DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-12-2019 17:01
SXEU31 DWAV 221800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 22.12.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Unbeständig, windig und recht mild; auf den Bergen Sturm- und schwere Sturmböen.
In höher gelegenen Alpenstaulagen bis Dienstagfrüh teils markante Schneefälle.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... erstreckt sich die kräftige Frontalzone weit südlich vom mittleren
Nordatlantik über die Iberische Halbinsel bis in den Mittelmeerraum. An deren
Nordflanke reicht ein Trog mit Drehzentrum nordwestlich von Schottland über die
Nordsee bis ins Vorhersagegebiet. Im Laufe der Nacht kommt die Achse des Troges
allmählich nordnordostwärts voran und befindet sich morgens über dem nördlichen
Mitteleuropa. Dahinter stellt sich vor allem über Südwest- und Süddeutschland
eine leicht diffluent konturierte westnordwestliche Höhenströmung ein, mit der
ein weiterer flacher Kurzwellentrog gegen Morgen in den Westen des
Vorhersagegebietes geführt wird, insgesamt gehen davon allerdings nur recht
schwache dynamische Hebungsimpulse aus.
Im Bodenfeld zieht ein mit dem Trog korrespondierendes Tiefdruckgebiet von der
südlichen Nordsee bis Montagfrüh ins Seegebiet südlich vom Skagerrak und füllt
sich dabei allmählich auf. An dessen Südflanke überquert ein Bodentrog zunächst
West-, in der Nacht auch Süddeutschland. Mit der Gradientverschärfung frischt
somit der West- bis Südwestwind vorübergehend auf, im Südwesten und Süden reicht
es bis in die Niederungen zumindest für steife, in freien Lagen sowie im höheren
Alpenvorland auch für stürmische Böen. In den Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge und der Alpen gibt es Sturm- und schwere Sturmböen, auf
exponierten Schwarzwald-gipfeln und wohl auch auf der Zugspitze auch einzelne
orkanartige Böen. Ausgangs der Nacht schwächt sich mit Abzug des Troges der Wind
wieder ab.
Im Trogbereich und auf dessen Rückseite fallen innerhalb der leicht labil bis
indifferent geschichteten Luftmasse recht verbreitet schauerartige Niederschläge
(für Gewitter dürfte die Labilität nicht ausreichen), die im Laufe der Nacht
abgeschwächt auch auf den Nordosten übergreifen, im Westen bzw. Nordwesten
später wieder nachlassen. Meist fallen bis Montagfrüh maximal wenige mm,
lediglich in den Weststaulagen der Mittelgebirge sind es über 5 mm, im
Schwarzwaldstau sowie im Berchtesgadener Land bis 15 mm und im Oberallgäu in
Staulagen gar um 20 mm. Mit dem Trog sickert etwas kühlere Meeresluft subpolaren
Ursprungs ins Vorhersagegebiet, die 850 hPa-Temperatur sinkt auf etwa 0 bis -2
Grad. Die Schneefallgrenze bewegt sich somit im Laufe der Nacht zwischen 800 und
1000 m, darüber fallen in den Mittelgebirgen meist 1 bis 5 cm Neuschnee, in
Staulagen auch mehr, in den höheren Alpenstaulagen gibt es teils markante
Schneefälle, im Oberallgäu können gebietsweise mehr als 20 cm Neuschnee fallen.
Unter den dichten Wolken und aufgrund des lebhaften Windes spielen Frost und
Nebel warntechnisch keine Rolle.

Montag ... schwenkt der Kurzwellentrog allmählich nach Nordostdeutschland und
verliert an Kontur. Das Bodentief füllt sich allmählich auf, übrig bleibt ein
von vom umfangreichen Tiefdruckkomplex zwischen Island und Schottland bzw. der
nördlichen Nordsee bis nach Jütland reichender Randtrog. Gleichzeitig schiebt
sich von Frankreich her der Keil eines Hochdruckgebietes über der Iberischen
Halbinsel bis nach Südwestdeutschland. Innerhalb der westnordwestlichen
Grundströmung gelangen somit weiterhin recht milde subpolare Meeresluftmassen
ins Vorhersagegebiet mit Temperaturen zwischen -27 und -30 Grad in 500 hPa und 0
bis -3 Grad in 850 hPa. Dynamische Hebungsantriebe sind nach wie vor kaum
auszumachen, somit entwickeln sich vor allem im Norden und Osten nur vereinzelte
kurze Schauer. Häufigere Niederschläge gibt es in den Weststaulagen der
Mittelgebirge, die meisten nach wie vor im Schwarzwald (über 5 mm in 12 Stunden)
und an den Alpen (5 bis 10 mm, in den Staulagen des Oberallgäus und des
Berchtesgadener Landes bis über 20 mm). Die Schneefallgrenze schwankt meist um
800 m, mit einer nennenswerten Neuschneeakkumulierung ist wohl erst oberhalb von
1000 m zu rechnen, diese fällt aber im Oberallgäu durchaus markant aus.
Trotz allmählichem Auffüllen des Tiefs bleibt der Gradient recht scharf
ausgeprägt, da der Druckanstieg im Südwesten rascher erfolgt als im Norden, so
dass der Wind wieder etwas auffrischt. In den Niederungen Süddeutschlands dürfte
es aber nur in freien Lagen für steife Böen reichen. In den Kamm- und
Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen gibt es aber nach wie vor Böen Bft 8
bis 9, exponiert 10, Zugspitze vielleicht Bft 11.
Im Nordwesten, Norden und in der Mitte, insbesondere im Lee der Mittelgebirge,
lockern die Wolken zeitweise stärker auf, sonst bleibt es meist stark bewölkt.
Die Höchstwerte liegen zwischen 3 Grad in den Alpentälern und knapp 11 Grad im
Rhein-Main-Gebiet.

In der Nacht zum Dienstag verlagert sich der Kurzwellentrog weiterhin nur
zögerlich Richtung Südschweden und südliche Ostsee. Die kräftige westliche
Höhenströmung ist leicht antizyklonal konturiert und gewinnt weiter in den Osten
Deutschlands an Raum, darin eingebettet, schwenkt ein flacher Kurzwellentrog zu
den Britischen Inseln. Auf deren Vorderseite kommt markante WLA in Gang, durch
die ein Bodenhochkeil gestützt wird, der über das Vorhersagegebiet hinweg
ostwärts zieht. Somit klingen die Niederschläge ab, lediglich im Südosten und im
Schwarzwald werden noch einige mm simuliert, in exponierten Staulagen der Alpen
bis an die 10 mm. Dabei fällt oberhalb von etwa 800 m nach wie vor Schnee.
Ein mit dem Kurzwellentrog korrespondierendes Bodentief, das sich auf der
Trogvorderseite aus einer frontalen Welle entwickelt, zieht bis Dienstagfrüh vom
nahen Ostatlantik nach Südengland. Das Frontensystem greift auf Frankreich und
Belgien über, morgens setzt dann auch im äußersten Westen und Südwesten
Deutschlands Regen ein.
Der Wind schwächt sich abends und nachts wieder rasch ab, in den Kamm- und
Gipfellagen einiger Mittelgebirge und der Alpen gibt es aber weiterhin
stürmische Böen, exponiert Sturmböen. Frost, Nebel und Glätte spielen (abgesehen
von einigen Mittelgebirgslagen) weiterhin nur eine untergeordnete bzw. keine
Rolle.

Dienstag ... am Heiligen Abend zieht der Kurzwellentrog von den Britischen
Inseln nach Westdeutschland und verliert an Kontur. Das korrespondierende
Bodentief zieht etwa über die Mitte oder den Norden Deutschlands hinweg
ostsüdostwärts und füllt sich zusehends auf, wobei dessen genauer Zugbahn und
Intensität noch mit Modellunsicherheiten behaftet ist. Der aktuelle Lauf des
ICON-EU und ähnlich auch das aktuelle GFS simulieren lediglich eine flache
frontale Welle auf einer recht weit südlichen Zugbahn (GFS nördlicher als ICON),
während IFS (von 00 UTC) ein zwar ebenfalls flaches, dennoch klar definiertes
und über Norddeutschland hinweg Richtung Polen ziehendes Bodentief auf der
Agenda hat. Mit Tiefpassage gibt es verbreitet schauerartige Niederschläge, die
meisten wohl im Bereich der Zugbahn bzw. knapp südlich davon, wo insbesondere
ICON-EU Mengen zwischen 5 und 15 mm, im Stau der Eifel und der Rhön auch bis 20
mm in 12 Stunden simuliert. An der Südflanke des Tiefs gelangt wieder etwas
mildere Luft in den Süden und wohl auch in die Mitte des Landes, die Temperatur
steigt dort in 850 hPa auf 0 bis +2 Grad und lässt die Schneefallgrenze wieder
auf über 1200 m steigen. Unterstützt durch etwas dynamischen Hebungsantrieb
aufgrund von PVA auf der Trogvorderseite sind vor allem in der Südhälfte
innerhalb der leicht labil geschichteten Luftmasse auch einzelne kurze Gewitter
nicht ausgeschlossen.
An der Nordflanke des Tiefs kann es etwas weiter herunter schneien. Je nach
dessen Zugbahn kann die Schneefallgrenze vor allem in den nördlichen
Mittelgebirgen eventuell eine Rolle spielen, zumindest nach Lesart des ICON-EU
dürfte es im Harz und im Erzgebirge bei etwa -2 bis -3 Grad in 850 hPa bis auf
etwa 600 m (eventuell auch noch etwas tiefer) herunterschneien, während nach GFS
die Schneefallgrenze dort keine Rolle spielt
Auch die Windentwicklung hängt von der genauen Zugbahn des Tiefs ab. An dessen
Südflanke verschärft sich der Gradient vorübergehend wieder und es gibt in der
Südhälfte vor allem ab den Nachmittagsstunden recht verbreitet steife Böen Bft
7, exponiert vielleicht auch stürmische Böen Bft 8, auf den Bergen Sturm- und
schwere Sturmböen (Bft 9 bis 10). Nach ICON wären davon nur der Südwesten und
Süden betroffen, nach GFS und vor allem IFS dagegen auch die mittleren
Landesteile.
Auch am Heiligen Abend dürfte sich die Sonne rar machen (am ehesten kommt sie
noch vormittags in der Lausitz durch und nachmittags im Nordwesten) und mit
Höchstwerten zwischen 6 Grad an der Nordflanke des Tiefs bzw. im südostdeutschen
Mittelgebirgsraum und 12 Grad am Oberrhein bleibt es mild.

In der Nacht zum Mittwoch dreht die Höhenströmung vorderseitig eines von
Schottland zur Nordsee ziehenden Kurzwellentroges mehr auf Nordwest. Damit wird
nicht mehr subpolare Meeresluft, sondern erwärmte Polarluft ins Vorhersagegebiet
advehiert, die Temperatur in 850 hPa sinkt allgemein auf -1 bis -4 Grad.
Das flache Wellentief füllt sich nach Lesart des ICON-EU vollends auf, nach GFS
kann es sich dagegen ein wenig verstärken und zieht bis Mittwochfrüh nach Polen.
Auch IFS (von 00 UTC) hat eine etwas kräftigere Entwicklung auf der Karte. Nach
beiden Modellen würde sich der Wind im Laufe der Nacht im Gegensatz zum ICON-EU
nur zögernd abschwächen. Wie auch immer - ausgangs der Nacht gibt es wohl nur
noch in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen Böen Bft 8 bis
10 aus West, eventuell treten im Alpenvorland noch längere Zeit steife Böen auf.

Die schauerartigen Niederschläge klingen im Norden und Nordwesten allmählich ab.
Sonst gibt es weitere Schauer, wobei die Schneefallgrenze allmählich auf etwa
600 m sinkt. Vor allem in den höher gelegenen Staulagen von Schwarzwald und
Alpen kommen dabei eventuell wieder markante Neuschneemengen zusammen. Im Norden
lockern die Wolken zwar gebietsweise auf, bei spürbarem Wind dürfte es aber kaum
für leichten Frost reichen. Dafür aber in den höheren Mittelgebirgslagen, wo
dann auch mit Glätte zu rechnen ist.

Mittwoch ... am ersten Weihnachtsfeiertag schwenkt ein Höhenrücken zu den
Britischen Inseln, wodurch die nordwestliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet weiter aufsteilt. Darin eingebettet, zieht ein flacher
Kurzwellentrog über den Norden und Osten Deutschlands hinweg südostwärts. Somit
bleibt die Zufuhr erwärmter Polarluft ins Vorhersagegebiet aufrecht, die
Temperatur in 850 hPa geht vielleicht noch um etwa 1 bis 2 K zurück.
Im Bodenfeld setzt zwar mit Annäherung eines Hochs über Frankreich und den
Britischen Inseln, von dem ausgehend ein Keil bis nach Südwestdeutschland
reicht, Druckanstieg ein, dennoch entwickeln sich in der leicht labil
geschichteten Luftmasse nochmals einzelne Schauer, eventuell auch mal ein kurzes
Gewitter, die vor allem an der Südflanke des oben erwähnten Kurzwellentroges in
der Mitte und im Süden des Landes vermehrt auftreten. Vor allem in den
Alpenstaulagen fallen gebietsweise mehr als 10 mm (nach ICON-EU eher etwas
weniger, nach GFS mehr). Oberhalb von etwa 500 bis 700 m fallen die
Niederschläge als Schnee.
Der Wind weht weiterhin lebhaft aus West bis Nordwest mit stürmischen Böen bzw.
Sturmböen in den Hochlagen der Mittelgebirge. Auf den Alpengipfeln legt er mit
Annäherung des Hochkeils und der damit einhergehenden Gradientverschärfung sogar
noch etwas zu mit Sturm- und schweren Sturmböen, auf den höchsten Gipfeln sind
vielleicht auch orkanartige Böen möglich.
Die Sonne zeigt sich vor allem in der Westhälfte ab und zu mal und die
Höchstwerte liegen meist zwischen 5 und 10 Grad, in den Alpentälern um 3 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren alle vorliegenden Modelle im Kurzfristzeitraum
eine sehr ähnliche Wetterentwicklung. Im Detail gibt es vor allem bzgl. des
kleinräumigen Tiefs am Heiligen Abend noch Differenzen. ICON simuliert das Tief
als nur noch flache Welle auf südlicherer Zugbahn als IFS und GFS. Harz und
Erzgebirge befänden sich nördlich des Tiefs, auf der "kalten Seite", eine etwas
kräftigere Entwicklung als aktuell simuliert vorausgesetzt könnte Auswirkungen
auf die Schneefallgrenze haben und einigen Regionen eine überraschende "Weiße
Weihnacht" bescheren. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allerdings nicht allzu
hoch.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff