DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-11-2019 18:01
SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 17.11.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im west- und südwestdeutschen Bergland Schneefall, teils runter bis in mittlere
Lagen. Im Laufe der Woche zunehmend antizyklonal und grenzschichtlastig.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... herrscht in Teilen Deutschlands - wieder mal, möchte man sagen -
eine sogenannte Gegenstromlage. Als Hauptantreiber fungieren ein Höhentief über
Norditalien, das im Laufe der kommenden Nacht die Schweiz (Glückwunsch zur
EM-Quali) nordwärts überquert und für Südwind in der mittleren und oberen
Troposphäre verantwortlich zeichnet. Zweites Glied in der Kette ist ein Leetief
knapp nördlich der Alpen, das um 15 UTC nahe Regensburg analysiert wurde, um von
dort in den nächsten Stunden langsam nord-nordwestwärts in Richtung
Norddeutschland zu ziehen. Seine vertikale Ausdehnung reicht vom Boden bis in
die untere Troposphäre, wo es den für´s Funktionieren des Gegenstroms nötigen
Wind aus nördlicher bis östlicher Richtung sorgt. Unter dem Strich wird dadurch
ein von Südwest nach Nordost exponierter, von der weiter östlich liegenden
Luftmassengrenze abgesetzter Korridor mit Niederschlag generiert. Dieser dreht
in der Nacht in seinem Nordteil noch etwas weiter nach Westen ein, während er in
seinem Südteil von den Vogesen her wieder zurück auf die deutsche Seite kommt.
Somit nimmt das Niederschlagsgebiet eine glatte Nord-Süd-Ausrichtung an, das von
der Nordsee bzw. dem Westteil SHs bis hinunter zum Schwarzwald reicht.

Die interessanteste Frage, die sich im Zusammenhang mit dieser Konstellation
stellt, ist die nach der Niederschlagsphase. Dazu muss man sich die thermische
Verteilung etwas genauer anschauen, die bereits am heutigen Tage einen nicht
wegzudiskutierenden Reiz hatte. So wurden am Nachmittag beispielsweise im
Bayerischen Wald knapp nördlich von Passau mit Hilfe von Einstrahlung und
orografischen Überströmungseffekten mollige 15 bis 17°C registriert, während es
gleichzeitig im Schwarzwald bei Schnee und Regen nur 0 bis +3°C, in den
Hochlagen sogar leichte Minusgrade angezeigt wurden. Ein solch großer Spread
wird trotz der unterschiedlichen Rahmenbedingungen in der Regel nicht in ein und
derselben Luftmasse erreicht, so auch in diesem Fall. Während von Südosten her
milde und durch Föhn z.T. noch zusätzlich erwärmte Luft mediterranen Ursprungs
nord- nordwestwärts vorstößt (T850 8 bis 12°C), hält sich im Westen und
Südwesten subpolare Meeresluft mit 850-hPa-Temperaturen von 0 bis -3°C. Und
genau diese Meereskaltluft breitet sich mit Winddrehung auf Südwest (südlich des
nach Norden ziehenden Tiefs) im Süden und Südwesten wieder ostwärts aus, wobei
sie sogar noch etwas kälter wird (bis zu -4°C). Vor diesem Hintergrund sinkt die
Schneefallgrenze in der Eifel und im Hunsrück bis zum Morgen auf etwa 400 m, im
Falle einer potenziellen kurzzeitigen Intensitätsverschärfung vorübergehend auch
etwas tiefer. Dabei kommen bis zum Morgen je nach Höhenlage 2 bis 7, in höheren
Staulagen um 10 cm Neuschnee runter, zumindest dann, wenn ICON rechtbehält. Die
externen Modelle fahren eine gedämpftere Schiene mit geringeren Mengen.
Geringere Mengen von nur wenigen Zentimetern dürfte es auch im Schwarzwald
geben, wo die Schneefallgrenze zwischen 400 und 600 m anzusiedeln ist.
Abgesetzt von den Ereignissen im Westen passiert wettertechnisch nicht allzu
viel. Hier und da bildet sich Nebel respektive der vor allem in der Mitte
tagsüber aufgetretene Mischungsnebel bleibt erhalten bzw. verdichtet sich noch.
Frost ist eigentlich nur in den mittleren und höheren Lagen der westlichen und
südwestlichen Mittelgebirge sowie an den Alpen ein Thema. Dort besteht
Glättegefahr, entweder durch Schnee/Schneematsch oder gefrierende Nässe. Ganz
anders die Situation in Sachsen, wo die Temperatur an manchen Orten
Schwierigkeiten bekommt, die 10°C-Marke zu unterschreiten, was wirklich nicht
alle Tage im November passiert.
Noch ein Wort zum Wind, der im ost- und südöstlichen Mittelgebirgsraum bis zum
Morgen nachlässt, dafür aus Südwesten kommend im Hochschwarzwald stark bis
stürmisch auffrischt. Auf den Alpengipfeln sind noch einzelne Sturmböen 8-9 Bft
um Südost möglich. Auffrischen tut der östliche Wind an der Ostsee, dort
allerdings nur mit wenigen 7er-Böen. Merklicher fällt die Windzunahme an und auf
der Nordsee aus, wo besonders in der zweiten Nachthälfte vermehrt Böen 7 Bft,
vereinzelt 8 Bft aus Nord bis Nordost auftreten.

Montag ... zieht o.e. Höhentief auf direktem Süd-Nord-Kurs via westliche Mitte
und Nordwestdeutschland gen Jütland. Gleichzeitig begibt sich das Bodentief
gegen Mittag wagemutig vom norddeutschen Festland auf die Nordsee, was dort
gleich mal ein Nachlassen des anfangs noch recht forsch auftretenden
Nord-Nordostwinds zur Folge hat. Die Kaltfront des Tiefs schwenkt
ost-nordostwärts über den Vorhersageraum hinweg, wodurch die postfrontale
Meereskaltluft (T850 -1 bis -5°C) weitere Gebiete insbesondere des Südens und
der Mitte flutet. Reste der milderen Mittelmeerluft halten sich aber noch in
Teilen Nord- und Ostdeutschlands, was 2m-Maxima von 10°C oder mehr zur Folge
hat.
Ansonsten wird im Norden und Osten sowie in der östlichen Mitte mit
Durchschwenken der Kaltfront etwas Regen generiert, der aber nur zeitweise und
auch nicht in besonders üppigen Portionen auftritt (unter 5 mm/12 h, vielfach
sogar unter 1 mm/12 h). Im Süden und Südosten bleibt es sogar ganz trocken mit
der Chance auf einige Auflockerungen ergo aufmunternden Sonnenstrahlen. Am
interessantesten bleibt die Wetterlage im Westen unterhalb des nach Norden
ziehenden Höhentiefs, wo es zu weiteren, teils schauerartig verstärkten
Niederschlägen kommt. Nach wie vor simuliert ICON die höchsten Raten mit einem
Peak von rund 25 mm/12 h in der Eifel. Support kommt am ehesten von GFS, während
die anderen Modelle zurückhaltender agieren. Bei aller Unsicherheit der
Vorhersage (Höhentiefs sind und bleiben Wundertüten) sollte im Warnmanagement
auf einen soliden Mittelweg zurückgegriffen werden mit nochmaligen Mengen von 2
bis 7, lokal um 10 cm oberhalb etwa 400 m in Hunsrück und Eifel. In
schauerartigen Intensitätsausschlägen kann die Schneefallgrenze auch mal auf
unter 400 m absinken. In den weiter östlich gelegenen westlichen Mittelgebirgen
(z.B. Sauerland, Taunus) kann es zwar auch mitunter etwas schneien, die große
Nummer zeichnet sich aber nicht ab.
Schneien tut es am Montag auch noch im Schwarzwald oberhalb 400 bis 600 m, im
Süden wahrscheinlich etwas mehr als im Norden, insgesamt aber in einem moderaten
Rahmen mit 1 bis 7 cm, in Staulagen lokal 10 cm, Tendenz am Nachmittag
nachlassend bzw. ganz aufhörend.
Der Südwestwind frischt am Vormittag in tiefen Lagen Süddeutschlands
gebietsweise vorübergehend mal auf mit Spitzen 7 Bft. Ansonsten konzentrieren
sich nennenswerte Windspitzen auf die Hochlagen einiger Mittelgebirge und der
Alpen, wobei der Hochschwarzwald mit einzelnen schweren Sturmböen 10 Bft den
Vogel abschießt.

In der Nacht zum Dienstag zieht das Höhentief weiter nach Norden, gute Reise.
Wie Phönix aus der Asche tritt über den Niederlanden aber ein neues Tief auf den
Plan, nicht groß, aber sichtbar. Das Bodentief bleibt derweil über der Nordsee
liegen, Tendenz nur extrem schleppend nordwärts ziehend. Auf seiner Südflanke
nimmt die einströmende, nicht mehr ganz so kalte Meeresluft (T850 +1 bis -3°C)
nun den gesamten Vorhersageraum ein. Gleichzeitig lassen die Niederschläge im
Westen nach respektive verlagern sich in den Norden, wo sie dann mit Ausnahme
des Oberharzes (sofern dort überhaupt was fällt) als Regen unten ankommen.
Frost incl. Glätte durch Reif oder gefrierende Nässe tritt vor allem im Süden
und Südosten sowie allgemein in den Mittelgebirgen auf. Stellenweise bildet sich
Nebel, was jetzt im November keinen aus den Puschen haut. Das trifft schon eher
auf den Wind in den Hochlagen der Mittelgebirge zu, auch wenn die in der Nacht
nur einen sehr überschaubaren Besucherandrang erleben dürften. Immerhin haut
MOS-Mix für den Brocken und den Ochsenkopf im Fichtelgebirge einige 11er-Böen
raus, was möglicherweise mit einem LLJ in Verbindung steht.

Dienstag ... verlagert sich das kleine Höhentief von den Niederlanden zur
deutschen Nordseeküste. Es verfügt über einen kleinen, nach Süden gerichteten
Randtrog, auf dessen Vorderseite etwas Hebung generiert wird. Entsprechend fällt
im Nordwesten, evtl. (noch Modellunterschiede) auch in der Mitte etwas Regen
oder Nieselregen.
Freundlicher sieht es im Osten aus, der dichter am blockierenden Monumentalhoch
über Westsibirien liegt, das übrigens seine Fühler in Form eines schmalen
Hochkeils bis zu uns ausweitet. Dabei kann sich insbesondere zwischen Erzgebirge
und Vorpommern ab und zu die Sonne durchsetzen bei Temperaturmaxima, die immer
noch um 10°C liegen. Ansonsten werden 2 bis 9°C angepeilt mit den höheren Werten
im Norden.
Der Wind in den Hochlagen zeigt eindeutig abnehmende Tendenz, dafür frischt der
westliche bis südliche Wind an den Küsten vorübergehend stark bis stürmisch auf.


Die Nacht zum Mittwoch steht im Zeichen leichten Zwischenhocheinfluss´, was die
Grenzschichtmeteorologie wieder stärker in den Blickpunkt rücken lässt. Kann
sein, dass es im Norden an dem kleinen Randtrog gebietsweise noch etwas regnet
oder nieselt, in den meisten Landesteilen bleibt es aber niederschlagsfrei. Die
Frostwahrscheinlichkeit nimmt tendenziell zu, auch wenn aufgrund der heterogenen
Bewölkungsprognose und möglicher Hochnebelproblematik eine genaue räumliche
Zuordnung derzeit noch schwerfällt. Bei längerem Aufklaren ist freilich auch
Nebel ein Thema.

Mittwoch ... wird der Höhentrog über dem nahen Ostatlantik regeneriert;
scheinbar gibt es keine anderen Wetterlagen mehr. Wie auch, wenn sich das fette
Hoch über Russland weiter aufpumpt auf über 1050 hPa im Zentrum. Kein Wunder
also, dass dadurch auch die blockierende Wirkung erhöht wird und sich
atlantische Störungen "einen Wolf laufen können", ohne substanziell einen Fuß in
die europäische Kontinentaltür zu bekommen.
So ist die Vorhersage mit wenigen Wortphrasen erledigt: im äußersten Westen
auflockernde Bewölkung und Sonnenschein, Gleiches in und an den Alpen sowie in
einigen Hochlagen (Inversion im Süden etwa bei 900 hPa, in der Mitte bei 850 bis
800 hPa). Im großen Rest überwiegend hochnebelartig bedeckt oder neblig trüb in
feinster Novembermanier. Höchstwerte 3 bis 9°C, bei zähem Nebel und vorheriger
kalter Nacht auch gerne mal in Gefrierpunktnähe.


Modellvergleich und -einschätzung
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Auch wenn die Basisfelder wie Potenzial und Luftdruck eine hohe Ähnlichkeit
aufweisen, beim Niederschlag und dessen Phase offenbaren sich doch nicht
unerhebliche Unterschiede. Es bleibt dabei, dass ICON und COSMO-D2 beim
Niederschlag im Westen am progressivsten vorgehen. Danach könnte man -
akkumuliert bis Dienstagfrüh - sogar über eine markante Dauerregenwarnung
nachdenken, was aufgrund der unsicheren Basis sowie einer nicht gegebenen
großflächigen Überschreitung von Warnschwellen aber verworfen wurde. Es zeigt
sich einmal mehr, dass die Modelle bei Meridionallagen durchaus ihre
Schwierigkeiten mit der Niederschlagsvorhersage haben - vor allem auch dann,
wenn zusätzlich noch Höhentiefs am Geschehen beteiligt sind.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann