Thema des Tages

16-10-2019 08:20

Ein Waschbrett auf dem Satellitenbild

Am Vormittag des vergangenen Samstags konnte man auf dem
Satellitenbild waschbrettartige Wolken bewundern - sogenannte
Leewellen. Wie diese entstehen wird heute erläutert.

Beim Wort Waschbrett denken ältere Hausfrauen noch an die
Kleidungswäsche aus der guten (oder doch eher beschwerlichen?) alten
Zeit und Testosteron-affine Männer an das nächste Krafttraining in
der Muckibude. Wolken kommen dabei wohl bei den Wenigsten in den
Sinn. Beim Blick aufs Satellitenbild konnte man aber am vergangenen
Samstag für mehrere Stunden waschbrettartige Wolkenstrukturen
entdecken (siehe Animation).


Diese Wolkenmuster entstehen durch eine spezielle Form der
Schwerewellen. Schwerewellen gibt es nicht nur in der Luft, sondern
z.B. auch im Wasser. Stellen wir uns daher der Einfachheit halber
zunächst ein Hindernis in einem fließenden Gewässer vor. Je nach
Fließgeschwindigkeit sowie der Form und Größe des Hindernisses kann
es entweder an seinen beiden Enden vom Wasser umströmt oder
überströmt werden. Ist das Hindernis relativ schmal oder die
Fließgeschwindigkeit gering, überwiegt das Umströmen des
Hindernisses. Je höher die Fließgeschwindigkeit oder je breiter das
Hindernis, desto wahrscheinlicher wird es, dass ein Teil des Wassers
das Hindernis überströmt. Während das fließende Wasser vor dem
Hindernis eine mehr oder weniger glatte Oberfläche besitzt,
beobachtet man hinter dem überströmten Hindernis eine wellenförmige
Wasseroberfläche.


Ähnlich verhält sich auch die Luft, wenn sie sich auf ein ausreichend
großes Hindernis zubewegt. Während ein einzelner Berg häufig noch von
der Luft umströmt werden kann, wird ein Überströmen bei einer
senkrecht zur Windrichtung ausgerichteten Gebirgskette mit
zunehmender Windgeschwindigkeit immer wahrscheinlicher. Beim
Überströmen entstehen (wie im Wasser) auf der Leeseite wellenartige
Luftbewegungen, weshalb man diese Strömung auch als "Leewellen"
bezeichnet.


Eine weitere Voraussetzung für Leewellen ist eine stabile
Atmosphärenschichtung. Um dies zu verstehen, stelle man sich ein
Luftpaket vor, das sich mit dem Wind auf die Bergkette zubewegt. Wird
nun das Gebirge überströmt, so wird das Luftpaket vertikal nach oben
aus seinem Gleichgewichtszustand abgelenkt (siehe Skizze). Bei einer
instabilen (labilen) Schichtung würde das nach oben ausgelenkte
Luftpaket eine beschleunigte Vertikalbewegung erfahren und in immer
größere Höhen aufsteigen. Dies ist einer der Gründe, warum sich oft
über den Mittelgebirgen die ersten Gewitterzellen ausbilden. Bei
einer stabilen Schichtung hingegen ist die Schwerkraft dominant und
sorgt dafür, dass sich das nach oben ausgelenkte Luftpaket wieder
nach unten bewegt, daher die Bezeichnung "Schwerewelle". So entsteht
eine schwingende Bewegung um den Gleichgewichtszustand, ähnlich einer
Feder, die man nach oben zieht und anschließend loslässt. Auf diese
Weise bildet sich auf der Leeseite eine Art "stehende Welle" aus.


Der in der Atmosphäre enthaltene Wasserdampf macht diese
Wellenbewegung in Form von Wolken sichtbar. Bei jeder
Aufstiegsbewegung kühlt die Luft ab und der Wasserdampf kondensiert
zu Wolken. Umgekehrt erwärmt sich die Luft bei der Abwärtsbewegung
wieder, das Wolkenwasser verdunstet und die Wolke löst sich wieder
auf. So entstehen waschbrettartige Wolkenmuster. Dabei hängt die
Wellenlänge (also der Abstand zwischen zwei Wolkenbändern) sowohl von
der Windgeschwindigkeit als auch von der Stabilität der Atmosphäre
ab. Je schwächer der Wind und je stabiler die Atmosphäre, desto
kurzwelliger sind die Wellen (wie eine harte Feder, die schneller
schwingt als eine weiche Feder).


Kommen wir nun zum vergangenen Samstag zurück. Es war eine
ausgeprägte westsüdwestliche Strömung vorherrschend und über
Norddeutschland lag noch eine Warmfront mit dichten Wolkenfeldern,
aus denen es etwas regnete. Weiter südlich schlossen sich die
Leewolken an. Dabei stellten die Bergketten von Eifel, Bergischem
Land, Teutoburger Wald und Nordhessischem Bergland ideal
ausgerichtete Hindernisse für die vorherrschende Strömung dar. In der
Animation ist schön zu sehen, dass sich im Norden die Wolken mit dem
Wind ostwärts bewegen, während die Leewellen an Ort und Stelle
verbleiben ("stehende Welle"). Noch weiter südlich war die Luft
bereits so trocken, dass die Leewellen, die auch dort mit hoher
Wahrscheinlichkeit auftraten, keine Wolken mehr ausbilden konnten.


Leewellen sind gar nicht so selten. Man muss auf Satellitenbildern
meist nicht lange suchen, um wellenartige Wolken zu finden. Während
sie vom Weltall aus gesehen für interessante Muster sorgen, sind sie
vom Boden aus betrachtet oft eher unspektakulär. Auch am Samstag
wunderte man sich allenfalls, warum man unter einer Leewolke über
lange Zeit im Schatten stand, während beim Blick nach Westen und
Osten dauerhaft blauer Himmel zu sehen war.


Dr. rer. nat. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.10.2019

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