DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-08-2019 18:01
SXEU31 DWAV 181800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 18.08.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht besonders im Süden teils schwere Gewitter. Am Montag im Süden und
Südosten gewittriger Regen. Ab Dienstag im Süden und Südosten markanter
Dauerregen (Gegenstrom).

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines breiten
LW-Troges über dem nahen Ostatlantik unter einer leicht zyklonal konturierten,
relativ flotten südwestlichen Höhenströmung. Als Drehzentrum des Troges fungiert
kein Geringerer als BERND (nicht "das Brot"), das sich als hochreichendes
steuernden Zentraltief mit immer noch unter 990 hPa nördlich an Schottland
vorbeigemogelt hat und nun unter leichtem Substanzverlust den Südteil der
Norwegischen See ansteuert. Das zugehörige, weit okkludierte Frontensystem
schlägt einen großen Bogen über den Norden Skandinaviens, bevor sie zunächst in
süd-, dann in südwestlicher Richtung als mehrfach wellende Kaltfront über Teile
Mitteleuropas bis zur Iberischen Halbinsel und von dort raus auf den Atlantik
reicht - ein beeindruckendes Exemplar von mehreren tausend Kilometern Länge.
Auf diesem schier endlosen Weg kommt die Luftmassengrenze in weiten Teilen
Europas vorbei, darunter auch in Deutschland. Von Südwest nach Nordost
orientiert trennt sie das Land in einen vergleichsweise kühlen und weitgehend
stabil geschichteten Norden/Nordwesten und einen in der Fläche etwas größeren
warmen bis heißen und potenziell instabilen Süden und Südosten. Dabei konnten
heute Nachmittag imposante Temperatur- und Feuchteunterschiede registriert
werden (um 12 UTC in Freiburg 16 und 31°C - einmal an der Elbe, einmal im
Breisgau, dazu Taupunkte von 13/14°C im NW vs. bis zu 20°C in der Mitte und im
Süden). Dabei schien im Süden und in der Mitte verbreitet die Sonne, während in
den übrigen Landesteilen die Sonnenbrandgefahr nahe null lag. Das meiste Wetter
spielte sich zunächst im Frontbereich ab, wo eine Welle nordostwärts zog und im
Westen und Norden für zeitweiligen Regen mit eingelagerten Gewittern sorgte. Auf
der Südflanke der Welle hatte sich zudem ein Low-Level-Jet gebildet (850 hPa bis
50 Kt, 925 hPa 30 bis 40 Kt), der dem Westen und der Mitte trotz eher
bescheidenem Druckgradienten einen windigen, in Böen teils stürmischen
Nachmittag bescherte (Böen 7-8 Bft, exponierte Hochlagen noch darüber).
Inzwischen aber sind sowohl Jet als auch Bodenwind auf dem absteigenden Ast.
Ansonsten sieht die Sache aktuell so aus, dass sich an bzw. auf der warmen Seite
der Front mehrere kräftige Gewitter entwickelt haben. Mitauslöser der
konvektiven Umlagerungen ist und war die aus der starken Baroklinität (DeltaT
von etwa 10 Grad auf 100 km) resultierende thermisch direkte Querzirkulation im
Frontbereich, die z.T. sehr gut in den Radarsignalen in Form wohldefinierter,
ganz schmaler Streifen erkennbar waren. Hinzu kamen in der Warmluft konvergente
Windstrukturen, die ebenfalls als Zündfunken agierten. Aufgrund der guten
Scherungsbedingungen (hochreichende, fast ausschließlich aus
Geschwindigkeitsscherung resultierende DLS bis 30 m/s kann bei limitierter CAPE
(ML-CAPE zwar gebietsweise über 500 J/kg, teils aber auch darunter) durchaus
kontraproduktiv für vertikal mächtige konvektive Umlagerungen sein) sind die
Zellen gut organsiert mit einer überdurchschnittlichen angelegten
Lebenserwartung ausgestattet. So verwundert es nicht, dass sich gerade von RP
bis ins RMG (dort besonders heftig) und weiter nach Unterfranken wiederholt
kleine, aber sehr intensive Superzellen entwickelt haben, während sich in
Nordbayern sogar eine Linie mit (gemessenen) orkanartigen Böen (11 Bft in der
Triathlonhochburg Roth bei Nürnberg).

Im Laufe der Nacht zum Montag läuft ein kurzwelliger Anteil aus dem LW-Trog nach
Nordosten raus, was ein langsames Vorankommen der wellenden Kaltfront nach
Südosten zur Folge hat. Da gleichzeitig ein weiterer Sekundärtrog in die
Rückseite des Haupttroges vorstößt, ist dessen Regeneration gesichert. Mit
Verlagerung der Front breitet sich die postfrontal einfließende erwärmte
Meeresluft subpolaren Ursprungs in weite Teile der Nordwesthälfte aus bzw. noch
etwas darüber hinaus, wobei die 850-hPa-Temperatur auf 10 bis 6°C zurückgeht.
Dabei bleibt es mit Ausnahme diabatisch getriggerter Konvektion über und an der
Nordsee (Schauer, kurze Gewitter Richtung SH ziehend) weitgehend trocken,
teilweise lockert die Bewölkung sogar auf.
Weitaus unruhiger als im Nordwesten verläuft die Nacht im Süden und Südosten auf
der warmen Seite der Front. Vor allem BW und Bayern bekommen es vermehrt mit
kräftigen Gewittern zu tun, aber auch die nördlich angrenzende Mitte ist
konvektionsbedingt noch nicht aus dem Schneider. Wie so oft bei konvektiven
Lagen stehen auch dieses Mal die Details noch nicht endgültig fest, was der
Vergleich konvektionsauflösender Modelle zeigt. Denkbar ist ein Szenario mit
verschiedenen Superzellen, sie auf ihrem Weg nach Ost-Nordost teilweise
verclustern und möglicherweise zu einem MCS verschmelzen (am eindrucksvollsten
bei AROME erkennbar, in Ansätzen aber auch bei anderen Modellen). Als
Quellgebiet stehen die Schweiz und Ostfrankreich ganz weit oben auf der Liste
(siehe aktuelles Radar), aber wie gesagt, jede Gewitterlage für sich stellt
immer auch eine mehr oder weniger große Wundertüte dar. Fakt ist, dass bei den
Gewittern Unwettergefahr gegeben ist durch Böen 11 Bft, Hagel um 3 cm und
Starkregen von mehr als 25 mm innert kurzer Zeit, wobei mit zunehmender Dauer
der Nacht die ersten beiden Faktoren an Bedeutung verlieren. Starkregen bleibt
aber weiterhin ein Thema, teils auch mehrstündig (Warnungen können aber nur in
situ erfolgen).

Montag ... erreicht der hochreichende BERND das Seegebiet ost-südöstlich von
Island. Am Boden hat sich ein zweiter Kern gebildet, wobei der Dipol immer noch
ein Druckminimum von etwas unter 995 hPa aufweist. Der Höhentrog, mittlerweile
mit leicht positiv geneigter Achse ausgestattet, robbt sich etwas dichter an den
Europäischen Kontinent heran, was bei uns an der weiterhin leicht zyklonal
gekrümmten südwestlichen Höhenströmung aber wenig ändert. Trotz der limitierten
frontsenkrechten Schubkomponente erreicht die schleifende Kaltfront die Alpen,
wodurch die heute im Süden und Südosten noch aufblitzende Warmluft abgedrängt
wird - weitgehend jedenfalls. Reste davon bleiben im Süden und Südosten aber
noch übrig, was u.a. an den T850-Werten (10 bis 13°C, sonst meist einstellig),
aber auch an der hohen Feuchte (PPW über 30 mm, gebietsweise über 35 mm,
spezifische Feuchte um 12 g/kg) zu erkennen ist.
Obwohl die Labilität in den Warmluftresten Süd- und Südostdeutschlands abnimmt,
reicht sie noch aus, um mit dem hohen Wasserdampfgehalt etwas CAPE von wenigen
hundert J/kg zu generieren. So kommt es vom südlichen BW über weite Teile
Bayerns und Sachsens bis hoch zur Niederlausitz zu schauerartig verstärkten und
teils gewittrigen Regenfällen mit lokaler Starkregengefahr, Tendenz am
Nachmittag und Abend mehr und mehr in Richtung Alpen und Alpenvorland
zurückziehend.
Im großen Rest des Landes zeigt sich der Wochenstart vergleichsweise
geschmeidig. Postfrontaler, durch leichte KLA induzierter Druckanstieg lässt
einen flachen Azorenhochkeil nach Osten vorschnellen (naja, so schnell geht es
nun auch wieder nicht), der für leichten Zwischenhocheinfluss sorgt. Darin
bilden sich im Tagesverlauf Quellwolken, die bis etwa 800/750 hPa reichen
(Absinkinversion) und somit zu mickrig und zu warm sind, um Schauer zu
produzieren. Vor allem in einem von RP und dem südlichen NRW bis hoch nach MV
reichenden Korridor sollte es trotz der Quellungen für einige Sonnenstunden
reichen.
Etwas dichter dürfte die Bewölkung im Nordwest ausfallen, wo am Trogrand etwas
Höhenkaltluft am Start ist (T500 nahe -20°C) sowie die Inversion schwächer
ausgeprägt und höher gelegen ist. Insbesondere über der Nordsee, z.T. aber auch
bis ins nahe Binnenland überschwappend entwickeln sich weitere Schauer oder
kurze Gewitter. Zudem frischt der Südwestwind an der Nordsee auf mit steifen
Böen 7 Bft.
Mit Tageshöchstwerten zwischen 19°C an der Nordseeküste und bis zu 26°C im RMG
wird der starke Temperaturkontrast von heute deutlich gestutzt.

In der Nacht zum Dienstag bleibt der weiterhin positiv geneigte Höhentrog bei
seiner eingeschlagenen leichten Progression, was ihn zwar weiter nach Osten,
mitnichten aber in oder besser über den Vorhersageraum bringt. Somit gilt es
halt weiterhin von einer eher unspektakulären südwestlichen Höhenströmung zu
berichten, was aber insofern wichtig ist, als dass die nach wie vor über dem
Alpenraum schleifende Luftmassengrenze nach einer kurzen Phase des
In-Sich-Gehens wieder aktiviert wird. Mit anderen Worten, die anfangs im
äußersten Süden und Südosten noch auftretenden Niederschläge schwächen sich mehr
und mehr ab respektive verlagern sich zu unseren österreichischen Nachbarn. Im
Gegenzug schicken uns die schweizer Nachbarn im Laufe der zweiten Nachthälfte
ihren Regen in den äußersten Südwesten, was eindrucksvoll belegt, dass der
grenznahe Austausch unbehandelter Naturprodukte zoll- und mautfrei einwandfrei
funktioniert.
Vom großen Rest des Landes gibt es wenig zu berichten. Der Azorenhochkeil weitet
sich noch etwas weiter nach Osten aus und bestimmt in weiten Teilen das
Nachtwetter mit einer dahindümpelnden und weitgehend trockenen (einzelne
gewittrige Schauer auf der Nordsee) Mischung aus unterschiedlich dichter
Bewölkung, klaren Abschnitten und wenig Nebel. Der Gradient im Norden fächert
auf, der Wind an der Nordsee nimmt ab.

Dienstag ... verschärft sich der Trog über Frankreich etwas, während er weiter
nördlich flach bleibt und am Abend auf den Westen und Nordwesten des
Vorhersageraums übergreift. Bodennah mausert sich der Azorenhochkeil zunehmend
zu einer Brücke, die das weit nach Osten verschobene Azorenhoch mit einem
schwächlichen Hoch über dem nahen Osteuropa verbindet. Auch wenn die Brücke noch
keine tiefen Fundamente aufweist, reicht ihre Substanz aus, der Nordwesthälfte
einen heiter bis wolkigen und weitgehend trockenen Dienstag zu bescheren. Im
Nordwesten allerdings ist bis ca. 650 hPa etwas Labilität vorhanden, was die
Bildung einzelner Schauer ermöglicht. Für eine ausgewachsene Schauerlage sollte
es aber nicht reichen.
Ganz anders die Situation im Süden und Südosten, wo sich die Luftmassengrenze
noch etwas mehr aus dem alpinen Raum rauslocken lässt, wo sich vor allem aber
eine Gegenstromlage aufbaut. Nördliche bis östliche Winde in den untersten zwei
Kilometern der Troposphäre, darüber Drehung auf Süd bis Südwest, fertig ist der
Gegenstrom. Quittiert wird das Ganze mit länger andauerndem Regen, der
schwerpunktmäßig in einem von der schweizer Grenze bis in den Bayerischen Wald
bzw. die fränkischen Mittelgebirge reichenden Streifen auftritt. Akkumuliert
über 24 h werden 10 bis 30 mm, lokal (z.B. im Allgäu) um 40 mm simuliert, so
dass zumindest gebietsweise eine markante Dauerregenwarnung wahrscheinlich ist.
Aufgrund noch vorhandener Modellunterschiede lassen sich Details aber noch nicht
festzurren.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 19 bis 25°C, im Osten gebietsweise etwas
darüber, im Dauerregen Süddeutschlands eher darunter.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der scharfe, mittlerweile aber zum Randtrog
degradierte Höhentrog nach Süddeutschland rein. Vorderseitig verstärkt sich die
Hebung, was eine Intensivierung der Regenfälle im Süden bedingt. Wie viel am
Ende fallen wird, muss noch etwas abgewartet werden.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich die Hochdruckbrücke verstärkt mit
auflockernder Bewölkung insbesondere im Westen und Nordwesten. Dort, wo es zuvor
geregnet hat und länger aufklart, bildet sich Nebel.

Mittwoch ... überquert uns der o.e. Höhentrog unter Konturverlust
ost-nordostwärts, gefolgt von einem flachen Rücken. Mit Trogpassage geht die
Gegenstromlage im Süden und Südosten kaputt, entsprechend stehen auch die
Regenfälle vor dem Aus. Gerade im Südosten bleibt es aber noch längere Zeit
bedeckt, ansonsten gibt sich die Hochdruckbrücke große Mühe, Deutschland einen
sonnigen Tag mit lockerer Quellbewölkung zu bescheren. Dabei steigt die
Temperatur auf 19 bis 24°C, im Südosten nur auf 17 bis 20°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundsätzliche Entwicklung steht, die nächsten Stunden noch nicht en detail.
Es ist weiterhin Nowcasting-Warnerei angesagt, wobei sich der Schwerpunkt er
Konvektion mehr und mehr in den Süden verlagert (Nachschub von der Schweiz und
Ostfrankreich her gewährleistet).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Keine