DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-01-2020 17:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 26.01.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Übergang zu Wz/SWz (West bis Südwest zyklonal) mit Wind und Sturm am Dienstag.
Zumindest im Bergland vorübergehend mal winterlich.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... läuft gerade die Abschiedszeremonie für das Hochdruckgebiet EKART,
das uns für einige Tage begleitet hat und - seien wir ehrlich - nichts als
langweiliges Sch...wetter (oder nennen wir es Nullwetter) mit Nebel, Hochnebel,
schlechter Luft, Glätte etc. beschert hat. Okay, manche Regionen sind mal mehr,
mal weniger mit Sonnenschein beschenkt worden, was ja nicht so schlecht ist
(jedenfalls um Längen besser als das nun schon seit Tagen andauernde Dauergrau
im Rhein-Main-Gebiet). Trotzdem, der Verfasser weint dem guten EKART keine Träne
nach, auch wenn er den Vorhersagemeteorologen summa summarum ruhige Dienste
beschert hat. Nun sorgt anhaltender Druckfall für eine Verlagerung des Hochs
nach Osten bzw. Südosten, was uns mehr und mehr in den Wirkungsradius des
mehrkernigen Zentraltiefs KIM unweit von Island bringt.
Des Weiteren gelangt Deutschland in der Nacht zum Montag mehr und mehr auf die
diffluente Vorderseite der Frontalzone, deren eingelagerter Jetstreak bis zum
Morgen den Westeingang des Ärmelkanals bzw. die westliche Bretagne erreicht.
Zunächst wandert bei uns aber noch ein flaches Trog-Keil-Muster ostwärts durch,
bevor die Kaltfront des Zentraltiefs Kontinentaleuropa erreicht. Die zugehörigen
frontalen Regenfälle greifen nach Mitternacht auf die westlichen Landesteile
über, wo bis zum Morgen ein paar wenige Millimeter zusammenkommen. Abgesetzt von
dem Niederschlagsgebiet deuten die Modelle im Süden und in der Mitte etwas Regen
oder Nieselregen an, der stellenweise auf gefrorenen Boden trifft mit der Gefahr
von Glatteis.
Darüber hinaus sei noch erwähnt, dass es vor allem im Südosten und Osten,
punktuell auch noch mal im zentralen Mittelgebirgsraum leichten Frost gibt.
Zudem macht der südliche Wind im Zuge präfrontaler Gradientverschärfung weitere
Fortschritte, die im Westen und Nordwesten etwas stärker ausfallen als im
Südosten. Für exponierte Hochlagen der westdeutschen und zentralen Mittelgebirge
sowie an und auf der Nordsee (Helgoland, Sylt, Halligen) bedeutet das in Böen
Stärke 7-8 Bft, im Hochschwarzwald und auf dem Brocken gegen Morgen vereinzelt
9-10 Bft. Einzelne 7er-Böen sind auch im Lee der westdeutschen Mittelgebirge
nicht ausgeschlossen.

Montag ... überquert die thermisch nur schwach ausgeprägte Kaltfront den
Nordwesten, während sie nach Süden hin deutlich zurückhängt. Grund dafür ist die
fortschreitende Austrogung über dem nahen Ostatlantik, die ein Aufsteilen der
vorderseitigen südwestlichen Höhenströmung und damit eine Abnahme der
frontsenkrechten Komponente zur Folge hat. Der frontale Regen greift im Norden
und in der Mitte unter Abschwächung ostwärts aus, wohingegen im Süden und
Südosten davon nichts ankommt. Allerdings besteht dort anfangs noch stellenweise
Glatteisgefahr durch die o.e. abgesetzten Niederschläge.
Postfrontal gelangt ein Schwall erwärmter Meereskaltluft in den Westen und
Nordwesten, in der die 850-hPa-Temperatur auf 0 bis -2°C, die 500-hPa-Temperatur
auf -26 bis -30°C zurückgeht. Das genügt, um am Nachmittag einzelne Schauer zu
generieren, insbesondere über und an der Nordsee. Im Südwesten kommen im
Tagesverlauf neue skalige Regenfälle an, die von einer sehr flachen Welle an der
zurückhängenden Kaltfront sowie der diffluenten südwestlichen Höhenströmung vor
dem Trog angetrieben werden. Außerdem lässt sich in der unteren Troposphäre ein
kurzwelliger Sekundärtrog ausmachen, der sicherlich auch seinen Beitrag leistet.

Bei Tageshöchstwerten von 6 bis 11°C (nur im Südosten halten sich noch ein paar
Kaltluftreste mit etwas niedrigeren Maxima) frischt der aus südlichen Richtungen
kommende Wind mitunter spürbar auf, auch wenn wir von einer Starkwindlage noch
weit entfernt sind. Hinter der Front deutet sich sogar ein vorübergehendes
Auffächern des Gradienten an. Den meisten Wind bekommen die Hochlagen ab, wo auf
exponierten Kämmen, Kuppen und Gipfeln Böen 8-9 Bft, vereinzelt (Brocken,
Hochschwarzwald) 10 Bft auf der Karte stehen. In tiefen Lagen hingegen dürfte
der Wind noch mit angezogener Handbremse agieren, auch wenn an der Nordsee sowie
im Lee einiger Mittelgebirge mal die eine oder andere steife Böe 7 Bft auftritt.


In der Nacht zum Dienstag erreicht der Höhentrog mit seiner Hauptachse UK und
Westfrankreich, wobei er sich deutlich verschärft (spitzere Amplitude). Das auf
der kalten Seite der Frontalzone liegende Zentraltief KIM weist zwei Kerne auf,
von denen der schwächere südwestlich Islands verbleibt, während sich der
stärkere westlich der Färöers positioniert. Wichtiger für uns ist aber die
offene Welle, die von Westen her via Südengland die Nordsee ansteuert. Auf ihrer
Vorderseite legt die auf Südwest drehende Grundströmung etwas zu, wobei erwärmte
Meereskaltluft subpolaren Ursprungs advehiert wird (T850 0°C oder knapp
darunter, nur im Süden und Südosten noch leichte Plusgrade). Damit breiten sich
schauerartige und teils gewittrige Regenfälle auf weite Teile des Landes aus,
die in Staulagen durchaus 10 bis 15, vereinzelt bis zu 20 mm innert 12 h
zusammenbringen können. Für den Südschwarzwald bieten ICON_Nest und EURO4 sogar
einen 30mm-Peak an. Im Süden und Osten kann es anfangs noch lokales Glatteis
geben, die Schneefallgrenze sinkt in den Mittelgebirgen (in den Alpen kommt noch
kein Niederschlag an) auf 1000 bis 700 m.
Der Süd- bis Südwestwind legt vor der nächsten, zur Welle gehörenden Kaltfront
besonders im Südwesten sowie im zentralen Mittelgebirgsraum (freie und höhere
Lagen) zu, wo vermehrt Böen 7-8 Bft auftreten. In den Höhenlagen bleibt es
stürmisch, wobei in exponierten Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen sogar schwere
Sturm- oder orkanartige Böen 10 bis 11 Bft immer wahrscheinlicher werden.
In den meisten Regionen bleibt es frostfrei, lediglich in und an den ost- und
südostdeutschen Mittelgebirgen sowie am Alpenrand gibt es noch mal leichte
Minusgrade.

Dienstag ... erreicht die neue Großwetterlage einen ersten Höhepunkt. Demnach
greift der zunehmend spitzer werdende Höhentrog mit leicht negativer Achse auf
Deutschland über. Dabei korrespondiert er mit der o.e. offenen Welle, die sich
zu einem kleinen Tief mit einem Kerndruck von rund 985 hPa entwickelt, das von
der Nordsee via Jütland in Richtung Südschweden zieht. Für eine vollwertige,
vielleicht sogar rapide Zyklogenese hin zu einem Schnellläufer, wie
mittelfristig ab und an mal simuliert, wird es nicht reichen. Der Höhentrog
greift zu weit nach Süden aus, was die Frontalzone respektive den Jet vom nahen
Ostatlantik zu den Alpen führt und damit den Abstand zwischen Welle und
entwicklungsgünstiger Höhenströmung zu groß werden lässt. Trotzdem, Potenzial
hat die Lage allemal.
So schwenkt die Kaltfront relativ zügig nach Osten durch, im Süden mit leicht
angezogener Handbremse bedingt durch eine Tiefbildung über Oberitalien.
Rückseitig gelangt ein Schwall hochreichender maritimer Polarluft in den
Vorhersageraum, in der T850 auf -2 bis -6°C, T500 auf -30 bis -35°C, im Süden
lokal sogar bis -37°C (jeweils 18 UTC) sinkt. Bei günstigen Scherungsbedingungen
(LLS teils über 20 m/s) kommt es teils linienhaft oder bandartig organisiert zu
kräftigen konvektiven Umlagerungen, die sich in zahlreichen Schauern und kurzen
Gewittern äußern. Dabei kann es bis ganz runter graupeln und die
Schneefallgrenze geht runter auf etwa 400 m, bei ganz intensiven Trümmern
vielleicht sogar noch etwas tiefer. In mittleren und höheren Lagen kann sich
eine dünne Schneedecke ausbilden, im Allgäu sind je nach Höhenlage bis
Mittwochfrüh sogar 10 bis 25 cm Neuschnee möglich.
Noch spannender als die Niederschlags- dürfte die Windentwicklung werden. Auf
der Südflanke des Tiefs kommt es mit Ausnahme Norddeutschlands nicht nur zu
einer markanten Stauchung des Gradienten, von Südwesten her bohrt sich zudem ein
Low-Level-Jet bis nach Süden bzw. in die mittleren Landesteile hinein, in dem
die 850-hPa-Wind bis zu 60 Kt, in 925 hPa bis knapp 50 Kt hochgehen. Mit Hilfe
des Impulstransportes - labil genug ist es postfrontal allemal, vor allem im
Süden und Westen - können besonders bei organisierter Konvektion deftige
Windspitzen erreicht werden. Konkret heißt das im Tiefland Böen bis zu
Windstärke 10 Bft, auf den Bergen bis 12 Bft. Auffallend sind die hohen
Helizitätswerte bei gleichzeitig niedrigem HKN in den mittleren Landesteilen,
was einem unweigerlich dumme Gedanken um das T-Wort in den Kopf steigen lässt.
Impuls hin, T-Wort her, auch unabhängig davon wird es im Süden und in der Mitte
windig mit Böen 8, vereinzelt 9 Bft, wobei der Wind vorübergehend von Südwest
auf West dreht. Im Norden beschränkt sich nennenswerter Wind zunächst nur auf
den Küstensaum, wo es für einige 7er-Böen reicht.
Die Höchstwerte liegen guter bis sehr guter Durchmischung - endlich wird die
gealterte, vielfach verdreckte Grundschichtluft ordentlich durchgequirlt bzw.
ausgetauscht - zwischen 3 und 10°C.

In der Nacht zum Mittwoch zieht der Höhentrog unter Konturverlust nach Osten ab.
Ihm folgt aber ein flacher KW-Trog, der die Niederschlagsaktivität am Leben
hält. Dabei kommt es zu weiteren, teils gewittrigen Schauern, die bis in tiefe
Lagen als Schnee und Graupel fallen. Im Süden deutet sich gar ein
Zusammenwachsen der Schauer zu einem mesoskaligen Schneefallgebiet an, in dem es
länger andauernd schneien kann. Wieviel Schnee dabei schlussendlich bilanziert
werden kann, ist derzeit noch schwer einzuschätzen. Im Schwarzwald sowie am
Alpenrand könnte es aber schon für 5-10 cm, lokal (Stau) vielleicht noch etwas
mehr Neuschnee reichen.
Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, dass die glatte westliche Grundströmung
weiterhin sehr flott unterwegs ist, der Höhepunkt der Windentwicklung aber
überschritten ist. So wird der am Abend vielerorts noch stürmische Wind
sukzessive schwächer, außer an der Küste, wo er nach einer abendlichen Pause
wieder etwas zulegt (7 Bft). Durchweg stürmisch bleibt es in den Hochlagen der
Mittelgebirge und der Alpen, wo je nach Exposition Böen 8-10 Bft auf dem
Programm stehen.

Mittwoch ... wird die Höhenkaltluft allmählich nach Osten abgedrängt. Von Westen
her steigt das Potenzial langsam an, was sich in Form eines flachen Höhenrückens
widerspiegelt. Bodennah bleibt der westliche Wind zwischen hohem Luftdruck über
Südwesteuropa und einer ganzen Armada von Tiefs über Nord- und Nordwesteuropa
prominent unterwegs mit Böen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft, in höheren Lagen je nach
Ausrichtung 9 bis 11 Bft.
In der weiterhin einfließenden erwärmten Meereskaltluft (T850 -3 bis -7°C)
entwickeln sich weitere Schnee-, Schneeregen- und Graupelschauer, Tendenz von
Westen her abnehmend. Auch an den Alpen werden die anfangs noch andauernden
Schneefälle weniger.


Modellvergleich und -einschätzung
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Insgesamt wird die geschilderte Entwicklung von allen gängigen Modellen
mitgetragen. Ein paar Unsicherheiten gibt es noch immer im Hinblick auf den
genauen Windverlauf am Dienstag. Es fällt auf, dass IFS und GFS für
Norddeutschland einen stärkeren Gradienten (=> mehr Wind) simulieren als ICON.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann