DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-07-2019 18:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 23.07.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Hitzewelle; starke, im Westen auch extreme Wärmebelastung. Zum Freitag hin an
den Alpen und im Südwesten geringes Potenzial für dann aber kräftige Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich das Vorhersagegebiet weiterhin im Einflussbereich
eines umfangreichen, vom westlichen Mittelmeerraum nordwärts bis nach
Mittelskandinavien reichenden Höhenrückens, mit einer abgeschlossenen 592
gpdm-Isohypse, die sich vom Seegebiet rund um Korsika bis nach
Südwestdeutschland erstreckt. Flankiert wird der Rücken von zwei umfangreichen
Langwellentrögen einerseits über dem nahen Ostatlantik, andererseits über
Nordost- bzw. Osteuropa. Dieses meridionale Muster erweist sich als sehr stabil
und beschert uns in den kommenden Tagen die zweite Hitzewelle dieses Sommers.
Zwar führt ein markanter kurzwelliger Randtrog, der in der kommenden Nacht
Irland nordnordostwärts überquert, auch über Mitteleuropa vorübergehend zu
leichtem Potenzialabbau, dieser wird aber lediglich vorübergehender Natur sein
und die Achse des Rückens kommt dabei auch nur geringfügig nach Osten voran.
Im Bodenfeld setzt trogvorderseitig über West- bzw. dem westlichen Mitteleuropa
leichter Druckfall ein, das umfangreiche Hochdruckgebiet wird ein wenig nach
Osten abgedrängt. Dadurch verschärft sich auch im Westen Deutschlands der
Druckgradient ein wenig und vor allem in höheren Lagen frischt der Wind etwas
aus Südost auf, ohne warnrelevant zu werden.
Ansonsten verläuft die Nacht wettertechnisch ruhig und warnfrei. Über den
Westen/Nordwesten ziehen zeitweise dünne Cirren, der äußerste Nordosten wird ab
und zu noch von den Wolkenfeldern der über Polen kaum weiter nach Osten
vorankommenden Warmfront beeinflusst. In den übrigen Regionen ist es wolkenlos
oder gering bewölkt. Die Luftmasse kann sich meist auf Werte zwischen 19 und 12
Grad abkühlen. Wärmer mit Minima teils über 20 Grad bleibt es einerseits in
Ballungszentren vor allem Westdeutschlands, andererseits bei leicht auflebendem
Wind in einigen Kuppen- und Hanglagen im Mittelgebirgsraum.

Mittwoch ... verlagert sich der Kurzwellentrog rasch über die Irische See und
Schottland hinweg Richtung Nordmeer. Ein weiterer markanter Trog erreicht zum
Abend hin das Seegebiet südwestlich von Irland. Der vorgelagerte quasistationäre
Höhenrücken schwächt sich in seinem Nordwestteil mit Trogpassage zunächst etwas
ab, kann sich dann aber durch WLA vorderseitig des nachfolgenden markanten
Höhentroges von Westen her wieder etwas regenerieren.
Im Bodenfeld verlagert die umfangreiche, inzwischen vom zentralen Mittelmeerraum
über das östliche Mitteleuropa bis weit nach Nord- und Nordosteuropa reichende
Hochdruckzone ihren Schwerpunkt allmählich ein wenig nach Osten und über West-
bzw. Mitteleuropa setzt sich der schwache Druckfall - etwas verstärkt durch die
bodennahe Überhitzung - weiter fort, nachmittags verläuft eine Tiefdruckrinne
über Zentralfrankreich und Benelux hinweg nordwärts. Vor allem in den Westen und
Süden des Vorhersagegebietes wird somit eine zunehmend potenziell instabile und
sehr labil geschichtete Luftmasse advehiert. Kleinräumig werden dort 500 bis
über 1000 J/kg ML-Cape simuliert, dennoch dürfte es mangels dynamischen
Hebungsantriebs (insgesamt dominiert noch Absinken) kaum zur Auslöse reichen.
Wenn - dann am ehesten wohl noch orographisch getriggert im Südschwarzwald bzw.
an den Alpen. Bis dahin rechnende Konvektion erlaubende Modelle (SuperHD, AROME)
haben aber keinerlei Gewitter auf der Agenda, selbst innerhalb der
Tiefdruckrinne weiter westlich tritt so gut wie keine "Modellkonvektion" auf.
Somit steht erneut ein überwiegend sonniger Tag ins Haus, vor allem über den
Westen des Landes ziehen zeitweise dünne hohe Wolkenfelder, auch im Nordosten
ist es zeitweise locker bewölkt. Die niedertroposphärische Erwärmung macht
(sowohl durch Absinken als auch ein wenig advektiv) weitere Fortschritte, in 850
hPa steigt die Temperatur bis zum Abend auf Werte zwischen 15 Grad an der Oder
und 23 Grad an Mosel, Saar und Oberrhein (IFS ähnlich, GEM etwa 1 K wärmer, GFS
dagegen 1 K "kühler"). Je nachdem, ob vielleicht schon etwas Saharastaub die
Atmosphäre trübt (das deutet sich aber eher für die Regionen weiter westlich an)
werden Höchstwerte zwischen 29 Grad im Nordosten und 38, vielleicht auch schon
39 Grad an Mosel und Saar erreicht. Somit steigt die Wärmebelastung weiter an,
in einigen Regionen Südwestdeutschlands eventuell schon in den extremen Bereich
(wobei die relativ niedrigen Taupunkte eher dagegensprechen). Der Wind weht im
Tagesverlauf zeitweise mäßig aus Ost bis Südost, womit im Nordseeumfeld die
heute noch deutlich wirksame Seewindzirkulation schwächer ausfällt und auch auf
einigen Nordseeinseln die 30 Grad überschritten werden können. An
Küstenabschnitten mit quasi durchgehend auflandigem Wind (also in erster Linie
an einigen Abschnitten der Ostseeküste und auf Helgoland) werden dagegen kaum 25
Grad erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag kann sich der Höhenrücken aufgrund beständiger WLA
auf der Vorderseite des markanten Höhentroges westlich der Britischen Inseln
noch etwas verstärken und weitet sich nach Norden, bis nach Nordskandinavien,
aus. Im Bodenfeld bleibt die umfangreiche Hochdruckzone mit ihrer Achse
weiterhin knapp östlich des Vorhersagegebietes und verstärkt sich
tagesgangbedingt ebenfalls etwas. Somit steht erneut eine vielerorts gering
bewölkte oder wolkenlose Nacht ins Haus, gebietsweise ziehen dünne hohe
Wolkenfelder durch, im Nordwesten eventuell auch einige mittelhohe Wolken. Die
Temperaturen gehen auf 20 bis 14 Grad zurück, in den wärmebegünstigten Regionen
(Ballungszentren, Kuppen- und Hanglagen) auf 24 bis 20 Grad.

Donnerstag ... weitet sich der westeuropäische Höhentrog nach Süden aus, wodurch
die Strömung auf dessen Vorderseite aufsteilt. Der osteuropäische Höhentrog
nimmt zunehmend Dipol-Struktur an, wobei das nördliche Drehzentrum von der
Region südlich des Ladogasees bis zum Abend nach Süden, bis zur weißrussischen
Grenze vorankommt. Dadurch verliert der nichtsdestotrotz weiterhin umfangreiche
Höhentrog etwas an Wellenlänge, während dessen Achse nach wie vor quasistationär
über Mitteleuropa bzw. das Vorhersagegebiet hinweg nordwärts bis nach
Mittelskandinavien verläuft. Somit dominiert weiterhin großräumig Absinken.
Im Bodenfeld setzt mit der Überhitzung auf dem Kontinent im Tagesverlauf erneut
Druckfall ein, der Schwerpunkt des Hochdruckgebietes verlagert sich zur
südöstlichen Ostsee. Die Tiefdruckrinne kann sich gegenüber dem Vortag noch
etwas verstärken, befindet sich aber insgesamt weiter westlich als am Mittwoch.
Vor allem über dem Nordwesten Deutschlands kommt es unter einem recht
ausgeprägten Deckel in den unteren 1 bis 2 km zu einer recht hohen
Feuchteanreicherung, wobei hier sicherlich der Input durch die nahe Nordsee eine
Rolle spielt, eventuell bildet sich im küstennahen Binnenland auch eine Art
Seewindkonvergenz aus. Dort wird eine ML-Cape von teilweise über 2000 J/kg
simuliert bei PPW-Werten zwischen 35 und 40 mm. Auch an den Alpen und im
Südschwarzwald steigt die Cape auf gebietsweise über 1000 J/kg an. Mangels
dynamischen Antriebs sollte es aber wohl kaum für Gewitter reichen, wenn, dann
am ehesten orographisch getriggert an den Alpen. SuperHD simuliert allerdings
nur inneralpin Auslöse, ähnlich, wie ICON-EU, GFS und IFS auch.
Somit steht erneut ein warntechnisch ruhiger und - abgesehen von höheren
Wolkenfeldern vor allem im Westen sowie Richtung Alpen - sonniger Tag ins Haus.
Warntechnisch ruhig ist nicht ganz korrekt, für weite Teile des Landes (Ausnahme
eigentlich nur die Hochlagen und Küstenabschnitte mit auflandigem Wind) gelten
natürlich weiterhin Warnungen vor starker, im Westen auch vor extremer
Wärmebelastung. Die Hitzewelle erreicht erst einmal ihren Höhepunkt. Die
Luftmasse wird quasi direkt aus dem andalusischen Raum zu uns transportiert. In
850 hPa werden nach Lesart des ICON-EU Werte zwischen 23 Grad (eventuell sogar
eine "gequälte" 24 Grad) ganz im Westen/Südwesten und 16 Grad im Oderbruch
erreicht. Nach wie vor simuliert GFS etwa 1 K niedrigere und GEM 1 K höhere
Werte, IFS von 00 UTC hat zumindest in Südbaden die 24 Grad ebenfalls auf der
Karte. Zudem liegt die 850 hPa-Isohypse bei relativ hohen 156 gpdm. Das alles
könnte im Westen hier und da für neue Rekorde reichen; ob der Deutschlandrekord
(40,3 Grad) geknackt wird, ist natürlich fraglich. Einige Faktoren, die die
Temperaturentwicklung beeinflussen, lassen sich aktuell noch nicht im Detail
abschätzen. Sei es die genaue Temperatur in 850 hPa oder der Saharastaubeintrag.
Letzterer ist zwar da, fällt aber wohl nicht allzu hoch aus. Die Höchstwerte
dürften sich somit noch um etwa 1 Grad über den Werten des Vortages bewegen (30
bis 39 Grad, im Lee von Hunsrück und Eifel vielleicht um die 40 Grad), MOSMIX
hat nach wie vor punktuell sogar die 41 Grad auf der Karte.

In der Nacht zum Freitag kommt der nordwestliche Dipol des osteuropäischen
Höhentiefkomplexes weiter nach Südsüdwest voran, wodurch der Höhenrücken über
Mitteleuropa eine kleine "Schwachstelle" bekommt und sich über dem mittleren
Skandinavien eine eigenständige Höhenantizyklone abspaltet. Insgesamt bleibt das
Umfeld über Mitteleuropa aber antizyklonal geprägt.
Im Bodenfeld verlagert sich der Schwerpunkt hohen Luftdrucks allmählich nach
Nordeuropa, die Tiefdruckrinne über Westfrankreich bzw. dem Osten der Britischen
Inseln kommt etwas nach Osten voran und von Weißrussland aus weitet sich eine
flache Rinne bis nach Polen aus. Somit kann von Nordosten her nicht mehr ganz so
heiße Luft in den äußersten Osten/Nordosten Deutschlands vordringen, die
Temperatur in 850 hPa geht dort um wenige Grad zurück. Im übrigen
Vorhersagegebiet ändert sich so gut wie gar nichts. Über den Westen und
Südwesten des Landes ziehen ein paar dünne hohe Wolkenfelder hinweg, aus den
Alpen heraus schafft es mit allerdings nur geringer Wahrscheinlichkeit ein
Gewitter vielleicht noch auf deutsches Hoheitsgebiet. Ansonsten bleibt es gering
bewölkt oder klar. Die Tiefstwerte ähneln denen der Vornacht, für einige
Regionen steht somit erneut eine "Tropennacht" ins Haus.

Freitag ... setzt sich der Geopotenzialverlust über dem Vorhersagegebiet von
Osten her weiter fort, aber auch der Höhentrog über dem nahen Ostatlantik nähert
sich - wenn auch sehr zögerlich - zumindest erst einmal den Britischen Inseln
an, wobei er bis zur Iberischen Halbinsel austrogt. Das Höhenhoch über dem
mittleren Skandinavien kann sich dagegen weiter verstärken.
Im Bodenfeld kommt die Tiefdruckrinne über Westfrankreich allmählich ostwärts
voran und erreicht abends den Ostausgang des Ärmelkanals, Belgien bzw.
Nordostfrankreich. Am Südrand des Hochdruckgebietes über Nordeuropa dreht die
Grundströmung vor allem im Nordosten Deutschlands mehr auf östliche Richtungen,
so dass dorthin recht trockene und nicht mehr ganz so heiße Festlandsluft
advehiert wird. In den Westen und Süden des Landes gelangt dagegen nach wie vor
eine potenziell instabile Luftmasse, wobei auch diese etwas nach Südwesten
abgedrängt wird und nicht mehr die Instabilitätswerte des Vortages erreicht. Vor
allem im Nordwesten kann sich von Osten her etwas trockenere Luft durchsetzen,
während Richtung Alpen und Südschwarzwald erneut gebietsweise mehr als 1000 J/kg
ML-Cape simuliert werden. Nach wie vor fallen die Signale für hochreichende
Konvektion in den Modellen nur äußerst spärlich aus, sowohl im Bereich der
Rinne, als auch an/in den Alpen bzw. im Schwarzwald. Erst zum Abend hin hat
zumindest GFS nicht nur an den Alpen, sondern auch im westlichen Rheinland-Pfalz
sowie im Saarland Niederschlagssignale auf der Agenda. Dennoch kann ein Gewitter
am späten Nachmittag bzw. Abend mit Hilfe der Orographie nicht ausgeschlossen
werden, wobei schnell Unwetterpotenzial (in erster Linie aufgrund von
Starkregen, aber auch Hagel) erreicht ist.
Die Temperatur in 850 hPa geht von Osten her etwas zurück, am Abend bewegt sie
sich zwischen 13 Grad an Oder und Neiße und 22, vielleicht knapp 23 Grad ganz im
Westen. Vor allem im Nordosten wird die Hitze mit auffrischendem Ostwind etwas
gelindert. Die Höchstwerte bewegen sich zwischen 29 Grad im Nordosten und 38,
vielleicht 39 Grad an Rhein und Mosel, abhängig auch von der Bewölkung, die
sowohl im Südwesten und Süden als auch im Nordosten gegenüber den Vortagen etwas
zunimmt. An auflandigen Küstenabschnitten insbesondere der Ostseeküste werden
dagegen kaum 25 Grad erreicht.



Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle simulieren im Kurzfristzeitraum eins ehr ähnliches
Szenario. Spannend bleibt die genaue Temperaturentwicklung am Donnerstag. Der
Deutschlandrekord dürfte nach aktueller Modelllage wohl knapp verfehlt werden.
Aber bis dahin gehen ja noch einige Läufe ins Land.
Die Gewittersignale fallen zumindest bis Freitag noch sehr spärlich aus.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff