DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-11-2019 17:01
SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 04.11.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Unbeständig und mild. Auf einigen Berggipfeln anfangs noch Sturmböen, im
Ostseeumfeld bis Dienstagabend (warntechnisch grenzwertiger) Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines mit einem
umfangreichen Trog ausgestatteten und hochreichenden Tiefdruckgebiet mit
Drehzentrum über dem Süden Englands. Dabei erstreckt sich ein Randtrog über
Norddeutschland hinweg ostwärts bis nach Nordpolen.
Im Laufe der Nacht weitet sich der Trog nach Frankreich bzw. zur Iberischen
Halbinsel aus, dabei verlagert sich das Höhentief allmählich südwärts Richtung
Bretagne und verliert etwas an Kontur. Übrig bleibt eine mit mehreren
Drehzentren ausgestattete Potenzialrinne, die sich über BeNeLux und
Norddeutschland hinweg bis zur südlichen Ostsee erstreckt.
An der Südflanke der Rinne verlagert sich ein kurzwelliger Randtrog im Laufe des
Abends und der Nacht über den Süden und die Mitte Deutschlands hinweg rasch
ostnordostwärts und schwächt sich dabei ab. Dabei gibt es vor allem unmittelbar
vorderseitig bzw. mit Trogpassage Schauer, kurze Gewitter (begleitet von Böen
Bft 7 bis 8) vor allem in den Abendstunden nicht ausgeschlossen. Von Südwesten
her klingen die Schauer alsbald wieder ab.
Ein weiterer kurzwelliger Troganteil erreicht in den Frühstunden des Dienstags
Zentral- bzw. Südfrankreich. Die von ihm ausgehenden trogvorderseitigen und vor
allem durch PVA induzierten Hebungsprozesse setzen eine schwache Zyklogenese
über Oberitalien in Gang. An deren Nordflanke setzen länger anhaltende
(Aufgleit)niederschläge ein, die im Laufe der zweiten Nachthälfte über die Alpen
hinweg nordwärts auch auf das bayerische Alpenvorland übergreifen und auch am
Dienstag tagsüber noch anhalten. Bis Mittwoch, 00 UTC können dabei (bevorzugt im
Berchtesgadener Land) in exponierten Staulagen die Warnschwellen für Dauerregen
überschritten werden, allerdings sinkt die Schneefallgrenze - je nach Intensität
der Niederschläge - auf etwa 1500 bis 1200 m, so dass wohl von einer
entsprechenden Warnung abgesehen werden kann.
Länger anhaltenden Regen gibt es auch im Nordosten bzw. äußersten Norden
Deutschlands, im Einflussbereich der fast quasistationären Trogrinne. Das
entsprechende Pendant am Boden verläuft in etwa von Ostvorpommern bis nach
Ostfriesland. An dessen Nordflanke hat sich eine Gegenstromlage eingestellt und
die daraus resultierenden Aufgleitniederschläge dauern auch den morgigen
Dienstag über an, wobei die Tiefdruckrinne tagsüber kaum nach Süden vorankommt.
Einige Modelle (insbesondere EURO4 von 00 und 06 UTC) simulieren im Ostseeumfeld
örtlich ein knappes Überschreiten der Warnschwellen für Dauerregen (über 30 mm
in 24 bzw. über 35 mm in 30 Stunden). Die Probabilistik hat allerdings kaum bis
keine Signale dafür auf der Agenda.
Von Warnrelevanz ist zunächst aber noch der Wind. Das Bodentief über Südengland
verlagert sich im Laufe der Nacht Richtung Nordwestfrankreich und beginnt sich
dabei aufzufüllen. An dessen Südwestflanke ist der Gradient über dem Süden
Deutschlands zunächst noch einigermaßen scharf ausgeprägt, beginnt aber, nach
Durchzug des oben erwähnten Kurzwellentroges allmählich aufzufächern. In den
Kamm- und Gipfellagen der Alpen und der süddeutschen Mittelgebirge reicht das
noch für stürmische Böen, vereinzelt Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus Südwest, auf
dem Feldberg im Schwarzwald eventuell auch für einzelne schwere Sturmböen (Bft
10). Ausgangs der Nacht beginnt der Wind aber sich abzuschwächen. Auch nördlich
der Tiefdruckrinne, also entlang der Ostseeküste, weht lebhafter Wind,
allerdings aus Ost bis Nordost. Eventuell reicht es auf Fehmarn, Rügen und
Hiddensee für einzelne Böen Bft 7.
Die Nacht verläuft erneut relativ mild und frostfrei und dort, wo es auch mal
länger auflockert - am ehesten in der Norddeutschen Tiefebene (also zwischen dem
Regen ganz im Norden und den Schauern weiter südlich) - kann sich gebietsweise
dichter Nebel bilden.

Dienstag ... kommt die Potenzialrinne respektive der Trog mit seiner Achse
zögernd nach Süden voran und erstreckt sich abends vom Baltikum über die
südliche Ostsee, die Norddeutsche Tiefebene und Westdeutschland bis nach
Frankreich. Der kurzwellige Randtrog über Südfrankreich verlagert sich nach
Norditalien und hält die Hebungsprozesse im Alpenraum zunächst noch aufrecht,
vorübergehend können sich die Niederschläge am Alpenrand sogar noch etwas
verstärken, ehe sie am Nachmittag und Abend allmählich an Intensität verlieren.
Auch im Norden gibt es im Bereich der Tiefdruckrinne bzw. an deren Nordflanke
weitere Regenfälle, die sich am Nachmittag bzw. Abend allmählich Richtung Süden
in Bewegung setzen.
Im Bereich des Troges ist die Luftmasse weiterhin labil geschichtet (T500 hPa:
-26 bis -28 Grad, T850 hPa: 0 bis 2 Grad), vor allem im Südwesten kann mit
Einstrahlung örtlich etwas Cape generiert werden (unter 100 J/kg).
Hebungsantrieb bieten neben der Orographie am ehesten noch flache kurzwellige
Troganteile, die sich an der Südflanke des Troges über Südwestdeutschland hinweg
nordostwärts verlagern. Das dürfte vor allem im Südwesten für einzelne Schauer
reichen, kurze Gewitter sind zwar nicht komplett ausgeschlossen, die
Wahrscheinlichkeit dafür ist aber wohl als sehr gering einzustufen.
Das Bodentief über Nordwestfrankreich füllt sich weiter auf, übrig bleibt
südlich der Tiefdruckrinne ein "Tiefdrucksumpf" über weiten Teilen des
Vorhersagegebietes. Im Trogbereich fächert der Gradient auch in der Höhe weiter
auf, so dass der Wind warntechnisch ab dem Vormittag keine Rolle mehr spielen
sollte.
Während es in Norddeutschland und an den Alpen überwiegend bedeckt bleibt, kann
sich ansonsten auch mal zeit- und gebietsweise die Sonne durchsetzen. An der
Nordflanke der Rinne sickert von Nordosten her skandinavische Kaltluft in den
äußersten Norden/Nordosten des Landes, die Temperatur in 850 hPa sinkt dort auf
knapp unter 0 Grad. Bei bedecktem Himmel werden dort - ebenso wie am Alpenrand -
nur Höchstwerte um 7 oder 8 Grad erreicht, sonst bleibt es mit 9 bis 14 Grad
recht mild.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Südteil des Troges von Frankreich
allmählich in den Westalpenraum, wodurch sich dessen Achse aufrichtet. Die
flache, sich etwas auffüllende Tiefdruckrinne im Bodenfeld bleibt dagegen mehr
oder weniger zonal ausgerichtet und kommt weiterhin nur geringfügig nach Süden
voran. Deren Achse verläuft morgens in etwa vom Norden Brandenburgs bis zum
Niederrhein. Nördlich der Achse gibt es vor allem über dem Norddeutschen
Tiefland weitere, allmählich an Intensität verlierende Regenfälle, wobei nur
noch gebietsweise mehr als 5 mm in 12 Stunden simuliert werden. In
Schleswig-Holstein klingen die Niederschläge allmählich ab, eventuell lockern
Richtung dänischer Grenze ausgangs der Nacht die Wolken etwas auf, dann können
die Temperaturen dort auf nahe 0 Grad sinken, allerdings dürfte der spürbare
(aber voraussichtlich nicht warnrelevante) Nordostwind selbst bei längerem
Auflockern Frost verhindern.
In der Mitte und im Süden bleibt es unterschiedlich bewölkt, bei längerem
Auflockern bildet sich rasch Nebel und am ehesten im Südosten bzw. in einigen
Mittelgebirgstälern ist dann auch mit Bodenfrost zu rechnen, in "Extremlagen"
leichter Luftfrost nicht ausgeschlossen. Vor allem im Südwesten - nahe der
Trogachse - kann es gebietsweise etwas regnen oder einzelne Schauer geben.

Mittwoch ... verlagert sich der Trog weiter ostwärts und füllt sich vor allem
über dem Vorhersagegebiet auf. Derweil kann sich ein Trog über Nordwesteuropa
durch kräftige rückseitige KLA regenerieren und befindet sich mit seinem
Drehzentrum abends über dem Nordwesten Irlands. Auf dessen Vorderseite nimmt die
westliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet sogar eine leicht
antizyklonale Kontur an.
Auch im Bodenfeld steigt der Luftdruck im Vorhersagegebiet an, im Süden etwas
stärker als im Norden, in hoher Auflösung ist dabei noch immer die flache
Tiefdruckrinne über Norddeutschland erkennbar. Nach wie vor gibt es dort auch
noch leichte Regenfälle (meist nur wenige mm), die sich auch auf den zentralen
Mittelgebirgsraum ausweiten, lediglich im Nordseeumfeld und in Teilen
Schleswig-Holsteins bleibt es voraussichtlich länger trocken.
Im Bereich der alternden, aber nach wie vor noch leicht labil geschichteten
Luftmasse über Süddeutschland können sich im Tagesverlauf erneut einzelne
Schauer bilden, die Gewitterwahrscheinlichkeit ist dabei eher noch geringer als
am Vortag.
Insgesamt sickert von Norden her etwas kühlere Luft ins Vorhersagegebiet, die
Temperaturen in 850 hPa liegen am Abend zwischen -4 Grad an der dänischen Grenze
und +2 Grad an den Alpen. Vor allem im Südosten kommt auch ab und zu mal die
Sonne durch, dabei sind Höchstwerte zwischen 7 und 12 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Donnerstag weitet sich der Höhentrog über Westeuropa weiter auf
die Britischen Inseln und Frankreich aus, dessen Drehzentrum befindet sich
morgens über Irland. Vorderseitig steilt die Höhenströmung über Deutschland
allmählich auf.
Das Frontensystem eines mit dem Trog korrespondierenden Dipol-Bodentiefs
(Drehzentren um 06 UTC über dem Südosten Irlands bzw. dem Westen Englands)
greift unter fortschreitendem Okklusionsprozess im Laufe der Nacht auf die
südwestliche Nordsee, Belgien und Frankreich über. Die flache Tiefdruckrinne
über Norddeutschlands füllt sich vollends auf, mit der auf Südwest bis Süd
drehenden Strömung werden die Niederschläge im Einflussbereich der Rinne etwas
nach Norden geführt und schwächen sich ab. Dennoch bleibt es im Norden und
Nordwesten überwiegend stark bewölkt bis bedeckt und auch im Westen werden die
Wolken mit Annäherung des Frontensystems dichter, bis auf einzelne Schauer
bleibt es dort aber noch meist trocken. Zugleich frischt der Wind vor allem in
höheren Lagen und an der Nordsee aus Süd bis Südost auf, ist aber (noch) nicht
warnrelevant.
Im Osten und Süden ist es teils aufgelockert bis gering bewölkt, teils aber auch
neblig trüb und es bleibt überwiegend trocken, gebietsweise bildet sich auch
dichter Nebel. In ungünstigen Lagen - vor allem an den Alpen sowie in einigen
Tälern der ostbayerischen und östlichen Mittelgebirge - kann es leichten Frost
geben.

Donnerstag ... greift eine erste Trogachse von Frankreich her auf Deutschland
über, wobei der aus PVA resultierende Hebungsantrieb auf dessen Vorderseite
durch KLA zunehmend kompensiert wird. Das Bodentief über England behält seine
Dipol-Struktur, kommt kaum weiter nach Osten voran und beginnt - nahezu
achsensenkrecht unterhalb des Höhentiefs gelegen - sich allmählich aufzufüllen.
Das weitgehend okkludierte Frontensystem greift mit schauerartigen Regenfällen
im Tagesverlauf auf den Westen und Nordwesten des Vorhersagegebietes über, die
Niederschläge kommen über der Nordhälfte dabei etwas schneller nach Osten voran,
als im Süden, wobei sie sich nach Süden zu vor allem nachmittags auch rasch
abschwächen. Dabei kommen auch ganz im Westen nur stellenweise mehr als 5 mm in
12 Stunden zusammen. Im Osten und Südosten bleibt es bis zum Abend noch trocken
und mit der zunehmend föhnigen Südströmung kann sich vor allem im Alpen- und
Erzgebirgsvorland länger die Sonne durchsetzen, wobei es auf exponierten
Alpengipfeln Böen Bft 8 bis 9 aus Süd geben kann.
In erster Linie mit Frontpassage frischt der Wind zunächst aus Süd bis Südost
auf und dreht in der Westhälfte auf Südwest. Vor allem in den Kamm- und
Gipfellagen des Schwarzwaldes, später aber auch einiger zentralen Mittelgebirge
und auf dem Brocken gibt es stürmische Böen oder Sturmböen, vielleicht reicht es
im Westen vorübergehend auch für steife Böen bis nach "ganz unten". Mit
Frontpassage kann auch das ein oder andere kurze Gewitter nicht ausgeschlossen
werden.
Die Höchstwerte ändern sich gegenüber dem Vortag kaum, lediglich am Alpen- und
Erzgebirgsnordrand wird es eventuell etwas milder.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Verteilung der Geopotenzial- und Druckgebilde wird von allen
Modellen sehr ähnlich simuliert. Kleinere Differenzen gibt es am ehesten bzgl.
der simulierten Regenmengen bis zur Nacht zum Mittwoch im Ostseeumfeld. GFS von
12 UTC hat dabei etwas höhere Mengen als ICON-EU auf der Karte.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff