DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-02-2020 17:01
SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 17.02.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Sehr windig mit steifen und stürmischen Böen bis ins Flachland, an der Küsten
Sturm, auf exponierten Bergen Böen bis Orkanstärke. Vereinzelt Gewitter, in
Hochlagen Schnee und Glätte durch Überfrieren.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... liegt Deutschland in einer großflächig lebhaften Strömung auf der
Süd- bzw. Südostflanke eines hoch reichenden Tiefdruckkomplexes über dem
Nordmeer und Nordskandinavien. Das innerhalb dieses Tiefkomplexes im
Bodendruckfeld bisher dominierende Tief VICTORIA schwächt sich dabei weiter ab.
Es liegt aktuell vor der Mittelnorwegischen Küste und verlagert sich zögerlich
weiter nach Norden. Somit übernimmt die Rolle des steuernden Zentraltiefs ab der
zweiten Nachthälfte ein Tiefkern, der sich über der Barentssee befindet. Im
Geopotentialfeld schwenkt in der Nacht von Westen ein Trog heran, dessen Achse
bis zum Morgen Deutschland schon weitestgehend überquert haben dürfte. Im
Bereich des Troges sinkt über Norddeutschland die 500-hPa-Temperatur auf unter
-33 Grad, was mit einer entsprechenden Labilisierung einhergeht und einzelne
kurze Gewitter zur Folge haben kann. Das Frontensystem des Tiefkomplexes hat
Deutschland inzwischen weitestgehend überquert, die Frontalzone ist aktuell nur
noch über dem Südosten aktiv, wo die Front in ihrer Verlagerung durch eine an
ihr ablaufende Welle gehemmt wurde. Im Laufe der Nacht soll die Front aber auch
aus dem Südosten herausgedrückt werden. Dies ist auch einer weiteren
Zonalisierung der Bodenströmung geschuldet, mit der die frontsenkrechte
Windkomponente kräftiger wird. Da es im Bereich der Welle zu flächigeren und
teils auch kräftigeren Niederschlägen kommt, gilt für den Schwarzwald bis in die
erste Nachthälfte hinein eine Dauerregenwarnung. Die postfrontal eingeströmte
Meeresluft polaren bzw. subpolaren Ursprungs ist mit Temperaturen im
850-hPa-Niveau zwischen -3 und -6 Grad deutlich kühler als die präfrontal
wetterwirksame Luftmasse. Damit sinkt auch die Schneefallgrenze, sie soll zum
Morgen an den Alpen bei 800 bis 1000m, in der Mitte bei etwa 400 bis 600m
liegen. Somit kann es in höheren Lagen durch Schauer, an den Alpen auch durch
länger andauernden Niederschlag, einige wenige cm Neuschnee geben, wobei
warntaktisch dabei wegen der geringen Mengen verbreitet auf Glättewarnungen
gesetzt werden wird. Lediglich an den Alpen simulieren ICON oder EURO4, aber
auch GFS bis zum Morgen um 5cm, in Staulagen lokal auch bis 10cm Neuschnee, im
Allgäu eventuell auch etwas mehr. Frost gibt es nur in höheren Lagen der
Mittelgebirge und der Alpen, der Wind lässt nach, er ist aber weiterhin mäßig
bis frisch, in Mittelgebirgslagen gibt es steifen Böen Bft 7, höheren Lagen und
an den Küsten stürmischen Böen und Sturmböen Bft 8-9- Exponiert ist noch etwas
mehr drin, auf dem z.B. Brocken Böen Bft 11-12.

Dienstag ... zieht der Geopotentialtrog nach Osten ab, zwischen ihm und einem
weiteren Trog, der sich auf dem Atlantik ausbildet und dessen Achse am Abend
über der Irischen See liegen soll, glättet die dann west-südwestliche
Höhenströmung durch. Im Bodendruckfeld schiebt sich in den Süden der schwache
Keil eines Azorenhochs, während im Norden tiefer Luftdruck über Nordeuropa und
dem Nordatlantik wetterbestimmend bleibt. Dabei ist die Isobarenkrümmung eher
antizyklonal. In dieser Konfiguration ist vom Norden bis in die Mitte der
Gradient weiterhin recht kräftig ausgeprägt, und in diesen Gebieten ist die
Schichtung auch labiler, so dass steife Böen laut ICON und ICON-EU bis in den
Kraichgau und nach Franken zu erwarten sein sollten; laut IFS sollen die Böen
noch etwas weiter nach Süden bis ins Alpenvorland ausgreifen, während COSMO-D2
bezüglich der Böen eine defensivere Einschätzung an den Tag legt. Im
Mittelgebirgsraum und in der Norddeutschen Tiefebene werden von ICON und seinen
Derivaten sowie von IFS steife bis stürmische Böen simuliert, während COSMO-D2
durchweg bei steifen Böen bleibt. Einzelne Sturmböen können laut CosmoLEPS bis
in den Raum Hamburg, Bremen und zur Mecklenburger Seenplatte nicht
ausgeschlossen werden, eine Einschätzung, die beispielsweise auch EZMW-EPS
teils. Dies ist insofern bemerkenswert, als dieses Modell im deterministischen
Bereich bezüglich der Böen deutlich aggressiver ist als die angesprochenen
Mitbewerber. Die glatte Höhen- und die antizyklonale Bodenströmung stellen kein
sonderlich hebungsaffines Umfeld dar. In der Folge ist es verbreitet trocken,
nur hier und da ziehen ein paar meist schwache Schauer, eventuell mit Graupel,
durch. Da im Küstenumfeld die 500-hPa-Temperaturen weiterhin unter -33 Grad
liegen, erscheint dort auch ein kurzes Gewitter nicht ausgeschlossen. Die 850er
Temperaturen ändern sich gegenüber der Nacht nicht wesentlich, was über den Tag
hinweg für eine Schneefallgrenze von etwa 400 bis 700m sorgt (an den Alpen light
sie noch etwas höher). Somit sind bis in mittleren Lagen Schnee oder zumindest
Schneeregen mit entsprechender Glätte nicht ausgeschlossen.

In der Nacht zum Mittwoch greift der neue Höhentrog, von den Britischen Inseln
kommend, auf den Vorhersagebereich über. Zum Morgen soll seine Achse etwa von
der Emsmündung bis zum Oberrhein verlaufen, dabei sinken die Temperaturen in 500
hPa im äußersten Westen auf unter -32 Grad, womit erneut einzelne Gewitter
möglich erscheinen. Prätrogal (vor dem Trog, zu verwenden wie präfrontal;
entsprechend posttrogal: hinter dem Trog) lässt der Wind zunächst nach, bevor er
im Bereich eines dem Höhentrog vorlaufenden Bodentroges erneut auflebt, in den
eine Okklusion eingelagert ist. Dieses nächtliche relative Windmaximum kann mit
den höchsten Böen des Tages zwar nicht mithalten, es sollte aber für steife und
einzelne stürmische Böen reichen, zuerst im Westen, später auch in der Mitte.
Die Okklusion sorgt für Niederschläge, die bis zum Morgen etwa auf eine Linie
Schwarzwald - Vorpommern ausgreifen. Im Theta-Feld macht sich die Okklusion
lehrbuchmäßig als warme Schliere bemerkbar, und auch in der 850er Temperatur
zeigt sich ein vorübergehender Anstieg auf -2 bis -4 Grad, der aber von
Nordwesten rasch wieder zugeschüttet wird. Letztendlich kann die
Schneefallgrenze nicht merklich ansteigen, so dass weiterhin oberhalb von etwa
500 bis 800m mit Schnee oder zumindest Schneeregen zu rechnen ist. Zumindest im
Schwarzwald und im Harz können die Neuschneemengen laut ICON-EU dann mit bis zu
10 cm auch mal üppiger ausfallen, sonst bleibt es meist bei Mengen um 2 cm.
Während ICON bezüglich der Neuschneemengen etwas vorsichtiger agiert, deutet
EURO4 im Schwarzwald sogar deutlich mehr als 10 cm Neuschnee an. Im übrigen
Mittelgebirgsbereich liegen ICON, ICON-EU und EURO4 weitgehend auf einer Linie.
Im Südosten, wo es windschwach und zum Teil klar ist, aber auch in höheren
Mittelgebirgslagen, ist geringer Nachtfrost möglich.

Mittwoch ... überquert der oben angesprochene Trog Deutschland ostwärts, bis zum
Abend erreicht seine Achse den Westen Polens. Auch die Okklusion wird nach Osten
geführt, sie liegt um 18 UTC über dem Baltikum und Ostpolen. Hinter dem Trog
folgt ein Höhenkeil, dessen Achse schon am Abend über Westeuropa liegt. In der
Folge steigt bei uns der Druck und zu den Alpen sowie nach Süddeutschland
schiebt sich von Westen her der Keil des Azorenhochs. Im Osten und Süden kommt
es im Tagesverlauf im Bereich der Okklusion verbreitet zu schauerartigen
Niederschlägen, die bei 850er Temperaturen, die durchweg um -5 Grad liegen,
oberhalb von 300 bis 600m als Schnee fallen. Nur an den Alpen liegt die
Schneefallgrenze anfangs mit etwa 800m noch deutlich höher. Größere
Niederschlagsmengen sind durch die Schauer meist nicht zu erwarten. In der
Fläche fallen in 12 Stunden meist 1 bis 5 l/qm. In Ostbayern und an den Alpen,
wo sich durch den Keil eine schwache Stausituation ausbildet, 5 bis 10 l/qm,
lokal auch etwas mehr. Die niederschlagsintensive Sicht teilen dabei vor allem
ICON und GFS. Entsprechende Neuschneemengen würden zumeist gelbe
Schneefallwarnungen erfordern, an den Alpen sowie im Bayerischen Wald könnte es
mit Neuschneemengen um 10 cm, lokal auch darüber, für eine markante Warnung
reichen. Der Wind bleibt warnwürdig, er frischt im Tagesverlauf auf und dann
kann es gebietsweise selbst im Flachland steife Böen (Bft 7) aus West geben.
Hoch Wahrscheinlichkeiten zeigt CosmoLEPS diesbezüglich in der Norddeutschen
Tiefebene sowie südlich der Donau, wo die Okklusion des Vortags noch schleift
und sich zwischen Ihr und dem Alpenkamm der Leitplankeneffekt bemerkbar macht.
In Gipfellagen sowie bei auflandigem Wind über der Nordsee sind auch stürmische
Böen möglich. Der Wind schwächt sich in der zweiten Tageshälfte langsam ab.

In der Nacht zum Donnerstag wandert ein neuer Tiefdruckkomplex in das Seegebiet
zwischen Schottland und Island. Seine Warmfront erreicht den Westen und in der
2. Nachthälfte auch das mittlere Deutschland mit meist leichtem Regen. In den
Mittelgebirgen ist oberhalb von 500 m anfangs etwas Schnee dabei, die
Schneefallgrenze steigt mit Übergreifen der Warmfront im Westen aber rasch auf
über 1000m an. Im Frontbereich und vor allem postfrontal nimmt der Wind im
Nordwesten wieder zu und an der Nordsee sowie in Hochlagen der Mittelgebirge
sind dann steife Böen Bft 7 wahrscheinlich, stürmische Böen Bft 8 möglich. Auf
dem Brocken ist auch die volle Sturmstärke (Bft 9) dabei. Im Südosten bei
ruhigem Wetter unter hohem Luftdruck, aber auch in den Mittelgebirgen ist
leichter Frost zu erwarten.

Donnerstag ... wird Mitteleuropa, Eingebettet in die vorübergehend etwas stärker
mäandrierende Frontalzone, rasch von einem recht markanten Höhenkeil überquert,
dessen Achse sich bereits am Freitag, 00 UTC von Norditalien über den Osten
Österreichs nordnordostwärts bis zum Baltikum bzw. Nordwestrussland erstreckt.
Dem Keil folgt ein mit recht großer Amplitude ausgestatteter Kurzwellentrog, der
abends auf die Nordsee und Kontinentaleuropa übergreift. Das mit diesem Trog
korrespondierende Frontensystem eines Sturm- bzw. Orkantiefs knapp südöstlich
von Island überquert die Britischen Inseln bzw. die Nordsee rasch ostwärts. Die
Kaltfront erreicht abends bereits Nordwestdeutschland mit Sturmböen auch im
Binnenland bzw. in tiefen Lagen, schauerartigen Regenfällen und eventuell auch
einzelnen Gewittern. Ihr folgt in der Nacht zum Freitag ein Schwall maritimer
Polarluft (um -5 Grad in 850 hPa), so dass es im Bergland (ab etwa 400 bis 600
m) auch für einzelne Schneeschauer reicht.



Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Die unterschiedlichen Modelle simulieren die Abläufe der kommenden Tage recht
ordentlich. Auffällig ist, dass für den morgigen Dienstag bezüglich des Windes
bei den deterministischen Modellen CSOMO-D2 am vorsichtigsten ist, während ICON
und ICON-EU einen Mittelweg gehen und IFS am aggressivsten auftritt. Ansonsten
herrscht, bis hin zum Mittwoch mit dem hereinziehenden Trog, Einigkeit.
Natürlich stellen sich die Niederschlagmuster im Detail unterschiedlich dar, die
geht aber über die übliche Streuung der Modelle nicht hinaus.

Summa summarum haben die Modellunterschiede keinen Einfluss auf die
Warnstrategie.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas