DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-07-2016 21:00
SXEU31 DWAV 131800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 13.07.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Südosten und Osten Dauerregen, teils ergiebig. Sonst Schauer und teils
kräftige Gewitter mit Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... erstreckt sich ein markanter Langwellentrog vom Europäischen
Nordmeer über die Nordsee bis nach Frankreich. Die im Wasserdampfbildkanal
entlang der Basis des Troges erkennbaren "dunklen Streifen" spiegeln ein
markantes Windmaximum wider, welches aktuell die Basis des Langwellentroges
umrundet. Diese Konstellation unterstützt eine fortwährende Ausdehnung des
Troges über den Golf von Genua nach Norditalien. Durch die zunehmend positiv
geneigte Trogachse etablieren sich in 300 hPa an der Ostflanke des
Langwellentroges zwei eigenständige Jetmaxima, deren hebungsfördernde Jetein-
und ausgänge sich über dem Alpenraum überlagern. Die dadurch einhergehende
markante Höhendivergenz weitet sich sowohl auf den Alpenraum als auch zunehmend
weiter nördlich nach Polen aus. Der dadurch beginnende Massenabfluss sorgt
grenzschichtnah für ein Absinken des Luftdrucks und letztendlich für die
Ausbildung einer ausgedehnten Bodenzyklogenese mit mehreren eigenständigen
Zentren. Im Verlauf der Nacht sorgt eine Verschärfung der positiven
Achsenneigung des Höhentiefs für ein konzentriertes Höhendivergenzfeld über
Polen, was auch die finale Bodentiefdruckentwicklung in diesem Bereich
fokussieren sollte. Diese Entwicklung wird allgemein von Seiten der Global- und
Regionalmodelle sehr gut erfasst.

Für Deutschland bedeutet diese Entwicklung, dass im Verlauf des Abends die
Niederschläge vom Bodensee bis zum Bayerischen Wald zunehmend skalig ausfallen
und durch Schauer oder Gewitter konvektiv verstärkt werden. Dabei fallen während
eines 12-std. Zeitraums von heute 18 UTC bis Donnerstag 06 UTC in den genannten
Bereichen 15 bis 35 l/qm mit den größten Niederschlagsmengen direkt am Alpenrand
und im Stau des Bayerischen Waldes (entsprechend der dort gültigen
Unwetterwarnungen kann in Staulagen teils noch mehr fallen). Die Niederschläge
weiten sich im Verlauf der Nacht zum Donnerstag weiter nordostwärts über
Oberfranken in den Südosten von Thüringen, Sachsen und den Osten und Südosten
von Brandenburg aus. Die Vorhersagesoundings in Ostdeutschland spiegeln die
typischen Signale für kräftige und strichweise konvektiv verstärkte
Niederschläge wider (sich verstärkende Nordwestwinde unterhalb von 700 hPa mit
starken Südostwinden darüber und dazu eine hochreichend potentiell labile
Schichtung). Eine genaue Differenzierung der Niederschlagsmengen fällt dank der
hohen Variabilität der Modellvorschläge weiterhin schwer. Generell jedoch
sollten die stärksten Aufgleitniederschläge östlich von Dresden bis nach Cottbus
fallen, wobei 12-std. Werte von 20 bis 35 l/qm auftreten sollten, gebietsweise
auch mehr. Weiter westlich (Oberfranken bis ins Vogtland und in weiten Bereichen
westlich der Elbe in Sachsen) liegt der Fokus auf strichweise konvektiv
verstärkte Niederschläge, wobei in kurzer Zeit um 20 l/qm Niederschlag fallen
kann, lokal ist auch das Erreichen der Unwetterschwelle durch Starkregen dank
wiederholten Auftretens von Schauern und Gewittern möglich. Von Seiten der
Modelle werden von der Leipziger Tieflandsbucht bis ins Vogtland teils 12-std.
Niederschlagsspitzen von 30-50 l/qm innerhalb von 12 Stunden berechnet
(Unwetter).

Im übrigen Deutschland verliert die unter dem Trog hervorgerufene Schauer- und
Gewitteraktivität mit Abnahme der Sonneneinstrahlung allmählich an Kraft.
Allerdings sorgt eine nur schwach gedeckelte Schichtung in Verbindung mit einer
relativ feuchten Grenzschicht und einer kühlen mittleren Troposphärenschicht in
Verbindung mit der vorhandenen Dynamik dafür, dass sich die Niederschläge nur
zögernd abschwächen werden. Bei nur langsamer Verlagerung der Schauer und
Gewitter tritt weiterhin ein Risiko für Starkregen um 20 l/qm in kurzer Zeit
auf, wobei punktuell noch das Erreichen der Unwetterschwelle durch Starkregen
(mehr als 25 l/qm in 1 Stunde) nicht ausgeschlossen werden kann.

Donnerstag ... Am Donnerstag kristallisieren sich zwei Randtröge heraus, die
eingebettet entlang der Ränder des markanten Langwellentroges gegen den
Uhrzeigersinn um den Höhentrog geführt werden. Der für Ostdeutschland
wetterwirksame Randtrog verlagert sich vom zentralen Alpenraum rasch nordwärts
und liegt am Abend über Vorpommern. Dank sehr günstiger Überlappung dieser
dynamischen Nordverlagerung und einhergehender hochreichenden Hebung in
Verbindung mit andauernder intensiver Höhendivergenz wird eine fortschreitende
Vertiefung der Bodenzyklone unterstützt, teils auf einen Kerndruck von knapp
unter 1000 hPa. Der Kern des Bodentiefs wird zum Abend recht einheitlich über
dem nördlichen Zentralpolen gerechnet, wobei der Fokus für die intensivsten
Aufgleitniederschläge besonders auf die um das Bodentief herumgewirbelte sehr
feuchte und potentiell labile Luftmasse gelegt wird. Diese energiereiche
Luftmasse soll größtenteils über Polen zum Liegen kommen und die Grenzebereiche
zu Deutschland mehr oder weniger tangieren. Die Vorhersagesoundings zeigen vom
Erzgebirge bis zur Oder gute Bedingungen für konvektiv verstärkte Niederschläge,
die teils auch gewittrig ausfallen. Dabei setzt sich besonders vom östlichen
Erzgebirge bis zur Oder die Dauerregenlage vor, wobei die Niederschläge
gebietsweise sehr kräftig ausfallen können. ICON6_Nest, EZMW, GFS und COMSO-EU
zeigt 12-std. Niederschlagsmengen von 25-50 l/qm mit variablen Schwerpunkten. Je
nach Zugbahn des Tiefs können die Mengen jedoch stärker oder schwächer
ausfallen.
An der Westflanke des Tiefs verschärft sich der Druckgradient vor allem über dem
Osten Deutschlands, selbiges gilt für das Nordseeumfeld, da sich durch die
nördliche Überströmung des Norwegischen Gebirges im Bodenfeld ein Leetrog über
dem Skagerrak bzw. Kattegat ausbildet. Somit ist vor allem in der Lausitz, am
Nachmittag dann auch im Nordwesten mit starken, Richtung polnischer Grenze und
in exponierten Küstenlagen auch mit stürmischen Böen aus Nordwest zu rechnen,
auch auf den Gipfeln der östlichen Mittelgebirge und auf den Alpengipfeln gibt
es stürmische Böen oder Sturmböen.
Das übrige Vorhersagegebiet verbleibt im Einflussbereich der labil geschichteten
Meeresluft, wobei die Luftmasse mehr und mehr direkt aus dem Nordmeer zu uns
geführt wird. Die Temperatur in 850 hPa geht auf Werte um 5 Grad zurück und auch
die ppw-Werte liegen nur noch zwischen 16 und 23 mm. ML-Cape wird vor allem im
äußersten Westen (westlich des Rheins) und Südwesten simuliert, dort dürfte sich
auch die Hauptschaueraktivität abspielen. Kurze Gewitter sind ebenfalls möglich,
wobei die Wahrscheinlichkeit für Starkregen und kleinem Hagel aber abnimmt.
Vereinzelt sind starke bis stürmische Böen innerhalb der Gewitter möglich. Auch
im Nordwesten lebt mit Annäherung des Bodentroges die Schauertätigkeit etwas
auf, kurze Gewitter mit Böen Bft. 7 bis 8 sind nicht ausgeschlossen.
Die Sonne dürfte sich vor allem in den mittleren Landesteilen häufiger zeigen,
dort gibt es auch kaum Schauer. Die Höchstwerte bewegen sich allerdings nur noch
zwischen 15 und 19 Grad, mit etwas Sonne können knapp 20 Grad erreicht werden,
im Dauerregen bleibt es teils unter 15 Grad kühl.

In der Nacht zum Freitag verlagert sich der Randtrog über Südwestpolen zur
südlichen Ostsee, der über Nordwestitalien zieht nach Mittelitalien. Dadurch
kommt die Achse des Langwellentrogkomplexes etwas nach Osten voran und das
Vorhersagegebiet gerät zunehmend auf dessen Rückseite.
Im Bodenfeld weitet sich von Frankreich her ein Hochkeil nach Südwestdeutschland
aus. Das Vb-Tief zieht von Zentralpolen zur südöstlichen Ostsee. Somit klingen
auch die Niederschläge an dessen Westflanke über der Osthälfte ab, warnwürdige
Mengen werden in der Nacht nicht mehr simuliert.
Die Advektion polarer Meeresluft erreicht im Laufe der Nacht ihren Höhenpunkt,
die Temperatur in 850 hPa geht auf für die Jahreszeit ungewöhnlich niedrige
Werte zwischen 2 und 5 Grad zurück. Mit der mehr auf Nordwest drehenden
Bodenströmung setzen an den Alpen leichte Staueffekte ein, in den Frühstunden
kann es gebietsweise bis auf 2000 m und knapp darunter schneien.
Ansonsten gibt es in der höhenkalten Meeresluft noch vereinzelte Schauer,
eventuell auch ein kurzes Gewitter, wobei Starkregen kein Thema sein sollte. Vor
allem im Südwesten lockern die Wolken auch mal stärker auf, wobei sich dann
Nebel bilden kann.
Der Wind weht vor allem im Nordwesten und auf den Gipfeln der östlichen
Mittelgebirge (inklusive Brocken) noch in Böen stark, exponiert auch stürmisch
aus Nordwest.
Freitag ... verlagert sich der Langwellentrog weiter ostwärts und von Westen her
greift ein Höhenrücken bis zum Abend auf Nordwestdeutschland über.
Im Bodenfeld kann sich somit der Hochkeil weiter nach Deutschland ausweiten und
verstärken. Mit der nordwestlichen Bodenströmung wird aber weiterhin Meeresluft
polaren Ursprungs advehiert, die im Osten und Südosten in der Nähe zum Trog auch
noch labil geschichtet ist (meist aber unter 100 J/kg ML-Cape). Die ppw-Werte
gehen - außer im Osten und an den Küsten - auf unter 20 mm zurück.
Insgesamt sind somit nur noch vereinzelt kurze Schauer zu erwarten, im Westen
und Südwesten bleibt es meist trocken. Gewitter sind - wenn überhaupt - am
ehesten noch von Sachsen bis Bayern möglich. An den Alpen kann es in Staulagen
auch noch länger regnen, ICON-Nest und COSMO-EU simulieren dort bis knapp über
10 mm in 12 Stunden.
Der Wind frischt vor allem im Norden und Osten tagesgangbedingt nochmals auf,
vereinzelt kann es starke Böen (Bft. 7) aus Nordwest geben, an den Küsten und
auf exponierten Gipfeln auch stürmische Böen (Bft. 8).
Die Sonne zeigt sich am ehesten im Westen und Südwesten - wobei sich dort
allerdings die Quellwolken an der Absinkinversion in 800 hPa zeitweise auch
horizontal ausbreiten und Einstrahlung verhindern können - sowie an den Küsten.
Die Höchstwerte bewegen sich meist zwischen 14 und 19 Grad, mit Sonne können im
Westen bzw. Südwesten bis 21 Grad erreicht werden. Im Stau der Alpen bleibt es
dagegen eher noch kühler.
Samstag ... verlagert sich der Höhentrog über den Alpenraum in Richtung Adria,
sodass Deutschland zunehmend in den Bereich steigenden Luftdrucks gelangt.
Allerdings lenkt ein Tiefdruckgebiet westlich von Norwegen im Tagesverlauf eine
Warm- später auch eine Kaltfront in abgeschwächter Form von Westen über den
Norden Deutschland. Bis zum Abend sollten entsprechende Niederschläge besonders
den Nordwesten Deutschlands erfassen. Ansonsten zeigt sich bei wechselnder
Bewölkung häufig die Sonne, dies besonders vom Alpenrand bis zum Bayerischen
Wald. Der Wind weht allgemein nur schwach aus West und frisch im Umfeld der
Nordsee leicht böig auf. Die Höchstwerte liegen bei 20 bis 25 Grad, vom Saarland
bis nach Hessen bis 28 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Insgesamt wird die Verlagerung des Bodentiefs weiterhin sehr einheitlich von
Seiten der Modelle berechnet, morgen Abend mit einem Kerndruck von etwas unter
1000 hPa über dem nördlichen Zentralpolen. Zwar sind die Unsicherheiten der
Zugbahn innerhalb der Modelle gering und grundsätzlich ist eine etwas östlichere
Verlagerung des Bodentiefs in den bereits zur Verfügung stehenden 12
UTC-Modellläufen zu erkennen, doch bereits eine marginale Westverlagerung des
Tiefs würde vor allem für die Bereiche von der Oberlausitz und entlang der Oder
24-std. Regenmengen im Unwetterbereich bedeuten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy