DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-10-2019 18:01
SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 17.10.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Freitag organisierte Gewitter mit Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite des umfangreichen und
hochreichenden Tiefs THILO über dem östlichen nahen Atlantik. Auf dessen
Vorderseite werden bis auf Weiteres bei einer hochreichenden Südwestanströmung
milde und feuchte Luftmassen nach Deutschland advehiert. Insgesamt füllt sich
der alternde Tiefdruckkomplex THILO langsam auf. Eingelagert in der
südwestlichen Strömung befindet sich eine wellende Kaltfront, die sich bis zum
Teiltief THILO 2 über der nördlichen Nordsee erstreckt. Zugehörig zur Welle, die
aktuell von Frankreich auf den Westen übergreift, setzt verbreitet leichter bis
mäßiger Regen ein. Die untere Troposphäre ist aber stabil geschichtet, so dass
vorerst keine Gewitter erwartet werden.
In der Nacht zu Freitag überquert die Welle quasi diagonal von Südwesten nach
Nordosten Deutschland. Lokal können dabei im Weststau der Mittelgebirge in 6 h
Mengen zwischen 10 bis 15 mm (COSMO-D2) fallen. Es bleibt schwachwindig, einzig
auf dem Brocken und Feldberg treten weiterhin einzelne stürmische Böen aus
Südwest bis West auf. Gleichzeitig verstärkt sich ausgehend von Zentraltief
THILO, was sich nun über Westirland befindet, ein Randtrog. er greift ausgangs
der Nacht auf Frankreich über. Auf dessen Vorderseite setzt Hebung ein. Über
Deutschland bleibt es verbreitet bedeckt, nur im Südosten sind auch Wolkenlücken
zu erkennen. Die Nachttemperaturen befinden sich verbreitet im zweistelligen
Bereich (+8 bis +13 Grad) so das an winterliche Bedingen noch gar nicht zu
denken ist. Nur am östlichen Alpenrand könnte es etwas kühler mit Tiefstwerten
bis +4 Grad werden.

Freitag ... greift der Randtrog mit ausgeprägten IPV Maximum langsam auf den
Nordwesten Deutschlands über. Mit einer hohen Scherung (um 35 m/s zwischen 0-6
km; bis 16 m/s in 0-1 km), einem gewissen CAPE um 250 J/Kg, PPWs zwischen 20 und
25 mm und auch schon recht hohen Winden in 850 hPa (um und leicht über 40 kn)
ist die Zutatenliste für organisierte Zellen durchaus respektabel. Es könnte
durchaus ausreichen, damit sich linienhafte evtl. gekrümmte Strukturen
ausbilden. Mögliche Begleiterscheinung der Konvektion sind wahrscheinlich
Sturmböen BFT 9 evtl. auch schwere Sturmböen bis 100 km/h, Starkregen um 15 oder
20 mm in kurzer Zeit (Verlagerungsgeschwindigkeit sollte aber auch echt hoch
sein.) und Hagel. Im Süden werden zwar ebenfalls an bzw. auch vor der
Frontalzone Konvektion bzw. Gewitter erwartet, jedoch fehlt dort etwas die
Dynamik. Dennoch Ocker Gewitter sind dort aufgrund von Starkregen mit der etwas
langsameren Zuggeschwindigkeit und mit PPWs um 25 mm wahrscheinlich. Aber auch
dort können Böen der Stärke 8 bis 9 BFT auftreten.

Auch unabhängig von den konvektionsbedingten Böen frischt der Wind mit der
Zunahme des Druckgradienten vor allen auf den Bergen und im Nordwesten auf. Das
Zentraltief füllt sich zwar im Tagesverlauf immer mehr auf, jedoch verlagert es
sich auch noch etwas nach Osten, wobei es erneut zu einer Teiltiefbildung über
der Nordsee kommt. Damit verstärkt sich der Druckgradient, der vor allem an der
Nordseeküste für Böen der Stärke 8 BFT, auf den Inseln aber auch BFT 9 sorgt. Im
angrenzenden Binnenland bzw. in NRW und Niedersachsen werden ebenfalls Böen der
Stärke 7 BFT aus vorwiegend Südwest erwartet. In den höheren Mittelgebirgen sind
auch stürmische Böen oder Sturmböen zwischen 70 und 85 km/h aus Südwest möglich.
Lange hält das Vergnügen aber nicht an, bereits 18 UTC verlässt uns der Randtrog
bzw. die Kaltfront nach Nordosten. Der Gradient fächert auf und die Böen lassen
rasch nach. Über der Mitte bzw. im Süden wird die Frontalzone aber erneut von
einer Wellenbildung über Frankreich zurückgehalten.
In der Nacht zu Samstag lockert es im Nordwesten (hinter der Front) auf. Im
Süden sind bei starker Bewölkung entlang der Frontalzone leichte Niederschläge
nicht ganz ausgeschlossen. Die Konvektion lässt mit Tagesgang und mit der
leichten antizyklonalen Krümmung im Bodendruckfeld rasch nach. Nur an der
Nordsee könnte es noch zu einzelnen Windböen (um 55 km/h) aus Süd-Südwest
kommen.

Samstag ... erreicht das Tief THILO Mittelengland (12 UTC - 1000 hPa Kerndruck).
Der dazugehörige Höhentrog verstärkt sich derweil. Verantwortlich dafür ist ein
kurzwelliger Randtrog, der sich bereits am Freitag vom Seegebiet südlich Kap
Farvels vom Haupttrog über der Labradorsee ablöst und nach Südosten vorstößt.
Dabei läuft er zunehmend in die Rückseite des bis dato eher rundlich geformten
Troges über dem nahen Ostatlantik, was am Samstag schließlich zu einer
substanziellen Amplitudenvergrößerung führt. Zum Tagesende reicht seine positiv
geneigte Achse von England bis hinunter zur Ostküste der Iberischen Halbinsel.
Für uns ergibt sich daraus eine zunehmende, leicht aufsteilende südwestliche
Höhenströmung, die in den Alpen den Südföhn befeuert. Der speist sich aber auch
aus dem zunehmenden Druckgradienten zwischen Süd- und Nordalpen. So steigt die
Druckdifferenz zwischen Bozen und Innsbruck auf rund 8 hPa, was reichen könnte,
den Föhn bis ins südliche Alpenvorland übergreifen zu lassen. In den Hochlagen
können Sturmböen 8-10 BFT auftreten.

Der wellengetriggerte Regen greift in der Frühe auf den Südwesten über und
verlagert sich mit Abschwächungstendenzen bis zum Abend nach Norden und zieht in
der Nacht zu Sonntag nordwärts ab. Dahinter kommt es noch zu einzelnen Schauern
oder sogar kurzen Gewittern, bevor der Regen Richtung Schwarzwald am Nachmittag
und Abend wieder stärker wird.
Im Westen und Nordwesten nimmt die Regenwahrscheinlichkeit im Tagesverlauf
ebenfalls zu, was einem weiteren nordostwärts schwenkenden KW-Trog nebst
korrespondierendem Bodentrog geschuldet ist.
Windmäßig sind außerhalb des Föhns nur noch die Hochlagen einiger Mittelgebirge
von Interesse, wo sich der Süd-Südwestwind in Böen auf Sturmstärke 8-9 Bft
hochschaukeln kann. Temperaturmäßig stehen weiterhin 14 bis 19°C auf der Karte,
in Südostbayern sogar 20°C oder 1-2 Grad mehr, bei länger andauerndem Regen im
Mittelgebirgsraum etwas weniger.

Sonntag ... befindet sich das ehemals veritable Tief THEO mit einem Kerndruck um
1005 hPa über der Nordsee. Der Langwellentrog hat nun auf die Iberische
Halbinsel übergegriffen. Dabei verstärkt sich am Boden das korrespondierende
Tief leicht. Im Laufe des Tages tropft der Langwellentrog über Südwesteuropa ab,
wobei die Anströmung wieder etwas aufsteilt und die zum einen zu einer
Verstärkung des Föhns sorgen dürfte und zum andern für einen Schwall sehr milder
Luftmassen mit T850 hPa um 15 Grad in den Süden des Landes advehiert. Dort
werden für Oktober doch sehr milde Tagesmaxima zwischen 18 und 22 Grad erwartet.
In der Mitte und im Norden, wo die Frontalzone für starke Bewölkung und auch für
mäßige bis kräftige Regenfälle sorgt, bleibt es mit Werten zwischen 14 und 18
Grad etwas kühler. Die aktuellen ICON und ECMWF Läufe simulieren für RLP auch
länger anhaltende und evtl. warnwürdige Niederschläge, hohe Wahrscheinlichkeiten
für Dauerregen gibt es aber nicht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Auch wenn fast alle betrachteten Modelle ähnliche Zutaten für Freitag
bereithalten, wird die mögliche Gewitterlage teils sehr unterschiedlich
simuliert. AROME sieht die Lage sehr kritisch mit einer Ausbildung einer
kräftigen Schauer- und Gewitterlinie mit verbreitet schweren Sturmböen bis in
den Unwetterbereich. Die Deutsche Kette, aber auch GFS schwächeln etwas.

Generell ist das Potenzial für organisierte Zellen vorhanden. Bei den
Höhenwinden sind Sturm bzw. schwere Sturmböen durchaus realistische Begleiter
für Gewitter.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christina Speicher