DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-10-2019 17:30
SXEU31 DWAV 181800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 18.10.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Wellende Kaltfront auf Wochenendurlaub in Deutschland - Fortdauer der milden und
weitgehend zyklonal geprägten Südwestlage mit zeitweiligen Regenfällen, die im
Südwesten am intensivsten ausfallen. In den Alpen aufkommender Südföhn.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland nach wie vor unter den Fittichen des
mittlerweile Dipolstatus erlangten, hochreichenden Zentraltiefs THILO über
UK/Irland respektive der Nordsee. Zwar ist der gute THILO ein alternder Geselle,
der es nur noch auf einen Kerndruck von etwas unter 995 hPa bringt, trotzdem
entpuppt er sich als zäher Bursche, dem aber im Laufe des bevorstehenden
Wochenendes wohl endgültig der Hahn abgedreht wird.
Zunächst mal gestaltet sich die Angelegenheit aber so, dass der in der
vorderseitig gegebenen südwestlichen Höhenströmung eingebettete markante KW-Trog
Norddeutschland nordostwärts überquert, was spätestens bis Mitternacht gelungen
sein dürfte. Die vorgelagerten konvektiven Linien, die ab heute Mittag in den
Bodenanalysen mit zwei Kaltfronten gewürdigt wurden, haben sich inzwischen
abgeschwächt. Vor allem von der südlichen, vom KW-Trog abgesetzten Linie ist
nicht mehr viel zu sehen. Im Nordosten, genau genommen in Vorpommer hingegen
kommt es anfangs noch zu einzelnen Gewittern, die wahrscheinlich aber nicht mehr
ganz so kräftig ausfallen wie zuvor weiter westlich, wo es nicht wenige
Meldungen von schweren Sturmböen 10 Bft gab.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich die beiden Kaltfronten nun wieder
zu einem schleifenden Exemplar vereinigen, das im Norden und in der Mitte weit
nach Osten vorangekommen ist, nach Süden hin aber zurückhängt. Somit liegen in
der Nacht weite Teile des Landes auf der Rückseite in frisch eingeflossener,
erwärmter Meeresluft subpolaren Ursprungs (T850 3 bis 7°C), einzig der Südosten
Bayern wehrt sich tapfer gegen eine Frontpassage (gealterte Warmluft mit T850
zwischen 8 und 11°C). Dort verlaufen die nächsten Stunden gering bewölkt oder
klar mit ein paar Nebelfeldern in Niederbayern und vielleicht am Inn.
Im großen Rest des Landes beruhigt sich das Wetter, soweit es das noch nicht
getan hat. Sowohl Wind als auch Niederschlag müssen teils spürbare Einbußen
hinnehmen. Was bleibt sind Böen 7-8 Bft, anfangs vereinzelt 9 Bft an und über
der Nordsee sowie in etwas abgeschwächter Form an der westlichen Ostsee.
Windanfällig bleiben auch die exponierten Hochlagen des Berglands, wobei der
Brocken mit 9er-Böen den unantastbaren König unter den Mittelgebirgskuppen
stellt. In den Alpen kommt ganz allmählich der Südföhn in Gang mit ersten
Sturmböen auf den Gipfeln.
Thema Niederschlag, während im Nordosten die letzten Schauer in die Binsen
gehen, meldet sich im Südwesten bereits die nächste Welle an. Unterstützt durch
schwache WLA breitet sich neuer Regen von der Schweiz und Ostfrankreich her über
Südbaden auf den Südwesten und gegen Morgen sogar auf Teile NRWs aus. Im
Südschwarzwald können dabei durchaus 10 bis 15 mm, lokal (Stau) vielleicht 20 mm
fallen, weswegen vor dem Hintergrund weiterer Niederschläge am Samstag eine
markante Dauerregenwarnung (bis Sonntagnacht) geschaltet wurde. Ansonsten halten
sich die Regenmengen aber in Grenzen (meist unter 5 mm/12 h). Erwähnenswert sind
auch noch die konvektiven Umlagerungen über der Nordsee, wo höhenkalte Luft
(T500 um -25°C) über rund 13-15°C warmen Oberflächenwasser ausreichende labile
Verhältnisse schaffen. Die meisten der auftretenden Schauer und Gewitter dürften
aber im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fallen.

Samstag ... setzt sich die bereits zuvor in Angriff genommene Austrogung über
dem nahen Ostatlantik respektive Westeuropa fort. Ein in die Rückseite des zuvor
eher breit aufgestellten Haupttrogs reinlaufender Randtrog sorgt für eine
substanzielle Amplifizierung, an dessen Ende ein gestandener LW-Trog mit positiv
geneigter Achse steht. Diese reicht am Ende des Tages ausgehend vom Drehzentrum
über der Nordsee bis hinunter zur Westküste der Iberischen Halbinsel (500 hPa).
Auf seiner Vorderseite baut sich ein ultralanger, von der Iberischen Halbinsel
bis nach Nordosteuropa reichender Südwestfetch auf, der mittemang über den
Vorhersageraum hinwegläuft. Die Konturierung der Isohypsen gestaltet sich
zunächst noch leicht zyklonal, um später in einen glatten, indifferenten Zustand
überzugehen.
Von der Höhe zum Boden, wo sich Doppeltief THILO unter weiterem Auffüllen und
einer zyklonalen 90°-Drehung zur Nordsee schleppt. Deutlich abgesetzt davon
verläuft die weiterhin zur Wellenbildung neigende Kaltfront diagonal von Südwest
nach Nordost exponiert über Deutschland, wobei zur Mittagszeit der größte Teil
des Landes immer noch postfrontal aufgestellt ist (T850 3-7°C). Die Regenfälle
aus dem Südwesten verlagern sich unter Abschwächung über die Mitte hinweg
nordostwärts, wobei 5 mm/6 h nur in isolierten Ausnahmefällen etwas
überschritten werden. Es dauert aber nicht lange, bis im äußersten Südwesten
(Teile BWs) neuer skaliger Regen einsetzt, dessen Schwerpunkt weiterhin im
Südschwarzwald zu finden ist.
In Westen und Norden hingegen nehmen die Niederschläge bei leichter Labilität
schauerartigen Charakter an. Die Gewitterneigung ist mangels ausreichend CAPE
eher gering, trotzdem können ein paar vereinzelte Blitze nicht ausgeschlossen
werden. Zwischen dem skaligen und dem konvektiven Regen zeichnet sich ein
kompensatorischer Streifen mit geringer Niederschlagsneigung ab, der etwa von MV
bis hinunter nach Hessen reicht. Ganz trocken bleibt es einmal mehr im Südosten
Bayerns, wo trotz einiger mittelhoher und hoher Wolken mit Föhnunterstützung
zeitweise die Sonne scheint.
Apropos Föhn, zwar bleibt die Druckdifferenz zwischen Bozen und Innsbruck
wahrscheinlich unter den gestern noch apostrophierten 8 hPa, gleichwohl schickt
sich der Südföhn aufgrund zunehmender Höhenwinde an, ein paar nachhaltige
Duftmarken zu setzen. Zwar liegt der Schwerpunkt weiter südlich, aber auch auf
deutscher Seite dürfte es auf den Gipfeln sowie exponierten Hochlagen für
Sturmböen 8-9 Bft, später vielleicht sogar 10 Bft reichen. Auch föhnanfällige
Täler könnten die ersten Windböen 7 Bft abbekommen, während ein Ausgreifen ins
südliche Alpenvorland zunächst eher unwahrscheinlich ist. Abseits vom Föhn
spielt der Wind morgen nur am Rande eine Rolle. Anfangs an und auf der Nordsee
noch ein paar Böen 7-8 Bft sowie tagsüber in exponierten Hochlagen 7-8, Brocken
9 Bft - that´s it.
Noch ein Wort zur Temperatur, die mit 14 bis 18°C im milden Bereich verharrt.
Noch wärmer wird es mit Föhnunterstützung im Südosten Bayerns (Anstieg T850 bis
Tagesende auf 12 bis 15°C), wo an einigen Orten wieder mal die 20°C-Marke
geknackt wird.

In der Nacht zum Sonntag ändert sich an der Großwetterlage nicht allzu viel. Die
wellende Front tendiert etwas nach Nordwesten, wodurch die zum Teil durch Föhn
abgetrocknete Warmluft aus dem Südosten Bayerns ebenfalls weiter nordwestwärts
vorankommt. Trotz des geringen Wasserdampfgehalts der Luft können bei klaren
Wolkenverhältnissen einige Nebelfelder an den Flussläufen Süddeutschlands nicht
ausgeschlossen werden.
Im Südwesten sorgt die gefühlt hundertste Wellenbildung für ein abermaliges
Aufleben der Regentätigkeit, die sich bis NWR, Hessen, Unterfranken und
vielleicht Thüringen ausweitet. Die Setzung des Schwerpunkts seitens der Modelle
gestaltet sich derzeit noch unscharf, es ist aber gut möglich (und synoptisch
auch nachvollziehbar), dass sich das Maximum etwas nach Nordwesten Richtung
Saarland/südliches RP verschiebt. Auf der Nordsee entwickeln sich auch in dieser
Nacht wieder Schauer und einzelne Gewitter, von denen am ehesten Helgoland und
die nordfriesische Küste was abbekommen könnten.
Bliebe nur noch der Föhn in den Alpen, der noch etwas zulegen soll mit der
Gefahr schwerer Sturmböen oder gar orkanartiger Böen (10 bis 11 Bft) in
exponierten Gipfellagen.

Sonntag ... heißt es langsam Abschied nehmen vom treuen THILO, dem es zwar
gelungen ist, über Südschweden ein weiteres kleines Randtief zu produzieren, der
ansonsten aber seine beeindruckende Karriere beendet. Dort, wo er einen Großteil
seines Daseins verbracht hat, nämlich über dem Osttalantik, hat sich inzwischen
ein veritables Hoch (MAJLA) niedergelassen, dessen weitgehend meridional
exponierte Divergenzachse vom Seegebiet südlich der Azoren bis zum Südrand des
Europäischen Nordmeers reich (12 UTC). Es wird gestützt von einem breiten
Höhenrücken, vor dem sich aber immer noch der o.e. positiv geneigte LW-Trog
befindet. Dieser tropft im Laufe des Tages über der Biscaya oder dem Norden der
Iberischen Halbinsel ab. Zwischen dem resultierenden Cut-Off-Tief und dem über
die Nordsee gen Südskandinavien schwenkenden nördlichen Residuum nutzen sowohl
der besagte "Atlantikrücken" als auch ein weiterer, von Südeuropa nordwestwärts
vorstoßender Höhenkeil die günstige Gelegenheit der Kontaktpflege. Auf die
Bodendruckverteilung hat die zunehmende Antizyklonalisierung in der Höhe
zunächst noch keine großen Auswirkungen, vor allem aber die nach wie vor bräsig
diagonal über dem Vorhersageraum liegende Kaltfront scheint völlig
unbeeindruckt.
Kurzum, während im Süden und Südosten verbreitet die Sonne scheint und die
Temperatur mit Unterstützung des weiterhin vorhandenen Südföhns (oben schweren
Sturmböen, in anfälligen Tälern stürmische Böen) fast ins Unendliche steigt
(T850 bis zu 18°, T2m bis zu 25, 26 oder gar 27°C an den Alpen sowie im
südlichen Vorland), steht im Westen und Norden ein regenreicher Sonntag auf der
Karte. Ja liebe Leute, so ungerecht kann Wetter sein, aber nun, seien wir froh,
dass es regnet. Der meiste Regen soll nach dem neuesten Lauf von ICON 12 UTC im
Saarland, RP, Hessen und dem südlichen NRW fallen, was von der räumlichen
Verteilung konsistent ist. Allerdings wurden die 12h-Mengen mit 10 bis 15 mm,
vereinzelt bis 20 mm gegenüber den Vorläufen etwas gestutzt. Von daher ist auch
immer noch nicht klar, ob sich in diesen Regionen möglicherweise eine
warnwürdige Dauerregenlage einstellt, zumal auch die externen Modelle derzeit
noch mit leichten Diskrepanzen aufwarten. Ganz im Nordwesten, etwa vom Emsland
über die Nordseeküste bis zum nördlichen SH fällt nur wenig oder gar kein Regen,
teilweise lockert es sogar etwas auf. Trotzdem wird es dort nicht wärmer als
13/14°C, was aber immer noch mild ist für einen 20. Oktober. Somit ergibt sich
ein Temperaturgradient von Südost nach Nordwest von über 10 Grad, was zwar nicht
schon mal dagewesen wäre, aber dennoch bemerkenswert ist.
Abgesehen vom Föhn spielt der Wind bei merklich auffächerndem Gradienten nur
noch in der untersten Kreisklasse.

In der Nacht zum Montag kräftig sich der von Südosten zur Nordsee vorstoßende
Höhenkeil, wodurch auch am Boden der Luftdruck langsam ansteigt. Trotzdem kommt
es an der immer noch präsenten Front im Norden und Westen zu weiteren
Regenfällen, die sich nach ICON aber zunehmend abschwächen sollen (GFS von 06
UTC sowie IFS von 00 UTC hingegen sehen im Westen und Nordwesten noch
gebietsweise 10 bis 20, lokal 25 mm innert 12 h). Noch ist die genaue
Bewölkungsprognose unsicher, aber dort, wo es aufklart, muss mit Nebel gerechnet
werden (zugegeben, keine besonders wertvolle, aber auch keine falsche Aussage).
Der Föhn in den Alpen bleibt bestehen.

Montag ... wölbt sich der Höhenkeil (mittlerweile ist es schon ein ordentlicher
Rücken) über Deutschland weiter auf, so dass das Setup in der Höhe eindeutig
antizyklonal geprägt ist. In Bodennähe hingegen hapert es mit der
Antizyklonalität noch etwas, weil unsere mittlerweile fast schon liebgewonnene
(zugegeben, Ansichtssache) wellende Kaltfront einfach nicht aufgeben will. Wo
sie sich am Montag genau rumtreibt und was sie dabei letztlich auslöst (in Form
von Regen), ist derzeit noch mit einigen Toleranzen ausgestattet. Wahrscheinlich
bleibt es im Osten und Südosten meist trocken und - zumindest anfangs - teils
aufgelockert. Ansonsten kann es noch zeitweise regnen, Tendenz aber eher
abschwächend. Abschwächen soll sich auch der Föhn, der anfangs noch lebhaft
unterwegs ist. Thermisch stehen Höchsttemperaturen von 13 bis 18°C, zwischen
Lausitz und Alpen 18 bis 23°C und im Chiemgau vielleicht sogar 25°C auf der
Karte.



Modellvergleich und -einschätzung
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In der Grundausrichtung herrscht weitgehend Konsens innerhalb des Modellpools.
Fragezeichen stehen hingegen noch hinter der genauen räumlichen Verteilung und
Intensität der bevorstehenden Regenfälle, was bei zyklonalen Südwestlagen (SWz)
mit schleifenden respektive wellenden Fronten ganz normal ist. Von daher ist
auch noch nicht sicher, ob am Wochenende neben der bereits veröffentlichten
Dauerregenwarnung im Südschwarzwald weitere Warnungen für den Südwesten
notwendig werden. Hier gilt es, das Thema nach Sichtung der neusten Modellläufe
in der morgigen Frühkonferenz zu besprechen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann