DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-08-2019 08:30
SXEU31 DWAV 080800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 08.08.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: W/SWz (West bis Südwest zyklonal)

Heute im Norden Schauer und einzelne Gewitter sowie Wind, sonst
Zwischenhocheinfluss. Am Freitag und in der Nacht zum Samstag Passage eines
Frontensystems, vor allem in der Nacht Gefahr von Schwergewittern (Süden). Am
Samstag in der Nordwesthälfte Starkwind, teils stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... schreibt die großräumige Strömung ein mäandrierendes Muster, das
aus überwiegend flachen und leicht progressiven Trögen und Keilen besteht.
Deutschland befindet dabei unter der z. Zt. nur mäßig ausgeprägten Frontalzone,
die sich in Kürze aber seit langer Zeit mal wieder stärker formieren und eine
erste frühherbstliche Duftmarke abliefern wird, dazu später mehr. Der heutige
Donnerstag steht - grob gesprochen - im Zeichen leichten Zwischenhocheinflusses,
was nach zwei Tagen diffiziler Konvektion auch mal sein darf. Etwas ausgenommen
davon ist der äußerste Norden, der sich heute noch mal mit dem alternden und
frontenlosen Tief XAVER auseinandersetzen muss. Mit einer Kernisobare von 1000
hPa hat es mittlerweile die Südwestspitze Norwegens erreicht, von wo aus es im
Tagesverlauf Landgang machen wird. Der vom korrespondierenden Höhentief nach
Süden weisende flache Trog schwenkt dabei ganz gemächlich über Nord- und Ostsee
sowie das angrenzende Binnenland nach Osten. Angefüllt mit labiler Meeresluft,
in der tagsüber ML-CAPE zwischen 200 und 600 J/kg generiert werden kann, hat es
schon in der Nacht und am Morgen über der Nordsee Schauer und Gewitter gegeben,
die sich bis in den Norden SHs verlagert haben. Die Konvektion wird auch in den
nächsten am Leben bleiben, wobei sich der Schwerpunkt aber peu a peu ostwärts
verlagert und damit auch die Ostsee und deren Küstenraum erfasst. Bei PPWs um 25
mm und Oberwinden bis zu 35 Kt ((850 hPa) können die Gewitter mit Böen 7-8 Bft,
Starkregen von 15 bis 25 mm/h und kleinkörnigem Hagel einhergehen. Darüber
hinaus reichen Gradient und Tagesgang aus, um an der Küste sowie im nördlichen
Teil des norddeutschen Binnenlandes die eine oder andere steife Böe 7 Bft zu
initiieren (in kräftigen Schauern auch mal 8 Bft).
So viel zur heute wetteraktivsten Zone in Deutschland. Weiter südlich stellt
sich eine relativ glatte west-südwestliche Höhenströmung ein, die ein flaches
Bodenhoch (ANDREA) überdeckt. Zwar bringt es die gute ANDREA in der Spitze nur
auf schmale 1015 hPa, doch weiß man ja aus eigener Erfahrung im Menschenleben,
dass es nicht (nur) auf das Aussehen, sondern auf den Charakter ankommt. Und
genau der ist bei diesem Zwischenhoch gutartig, will heißen, nachdem ANDREA mit
Hilfe des steigenden Sonnenstands die nächtlichen Nebel- und Hochnebelreste
getilgt hat, steht einem vielfach heiteren und trockenen Tag mit meist flachen
Quellungen sowie einigen hohen Wolkenfeldern nichts im Wege. Zwar befindet sich
in den Alpen noch etwas feuchtere und labilere Luft, in der sich später Schauer
und Gewitter entwickeln. Die Gefahr, dass davon allzu viele die Grenzkontrollen
nach Deutschland überlisten ist aber gering. Sollte es im Einzelfall doch
gelingen, dürften die Gewitter ähnlich wie im Norden im markanten Bereich
anzusiedeln sein.
Die eingeflossene Meeresluft kann sich mit Hilfe niedertroposphärischer WLA
erwärmen (Anstieg T850 bis zum Abend auf 8°C in SH und bis zu 15°C an den
Grenzen zu CH und A), was in 2 m Höhe Tageshöchstwerte von 20°C an der Nordsee
und vereinzelt 29°C im Süden zur Folge hat.

In der Nacht zum Freitag gilt es so ganz allmählich unseren Blick gen Westen zu
richten, wo sich südwestlich von Irland inzwischen ein veritables, bis in große
Höhen reichendes Sturmtief eingefunden hat (YAP). 985 hPa Kernisobare sind für
Anfang August eine echte Empfehlung und gemeinsam mit dem zugehörigen
klassischen Frontensystem (Warmfront, Kaltfront, Okklusion) entpuppt sich YAP
als wahrer Ästhet, der das Zeug hat "Mr. Sommertief 2019" zu werden.
Vorderseitig des Tiefs wird reichlich WLA generiert, was den Aufbau eines
Höhenrückens zur Folge hat, dessen Achse in den Frühstunden die westlichen
Landesteile erreicht. Mit Annäherung der Warmfront Richtung Benelux gelangt
sukzessive mehrschichtige Bewölkung in den Westen, aus der es in den frühen
Morgenstunden zwischen Niederrhein und Eifel ein paar Tropfen bis zum Erdboden
schaffen können - vielleicht.
Ansonsten gibt es nicht viel zu sagen. Das Bodenhoch wandert allmählich
ost-südostwärts ab, hat das Geschehen aber noch soweit im Griff, dass die Nacht
häufig gering bewölkt oder klar über die Bühne geht, ein paar Nebelfelder
inclusive. Im äußersten Norden halten sich zunächst noch Reste der konvektiven
Bewölkung vom Tage und über der Ostsee sowie an der Küste sind anfangs auch noch
ein paar Schauer oder Gewitter unterwegs.

Freitag... Obwohl sich Bodentief und Höhentief achsensenkrecht überlappen und
damit der Höhepunkt der Entwicklung überschritten scheint, denkt der Kollege YAP
im Traum nicht daran, seinen Adonis-Corpus in irgendeiner Weise dem Müßiggang zu
überführen. Oder etwas fachlicher, auf seinem Weg über das irische Festland hin
zur Irischen See (Nacht zum Samstag) behält YAP zäh seine 983/984 hPa Kerndruck.
Derweil verlagert sich auch das korrespondierende Höhentief in die gleiche
Richtung, was den zugehörigen Trog dichter an den Kontinent heranbringt. Der
Abstand zwischen ihm und dem vorlaufenden, sich noch etwas amplifizierenden
Höhenrücken verringert sich. Letzterer überquert im Laufe des Tages den
Vorhersageraum ostwärts, was die westlichen Landesteile ab dem Nachmittag unter
eine leicht diffluente südwestliche Höhenströmung bringt. Die im Wesentlichen
durch PVA generierten dynamischen Hebungsprozesse auf der Trogvorderseite
verbleiben tagsüber aber noch westlich von uns.
Dafür greift nun die o.e. WLA verstärkt insbesondere auf den Westen und Norden
des Landes über, der dann auch gleich mal von der Warmfront des Sturmtiefs
überquert wird. Damit breitet sich meist leichter, vor allem durch konvektive
Einlagerungen (Gewitter??) und Stau auch mal mäßiger stratiformer Regen über den
Westen und Nordwesten nordostwärts aus (PPWs steigen auf 40 mm und mehr!). Noch
immer sind die Modelle uneins hinsichtlich räumlicher Ausdehnung und Intensität
des Niederschlags, gebietsweise darf man aber auf 5 bis 10 mm bis zum Abend
hoffen, im Stau des westlichen Berglands punktuell auch etwas mehr. Vielleicht
wird aufgrund des hohen Feuchtegehalts der Luftmasse lokal sogar mal das
Starkregenkriterium gerissen. COSMO-D2 von 03 UTC entpuppt sich diesbezüglich am
aggressivsten, simuliert es doch eine von er Eifel bis zum Rothaargebirge
reichenden schmalen Streifen mit fettem Starkregen.
Während der Westen und Norden also von der Warmfront gepiesackt werden, gelangt
der Rest des Vorhersageraums in den zunächst noch stark antizyklonal geprägten
Warmsektor, in dem die Zufuhr sehr warmer bis heißer Subtropikluft insbesondere
den Süden und Südosten erfasst (Anstieg T850 auf 16 bis 21°C). Dort nehmen auch
Labilität und Feuchte zu, so dass zum Nachmittag hin auch ein gewisses Quantum
ML-CAPE produziert werden kann. Wieviel CAPE es am Ende sein wird, steht
angesichts der unterschiedlichen Bewölkungsprognose noch nicht fest, es ist aber
davon auszugehen, dass die zunehmend hohen und mittelhohen Wolken einen stark
dämpfenden Charakter ausüben. Aber nicht nur deswegen, auch sonst ist es
fraglich, ob es tagsüber schon zu konvektiven Umlagerungen reicht. Angesichts
der Noch-Präsenz des Höhenrückens, einer simulierten Deckelung sowie fehlender
Dynamik spricht nicht wirklich viel dafür. Am ehesten sind zum Abend hin,
ausgehend vom südwestdeutschen Bergland, einzelne Überentwicklungen denkbar, die
dann aber auch gleich sehr kräftig unterwegs sein können.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass im Süden und Osten noch längere Zeit die
Sonne scheint, bevor die WLA-getriggerten Wolkenfelder von Südwesten her für
eine gewisse Trübung sorgen. Die Temperatur steigt im Süden und Osten auf 27 bis
33°C, sonst je nach Bewölkung und Regenandauer auf 21 bis 28°C.

In der Nacht zum Samstag könnte es interessant werden, wenn die bis dato durch
leichte Wellenbildung eher schleppend ostwärts schwenkende Kaltfront den
Vorhersageraum erreicht. Sie überquert bis zum Morgen weite Teile West- und
Norddeutschlands, hinkt im Süden aber etwas zurück. Durch die nun zyklonalere
und immer noch diffluente südwestliche Höhenströmung erhöht sich der dynamische
Hebungsimpuls (PVA), was wiederum die Kaltfront aktiviert. Präfrontal wird eine
massive Feuchteakkumulation simuliert, die in PPWs bis rund 50 mm und
spezifischen Feuchten bis zu 15 g/kg in Frontnähe gipfeln. Hinzu kommt reichlich
Scherung, sowohl LLS als auch DLS. Somit sind die Voraussetzungen für eine
substanzielle Gewitterlage trotz ungünstiger Tageszeit gegeben, einzig die
Labilität lässt zu wünschen übrig, was aber ein entscheidender Faktor für die
Qualität der Gewitter sein kann. Das anfangs noch vorhandene MU-CAPE jedenfalls
wird zumindest nach ICON alsbald getilgt, was eher für eine Verclusterung der
Gewitter spräche.
Wie immer die Details aussehen mögen, die stärkste Wetteraktivität zeichnet sich
in Süddeutschland ab, wo sich durchaus ein organisierter MCS mit Starkregen,
Hagel und (schweren) Sturmböen bilden kann. Aufgrund guter Richtungsscherung in
der unteren Schicht (starke Rechtdrehung) und dem niedrigen HKN ist sogar ein
Tornado nicht vollkommen von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite ist es
aber auch möglich, dass ein größerer Gewittercluster der Marke "Starkregen mit
Blitzen" entsteht, bei dem die schwache Labilität soweit von der Grenzschicht
abgekoppelt ist, dass mit Wind und Hagel nicht viel läuft. Dann stünde der
Starkregen - auch mehrstündig - ganz klar im Vordergrund, Unwetter
wahrscheinlich, extreme Unwetter möglich. Es gilt abzuwarten, auf welche Lösung
sich vor allem die hochauflösenden Modelle in den nächsten Läufen einschießen
werden.
Weiter im Norden bringt die Kaltfrontpassage schauerartig verstärkten Regen und
auch einzelne Gewitter der Marke "markant". Punktuell kann es aber auch
nicht-gewittrigen Starkregen geben, allerdings spricht die
Verlagerungsgeschwindigkeit eher dagegen. Während sich das Wetter im Westen und
Nordwesten zumindest niederschlagstechnisch beruhigt, sind auf und an der
Nordsee noch ein paar Schauer oder kurze Gewitter drin. Darüber hinaus nimmt der
Gradient zu, was in exponierten Lagen Westdeutschlands sowie an der Nordsee
erste 7er-Böen aus Süd bis Südwest zur Folge hat.

Samstag... steuert das Sturmtief die nördliche Nordsee an, wo es ganz allmählich
beginnt sich aufzufüllen. Die Kaltfront erreicht im Tagesverlauf leicht
schleifend die Alpen und führt rückseitig eine Portion erwärmter Meeresluft
subpolaren Ursprungs heran, in der die 850-hPa-Temperatur gerade mal auf 14 bis
9°C zurückgeht - kühl geht anders. Im äußersten Süden und Südosten regnet es im
Schlepptau der Front noch längere Zeit (anfangs z.T. gewittrig und mit lokaler
Starkregengefahr), bevor sich am Nachmittag und Abend mit Annäherung eines
Hochkeils der Regen unter Abschwächung mehr und mehr an und in die Alpen
respektive nach Österreich zurückzieht. Präfrontal kann der Wind im Alpenvorland
vorübergehend mal auffrischen, auch wenn aufgrund des mageren Gradienten der
sonst gerne mal auftretende Leitplankeneffekt nicht so wirklich zum Zuge kommt.
Ganz anders läuft es windtechnisch in der Nordwesthälfte, wo seit langer Zeit
mal wieder eine Starkwindlage daran erinnert, dass es in der Atmosphäre nicht
nur flaue Sumpflagen gibt. Mittlerweile hat sich auch die Frontalzone verstärkt,
was gut an einem wohldefinierten Jet-Streak in 300 hPa auszumachen ist (Wind bis
120 Kt), der südwest-nordost-exponiert mitten über den Westen und Norden des
Landes verläuft. Der auf SW drehende Wind frischt jedenfalls merklich auf und
erreicht verbreitet Böen 7 Bft, im nordwestdeutschen Binnenland 8 Bft, in
nordseenahen Binnenland bei leichter Labilität sowie einzelnen Schauern oder
Gewittern sogar 9 Bft. An der Nordsee selbst stehen wiederholt Böen 8-9 Bft auf
der Karte, auch vereinzelte schwere Sturmböen 10 Bft sind nicht auszuschließen.
Stürmisch auch die Hochlagen der Mittelgebirge, wo der Brocken wie eigentlich
fast immer die Pole einnimmt mit Böen 10 Bft.
Zwischen der Konvektion im äußersten NW und dem allmählich scheidenden Regen im
Süden spannt sich ein breiter Korridor auf, in dem sich das Wetter heiter bis
wolkig und trocken gibt. Trotz Luftmassenwechsel bleibt es warm mit Höchstwerten
von 23 bis 28°C (MOS bietet sogar 29°C an), an der Nordsee um 20°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Entwicklung mit Sturmtief YAP als Hauptdarsteller ist
unstrittig, wobei sich auch die externen Modelle mittlerweile auf unter 990 hPa
Kerndruck eingeschossen haben. Die größte Unsicherheit betrifft die genaue
Niederschlags- und vor allem Gewitterentwicklung ab Freitagnachmittag, wobei wir
uns von den nächsten Modellläufen belastbare Erkenntnisse versprechen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann