DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-12-2019 17:01
SXEU31 DWAV 061800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 06.12.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Glatteis: Von Norden und Westen sowie der Mitte weiter südostwärts übergreifend
Regen, bei gefrorenem Boden örtlich Gefahr von Glatteis. Im östlichen Bayern in
der Nacht zum Samstag und bis Samstagfrüh aufgrund von vorherigem Dauerfrost
kleinräumig Unwettergefahr durch Glatteis.
Wind: Aktuell an der Küste sowie im höheren Bergland Böen bis Sturmstärke Bft
8/9. Auf exponierten Gipfeln Bft 10/11. In der Nacht zum Samstag im Westen und
Südwesten bis in mittlere Lagen einzelne Böen Bft 8. Wind am Samstag von Westen
her abflauend, an der Küste und im Bergland weiterhin Böen Bft 8, exponiert Bft
9.
In der Nacht zum Sonntag im Nordwesten und Westen erneute Windzunahme, bis ins
nordwestliche Binnenland Böen Bft 8, Bergland sowie Nordsee Sturmböen Bft 9,
Nordfriesische Küste und exponierte Gipfel Bft 10/11.
Am Sonntag bis in tiefe Lagen Böen Bft 8, Küste/Bergland Sturmböen Bft 9,
exponiert Bft 10, auf höheren Berggipfeln Bft 11. Zum Abend hin abflauend, an
der See und in höheren Berglagen noch Sturmböen Bft 8/9, exponiert schwere
Sturmböen Bft 10.
In der Nacht zum Montag erneute Windzunahme, im Westen und Südwesten mit Böen
Bft 8 bis in tiefe Lagen. Am Montag dann auf den gesamten Süden, Südosten und
Teile der Mitte ausgreifend. In Alpennähe in freien Lagen Gefahr von Sturmböen
Bft 9. Zum Abend hin an der Nordseeküste orkanartige Böen nicht auszuschließen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... hat sich knapp nördlich von Mitteleuropa die Frontalzone ostwärts
bis nach Nordwestsibirien durchgesetzt. Darin eingelagert ist ein Trog, der in
der Nacht zum Samstag auf Deutschland übergreift und bis Samstagfrüh bereits die
östlichen Landesteile erreicht. Das korrespondierende Bodentief überquert den
Oslofjord; aufgrund seiner Entfernung vom aktiven Teil des Troges ist dieses
Tief nicht sonderlich entwicklungsträchtig. Die Kaltfront dieses Tiefs, die
thermisch nur sehr schwach sudgeprägt ist, überquert Deutschland in der Nacht
zum Samstag weitgehend. Präfrontal haben bereits Niederschläge übergegriffen,
die von Norden und Westen her Teile der Mitte erfasst haben und sich weiter
südostwärts vorarbeiten. Diese Niederschläge stehen noch nicht mit der Kaltfront
in Verbindung, sondern lassen sich durch ein Zusammenwirken von (schwacher)
Warmluftadvektion und zunehmender positiver Vorticityadvektion erklären.
Wesentlich interessanter ist, wie die vorgelaqerte Luftmasse beschaffen ist.
Aufgrund der vorherigen Hochdruckrandlage konnte sich die Luftmasse in Teilen
der Mitte, aber noch vielmehr im östlichen Bayern abkühlen, so dass der Frost
bereits eine Eindringtiefe bis zu 10 cm aufweist. Oberhalb der Grundschicht ist
eine bis 750 hPa hinaufreichende "warme Nase" mit positiven Temperaturen
gegeben, so dass die Voraussetzungen für Glatteis vorhanden sind. Aktuell sind
die Niederschlagsraten zu gering (und auch geringer als von den Modellen
durchweg prognostiziert), so dass zunächst noch markante Warnungen hinreichend
sind. In der Nacht zum Samstag dürfte sich dies, wenn die Niederschläge auf das
südöstliche Bayern übergreifen, jedoch ändern. Hier lassen die Modelle eine
Intensivierung der Niederschläge erwarten, was sich durch ein Aufgleiten der
milderen Luftmasse erklären lässt (was aber nicht so eintreten muss). Sollten
sich tatsächlich die Niederschläge verstärken, wären dann für eingelagerte
Gebiete Unwetterwarnungen auszugeben.
Als weiterer Warnschwerpunkt ist der Wind zu nennen. Das allmähliche Übergreifen
der Frontalzone macht sich auch im Bodendruckfeld bemerkbar, wodurch im
Nordwesten, Westen und in Teilen der Mitte Windböen aufkommen. An der See und im
Bergland sind stürmische und einzelne Sturmböen dabei, exponiert sind schwere
Sturmböen Bft 10 und orkanartige Böen Bft 11 (Brocken) nicht auszuschließen.
Bedingt durch die Trogpassage, wobei sich auch der Trog im Bodendruckfeld
abzeichnet, dürfte nachfolgend von Westen her in tieferen Lagen der Wind in der
zweiten Nachthälfte bereits wieder abflauen, wogegen in den östlichen
Landesteilen eher eine leichte Windzunahme zu verzeichnen ist. Stürmische oder
gar Sturmböen sollten aber auch dort auf höhere Berglagen und die Küste
beschränkt bleiben.

Samstag ... folgt dem nach Osteuropa abziehende Trog ein flacher Rücken, der
sich auch im Bodendruckfeld in Form von einer leicht antizyklonal deformierten
Strömung bemerkbar macht. Im Tagesverlauf verstärkt sich bereits wieder von
Nordwesten her die Warmluftadvektion. Diese steht in Verbindung mit der
Warmfront eines Randtiefs, das das Seegebiet südlich von Island erreicht. Die
Warmfront greift im Tagesverlauf auf die Britischen Inseln über. Mit der
Warmluftadvektion kommt eine leichte Stabilisierung in Gang. Die Niederschläge,
die anfangs noch konvektiv geprägt waren, nehmen von Westen her einen eher
skaligen Charakter an und lassen nach. Die aus der Warmluftadvektion
resultierende Hebung lässt alsbald mehrschichtige Bewölkung aufziehen. Ein paar
Wolkenlücken sind auf den Küstenbereich und die alpennahen Gebiete beschränkt.
Der Gradient bleibt zunächst noch kräftig, so dass im Nordosten und Osten bis in
tiefe Lagen Windböen auftreten. Im östlichen Bayern sollten dann auch die Reste
der dort noch vorhandenen Kaltluft ausgeräumt werden, so dass sich die
Glatteislage alsbald entspannt und ab Samstagfrüh keine Warnungen mehr
erforderlich sind.
Im Bergland und an der Ostsee sind durchweg stürmische und einzelne Sturmböen
Bft 8/9 zu erwarten; exponiert (Brocken) sind schwere Sturmböen möglich. Von
Westen her wird der Gradient auseinandergezogen, der Wind flaut ab und ist
zunächst im Westen und ab dem Abend im Osten in tiefen Lagen abseits der Küste
nicht mehr warnrelevant. An der Ostsee und in den nördlichen und östlichen
Mittelgebirgen sind jedoch weiterhin Wind- und stürmische Böen, exponiert auch
Sturmböen Bft 9 zu erwarten.
Mit der vordringenden milden Luft zeichnet sich landesweit ein Temperaturanstieg
auf 5 bis 10 und im Bergland auf Werte um 3 Grad ab.
In der Nacht zum Sonntag verlagert sich der flache Rücken über Deutschland
hinweg ostwärts. Die Warmfront weist nur eine geringe Wetterwirksamkeit auf, mit
der Annäherung der nachfolgenden Okklusionsfront (mit Kaltfrontcharakter) kommt
ganz im Nordwesten Niederschlag auf. Zudem legt der Gradient erneut zu, so dass
im Westen und Nordwesten bis in tiefe Lagen Windböen und in freien Lagen sowie
an der Ostsee stürmische Böen aufkommen. An der Nordsee sowie in höheren
Berglagen der nördlichen, westlichen und zentralen Mittelgebirge erreicht der
Wind in Böen Sturmstärke, auf exponierten Gipfeln sind schwere Sturm- und
(Brocken) orkanartige Böen nicht auszuschließen. Nach Osten und Süden hin bleibt
der Wind noch vergleichsweise schwach.
Leichter Frost sollte auf einige Alpentäler beschränkt bleiben. Ansonsten bleibt
es frostfrei.

Sonntag ... folgt dem Rücken ein breiter Trog, der auf Westeuropa übergreift.
Das mit diesem Trog korrespondierende Tiefdrucksystem besteht aus mehreren
Tiefs, die zwischen Schottland und Südskandinavien verteilt sind. Das erste
dieser Tiefs überquert in den Mittagsstunden als Sturmtief mit einem Kerndruck
von weniger als 970 hPa den Oslofjord. An dessen Südflanke legt mit Annäherung
und mit dem Übergreifen der bis dahin okkludierten Kaltfront dieses Tiefs der
Gradient weiter zu, so dass in weiten Teilen Deutschlands Wind- und in freien
Lagen stürmische Böen zu erwarten sind. Im höheren Bergland und an der Küste
gibt es Sturm- und schwere Sturmböen bis Bft 10, auf exponierten Gipfeln
orkanartige Böen. Etwas ausgenommen von der Windentwicklung ist der Südosten.
Dort sind Böen bis Sturmstärke auf die Mittelgebirgsgipfel beschränkt, in
tieferen Lagen ist dort der Wind wahrscheinlich noch nicht warnrelevant.
Die frontalen Niederschläge sind nicht warnrelevant. Postfrontal setzt zwar eine
Labilisierung ein, was die Niederschläge einen leicht konvektiven Charakter
annehmen lässt. Für Gewitter ist die Labilität noch nicht hinreichend.
Ein paar Auflockerungen sind allenfalls ganz im Süden in Richtung Alpen
vorstellbar. Im weitaus größten Teil Deutschlands hält sich mehrschichtige und
meist geschlossene Bewölkung. In der gut durchmischten Luftmasse sind
Tageshöchsttemperaturen zwischen 7 und 12 Grad zu erwarten.
In der Nacht zum Montag rückt der breite Trog nach Mitteleuropa vor. Mit diesem
Trog setzt sich landesweit labil geschichtete Luft durch, so dass wiederholt
Schauer auftreten; auch für kurze Gewitter sollte dann die Labilität hinreichend
sein. Der Oberwind erreicht im 850 hPa-Niveau 50 bis 60 kt, in Verbindung mit
kräftigeren Schauern und kurzen Gewittern sind Böen bis Sturmstärke möglich;
auch schwere Sturmböen bis bft 10 sind nicht auszuschließen.
Mit der Annäherung des korrespondierenden Bodentroges legt der Gradient weiter
zu, so dass auch ohne Konvektion im Westen und Südwesten und später bis auf
Teile der Mitte stürmische Böen auftreten. Abgesehen vom Nordosten und Südosten
sind ansonsten landesweit Windböen zu erwarten. In Berglagen gibt es Sturm- und
schwere Sturmböen, in exponierten Gipfellagen muss mit orkanartigen Böen
gerechnet werden.

Montag ... verbleibt Deutschland im Trogbereich und somit unter labil
geschichteter maritimer Polarluft. Daher sind weitere schauerartige
Niederschläge bis hin zu kurzen Gewittern zu erwarten. In den Kamm- und
Gipfellagen zunächst der westlichen Mittelgebirge können die Niederschläge
zusehends in Misch- oder auch fester Phase auftreten.
Ein von Schottland in den Haupttrog hineinstoßender Sekundärtrog induziert über
der Nordsee eine Zyklogenese. Das resultierende Sturmtief verlagert sich über
Ostfriesland bis zum Abend ins Emsland, wobei dessen Zugbahn noch unsicher ist.
Aber ganz gleich, ob dieses Tief weiter östlich oder weiter westlich nach Süden
zieht oder ob sich ein derartiges Tief entwickelt (das hat neben EZMW (00 UTC)
bisher nur der aktuelle ICON-Lauf im Programm) wird im Norden, zumindest aber
östlich der Weser, der Gradient wieder auseinandergezogen, so dass dort ab
Mittag nur noch Windböen und zum Abend hin wahrscheinlich keine warnrelevanten
Böen mehr auftreten. Der kräftigste Gradient ist dann in den mittleren und vor
allem in den südlichen Landesteilen zu erwarten, wo in freien Lagen stürmische
Böen, zu den Alpen hin, bedingt durch den Leitplankeneffekt, Sturmböen
aufkommen. Im Bergland muss durchweg mit Sturm- und schweren Sturmböen gerechnet
werden. In Verbindung mit kräftigeren Schauern oder kurzen Gewittern können die
Böen noch um 1 Bft höher ausfallen. Bis zum Abend sollte aber auch in den
westlichen und südlichen Landesteilen eine allmähliche Windabnahme einsetzen, so
dass dann neben Windböen in freien Lagen noch einzelne stürmische Böen
auftreten. In höheren Berglagen gibt es weiterhin Böen bis Sturmstärke.
Ein paar Auflockerungen kommen allenfalls im Südosten und sonst vor allem in
Alpennähe sowie im Lee der sächsischen Gebirge zustande. Ansonsten hält sich
mehrschichtige Bewölkung. Mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 5 und 10 Grad
wird es in der nach wie vor gut durchmischten Luftmasse nicht mehr ganz so mild
wie am Sonntag.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen bis in die Nacht zum Montag hinein eine
weitgehend ähnliche Entwicklung. Prognoserelevante Unterschiede lassen sich bis
dahin nicht ableiten. Danach ergeben sich unterschiedliche Auffassungen bzgl.
des sich über der Nordsee entwickelnden Sturmtiefs. Diese Unsicherheiten sind
bereits weiter oben beschrieben worden, so dass für Montag in Bezug auf die
Windentwicklung eine Konsens-Vorhersage nur den groben Rahmen beschreiben kann.
Die Mehrzahl der Modelle sieht eine derartige Entwicklung nicht. EZMW (00 UTC)
zeigt dieses Tief gegenüber ICON etwas verzögert, aber weiter östlich nach Süden
übergreifen. Als Folge wären dann auch im Ostfriesland und vor allem im Bereich
der Emsmündung schwere Sturmböen vorstellbar und orkanartige Böen nicht
auszuschließen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann