Thema des Tages

13-10-2019 07:50

Aus der Tiefe die aufgeraute See betrachten

Hatten Sie beim Blick hinauf zu den Wolken schon einmal das Gefühl,
sich im Ozean zu befinden und die durch einen Sturm aufgewühlte
Wasseroberfläche aus der Tiefe zu betrachten? Genau dann haben Sie
vermutlich Wolken mit dem Zusatz "asperitas" gesehen.

Im Wolkenatlas der Weltorganisation der Meteorologie wird der Begriff
"asperitas" unter "Zusatzmerkmal von Wolken" geführt und wie folgt
definiert: "Wolken mit dem Zusatz "asperitas" haben eine
gutausgeprägte, wellenförmige Struktur an der Unterseite. Sie muten
chaotisch an und sind weniger horizontal organisiert als Wolken mit
dem Zusatz "undulatus". Sie zeichnen sich durch stehende Wellen in
der Wolkenbasis aus. Diese ist entweder glatt oder von kleinen
Charakteristika durchzogen, die sich wiederum manchmal zu scharfen
Kanten herabsenken. Es sehe aus, als würde eine aufgeraute See von
unten betrachtet werden. Ein dramatischer Anblick kann sich durch die
Lichtdurchflutung der unterschiedlich dicken Wolkenschichten bieten."


"Asperitas" stammt aus dem Lateinischen von "asper" für rau, uneben,
stürmisch. Asperitaswolken treten relativ selten auf und sind
vermutlich aus diesem Grunde bisher noch nicht gut erforscht. Sie
gehören seit 2009 zu den Wolkenarten, wurden aber erst kürzlich, im
März 2017, in den internationalen Wolkenatlas aufgenommen. Dennoch
bestehen Theorien über deren Entstehung. So hat ein Team von
Wissenschaftlern Fotoaufnahmen von Asperitaswolken, die von Bürgern
zur Verfügung gestellt wurden, gesammelt. Auf deren Grundlage und mit
Hilfe meteorologischer Daten haben die Forscher versucht, die
atmosphärischen Bedingungen näher zu bestimmen, die zu dieser neu
erkannten Wolkenart führen. Ihre Erkenntnisse haben sie in einem
Artikel, der von der Royal Meteorological Society herausgegeben
wurde, zusammengefasst.

Die Wissenschaftler kamen zu folgenden Schlüssen: Asperitas haben
eine raue, aber nicht vollkommen wellenförmige Wolkenbasis. Ihre
Bildung ist nicht an eine schmale geographische Region oder an eine
bestimmte Zeit des Jahres gebunden. Sie entstehen allem Anschein nach
in Verbindung mit schwachen Schwingungsbewegungen. Oszillation kann
relativ leicht unter verschiedenen atmosphärischen Bedingungen
hervorgerufen werden, beispielsweise durch orografische Effekte
(Leewellen), Windscherung (Änderung der Windgeschwindigkeit/-richtung
mit der Höhe), Konvektion (siehe DWD-Lexikon) oder Ungleichgewichte
in der großräumigen Strömung, die atmosphärische Schwerewellen
erzeugen.

Andere Forscher fanden heraus, dass die Entstehung der für Asperitas
typischen aufgerauten Wolkenbasis weitgehend mit lokalen Turbulenzen
verbunden sein muss. Diese Turbulenzen werden durch Instabilität oder
Scherung an einer Wolke-Luft-Grenzschicht erzeugt. Nun wird es etwas
komplexer: Während die Wolkenbasis stabil geschichtet ist, kann
Windscherung für eine Schwingungsbewegung sorgen
(Kelvin-Helmholtz-Instabilität). Eine solche Instabilität wird häufig
an der Wolkenoberkante beobachtet (zeigen sich als sog.
"Kelvin-Helmholtz-Wellen", siehe beigefügtes Foto). Asperitas treten
aber an der Wolkenunterkante auf. Asperitas-Formationen könnten somit
seltene Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten an der Wolkenbasis sein.
Ebenso ist es möglich, dass Asperitas durch einen unvollständigen
abwärts gerichteten Transport der Instabilität von der
Wolkenoberkante zur Wolkenbasis entstehen, solange die Wolkenschicht
ausreichend dünn ist. Die dadurch hervorgerufenen unregelmäßigen
Formen an der Wolkenbasis würden dann von der stabilen Luftschicht
darunter geblockt und geformt werden.

Selbst die Wissenschaftler haben die Entstehungsmechanismen noch
nicht abschließend erforscht, sondern haben Theorien zur Bildung von
Asperitas aufgezeigt. Wie auch immer Wolken diese wunderschöne
Gestalt annehmen, sie sind auf jeden Fall ein absoluter Hingucker!
Falls Sie mal in den Genuss von Asperitaswolken kommen, würden wir
uns freuen, einen Blick auf Ihre Fotografien zu werfen! Zu guter
Letzt sei Ihnen noch ein Video eines professionellen Stormchasers,
Filmemachers und Fotografen empfohlen: https://bit.ly/2s0uDee
Genießen Sie die Aufnahme!


Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.10.2019

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