Thema des Tages

23-07-2019 08:20

Turm der Winde

Schon im alten Griechenland spielte die Wetterbeobachtung eine
wichtige Rolle. Ein Beispiel dafür ist der Athener Turm der Winde.
Mit diesem und den griechischen Windgöttern beschäftigt sich heute
das Thema des Tages.

Aktuell richten sich im Zuge der gerade beginnenden Hitzewelle alle
Augen auf die zu erwartenden Höchsttemperaturen. Dies ist meist
verbunden mit der Frage, ob die Vorhersagen denn stimmen und ob es
einen neuen Temperaturrekord in Deutschland geben wird. Im Vergleich
zu den Höchsttemperaturen ist der Wind aktuell von geringerem
Interesse. Dies deswegen, weil aktuell ein Hochdruckgebiet unser
Wetter bestimmt und die Luftdruckgegensätze, die ja für die Stärke
des Windes verantwortlich sind, nur sehr schwach ausgeprägt sind.

Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass auch die
Windrichtung stimmen muss, wenn man rekordverdächtige Temperaturen
erreichen will. Und es ist wenig verwunderlich, dass auf der
Nordhalbkugel in der Regel Winde um Süd für hohe Temperaturen
verantwortlich sind. Insofern gehen die Temperatur- und
Windentwicklung oftmals Hand in Hand. Und in Zeiten, in denen eine
genaue Temperaturmessung noch nicht möglich war, kam der Beobachtung
des Windes eine umso höhere Bedeutung zu.

Entsprechend gab es schon im Altertum Windobservatorien, eines davon,
das vielleicht bekannteste, ist der sogenannte "Turm der Winde" im
alten Athen (Abbildung unter
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/7/23.html ). Bei
diesem handelt es sich um eine achteckige Konstruktion aus Marmor.
Die relativ einfache Bestimmung der Windrichtung kam in diesem Turm
einer drehbar gelagerten Figur des Meeresgottes Triton zu. Diese war
auf dem Dach des Turmes installiert und der Stab der Figur zeigte
immer in die vorherrschende Windrichtung.

Darüber hinaus wurde jeder Seite einer der acht Windgötter (Anemoi)
zugeordnet. Diese wurden auf der betreffenden Seite in einem Relief
unterhalb des Daches dargestellt. So ist in der beigefügten Abbildung
oberhalb der Tür der für den Nordosten verantwortliche Windgott
Kaikias zu sehen. Er wird als älterer bärtiger Mann dargestellt, der
ein Schild bzw. ein Gefäß trägt, aus dem er Körner ausschüttet, die
möglicherweise als Hagelkörner interpretiert werden können. Er ist
Mitglied einer Riege von insgesamt drei betagten Männern, die für die
nördlichen Windrichtungen zuständig sind. Mit von der Partie in
dieser kleinen Gruppe sind noch der für den Norden verantwortliche
Boreas, der seinen kalten Wind in eine Muschel bläst, sowie Skiron
(Nordwesten). Auch betagt, aber bezüglich der Windrichtung eher ein
Einzelgänger ist der Südost-Windgott Euros, der sich meist in einen
Mantel hüllt.

Die anderen Windgötter werden dagegen von jugendlichen Knaben
verkörpert. Hier im Thema des Tages schon einmal aufgetaucht ist
dabei Zephyr
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/5/15.html, Link
unten), der einerseits oft Blumen trägt oder bringt, dessen
aufgeplusterte Backen aber andererseits den Westwind symbolisieren.
Zephyrs Nachbar im Südwesten heißt Lips, und nach Süden schließt sich
Notos an, ein Jüngling, der ein Gefäß entleert. Letzter im Bunde und
"Fachmann" für den Osten ist Apheliotes, der nach Aristoteles
speziell für einen genau aus Osten wehenden, feuchten Wind steht.

Überträgt man dies auf unsere aktuelle Situation und die
bevorstehende Hitzewelle, so sind dafür die "ungestümen" Jünglinge
Notos und Lips verantwortlich, schließlich kommt die Warmluft aus
südlicher bis südwestlicher Richtung zu uns. Es zeigt sich aber auch,
dass eine ausschließliche Betrachtung der bodennahen Winde für die
Beschreibung der Wettersituation nicht ausreicht. Denn es stellt sich
in den kommenden Tagen bodennah zeit- und gebietsweise auch eine
östliche oder südöstliche Strömung ein, welche die prognostizierten
Extremwerte nicht erwarten lassen würde.

Und wie heiß wird es? Aktuell deuten die Modelle an, dass der
Donnerstag etwas wärmer werden sollte als der Freitag und damit wohl
den Höhepunkt der Hitzewelle darstellt. Dabei kommt der bisherige
Temperaturrekord in Deutschland (40,3 Grad) zumindest in Reichweite,
aktuell deuten unsere Modelle sogar etwas höhere Temperaturen und
damit einen neuen Hitzerekord an.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.07.2019

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