgefahr!) ihre Fortsetzung findet.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das IFS-EPS bestätigt im Großen und Ganzen das Szenario des deterministischen
Laufes.
Die Rauchfahnen von T850 und H500 verlaufen am Samstag und Sonntag noch
einigermaßen gebündelt. Ab Montag weiten sich die Rauchfahnen dann aber auf
(zunehmende Unsicherheit!). T850 verläuft nach dem "Absturz" am Samstag/Sonntag
(Kaltfrontdurchgang) von Montag bis Mittwoch im Median im Norden wenig
schwankend zwischen -5 und 0 Grad (meist subpolare Meeresluft wetterbestimmend),
im Süden etwas stärker schwankend zwischen -5 und +5 Grad (eher mal einen
Einschub von Warmluft möglich). Auffällig sind die wenigen, an einer Hand
abzählbaren, stark abstürzenden Member in der erweiterten Mittelfrist ab
Donnerstag in der Nordhälfte (< -10 Grad). H500 führt nach dem Absturz am
Samstag und einem Minimum am Sonntag (recht markanter Trog) im weiteren Verlauf
dann ein recht munteres Auf und Ab (zyklonale Westlage) mit einem sekündären
Maximum am Dienstag (kurzer Zwischenhocheinfluss).
Die Niederschlagssignale sind - typisch für die zyklonale Situation - quasi
omnipräsent. Allerdings fällt durchaus auf, dass sie nach Osten zu schwächer
ausfallen (Tendenz zu Winkelwest mit Blocking über Osteuropa).
Die Maxima der 2-m-Temperaturen halten sich auch unter Einfluss der subpolaren
Meeresluft meist in der Range zwischen +5 und +10 Grad auf, die Minima meist nur
in den unteren Perzentilen (<40%) im leichten Frostbereich (öfter frostfrei,
leichter Nachtfrost meist nur in höheren Lagen bzw. gebietsweise bei längerem
Aufklaren).

Für +72-96 h (Sa-So) werden 6 Cluster angeboten, alle der Klasse "Positive NAO"
und mit - großräumig betrachtet - nur geringfügigen Unterschieden in der
Geopotenzialverteilung.
Für +120-168 h (Mo-Mi) schrumpft das EPS auf 3 Cluster, die sich allerdings
durchaus signifikant unterscheiden und die Unsicherheiten in Richtung
erweiterter Mittelfrist unterstreichen. C1 (21/51 Member) geht über in die
Klasse "Negative NAO", da sich über dem Nordmeer ein Rücken aufwölbt. Am Rande
des korrespondierenden Hochs stünde zumindest vorübergehend der Weg frei für
deutliche kältere Luftmassen. Dies ist in gewisser Hinsicht vergleichbar mit der
ICON-Variante, allerdings zeigt sich in den Rauchfahnen von T850, dass die
stärkste KLA wohl nur mit geringer Wahrscheinlichkeit bis nach Deutschland
reicht. C2 (18/51 Member inkl. HL und CL) bleibt durch den raschen, neuerlichen
Vorstoß der Frontalzone Richtung Mitteleuropa bei "Positive NAO" (zyklonale
Westlage). C3 (12/51) geht über in ein Blocking-Regime. Das verantwortliche
Blocking befindet sich über Fennoskandien. Da die Frontalzone aber bis ins
südliche Mitteleuropa und nach Südeuropa durchrutscht, ist die Großwetterlage
als südliche Westlage zu klassifizieren (nicht kalt, aber immerhin durch
Aufgleitprozessen mit Schneeoptionen).
Für +192-240 h hat das IFS-EPS 4 Cluster im Angebot, dabei 3-mal "Negative NAO"
mit recht weit südlich verlaufender Frontalzone und zyklonalem Wettergeschehen
über Mitteleuropa (zunehmende Wahrscheinlichkeit einer südlichen West- bzw.
Troglage). Der übrig gebliebene Cluster (11/51) zeigt eine reinrassige Westlage
("Positive NAO").
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


STURM:
Am Samstag und Sonntag springt der EFI vor allem in der West-/Nordwesthälfte an
(0.6-0.8), extreme Lösungen sind aber kaum vorhanden (SOT meist <0). Am Samstag
sind die Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 8 in der Westhälfte, am Sonntag in
der Nordwesthälfte und inbesondere an der Nordsee in allen probabilistischen
Verfahren hoch. Für die Regionen etwa westlich des Rheins sind am Samstag sowohl
im ICON-EU-EPS als auch im IFS-EPS die Wahrscheinlichkeiten für stärkere Böen
Bft 9-10 erhöht (Böen durch Umlagerungen an der Kaltfront). Am Sonntag liefert
(nur) das ICON-EU-EPS nennenswerte Signale für stärkere Böen Bft 9-10, teils
sogar Bft 11 an der Nordsee. Montag und Dienstag nehmen die Wahrscheinlichkeiten
für Böen ab Bft 8 in allen Verfahren rasch ab.

SCHNEE:
COSMO-LEPS hat in der Nacht zum Sonntag geringe Wahrscheinlichkeiten für
markante Neuschneemengen (>10 cm/12 h) für das Oberallgäu im Programm.

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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, IFS-MIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser