DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-01-2020 09:01
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 29.01.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal)

Heute noch mal subpolare Meeresluft mit winterlichem Touch. Ab morgen wieder
Übergang in Vor-Vorfrühling.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... verbleibt Deutschland auf der kalten Seite der Frontalzone, die
weiterhin vom Ostatlantik über den westlichen Alpenraum bis hinüber zum Balkan
gerichtet ist. Daraus resultiert bei uns eine west-nordwestliche Höhenströmung,
mit der heute zunächst noch ein flacher KW-Trog durchgewunken wird, bevor ab dem
Nachmittag von Westen her kräftige mitteltroposphärische WLA übergreift. Sie
überläuft einen flachen Rücken, der sich vom nahen Ostatlantik langsam aber
sicher dem Kontinent nähert. Der Blick auf die korrespondierende
Bodendruckverteilung zeigt - vereinfacht - mehrere Tiefs über Nord- und
Nordwesteuropa bzw. westlich UK/Irlands, denen hoher Luftdruck in Spanien und
Nordwestafrika gegenübersteht. Zwischen diesen Gebilden wird eine flotte
westliche Grundströmung generiert, mit der heute nach mal labil geschichtete
Meereskaltluft subpolaren Ursprungs in den Vorhersageraum gesteuert wird, die
für einen wechselhaften und zumindest im Bergland winterlich anmutenden Mittwoch
verantwortlich zeichnet.
So entwickeln sich auch heute verbreitet Schauer, die teils als Schnee oder
Graupel, teils als Regen fallen. Die Schneefallgrenze pendelt sich tagsüber bei
rund 400 m ein, die Schneegrenze (also die Höhenlagen, wo auch was liegenbleibt)
steigt auf etwa 600 m. Dort kommen über den Tag akkumuliert etwa 1 bis 3, in den
südlichen Mittelgebirgen lokal um 5 cm Neuschnee zusammen. Der meiste Schnee
fällt mit orografischer Unterstützung an und in den Alpen, wo incl. der
kommenden Nacht noch mal bis zu 10 cm, in Staulagen 15 cm, in den Allgäuer Alpen
sogar bis zu 25 cm erwartet werden können. Kurze Gewitter stehen heute ebenfalls
auf der Tagesordnung, und zwar schwerpunktmäßig im Norden, begleitet von Graupel
und stürmischen Böen 7 Bft. Da kurze, unorganisierte Kaltluftgewitter die
größten "Verarscher" der synoptischen Meteorologie sind, würde es den Verfasser
nicht wundern, wenn es auch in der Mitte und im Süden irgendwo mal blitzt und
donnert. Mit der von Westen einsetzenden WLA - die 500-hPa-Temperatur steigt im
Westen auf über -30°C - beginnt die Schichtung zu stabilisieren, so dass die
Schaueraktivität ganz allmählich gedämpft wird.
Neben dem Niederschlag bleibt der Wind ein Thema, auch wenn es nicht mehr so
heftig zur Sache geht wie das gestern noch der Fall war. Gebietsweise wird die
7er-Schwelle gerissen, in Schauernähe sowie grundsätzlich an der Nordsee kann es
auch für stürmische Böe 8 Bft reichen. Dass es in exponierten Kamm-, Kuppen- und
Gipfellagen des Berglands in noch höhere Sphären geht, bedarf eigentlich keiner
näheren Erläuterung (9 bis 11 Bft). In den Höhenlagen des süddeutschen Berglands
besteht streckenweise Gefahr von Schneeverwehungen.
Wer es gerne sonnig hat, ist heute in Deutschland falsch, mehr als ein paar
Aufhellungen oder sporadische Auflockerungen sind nicht drin. Dabei erreicht die
Temperatur Höchstwerte von 3 bis 8°C, oberhalb 700/800 m herrscht leichter
Dauerfrost.

In der Nacht zum Donnerstag nähert sich von Westen her der o.e. flache Rücken,
der aber nach wie vor von kräftiger WLA überlaufen wird. Sie sorgt einerseits
für eine weitere Beruhigung der anfangs noch leidlich funktionierenden
Schaueraktivität. Zwar fallen vor allem im Süden und bedingt auch im zentralen
Mittelgebirgsraum noch ein paar Schneeschauer, viel Neuschnee kommt aber mit
Ausnahme der Alpen (1 bis 5 cm, Allgäu etwas mehr) nicht mehr zusammen.
Andererseits setzt von der Nordsee her skaliger Regen ein, der sich bis zum
Morgen rasch ost-südostwärts bis zur Oder und Neiße ausbreitet und gebietsweise
5 bis 10 mm innert 12 h in die Töpfe bringt. Auf der "kalten" Seite des
Niederschlags fällt in den frühen Morgenstunden im Osten anfangs Schnee (etwa
zwischen Sachsen und MV), was im Berufsverkehr durchaus kleine Probleme durch
Schneematsch bringen kann. Im Harz und im Erzgebirge reicht es für 1 bis 5 cm
Neuschnee. Das Niederschlagsgebiet ist übrigens nicht nur das Resultat besagter
WLA, es wird zudem von der Warmfrontwelle eines Tiefs west-nordwestlich
Schottlands (MAREILE) mitinitiiert, die die Norddeutsche Tiefebene ansteuert.
Während der Wind im Süden mit Ausnahme der Hochlagen weitgehend zur Ruhe kommt,
trifft das für den Norden und bedingt auch für die Mitte mitnichten zu. Nach
einer abendlichen Pause frischt der auf Südwest rückdrehende Wind wieder auf mit
Spitzen 7 Bft, an der Nordsee 8 Bft, im höheren Bergland je nach Ausrichtung 8
bis 11 Bft (Letzteres wohl nur auf dem Blocksberg). Im Bergland gibt es leichten
Frost, so dass oberhalb 400 bis 600 m - sofern keine Schneefallwarnung läuft -
eine Glättewarnung vor geringem Schneefall respektive gefrierender Nässe
geschaltet werden sollte.

Donnerstag... wandert der flache Höhenrücken unter andauernder WLA über den
Vorhersageraum hinweg ost-südostwärts. Gleichzeitig wölbt sich über dem nahen
Ostatlantik ein weiterer, etwas potenterer Rücken auf, von dem noch die Rede
sein wird. Getrennt werden die entzückenden Rücken von einem flachen KW-Trog,
der zur Mittagszeit Schottland passiert und dabei die gute MAREILE antreibt. Die
mausert sich zu einem kleinen aber soliden Sturmtief mit Kerndruck zwischen 975
und 970 hPa, das via Färöers die Norwegische See ansteuert. Das Tief darf zwei
Frontensysteme sein eigen nennen: zum einen die Reste der o.e. Warmfrontwelle in
Form einer "normalen" Warmfront, die sich über Nordostdeutschland zunehmend
höhenströmungsparallel ausrichtet und dort deswegen noch länger andauernden
Regen induziert, welcher nur langsam gen Ostsee und Nordpolen weicht. Zum
anderen ein okkludierendes System mit Warm- und Kaltfront, das ursprünglich zu
einer Welle west-südwestlich Irlands gehörte (siehe heutige Analysen), bis
morgen aber den Anschluss an das steuernde Tief MAREILE anpeilt. Morgen Mittag
jedenfalls liegen die Fronten über UK/Irland, Tendenz ostwärts ziehend. Vor der
Warmfront wird Regen generiert, der am späten Nachmittag/frühen Abend von
Frankreich und Benelux her den Westen und Südwesten unseres Landes erreicht.
Zwischen den beiden Regengebieten stellt sich morgen leichter
Zwischenhocheinfluss ein, der sich im Druckfeld durch eine kleine Aufwölbung
zwischen den genannten Warmfronten widerspiegelt. Es sorgt für einen breiten,
von Nordwesten bis zu den Alpen exponierten Streifen, in dem es den ganzen Tag
trocken bleibt und vor allem zwischen Alpen und Schwaben öfters mal die Sonne
zum Zuge kommt. Mit der niedertroposphärisch südwestlichen Strömung wird
permanent mildere Meeresluft aus dem Raum Biscaya advehiert, die die
850-hPa-Temperatur bis zum Abend auf 0°C an Oder und Neiße und bis zu +6°C in
der Kölner Bucht steigen lässt. Dass das nicht ohne Wirkung auf die
2m-Temperatur bleibt, ist evident. Mit Ausnahme des höheren Berglands geht es
hoch auf 6 bis 12°C mit den höchsten Werten im Süden und Westen.
Der Südwestwind weht vor allem in der Mitte und im Norden zunächst noch relativ
flott mit Böen 7 Bft, Nordsee und höhere Lagen 8 Bft, exponierte Hochlagen
darüber, zeigt zum Nachmittag hin dann aber abnehmende Tendenz.

In der Nacht zum Freitag greift das zweite Frontensystem des zur Norwegischen
See ziehenden Tiefs MAREILE auf Deutschland über. Dabei deutet sich am
Okklusionspunkt etwa über dem Skagerrak (00 UTC) die Bildung eines Teiltiefs an.
Der zugehörige Niederschlag breitet sich rasch ostwärts aus, wobei die
Schneefallgrenze aufgrund andauernder WLA rasant ansteigt auf deutlich über 1000
m und damit über die Kammlagen der Mittelgebirge hinweg. Zwar divergieren die
Prognosen derzeit noch, aber der meiste Regen wird wohl staubedingt im
Schwarzwald und im Allgäu fallen, so dass man sich dort - leider - Gedanken über
mögliches Tauwetter machen muss. ICON simuliert im Südschwarzwald bis 30 mm/12
h, im Allgäu bis zu 20 mm/12 h. Bei SNOW4 wird zum Freitag hin ein erhöhtes
Niederschlagsdargebot simuliert, dass aber nur kurze Zeit und auch nur
kleinräumig in den genannten Gebirgen greift. Allerdings scheinen die in SNOW4
modellierten Schneehöhen deutlich zu hoch zu sein, was sich natürlich auch auf
das Dargebot niederschlägt. Von daher sollte der Ball "Tauwetter" zunächst noch
sehr flach gehalten werden.
Der Südwest- bis Westwind legt allgemein von Westen her wieder zu, was den
Niederungen steife Böen 7 Bft, der Nordsee einige stürmische Böen 8 Bft und dem
höheren Bergland je nach Exposition die gesamte Palette von 9 bis 12 Bft.


Freitag... nimmt das Frühlingserwachen im Januar - wir reden über den letzten
Tag des Monats - weitere Konturen an und das kurze Winterintermezzo der Vortage
ist schon wieder Geschichte. Dabei schiebt sich der breite, aber nicht besonders
stark amplifizierte Rücken bis nach Mitteleuropa vor, wo er das nächste
Zwischenhoch am Boden stützt. Es wölbt sich über Deutschland ebenfalls nur
relativ flach auf, so dass ein leidlicher Gradient erhalten bleibt, der einen
mäßigen bis frischen Südwestwind generiert (Böen 7 bis 8 Bft, Berge darüber).
Erst im Laufe des Nachmittags und Abends ist mit Ausnahme der Nordsee und
höherer Lagen eine Windabnahme erkennbar.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass es bis auf den Alpenrand und das
südliche Vorland sowie Teilen Südbadens stark bewölkt bis bedeckt bleibt. Zwar
lässt der Regen aus der Nacht alsbald nach bzw. zieht nach Osten ab, die
Wolkendecke zeigt aber nur wenig Neigung, ein paar Sonnenlücken auf die Platte
zu bringen. Im Norden schon mal gar nicht, zieht dort doch die nächste, von der
Nordsee kommende Warmfront durch, die am Nachmittag und Abend etwas Regen bringt
(laut ICON greift dieser bis zum nördlichen Mittelgebirgsrand aus, während IFS
und GFS nur die Küste sowie das küstennahe Binnenland im Visier haben). Die
Warmfront ist Bestandteil eines Frontensystems, dessen Tief (NAIMA) einen
ähnlichen Kurs wie Vorgängerin MAREILE einschlägt.
So oder so, es wird mild bis sehr mild in Deutschland. Subtropisch anmutende
Luftmassen südwesteuropäischen Ursprungs (T850 3 bis 6°C) lassen die Temperatur
auf Werte um 9°C zwischen Nordfriesland und Oderhaff und bis zu 16°C!! im
südlichen Oberrheingraben steigen.

Kurz noch die Nacht zum Samstag, in der es mit Annäherung der schleifenden
Kaltfront im Norden und Westen sowie in Teilen der Mitte regnet. Gebietsweise
fallen 5 bis 10 mm, laut ICON im Nordwesten sogar noch etwas mehr. Vor allem im
Bergland bleibt es windig, teils stürmisch. Herausragend aber die
Temperaturminima, die vielerorts im zweistelligen Bereich knapp über 10°C
verharren - wie in einer kühlen Sommernacht.

Modellvergleich und -einschätzung
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In den Basisfeldern simulieren die gängigen Modelle nahezu gleich. Kleinere
Abweichungen betreffen vor allem den Niederschlag (siehe Text), sind in der
Regel aber nicht warnrelevant.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann