DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-10-2019 17:01
SXEU31 DWAV 191800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 19.10.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Südwesten und Westen bis in die Nacht zum Montag gebietsweise Dauerregen. In
den Alpen Föhn. Zu Beginn der kommenden Wiche verstärkt Hochdruckeinfluss und
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... ist die Wetterlage gewissermaßen eingefahren. Deutschland ist und
bleibt bis auf weiteres auf der Vorderseite eines Langwellentroges, dessen
Hauptachse am Abend von der Barentssee über Skandinavien und Großbritannien bis
westlich Portugal reicht. Durch einen an seiner Westflanke hereingelaufenen
Kurzwellentrog amplifiziert er sich mehr, als dass er mit seiner Achse weiter
Richtung Kontinent vorstößt. Deutschland liegt somit weiter unter einer
südwestlichen, langsam noch etwas aufsteilenden Höhenströmung. Am Boden findet
sich das alte, steuernde Zentraltief THILO über der Nordsee, das sich aber
achsensenkrecht unter einem der Trog-Drehzentren einer weiteren Auffüllung nicht
verschließen kann und für uns kaum mehr von Relevanz ist. Entwicklungsgünstig
auf der Vorderseite eines kurzwelligen, zur Biskaya schwenkenden Troganteils
befindet sich dafür ein Wellentief URBAN über Nordspanien, die für uns in der
Folge noch von Interesse sein wird. Stromab orientiert sich die in zwei
"Stränge" aufgespaltete Frontalzone (nur der südliche Strang ist analysiert)
quasi strömungsparallel über Deutschland, weist aber aufgrund allenfalls
schwacher synoptisch-skaliger Hebungsantriebe und nicht überbordend starker
Baroklinität vorübergehend vergleichsweise geringe Wetteraktivität auf. Dennoch
regnet es vom Südwesten und Westen über die Mitte bis in den Norden zeitweise,
ganz im Südwesten auch etwas kräftiger und mitunter schauerartig durchsetzt. Da
auf der warmen Seite der Frontalzone von Frankreich feuchte, und oberhalb der
stabilen Grenzschicht auch labile Subtropikluft herangeführt wird (MUCAPE von
wenigen 100 J/kg), sind durchaus auch eingelagerte Gewitter nicht gänzlich
auszuschließen. Deswegen ist die Wahrscheinlichkeit für das Überschreiten von
Dauerregenwarnschwellen dort noch am höchsten, eine entsprechende Warnung läuft
bereits. Auch auf der kalten Seite kommt es, angetrieben durch schwache PVA in
mäßig höhenkalter Luft zu schauerartigen Regenfällen mit geringem elektrischen
Potenzial. Der Südosten bekommt von alldem wenig mit, dort ist es meist trocken
und teilweise auch aufgelockert bewölkt. Verantwortlich dafür ist u.a. eine
Überströmung der Alpen, aufgrund dessen sich eine Föhnsituation eingestellt hat.
Diese ist bei einer nur mäßig starken, noch nicht allzu baroklinen Überströmung
und einer daraus resultierenden Druckdifferenz von rund 5 hPa zwischen
Alpennord- und südseite zunächst leichter Natur (Bft 9-10 auf Gipfeln, Bft 7 in
anfälligen Tälern). Apropos Wind: Per Definition warnwürdige, aber als
Einzelfall eingestufte Böen Bft 7-8, treten auch im Bergland auf, auf dem
Brocken kann es auch mal die Bft 9 sein.

In der Nacht zum Sonntag zieht sich der Langwellentrog, eingeklemmt zwischen
einem Rücken über dem Nordatlantik und einem Rücken, der vom zentralen
Mittelmeer bis nach Russland reicht, immer mehr in die Länge und neigt dazu,
multipel abzutropfen, ohne dass sich die Lage der Hauptachse groß verändert. Der
Kurzwellentrog über der Biskaya schwenkt derweil nach Nordspanien und stützt
dabei das Wellentief URBAN, das sich unter leichter Vertiefung nach
Südfrankreich verlagert. Stromab erweist sich die Strömungskonfiguration als
frontogenetisch, die dadurch wieder aufflammenden frontalen Hebungsprozessen
werden von WLA noch verstärkt. Die stärkste Hebung bleibt zwar über Frankreich,
dennoch sollten sich die Regenfälle an der wieder langsam nach Norden
vorankommenden Front von Südwesten wieder etwas verstärken. Dies könnte Start
einer (bis in die Nacht zum Montag andauernde) Dauerregensituation sein, die
nach jetzigem Stand zwischen Saar, Hunsrück und Eifel am wahrscheinlichsten ist.
Dort werden modellübergreifend zumindest stellenweise Niederschlagsmengen von um
oder knapp über 30 mm in 24 h simuliert. Die Wahrscheinlichkeiten sind vor allem
im ICON-EU-EPS mit 50-60% erhöht. LEPS und IFS-EPS sind noch zurückhaltend. Die
(abgehobene) Labilität in der feuchten Subtropikluft ist zwar nicht mehr ganz so
groß wie am Tage, dennoch treten am warmen Rand des frontalen Regenbandes
schauerartige Verstärkungen auf (erst Ba-Wü, später Saarland, RLP und Hessen).
Eingelagerte Gewitter sind weiterhin nicht ganz auszuschließen. Auf der kalten
Seite der Frontalzone im Nordwesten passiert dagegen nicht allzu viel, bei
wechselnder bis starker Bewölkung kommt es zu einzelnen Schauer. Im föhnigen
Südosten zeigen sich dagegen große Wolkenlücken, teils ist es klar. Dann bilden
sich in prädestinierten Flussniederungen und Tallagen (Donau, Naab etc.) einige,
dichte Nebelfelder. Die Höhenströmung steilt weiter auf und nimmt an Fahrt auf,
somit auch der Föhn in den Alpen. Die Druckdifferenz steigt auf 6-7 hPa, was auf
Gipfeln zu Böen Bft 10-11, in anfälligen Tälern zu Böen Bft 8 führt.


Sonntag ... tropft der Langwellentrog über England ab, das resultierende Cut-Off
verlagert sich zur Bretagne. Das Trogresiduum über der Nordsee hat noch nicht so
recht Kontakt zu der sich über Nordeuropa zonalisierenden Höhenströmung
aufgenommen und bleibt dadurch zunächst quasi ortsfest. Das durch einen etwas an
Kontur verlierenden, nach Frankreich schwenkenden Kurzwellentrog gestützte
Wellentief URBAN zieht bis zum Abend ohne große Intensitätsänderung (Kerndruck
ca. 1005 hPa) etwa in den Raum Paris. Von Dort aus erstreckt sich eine
Tiefdruckrinne bis zu einem Leetief an den Alpen. Die südsüdwestliche
Höhenströmung konturiert sich über Deutschland zwar zunehmend antizyklonal, eine
Kombination aus frontalen Prozessen und WLA-bedingter Hebung lässt an der noch
etwas nordwärts rückläufigen Warmfront länger anhaltende, mäßige Regenfälle zu
(insbesondere in einem Streifen von Rheinland-Pfalz über NRW bis nach
Niedersachsen, Holstein und Mecklenburg. Die daraus resultierende etwaige
Dauerregensituation für den Westen wurde oben bereits angesprochen. Neben der
Regionen zwischen Saar, Hunsrück und Eifel ist am Sonntag zudem auch ein
Streifen von der Eifel über das Bergische Land bis zum Sauerland und Ruhrgebiet
gefährdet. Sowohl die Probabilistik als auch die Deterministik sind dahingehend
aber noch sehr zurückhaltend. Lediglich das SuperHD hatte zuletzt mehr oder
weniger deutliche Signale für mehr als 25-30 mm in 12-24 Stunden. Am warmen Rand
des frontalen Regengebietes zeichnet sich ein schmaler Überlappungsbereich von
Instabilität und ausreichend Feuchte ab, sodass ein klein wenig Labilität
erzeigt wird, zumindest oberhalb der stabilen Grundschicht. Wahrscheinlich
bleibt es aber nur bei schauerartigen Verstärkungen. Ganz im Nordwesten regnet
es kaum, wenngleich die Bewölkung dicht bleibt. Weite Teile der Südosthälfte
(etwa südöstlich einer Linie Nordbaden-Lausitz) profitierend weiterhin von der
überströmungsbedingten Abtrocknung der Luftmasse über den Alpen, sodass es
vielfach sonnig oder locker bewölkt ist. Die Föhnsituation erreicht ihren
Höhepunkt mir einer anvisierten Druckdifferenz zwischen Alpennord- und -südseite
von knapp über 8 hPa. Auf Alpengipfeln pfeift der Wind in Böen mit Stärke Bft
10-11, exponiert möglicherweise sogar Bft 12, in anfälligen Föhntälern könnten
Sturmböen Bft 8-9 auftreten. Eventuell greift der Föhn sogar bis ins angrenzende
Vorland aus mit einzelnen Böen Bft 7. Bei der Temperatur stellt sich - passend
zur räumlichen Exposition - ein Südost-Nordwestgefälle ein (T850 von knapp 20
Grad am Alpenrand, nur 3 Grad in Schleswig). Während im Nordwesten und
Dauerregen kaum 15 Grad erreich werden, geht es mit Föhn am Alpenrand auf 25
oder 26 Grad rauf.

In der Nacht zum Montag zieht das Cut-Off zur Biskaya. Das Trogresiduum über der
Nordsee bekommt Schwung und schwenkt über Jütland zur Ostsee. Auf dessen
Vorderseite wird eine Tief induziert, das nach Karelien zieht. Zwischen
Trogresiduum und Cut-Off beginnen der von der Höhenantizyklone über dem Balkan
über Mitteleuropa zur Nordsee gerichtete Rücken und der vom Nordatlantik zu den
Britischen Inseln schwenkende Rücken eine Potenzialbrücke aufzubauen. Das
Wellentief URBAN füllt sich aufgrund nachlassender dynamischer Unterstützung
langsam auf und ist - zumindest nach ICON-Lesart - im Verlauf kaum mehr als
eigenständiges Tief erkennbar. Vielmehr bildet es mit dem sich vom Alpenrand
lösenden, nordostwärts gesteuerten Leetief eine Art Tiefdruckrinne, die von
Nordfrankreich über die nördliche Mitte Deutschland und Polen bis zum Tief über
Karelien reicht. Darin eingebettet ist auch die Frontalzone, an der es diagonal
vom Südwesten und Westen über die nördliche Mitte bis in den Nordosten regnet.
Die Niederschlagsintensität lässt insgesamt nach, weil die Front frontolytischen
Prozessen unterliegt und auch keine Unterstützung durch WLA mehr geleistet wird.
Weiter südöstlich bleibt es ruhig und trocken. Da sich von Westen aber
Wolkenfelder ausbreiten, ist die Nebelneigung etwas geringer als in der
Vornacht. Der Föhn bricht von Westen zwar nicht vollends zusammen, schwächt sich
aber insgesamt ab. Die Tiefsttemperaturen liegen, je nach Bewölkung, zwischen 13
und 5 Grad.



Montag ... zieht das Cut-Off vor die Küste Portugal. Die beiden o.e. Rücken sind
immer noch dabei, eine Brücke über der Nordsee zu schlagen. Das funktioniert
nicht ganz, Reste des Troges schlängeln sich ausgehend von dem Cut-Off über die
Nord- und Ostsee bis zum alten, bereits in Nordwestrussland eingetroffenen,
alten Trogresiduum. Das ändert aber nicht viel daran, dass es aus der Höhe
gesehen über Deutschland zunehmend antizyklonal zugeht. Auch am Boden steigt der
Druck durch NVA an, sodass sich ein Keil des etwas nach Norden verschobenen
Azorenhochs nach Süddeutschland schieben kann (und dort den Föhn im Tagesverlauf
endgültig beendet!). Über Norddeutschland finden sich noch Reste von URBAN bzw.
der Rinne. Die immer mehr zerfallende Frontalzone wird am Rande des Keils wieder
etwas nach Südosten gedrückt. An ihr regnet es vom Südwesten in den Norden und
Nordosten noch etwas, auch im Nordwesten sind nahe der Trog- und Tiefrudimente
noch schauerartige Regenfälle zu erwarten - wahrscheinlich ohne Warnrelevanz. Am
freundlichsten wird es noch im anfangs leicht föhnigen Südosten, wo in der
Warmluft nochmal Höchsttemperaturen über 20 Grad möglich sind, am östlichen
Alpenrand auch bis knapp 25 Grad. Ansonsten ist bei 13 bis 18 Grad meist
Schluss.

In der Nacht zum Dienstag ändert sich grundlegend nichts. Der Luftdruck steigt
weiter an, mittlerweile sollte sich am Boden eine Hochdruckbrücke über
Deutschland aufgebaut haben. Das zunehmende Absinken unterdrückt
niederschlagsbildende Prozesse immer mehr, allerdings hält sich in feuchter
Grundschicht recht verbreitet tiefe Stratusbewölkung - wo nicht, bildet sich
mitunter dichter Nebel. Wenigstens verhindert die Bewölkung und der Nebel allzu
tiefe Nachtwerte, die meist zwischen 11 und 5 Grad liegen.



Dienstag ... ist das Cut-Off mittlerweile über Spanien zu finden. Auf seiner
Vorderseite kommt über Nordafrika und dem westlichen Mittelmeer eine eine
kräftige Zyklogenese, die dort für Unwetter in Form von heftigen
Starkregenfällen, Gewittern und Sturmböen sorgt. Auch über dem Nordatlantik und
Nordeuropa stellt sich an einer gut ausgeprägten, zunächst nur leicht
mäandrierenden Frontalzone "Vollwetter" ein. Deutschland befindet sich
dazwischen in einer ungleich ruhigen Wetterzone. Am Rande der Höhenzyklone über
dem westlichen Balkan ist die südwestliche Höhenströmung überwiegend
antiyzklonal konturiert. Nur über dem Norden zeigt sich eine "zyklonale
Einbuchtung", als Folge hartnäckiger Trogrudimente über der Nordsee und
Südskandinavien. Trotzdem kann sich am Boden eine langgestreckte Hochdruckzone
mit Achse quer über Deutschland einnisten. Die nunmehr quer über der südlichen
Mitte angekommene, stark gealterte Luftmassengrenze kann so kaum
Wetterwirksamkeit entfalten. Es bleibt meist trocken, allerdings mitnichten
überall freundlich. Zum einen sorgen die Trogreste über dem Norden und
Nordwesten für viele Wolken, vielleicht sogar schlappe Schauer und auch sonst
dauert es, bis die Stratusbewölkung in der feuchten Grundschicht auflockert.
Teilweise halten sich auch zähe Nebelfelder, insbesondere in Flussniederungen.
Wenn sich Nebel und Hochnebel auflösen, kann sich die Sonne aber sehr wohl
längere Zeit zeigen. Dann steigt das Quecksilber immerhin auf 15 bis 19 Grad,
unter den Wolken im Norden und Nordwesten sowie im Dauernebel bleibt es kühler.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumigen Strukturen werden modellübergreifend kongruent simuliert.
Gewisse Unterschiede gibt es bezüglich der Regenmengen an der wellenden Front im
Zeitraum von Samstag- bis Sonntagabend. Insgesamt sind die Hinweise nicht
sonderlich erdrückend für Dauerregen im Westen. Eine markante Dauerregenwarnung
wurde dennoch prophylaktisch herausgegeben, wobei man sich im Wesentlichen an
den Wahrscheinlichkeiten der probabilistsichen Verfahren orientiert hat.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser