Thema des Tages

17-07-2019 07:20

Auch Aktien sind wetterfühlig - Teil 1

Sind Aktien etwa wetterfühlig? Kann das Wetter tatsächlich die Kurse
an der Börse beeinflussen? Tatsächlich fanden Forscher heraus, dass
sich sonniges Wetter nicht nur positiv auf die Laune des Menschen,
sondern auch auf die Börsenwelt auswirkt.

Auf den großen Börsenparketten in den Finanzzentren der Welt geht es
zurzeit drunter und drüber. Teilweise herrscht große Verunsicherung,
unter anderem aufgrund der gesamtwirtschaftlichen "Abkühlung" sowie
politischer Konflikte, andererseits zieht die vorherrschende
Niedrigzinspolitik Groß- als auch Kleininvestoren magisch an und die
Preise für Aktien steigen. Aber nicht nur Wirtschaft und Politik
beeinflussen die Aktienkurse, auch das Wetter spielt dabei eine
Rolle.

In der Tat haben sich Forscher bereits mit der Frage beschäftigt, ob
bei "schönem" Wetter Aktienkurse steigen und diese umgekehrt bei
"schlechtem" Wetter fallen. Und das Ergebnis: Tatsächlich sollten
nicht nur die Fans von Outdoor-Sport und Freiluftaktivitäten das
Wetter im Blick behalten. Auch für Anleger kann es durchaus von
Interesse sein, ob die Wettervorhersage tendenziell eher sonnig oder
wolkenreich und regnerisch ausfällt. Denn Aktienhändler sind nun mal
keine gefühllosen Wesen. Und da das Wetter einen signifikanten
Einfluss auf die Stimmung der Menschen besitzt, schlägt sich die
Laune auch in ihrer Risikoneigung und den Aktiennotierungen nieder.

Bereits die Investment-Legende André Kostolany wusste um die
Massenpsychologie der Börse, denn diese wird hauptsächlich von den
Massen bestimmt. So verwundert es kaum, dass in etlichen Studien
nachgewiesen werden konnte, dass Faktoren, die die Stimmung aufhellen
oder trüben, wie Feiertage, Fußballergebnisse oder Wetterparameter
wie Temperatur, Niederschlag und Sonnenschein auch Auswirkungen auf
die Einschätzung der Märkte und somit auf die Kurse haben können.

Amerikanische Forscher schauten sich im Rahmen einer Studie die
größte Wertpapierbörse der Welt, die New York Stock Exchange (NYSE)
an und glichen die Wertentwicklung des Dow-Jones-Indexes mit der
Bewölkung in New York City ab. Dabei fanden sie heraus, dass zwischen
den beiden Größen ein signifikanter Zusammenhang besteht: Je
bewölkter der Himmel über der Stadt, desto enttäuschender fiel der
Wertzuwachs aus.

So schön diese Theorie auch sein mag, nicht alle Anleger sitzen bei
schlechtem Wetter in New York, sondern könnten genauso gut in der
Sonne Floridas am Strand liegen und von dort aus "traden" (engl.: mit
Aktien handeln). Deshalb konzentrieren sich einige Studien besonders
auf die sogenannten "Market Maker" (dt.: "Marktpfleger" oder
"Marktmacher"). Das sind Makler, die besonders beim Telefonhandel und
bei wenig gehandelten Wertpapieren kontinuierlich die entsprechenden
An- und Verkaufskurse (also die Brief- und Geldkurse) festlegen, um
so deren Handelbarkeit sicherzustellen. So bieten sie beispielsweise
einem Kunden an, eine gewisse Anzahl an Aktien für 100 Euro zu kaufen
(Geldkurs) und ihm diese dann für 100,30 Euro weiter zu verkaufen
(Briefkurs), teilweise stammt eine gewisse Anzahl an Wertpapieren
auch aus ihrem eigenen Besitz. So sorgen sie bei volatilen Märkten
für Stabilität und gestalten die weitere Entwicklung des Marktes mit.
Aufgrund des Risikos, dass die Market Maker dabei tragen, steht ihnen
die Differenz zwischen An- und Verkaufskurs dann als eigener Gewinn
zu. Das Ergebnis der Studie bleibt jedoch gleich: Je mieser das
Wetter in New York, desto weniger risikofreudig sind die Market
Maker. Sie fassen dann die Spanne zwischen Geld- und Briefkurs (auch
"Spread" genannt) breiter, was wiederum Verluste für Anleger
wahrscheinlicher werden lässt.

Auch am deutschen Kapitalmarkt lässt sich dieses Phänomen beobachten.
Der Darmstädter TU-Professor Dirk Schiereck stellte mit seinem Team
nachweislich fest, dass sich die Bewölkung über Frankfurt auf die
Spanne zwischen An- und Verkaufskursen, die von Börsenmaklern auf dem
Frankfurter "Parkett" festgelegt werden, auswirkt. Ein Einfluss auf
die Kursentwicklung konnte dabei jedoch (anders als in den USA) nicht
festgestellt werden, weil gleichzeitig die Handelsaktivität durch die
übrigen Marktteilnehmer an Tagen mit "schlechtem" Wetter zunahm.
Scheinbar vertreiben sich die Anleger in Deutschland bei Regen gerne
die Zeit mit Börsenspekulationen.

Dass die Märkte bei sonnigem Wetter hingegen deutlich zulegen, war
unter anderem das Ergebnis einer groß angelegten Studie des
Forscherduos David Hirshleifer und Tylor Shumway. Diese verglichen
das Wetter mit dem "Auf und Ab" an 26 verschiedenen internationalen
Märkten und zeigten, dass Aktienkurse bei Sonnenschein besonders
häufig steigen. Sonnenschein wirkt sich folglich nicht nur positiv
auf das Wachstum der Natur aus, sondern tut auch Börsianern und den
Kursen gut. Herrscht hingegen "schlechtes" Wetter, sinkt die Laune
der Anleger und damit auch ihre Aktienrendite.

Es existieren jedoch auch Studien, die keinen Zusammenhang zwischen
den Aktienmärkten und dem Wetter herstellen konnten. So ist es kaum
verwunderlich, dass dieses Thema noch immer in Forscherkreisen heiß
diskutiert wird. Die Suche nach Zusammenhängen geht also weiter, um
am Ende womöglich sogar eine Anlagestrategie zu finden, die die
Wettervorhersage beim Wertpapierkauf berücksichtigt.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.07.2019

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