Thema des Tages

21-10-2019 08:20

Physik zum Anfassen: Der Bernoulli-Effekt


Wieso klappt bei Sturm der Regenschirm um und warum können Flugzeuge
eigentlich fliegen? Der Bernoulli-Effekt liefert die Antwort!


Der Herbst! Einerseits verbindet man mit ihm gerne das in der
wärmenden Herbstsonne farbenfroh schimmernde Blattwerk der Bäume,
andererseits steht er natürlich auch ohne Frage für stürmisches und
regnerisches Wetter. Sturm und Regen - eine schlechte Kombi, wie vor
allem die Schirmträger unter uns zu berichten wissen, denn
typischerweise klappt der Schirm nach oben um, wenn der Wind darüber
hinweg pfeift. "Darüber hinweg"? Stimmt! Der Schirm klappt nach oben
um, wenn der Wind über ihn hinweg und nicht von unten in den Schirm
hineinweht. Schon irgendwie widersprüchlich, oder?

Was physikalisch dahinter steckt, hatte der schweizer Physiker Daniel
Bernoulli bereits im 18. Jahrhundert herausgefunden. Grob gesagt,
stellte er fest, dass Luft, die an einem bestimmten Ort schneller
strömt als in der Umgebung, an diesem Ort einen Unterdruck erzeugt.
Dieses bedeutende Phänomen wurde in der Folge nach seinem Entdecker
benannt und ist in der Wissenschaft seither als Bernoulli-Effekt
bekannt. Der entstehende Unterdruck bewirkt schließlich einen Sog,
der Objekte aus der Umgebung ansaugt.

Übertragen wir das mal auf den Regenschirm: Bei Windstille herrscht
über und unter dem Schirm derselbe Druck, sodass er in der Folge
keine Anstalten macht, seine Form verändern zu wollen. Wird der
Regenschirm nun aber vom Wind angeströmt, dann stellt er für den Wind
ein Hindernis dar. Um dieses zu umgehen, wird die Luft, die auf den
Schirm trifft, über ihn hinweg gelenkt. Ähnlich wie auf einer
Autobahn, auf der die Fahrbahn von zweien auf eine verengt wird,
verengt sich nun auch der Luftkanal über dem Regenschirm. Die
abgelenkte Luft quetscht sich nämlich zu derjenigen, die eh schon
über den Schirm weht. Wie in einer Düse wird die Luft nun über dem
Schirm beschleunigt (auch bekannt als sog. Venturi-Effekt), im
Vergleich zur Umgebungsluft strömt diese dort nun also schneller.
Daher (Stichwort Bernoulli-Effekt) nimmt der Druck über dem Schirm
ab, wohingegen er unter ihm nahezu gleichbleibt. Da ist er nun, der
oben erwähnte Unterdruck! Ist dieser stark genug, klappt der
Regenschirm letztendlich nach oben um.

Derselbe Effekt ist übrigens u.a. auch dafür verantwortlich, dass bei
schweren Stürmen Hausdächer abgedeckt werden oder Flugzeuge fliegen
können (Unterdruck über den Tragflächen).

Den Bernoulli-Effekt können Sie auch problemlos selbst ausprobieren.
Halten Sie beispielweise zwei Blätter Papier so, dass sich die beiden
Blattflächen "anschauen" und voneinander ein paar Zentimeter entfernt
sind. Pusten Sie nun von oben zwischen die beiden Blätter, nähern
sich die unteren Papierenden einander an und werden nicht, wie man
vielleicht denken würde, auseinander gedrückt. Oder falls Sie stolzer
Besitzer eines Tischtennisballs und eines Föns sind, föhnen Sie
einfach mal senkrecht nach oben und legen den Tischtennisball in den
Fönstrahl. Der Ball bleibt nun in diesem Strahl gefangen, selbst wenn
Sie den Fön leicht kippen.

In diesem Sinne: Viel Spaß beim Experimentieren!

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.10.2019

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