DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-07-2019 17:01
SXEU31 DWAV 311800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 31.07.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Unbeständig, vor allem in der Nordhälfte wiederholt Schauer und einzelne,
kräftige Gewitter mit Starkregen. Unwetter voraussichtlich aber nur lokal.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... tropft das für unser Wetter relevante Drehzentrum des vom
Nordatlantik über die Britischen Inseln nach Mitteleuropa reichenden Troges über
der mittleren Nordsee ab. Ausgehend von diesem in der Folge eigenständigen
Höhentief reicht ein Randtrog bis nach Deutschland, der unter Amplifizierung
verlangsamt von der Mitte nach Nordosten schwenkt. Unter dem Höhentief befindet
sich nahezu achsensenkrecht ein Bodentief, von dem aus sich eine Rinne über den
Norden und Nordosten Deutschlands ins östliche Mitteleuropa erstreckt. Ansonsten
beginnt rückseitig des Randtroges durch NVA allmählich Absinken und
Druckanstieg, wodurch sich ein Hochdruckkeil von Südwesten hereinschieben kann.
Eine Kaltfront, die zögerlich ostwärts durchschwenkt, trennt warme und sehr
feuchte Luft im Bereich der Rinne im Nordosten, von nicht mehr ganz so feuchter
und etwas kühlerer Luft weiter südwestlich.
In der sehr feuchten Luft im Nordosten und Osten sind Schauer und kräftige
Gewitter im Gange, die punktuell bei PPWs zwischen 30 und 40 mm und insgesamt
eher geringer Zuggeschwindigkeit der Zellen für hefigen Starkregen sorgen
können. Bei schwacher bis mäßiger hochreichender Scherung (10 bis 15 m/s)
konnten sich im Vorfeld der Front bzw. der Troglinie Gewitter teils auch
linienhaft organisieren. Hagel und Sturmböen müssen daher ins Kalkül gezogen
werden. Auch im Nordwesten, nahe des Höhentiefkerns, ist die Luft noch feucht
und hochreichend instabil genug, dass sich verbreiteter Schauer und Gewitter
entwickeln konnten, allerding bei geringerer Unwettergefahr. Ansonsten hält sich
die Schauertätigkeit bereits sehr in Grenzen, vom Südwesten bis zur Mitte ist es
aufgrund eines Einschubs besonders trockener Luft sogar ziemlich freundlich.
In der Nacht verlagert sich das Tief über der Nordsee nur langsam südostwärts,
bleibt noch fern der Küsten. Auch der Randtrog kommt kaum mehr nach NNO voran,
erreicht mit seiner Achse aber noch den Nordosten Deutschlands wo er im Verlauf
abtropft und bereits ein eigenständiges Drehzentrum bildet. Der Norden befindet
sich dadurch unter einem "Schlauch" tiefen Geopotentials, während die restlichen
Landesteile unter eine recht glatte westliche Höhenströmung gelangen.
Das sich nur träge verschiebende Geopotential-Konstrukt sorgt dafür, dass sich
auch die Rinne mit der feuchteren Luft kaum mehr verschiebt. Im äußersten Norden
und Nordosten kann sich die Gewittertätigkeit somit bis weit in die Nacht hinein
"retten". Entgegen des Tagesgangs sind weitere unwetterartige Entwicklungen
nicht auszuschließen, das deuten die meisten hochauflösenden Modelle (u. a.
C-D2, EURO4) an.
Ansonsten klingen etwaige Schauer und Gewitter schon im Laufe der ersten
Nachthälfte ab, sodass es verbreitet trocken bleibt. Einzelne flache Nebelfelder
bilden sich bevorzugt im Nordosten nach Abzug der Gewitter.

Donnerstag ... wandert das abgetropfte Höhentief mitsamt dem sich weiter
auffüllenden Bodentief über die Nordsee langsam weiter südostwärts und schlägt
am Abend mit Kern vor Westfriesland auf. Der ehemalige Randtrog über dem
Nordosten Deutschlands zieht über die südliche Ostsee zum Baltikum und nimmt
Tuchfühlung mit dem Trog über Nordwestrussland auf. Als Resultat formiert sich
ein neuer Langwellentrog, der von Nordwestrussland über die Ostsee und
Norddeutschland bis zur Nordsee reicht.
Die daraus resultierenden zyklonalen Verhältnisse über der Nordhälfte
Deutschland manifestieren sich in wieder auflebender Schauertätigkeit. Die
Luftmasse ist feucht und hochreichend instabil genug, dass auch wieder Gewitter
mit von der Partie sein werden. Dabei kristallisieren sich zwei Schwerpunkte
heraus. Zum einen wäre da der Nordosten und äußersten Norden zu nennen, wo sich
immer noch eine Tiefdruckrinne finden lässt, in der sich die relativ gesehen
feuchteste Luft befindet. 200 bis 500 J/kg MLCAPE werden von ICON6 in Aussicht
gestellt. Im Umfeld der Trogachse sind Höhenwinde und damit auch die
hochreichende Scherung vernachlässigbar, was trotz nicht überbordend hoher PPWs
(25 bis 30 mm) heftigen Starkregen möglich erscheinen lässt. Die große
Unwetterlage wird es sicherlich nicht, dass punktuell die rote Karte gezogen
werden muss, kann man aber wohl als recht sicher ansehen. Ein weiterer
Schwerpunkt dürfte im äußersten Nordwesten liegen, wo in der Peripherie des
Tiefs vor Westfriesland feuchtere Luft advehiert wird. Die Unwettergefahr sollte
dort aber geringer sein, da die Zellen etwas mehr "Zug" haben.
In den übrigen Landesteilen ist etwaige Konvektion durch eine Absinkinversion
bereits bei etwa 600 hPa "gedeckel", sodass es wohl nur bei harmloser
Quellbewölkung bleibt. Ob es die inneralpine Konvektion vorübergehend mal bis
ins angrenzende Vorland schafft, ist sehr fraglich.
Bei der Temperatur gibt es ein seichtes Süd-Nord-Gefälle (850 hPa: 8-13 Grad,
macht Höchstwerte meist zwischen 21 und 29 Grad).
In der Nacht zum Freitag ändert sich sowohl an den Druck- als auch
Geopotenzialverhältnissen wenig. Erwähnenswert ist vielleicht noch die Tatsache,
dass sich das Höhentief über Westfriesland zunehmend auffüllt und als Randtrog
südostwärts Richtung Nordwestdeutschland gesteuert wird. Das Bodentief befindet
sich morgens mit Kern noch über Westfriesland. Somit ist wohl eher nicht von
einem gänzlichen Abklingen der Schauer und vereinzelten Gewitter über der
Nordhälfte zu rechnen, auch wenn Unwetter wohl kaum mehr auftreten sollten.


Freitag ... schwenkt der Randtrog von Holland her nach Deutschland herein. Das
mit dem Randtrog korrespondierende Bodentief füllt sich weiter auf, sodass am
Abend nur noch eine Tiefdruckrinne von Westdeutschland in den Nordosten zu
finden ist.
Mit Hereinschwenken des Troges labilisiert es auch in der Südhälfte wieder,
womit auch dort wieder Schauer oder einzelne Gewitter auftreten (vor allem an
den Alpen!), der Schwerpunkt der Konvektion verbleibt aber über der Nordhälfte,
wo die Luft schlichtweg viel feuchter ist und besonders nach Osten zu verbreitet
500 bis 1000 J/kg MLCAPE aufgebaut werden. An den Konvektionszutaten ändert sich
im Vergleich zu den Vortagen kaum etwas. Kurz und knapp: der Starkregen steht
weiter im Fokus und kann wieder lokal heftig ausfallen. Nicht ausgeschlossen
sind auch mehrstündige Starkregenereignisse im Umfeld des "alten"
Höhentiefdrehzentrums im Westen Deutschlands.
Das Temperaturniveau ändert sich wenig, die Höchstwerte liegen durch die erhöhte
Schaueraktivität vielleicht 1 oder 2 Grad unter denen vom Vortag.
In der Nacht zum Samstag schwenkt der Trog südostwärts durch. Von Westen nähert
sich ein Rücken, auf dessen Vorderseite durch NVA Absinken und Luftdruckanstieg
forciert wird. Dadurch bildet sich eine nordwestliche Strömung aus.
Die Schauer und Gewitter verlagern sich damit schwerpunktmäßig vom Norden und
der Mitte nach Südosten, wobei lokaler Starkregen nach wie vor möglich ist.


Samstag ... befindet sich Deutschland zwischen dem Rücken über Westeuropa und
dem Langwellentrog über Osteuropa in einer nordwestlichen Höhenströmung. Auch am
Boden herrschen zunächst nordöstliche Winde vor. Mit weiterer Annäherung des
Rückens und fortschreitender NVA bildet sich in der Nacht zum Sonntag dann über
Mitteleuropa aber eine eigenständige Hochdruckzelle.
In der Nordwestströmung wird etwas kühlere Luft herangeführt, die Temperaturen
in 850 hPa liegen Sonntagfrüh meist nur noch zwischen 7 und 10 Grad. Während
sich tagsüber bevorzugt in der Osthälfte in feucht-labiler Luft nochmal
verbreitet Schauer und Gewitter entwickeln (wieder mit lokalem Starkregen,
Unwetter gering wahrscheinlich), sorgt der von Westen zunehmende
Hochdruckeinfluss ab dem Abend für ein Abklingen der Konvektion. Die Nebelgefahr
nimmt mit dem einschlafenden Wind in sehr feuchter Grenzschicht deutlich zu, ob
er in den noch kurzen Nächten warnwürdige Ausmaße annimmt, bleibt aber
abzuwarten.




Modellvergleich und -einschätzung
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Die betrachteten Modelle prognostizieren die Wetterentwicklung im
Kurzfristzeitraum sehr ähnlich. Gewisse Timingunterschiede beim Durchschwenken
des Troges am Samstag sind zumindest im Hinblick auf eine erste, grobe
Einordnung warnrelevanter Wetterereignisse nicht der Rede wert.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser