DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-09-2019 17:01
SXEU31 DWAV 161800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 16.09.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Dienstag im Norden und Osten erster kleiner Herbststurm, vor allem an der
Ostsee mit schweren Sturmböen und kurzen Gewittern. Auch im Süden kühler.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befinden wir uns auf der Rückseite eines Langwellentroges, dessen
Hauptachse über dem Baltikum bis zum Balkan nach Süden verläuft. Die Struktur
des Höhentiefs ist dabei komplexer (da mehrkernig) Natur. Es lassen sich aber
die Schwerpunkte über der Haltenbank und Karelien ausmachen. Dem steht eine
kräftige, hochreichende Antizyklone südwestlich von Irland gegenüber. Folglich
haben wir es mit einer nordwestlichen Strömung zu tun, die in Küstennähe (wegen
der Nähe zum Tief) deutlich stärker ausgeprägt ist, als nach Süden zu. Auf der
rechten Jetausgangsseite wird durch Absinken am Boden eine Keilachse des
Atlantikhochs gestützt.
In das eher antizyklonale Strömungsumfeld ist nun aber noch eine
Luftmassengrenze eingelagert, die erwärmte Meeresluft polaren Ursprungs im
Norden von warmer Subtropikluft im Süden trennt (im Süden heute nochmals ein
sonniger Spätsommertag mit Höchstwerten bis nahe 30 Grad - Revival nächstes
Wochenende?). Sie hat aktuell die Gebiete von Main und Mosel erreicht. Deren
Wetterwirksamkeit ist durch die beschriebenen Prozesse arg limitiert, so dass im
Frontbereich auch über die Nacht hinweg allenfalls homöopathische Regenmengen
von 1 bis 3 Liter pro Quadratmeter, in Weststaulagen von Rhön und Fichtelgebirge
allenfalls um 5 l/qm binnen 6 Stunden auftreten.
Postfrontal fällt auf, dass es C-D2 massiv aufgehen lässt, was zwischen Harz und
Eifel verbreitet Nebelbildung zur Folge hat. Der Vergleich mit externen
Modellen, die in der Grenzschichtmeteorologie Vorteile besitzen (UM, AROME,
Super HD) legen allerdings den Schluss nahe, dass Auflockerungen nur zeit- und
gebietsweise auftreten. Dadurch wird sich in windgeschützten Lagen an den
Nordrändern der Mittelgebirge örtlich schon mal Nebel bilden, ein großer
"Nebelteppich" über der Mitte ist aber unwahrscheinlich. Die Keilachse liegt
eher über Benelux und mit der schwachen Nordwestströmung hält die
niedertroposphärische Zufuhr feuchter Luft an, was ST/SC-Felder begünstigt. An
der Küste nähert sich zum Morgen der Randtrog des "Haltenbankkerns" an, der
inzwischen im Raum Oslo angelangt ist. Damit kommt eine zweite Kaltfrontstaffel
mit leichten Regenfällen an, die konvektiv durchsetzt sein können. Der Wind
erreicht an der See wieder verbreiteter in Böen Stärke 7, exponiert 8 Bft.
Im präfrontalen Bereich zwischen Freiburg und Passau verläuft die Nacht ruhig
mit lokalen Nebelfeldern und einem geringen Schauerrisiko am Alpenrand (MU CAPE
bei rund 100 J/kg - ähnlich wie an der See).
Die Tiefstwerte liegen zwischen 10 und 7 Grad, unter den Wolken und an der See
zwischen 14 und 10 Grad.

Dienstag ... schwenkt der o.e. Randtrog über Südschweden hinweg und erreicht zum
Abend den Raum Danzig. In diesem Zusammenhang fällt die 500 hPa Temperatur
entlang der Elbe auf etwa -20 Grad, an der vorpommerschen Küste auf -30 Grad.
Mithilfe der guten Durchmischung wird ML CAPE bis 400 J/kg an der Ostsee
generiert und die Cloud Tops erreichen Höhen bis 7 km, was im Trogbereich schon
fast das Tropopausenniveau markiert. Demnach besteht vor allem in Vorpommern
eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einzelne kurze (Kaltluft-)Gewitter mit
Graupel. Die -20 Grad Isotherme markiert ungefähr den Anhaltspunkt, bei dem die
Lapse Rates eine Temperaturabnahme von 0.6 K pro 100m unterschreiten. Davon darf
man sich aber nicht täuschen lassen, denn südwestlich der Elbe (etwa zwischen
Ems und Saale) reicht die Quellbewölkung immerhin bis an die -10 Grad heran,
bevor sie bei 700 hPa an die Absinkinversion stößt. Das reicht für den ein oder
anderen Schauer (postfrontal der sich auflösenden zweiten Kaltfrontstaffel), der
aufgrund der exorbitanten Scherungswerte (Geschwindigkeitsscherung) von 40 bis
50 m/s zwischen 0 und 6 km und 10 bis 15 m/s zwischen 0 und 1 km gerne in
linienhafter Staffelform einhergehen wird. In 700 hPa sind dann bereits 40
Knoten Oberwind erreicht, weshalb in der Norddeutschen Tiefebene in Schauernähe
grundsätzlich von Sturmböen ausgegangen werden muss. Durch Druckfall über
Südskandinavien nimmt der Gradient ohnehin von Nordosten zu, so dass nordöstlich
einer Linie Ostfriesland-Altmark-Niederlausitz auch abseits der Schauer einzelne
Sturmböen auftreten können. An der See muss gerade an auflandigen
Küstenabschnitten mit schweren Sturmböen gerechnet werden. Das zeigt nicht nur
die Deterministik, auch die probabilistischen Verfahren geben beispielsweise
rund um Sylt, Fehmarn, Darß, Rügen Hinweise mit vergleichsweise hohen
Wahrscheinlichkeiten zwischen 50 und 80% (ICON-EPS, IFS-EPS) hierfür. Bei
derartigen Werten sind vereinzelt auch orkanartige Böen nicht ausgeschlossen -
auch wenn die Oberwinde diese erst ab etwa 4 km aufwärts hergeben. Im AROME und
C-D2 sind aber in Verbindung mit Konvektion vereinzelte Böen bis in den
Orkanbereich zu finden.
Im Alpenvorland lösen sich die Reste der Luftmassengrenze langsam auf, die sich
zumeist nur noch durch dichtere, tiefe Wolkenfelder als durch leichte Regenfälle
bemerkbar macht.
Am freundlichsten wird es im Südwesten am Rande des Hochkeils, der sich durch
das zyklonalere Geschehen im Nordosten gar nicht groß beeinflussen lässt. Anhand
der Höchstwerte wird man letztlich aber doch merken, dass eine Kaltfront
durchgegangen ist. Mit 20 bis 24 Grad (immerhin mehr als 5 K kühler als noch am
Vortag) hebt sich der Südwesten aber noch immer vom Rest des Landes ab, der
meist mit 15 bis 20 Grad aufwartet.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Randtrog über das Baltikum ostwärts ab,
womit die Schauer im Nordosten nicht nur thermisch, sondern auch dynamisch
nachlassen. Durch die trogrückseitige negative Vorticityadvektion dehnt sich der
Bodenhochkeil im Süden bis nach Österreich aus. Im Bereich der Keilachse ist die
Nebelneigung vor allem in Tallagen der westlichen Mittelgebirge leicht erhöht.
Bei längeren Auflockerungen kommt die frisch eingeflossene Meereskaltluft zur
Ruhe, womit die Tiefstwerte bei nur 7 bis 2 Grad liegen. In den Mittelgebirgen
kann es exponiert Frost in Bodennähe geben. Das trifft nicht auf den Nordosten
und die Küste zu, wo der lebhafte, wenn auch langsam nachlassende Wind vor allzu
starker langwelliger Ausstrahlung schützt. Zum Morgen hin treten auch auf den
Inseln die letzten stürmischen Böen bei rund 10 Grad auf.

Mittwoch ... sind an der Odermündung bis nach Rügen noch Reste der höhenkalten
Luft des Vortages vorhanden. Auch wenn die 500 hPa Temperaturen langsam Richtung
-20 Grad ansteigen, bleibt die Schichtung unterhalb davon noch feucht labil,
weshalb sich konvektive Umlagerungen immerhin noch auf -10 Grad (in etwa 3 km
Höhe) "hinaufquälen" können. Somit reicht es wohl noch für den ein oder anderen
schwachen Schauer, aber nicht mehr für Gewitter. Durch leichtes Ostwärtsrücken
der Antizyklone verstärkt sich etwas das Absinken im Randbereich über uns. Damit
nehmen die Sonnenanteile - gerade bis zum Erreichen der Auslösetemperatur auch
im Norden und Osten - zu. Anströmungsrichtung und -stärke passen gut zu einem
Skandinavienföhnfenster, das gute Chancen hat sich über Schleswig-Holstein und
Mecklenburg zu öffnen. Südlich von Main und Mosel wird diese bei schwachen
Nordostwinden auf der Südflanke der Keilachse mit über 30 Grad bei weitem
verfehlt, weshalb dort der Sonnenschein ohnehin überwiegt. Die Höchstwerte
liegen bei 850 hPa Temperaturen unter 5 Grad recht einheitlich zwischen 15 und
18 Grad, entlang des Oberrheins um 20 Grad. An den Küsten und im angrenzenden
Binnenland reicht der Gradient noch für einzelne Windböen Bft 7 aus.

In der Nacht zum Donnerstag wird die Warmfront eines Tiefs bei Island in einem
weiten Bogen um das Hoch herumgeführt und erreicht in den Frühstunden
Schleswig-Holstein. Gemäß ICON 12z kommt dadurch auch kleinräumige, aber recht
kräftige WLA im Norden auf. Aufgrund des langgestreckten Charakters "schlummert"
dort eventuell auch eine flache Warmfrontwelle drin - zumindest lässt auch die
zusätzliche Verdickung in der 700 hPa Feuchte darauf schließen. Ohne schützende
Wolkendecke und bei nur schwacher Luftbewegung gehen die Temperaturen abseits
der Küste mit 7 bis 2 Grad wieder ordentlich in den Keller. Vor allem in Bayern
und Baden-Württemberg ist leichter Frost in Bodennähe doch häufiger zu erwarten.


Donnerstag ... tut sich bei der wenig dynamischen Wetterlage kaum etwas. Die
antizyklonal geprägte Nordwestlage mit Bodenhochkeil von England über der Mitte
Deutschlands bis nach Österreich und Tschechien bleibt erhalten. Die Meeresluft
polaren Ursprungs altert weitert und trocknet unter der Keilachse und südlich
davon ab. Inwieweit die antizyklonal einfließende Warmfront auf dem weiteren Weg
nach Südosten Richtung Brandenburg und Sachsen noch wetterwirksam sein wird, ist
noch mit Unsicherheiten behaftet. So ist ICON 12z (recht konsistent allerdings)
am offensivsten aufgestellt, wohingegen IFS nur in Ansätzen und GFS so gut wie
gar nicht ein derartiges Übergreifen sehen. Insofern stellt das ICON mit
gleichwohl nur wenigen Litern Regen im Norden und Osten gewissermaßen schon den
"Worst Case" dar, traurig. Wie auch immer - nördlich der zentralen
Mittelgebirgen werden die Wolken wohl dominieren, erneut ohne signifikante
Niederschläge. In der Südhälfte scheint mehrheitlich die Sonne. Die
Nachmittagstemperaturen bleiben mit 15 bis 20 Grad zwar verhalten, liegen aber
letztlich trotz kühler Nordwestlage mehr oder weniger im Soll oder nur minimal
darunter.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Unterschiede bezüglich der Bewölkungsvorhersage des C-D2 für die kommende
Nacht sowie die Unsicherheiten bezüglich der Warmfront(welle) am Donnerstag
wurden im Text angesprochen. C-D2 und ICON unterschätzen zudem die Konvektion
und damit auch die Böen Richtung Westen (Niedersachsen, Sachsen-Anhalt,
Ostwestfalen). Euro4 und AROME sind hier realistischer.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen