DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

12-12-2019 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 12.12.2019 um 10.30 UTC



Am Sonntag nochmal "Wetteraction": Unbeständig, teils stürmisch und mild. Danach
gepflegte Langeweile: Kaum mehr Niederschläge, vor allem in höheren Lagen sehr
mild und an den Alpen zeitweise Föhn.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 19.12.2019


Dies sei schon mal vorweggenommen: Auch, wenn aktuell zumindest ein Hauch von
Berglandwinter stattfindet, Freunde klassischen Winterwetters müssen sich weiter
gedulden, und zwar voraussichtlich wohl auch über den erweiterten
Mittelfristzeitraum (7 bis 10 Tage) hinaus.
Am Sonntag kommen aber zumindest Vollwetterfans noch einmal (auch zum vorerst
letzten Mal) auf ihre Kosten: Eingebettet in eine relativ glatte und zunächst
noch zonal ausgerichtete kräftige westsüdwestliche Höhenströmung am Südrand
eines umfangreichen Höhentroges über dem Nordostatlantik verlagert sich ein
Kurzwellentrog rasch von der Nordsee über Norddeutschland hinweg ostwärts,
gefolgt von einem flachen Höhenrücken. Ein mit dem Trog korrespondierendes
kleinräumiges, aber kräftiges und entwicklungstechnisch günstig im linken
Ausgangsbereich eines Jetstreaks gelegenes Tiefdruckgebiet zieht ebenso schnell
von der mittleren Nordsee über Dänemark und Südschweden hinweg bis Montag, 00
UTC zur mittleren Ostsee. Die Kaltfront des Tiefs gerät aufgrund
höhenströmungsparalleler Exposition über Süddeutschland ins Schleifen, wodurch
es dort teilweise länger anhaltend regnet, im Schwarzwaldstau reicht es
eventuell für Dauerregen. Spannender ist es an der Südflanke des Tiefs über
Norddeutschland: Dort verschärft sich vor allem vormittags und mittags der
Gradient deutlich und es könnte einigen Regionen eine ausgewachsene Sturmlage
ins Haus stehen, mit allen damit verbundenen Unsicherheiten.
Bereits im Laufe des Sonntags setzt über dem Ostatlantik eine markante
Austrogung ein, die stromab ein kontinuierliches Rückdrehen des Höhenwindes zur
Folge hat. Diese Austrogung setzt sich am Montag weiter fort, Dienstag, 00 UTC
reicht der Trog über dem nahen Ostatlantik westlich der Britischen Inseln
bereits bis vor die marokkanische Küste. Korrespondierend dazu wölbt sich ein
durch die kräftige trogvorderseitige WLA gestützter breit angelegter Höhenrücken
vom zentralen bzw. östlichen Mittelmeerraum Richtung Mitteleuropa auf, so dass
die zunehmend auf Südwest drehende Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet eine
immer antizyklonalere Krümmung annimmt.
So kommt es, wie es kommen muss: Die Kaltfront über Süddeutschland geht über in
die Warmfront eines zur Iberischen Halbinsel ziehenden Tiefs und kommt,
begleitet von Regenfällen meist leichter Intensität, bis zur Mitte des Landes
voran, rückseitig stellt sich eine föhnige Südströmung ein, mit der Luftmassen
subtropischen Ursprungs advehiert werden. Bis Dienstag, 00 UTC steigt die
Temperatur in 850 hPa auf Werte zwischen 0 Grad präfrontal im äußersten Norden
und (föhnmodifizierten) 12 Grad im Alpenvorland. Ob es an den Alpen für einen
Föhndurchbruch bis in die Täler reicht, was dort auch ungewöhnlich hohe
Temperaturen zur Folge hätte, ist noch unklar, auf den Alpengipfeln ist wohl
ziemlich sicher mit Sturm- und schweren Sturmböen zu rechnen.
Im Laufe des Dienstags tropft der Trog über Marokko bzw. Algerien ab, das
verbleibende Trogresiduum erreicht Mittwoch, 00 UTC die Britischen Inseln. Die
Achse des breit angelegten Höhenrückens verlagert sich allmählich nach
Osteuropa. Somit bleibt Deutschland unterhalb der leicht antizyklonal
konturierten südsüdwestlichen Höhenströmung im Einflussbereich sehr milder
Luftmassen. Das Bodentief über der Iberischen Halbinsel zieht über die Biskaya
zur Nordsee und dürfte den Wetterablauf im Westen und Norden des Landes recht
unbeständig gestalten, während es an den Alpen föhnig bleibt. Dabei kann sich
die sehr milde Luftmasse bei vor allem nach Osten zu schwächer werdendem
Gradienten sicherlich bei Weitem nicht überall bis zum Boden durchsetzen.
Im Laufe des Mittwochs verlagert sich der Höhentrog von den Britischen Inseln
nach Schweden, gefolgt von einem Höhenrücken, der in der Nacht zum Donnerstag
von den Britischen Inseln auf die Nordsee und Mitteleuropa übergreift. Das
Bodentief zieht bis Donnerstag, 00 UTC zur mittleren Ostsee, die Kaltfront
überquert Deutschland südostwärts, erreicht aber im Einflussbereich eines sich
kräftigenden Bodenhochs kaum Süddeutschland. Ihr folgt ein Schwall erwärmter
Polarluft, die zumindest in Norddeutschland die Temperaturen in 850 hPa
vorübergehend auf unter 0 Grad sinken lässt, im Süden werden dagegen die 5 Grad
kaum unterschritten. Eventuell reicht es mit Frontdurchgang im Norden,
insbesondere an den Küsten, für stürmische Böen.
Am Donnerstag schwenkt der Höhenrücken rasch Richtung Osteuropa bzw.
Südskandinavien und vorderseitig eines auf Westeuropa übergreifenden und sich
nach Südwesteuropa ausweitenden Langwellentroges dreht die Höhenströmung wieder
auf Süd bis Südwest. Somit gelangt erneut sehr milde Luft aus dem zentralen bzw.
westlichen Mittelmeerraum ins Vorhersagegebiet, an den Alpen wird es föhnig.
Insgesamt ist der Gradient eher schwächer als beim Vorstoß der Subtropikluft am
Montag, dennoch dürfte es in Föhnstrichen bei 8 bis 10 Grad in 850 hPa wieder
sehr mild werden. Ansonsten herrscht weiterhin unspektakuläres "Nullwetter".
Auch in der erweiterten Mittelfrist steht wohl keine gravierende Änderung ins
Haus. Nach Lesart des aktuellen IFS-Laufes nimmt der Trog über
West-/Nordwesteuropa eine zunehmend negative Achsneigung an und weitet sich in
den westlichen Mittelmeerraum aus, während der Höhenrücken ein wenig nach Osten
abgedrängt wird. Die Höhenströmung über Mitteleuropa dreht somit mehr auf Süd
oder gar Südost und nimmt eine eher zyklonale Kontur an, wobei der Gradient mehr
und mehr auffächert. Das mündet wohl in einem klassischen Frontenfriedhof über
dem Vorhersagegebiet, soll heißen: Meist bewölkt oder trüb, kaum Niederschläge,
aber auch kaum Sonne, nachts bei Auflockern eventuell leichter Frost, ansonsten
zwar nicht mehr so mild wie an den Vortagen, von Winter (es geht ja schon auf
Weihnachten zu) aber weiterhin keine Spur.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der aktuelle Lauf des IFS erweist sich, was die großräumige Wetterentwicklung
betrifft, als konsistent zu seinen Vorgängern. Im Detail ergeben sich aber
durchaus Differenzen, vor allem, was den Beginn des Mittelfristzeitraumes, also
in erster Linie den Sonntag betrifft: Die Passage des Kurzwellentroges am
Sonntagvormittag/-mittag wurde vom gestrigen 00 UTC-Lauf weiter nördlich
simuliert als vom aktuellen Lauf (was entsprechend auch eine deutlich
gemäßigtere Windentwicklung in Norddeutschland zur Folge hätte), dafür sollte
entlang der Kaltfront eine flache Welle am Sonntagnachmittag über die Mitte des
Landes hinwegziehen (verbunden mit starken bis stürmischen Böen in den mittleren
Landesteilen).
Danach ergeben sich bis zum Ende der Mittelfrist auch im Detail kaum
Unterschiede, sogar die Trogpassage am Mittwoch über Norddeutschland wird recht
einheitlich simuliert (wobei der aktuelle Lauf ein kräftigeres Bodentief auf der
Agenda hat und entsprechend auch eine markantere Windentwicklung vor allem an
den Küsten).

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Das kleinräumige Sturmtief am Sonntag haben heute alle vorliegenden Modelle
ähnlich auf der Agenda, wobei GFS - wie bereits gestern, heute allerdings
zusammen mit dem GEM - die markanteste Entwicklung zeigt mit teils schweren
Sturmböen am Sonntagfrüh/-vormittag über Nordwestdeutschland (gestern etwas
weiter südlich).
Ansonsten überall in der Modellwelt das gleiche Bild: Kein Modell bietet bis in
die erweiterte Mitelfrist hinein wirkliche Alternativen zu dieser
winterfeindlichen Witterung, alle tendieren Richtung Trog West-, später auch
Südwesteuropa und Höhenrücken Südost- bzw. Osteuropa. Selbst im Detail ergeben
sich nur wenig Unterschiede: So lässt z.B. GFS die Warmfront am Montag etwas
langsamer, ICON dagegen etwas schneller nach Norden vorankommen. Der Höhentrog
am Dienstag/Mittwoch wird vom GFS progressiver simuliert als vom ICON und IFS,
die Trogpassage über Norddeutschland findet etwa 12 bis 18 Stunden eher statt.
IFS hat dafür die markanteste Bodentiefentwicklung auf der Agenda.
Die Austrogung über West-/Südwesteuropa am Donnerstag/Freitag findet im GFS
weiter westlich, nämlich über dem Ostatlantik, statt, entsprechend ist das
Geopotenzialfeld über Mitteleuropa deutlich antizyklonaler konturiert, es wölbt
sich nach Lesart der Amerikaner vorübergehend sogar ein markanter Höhenrücken
über Mitteleuropa bis nach Südskandinavien auf, der in der erweiterten
Mittelfrist dann aber ebenfalls langsam nach Osten vorankommt.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Im Zeitraum T+72 bis 96 Stunden verteilen sich die 49 Ensemblemitglieder, Haupt-
und Kontrolllauf auf 3 Cluster (jeweils 28, 12 und 11 Member), die bzgl. der
Wetterentwicklung über Mitteleuropa keine signifikanten Unterschiede zeigen.
Der nächstfolgende Zeitraum (120 bis 168 Stunden) zeigt 4 Cluster (jeweils 23,
11,10 und 7 Member). Vom Grundmuster (Trog West- bzw. Südwesteuropa, Höhenrücken
Südost- bis Osteuropa) unterscheiden sich diese ebenfalls kaum, lediglich die
Passage des Kurzwellentroges am Mittwoch betreffend ergeben sich kleinere
Differenzen, wobei Cluster 1, 3 und 4 der Hauptlaufvariante ähneln und Cluster 2
ihn, ähnlich wie der deterministische Lauf des GFS, progressiver simuliert.
In der erweiterten Mittelfrist (T+192 bis 240 Stunden) nimmt die Neigung zur
Blockade insgesamt sogar noch etwas zu. Dabei tauchen im EPS 5 Cluster auf
(jeweils 13, 12, 11, 8 und 7 Member). Mit Ausnahme des Cluster 5 haben alle über
den gesamten Zeitraum den blockierenden Höhenrücken mehr oder minder stark
ausgeprägt über Südost- und Osteuropa, teilweise auch bis nach Nord- oder
Mitteleuropa reichend auf der Agenda. Vor allem Cluster 2 und 4 würden
Mitteleuropa vorderseitig eines kräftigen Troges über Westeuropa eine milde
Vorderseitenlage bescheren, während Cluster 1 und vor allem 3 zu einer
gradientarmen und höhenmilden Hochdrucklage tendieren.
Cluster 5 schlägt dagegen eine etwas andere Richtung ein: Der blockierende
Rücken über Osteuropa wird rasch abgebaut, am Südrand eines blockierenden Hochs
über Nordeuropa stellt sich über Mitteleuropa eine Art südlicher Westlage ein.
Ein (kleiner) Hoffnungsschimmer für Winterfreunde? Allerdings taucht diese
Variante im EPS des GFS nicht auf.

Die Rauchfahnen für einige Orte im Vorhersagebiet weisen auch keine
Überraschungen auf: Dem markanten Anstieg der 850 hPa-Temperatur, die bis
Dienstag in einem relativ engen Spread verläuft und im Süden erwartungsgemäß
markanter ausfällt als im Norden folgt ein (allerdings nur im Norden) ebenso
markanter, aber nur kurzeitiger Einbruch mit dem Trogstreifschuss am Mittwoch,
wobei wenige Einzelläufe diesen - ähnlich der GFS-Variante - bereits 12 bis 24
Stunden eher simulieren.
Die Neigung zu Niederschlägen geht ab Montag deutlich zurück und steigt nur am
Mittwoch kurzzeitig etwas an.

FAZIT:
Da beiß die Maus keinen Faden ab: Winter ist zumindest auf Wochenfrist, mit
hoher Wahrscheinlichkeit aber auch bis in die erweiterte Mittelfrist weit und
breit nicht in Sicht. Während am Wochenende aber zumindest Vollwetterfans noch
auf ihre Kosten kommen, wird es danach deutlich ruhiger, wenngleich der Föhn
zumindest für einige Sonnenfenster sorgen könnte. Insgesamt bleibt es zwar mild,
in höheren Lagen zeitweise auch sehr mild, mit der zunehmenden Gradientarmut
kann die Grundschicht aber nach und nach auskühlen.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Sonntag steht noch einmal eine markante Sturmlage für Norddeutschland ins
Haus: Neben Sturm- und schweren Sturmböen an den Küsten und auf den Bergen
dürfte es auch im nordwestdeutschen Binnenland am Vormittag zumindest kurzzeitig
für Böen Bft 8 bis 9 reichen, nach Lesart des GFS sogar für Bft 10. Bzgl.
schwerer Sturmböen im Binnenland lassen sich aus der Probabilisitk allerdings
kaum Hinweise ableiten (Wahrscheinlichkeiten unter 5%), auch die Signale für Bft
9 sind spärlich gesät (5 bis 10, ICON-EU-EPS bis 15%). EFI zeigt ebenfalls kaum
Auffälligkeiten. Insgesamt ist das Ereignis wohl zu kleinräumig und kurzzeitig
für deutlichere Signale.
In den Weststaulagen des Schwarzwaldes kann am Sonntag Dauerregen nicht
ausgeschlossen werden. Allerdings hat lediglich COSMO-LEPS noch entsprechende
Wahrscheinlichkeiten dafür bis 30% auf der Agenda.
Zu Wochenbeginn nimmt die Wahrscheinlichkeit für Starkwind und Sturm allgemein
ab, allerdings stellt sich in und an den Alpen Südföhn ein mit Sturm- und
schweren Sturmböen in dafür anfälligen Höhenlagen. Ob es für einen
Föhndurchbruch in einige Täler reicht, ist noch unklar.


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Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, IFS-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff