DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-07-2019 17:30
SXEU31 DWAV 091800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 09.07.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Norden anfangs windig, im Westen morgens eventuell lokale Nebelfelder (und
Bodenfrost in ungünstigen Mittelgebirgslagen?). Ab morgen zunehmend wechselhaft,
gebietsweise Schauer und Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland bezüglich des 500er Geopotentials zwischen einem
Höhenrücken über den Britischen Inseln und einem großräumigen Langwellentrog
über Osteuropa und dem angrenzenden Russland. Damit ist die Höhenströmung über
Deutschland eine nordwestliche bis nördliche, welche nach Westen und Süden zu
moderat bis lebhaft (um 100 kt), im Nordosten dagegen eher schwach ist (um 15
kt). Nennenswerte Hebungsimpulse gehen von der grundsätzlich zyklonalen
Höhenströmung nicht aus bzw. diese laufen ins Leere, was einerseits am
konvergenten Strömungsmuster in der Höhe, andererseits aber auch an der sehr
trockenen mittleren und oberen Troposphäre liegt. Feuchter ist es in weiter
Teilen Deutschlands dagegen im Bereich einer Inversion, die meist zwischen 800
und 700 hPa anzutreffen ist und an der tiefer Stratus (bzw. Stratocumulus)
breitläuft. Für Schauer reicht es bei diesem nur vereinzelt, und wenn, dann
fallen nur einige wenigen mm Regen. Bezüglich der regionalen Verteilung ist zu
sagen, dass die Niederschlagsschwerpunkte in der Mitte und von dort in Richtung
Nordosten liegen, nach Südwesten zu bleibt es trocken, was in der Nacht dann
auch für die übrigen Gebiete gilt, weil dann die ohnehin überschaubare
Schauertätigkeit nachlässt. Einzige nächtliche Wundertüte ist ein flacher Trog
in 850 hPa, der über den äußersten Nordosten hinwegzieht und in Vorpommern
vielleicht für schauerartig verstärkten Regen sorgt. Die Globalmodelle ICON, IFS
und GFS sprechen sich für die Regenvariante aus, EURO4 dagegen. Wie auch immer,
die Sache wird sowieso weitab jeder Warnrelevanz bleiben, dann das
Niederschlagsaffinste Modell simuliert in 6 Stunden gerade mal um 1 mm.
Stichwort Warnrelevanz: Im Nordosten bleibt der Wind zwischen einem Tief über
Nordwestrussland, dass mit dem o.e. Höhentrog korrespondiert, und einem
Bodenkeil, der sich von den Azoren zur Nordsee und in den Nordwesten
Deutschlands erstreckt, zwar lebhaft, aber nicht warnwürdig, zumal der Gradient
dort, wie vorher schon im Nordwesten und über den Mittelgebirgen, in der Nacht
etwas aufzieht und somit der Wind nachlässt. Im Westen und Südwesten sorgt der
Höhenkeil für windschwache und wolkenarme Bedingungen und mithin für gute
Ausstrahlungsbedingungen. Die Tiefstwerte liegen dort in den Frühstunden
zwischen 8 und 5 Grad, in den Hochlagen sogar um 3 Grad, und damit im Bereich
bzw. in den Hochlagen sogar unter dem Taupunktniveau (6 bis 9 Grad), so dass
trotz der nur kurzen Nacht in der Früh hier und da ein flaches Nebelfeld denkbar
ist, und auch Frost in Bodennähe ist in ungünstigen Mittelgebirgslagen nicht
ausgeschlossen.

Mittwoch ... kann sich der britischen Langwellentrog zögerlich nach Osten
vorarbeiten, er bleibt dabei von der Amplitude her weitgehend unverändert,
allerdings verkürzt sich seine Wellenlänge, weil in die Rückseite des Rückens
ein Kurzwellentrog hineinläuft, mit der ein mehrkerniges Tief auf dem nördlichen
Atlantik korrespondiert. Mit der ostwärtigen Verlagerung des Rückens wird auch
der osteuropäische Trog etwas abgedrängt, allerdings beeinflusst ein
kurzwelliger Anteil dieses Troges über den Tag hinweg noch die Osthälfte
Deutschlands, insgesamt wird die Höhenströmung aber antizyklonaler. Im Bereich
des Kurzwellentroges über dem Nordosten sind die Bedingungen für konvektive
Umlagerungen zwar nicht perfekt, aber eben trotzdem gegeben. Bezüglich der
Gewitter- bzw. Starkregenindizes seien hier die aus ICON-EU stammenden PPW-Werte
von etwa 20 mm, die Lapse-Rates von bis zu 0,65 K/100m oder auch die zumindest
dreistelligen CAPE-ML-Werte bis 150 J/kg (most unstable bis etwa 400 J/kg)
genannt. Großartig andere Lösungen haben auch andere Modelle (wie beispielsweise
GFS oder COSMO-D2 nicht zu bieten), auffällig ist aber, dass ICON und seine
Derivate ebenso wie COSMO-D2 und damit die deutsche Modellkette insgesamt von
Niederschlägen im Nordosten kaum etwas wissen wollen, während IFS (00 UTC) und
auch GFS nordöstlich der Elbe sehr verbreitet zumindest schwache Regenfälle
(lokal bis 3 mm nach GFS in 6 Stunden) simulieren, was einerseits ein größeres
niederschlagsaffines Gebiet andeutet, andererseits bezüglich der Menge nicht das
letzte Wort sein muss, zumal die o.e. Gewitterzutaten zumindest vereinzelten
Starkregen nicht ausgeschlossen erscheinen lassen. Die Tatsache, dass Gewitter
möglich sind deutet auch MOS an, dass im Raum Berlin und an der Oder immerhin
Gewitterwahrscheinlichkeiten von bis zu 15% vorhersagt. Immerhin: Bei schwachen
Scherungswerten und schwachen Höhen- und Bodenwinden erscheinen Hagel und
stürmische Böen kein Problem zu werden, für stärkere Böen spricht allenfalls die
inverse V-Struktur der Soundings. Auch im Nordwesten kommt es im Tagesverlauf zu
Regenfällen, die allerdings der WLA geschuldet sind, die den westeuropäischen
Höhenrücken überläuft. Letztendlich steht dies (auch) in Verbindung mit einer
Warmfront, die am Abend und in der Nacht von Benelux auf den Nordwesten
übergreift und die just zu jenem mehrkernigen Tief gehört, dessen 500-hPa-Trog
dem britischen Rücken den Rücken malträtiert (ja ja, auch die meteorologische
Welt ist klein...). Wie dem auch sei, die Regenfälle im Nordwesten beschränken
sich zum Abend auf den Niederrhein und das Emsland, in der Nacht greifen sie
aber bis in die Mitte aus und erreichen zum Morgen Thüringen, Unterfranken und
die Pfalz, während eventuelle Gewitter im Osten zusammenfallen. Die mit der
Warmfront verbundenen Niederschlagsmengen bleiben verhalten, es werden wohl eher
weniger als die 10mm in 6 Stunden zu erwarten sein, die GFS oder EURO4
vereinzelt prognostizieren. Entsprechend bieten auch ICON oder IFS nur maximal 5
mm in 6 Stunden an. Während der Nordhälfte aus unterschiedlichen Gründen also
ein eher wolkenaffiner Tag ins Haus steht (die Aufgleitbewölkung der Warmfront
kann schon am Tage bis in die Mitte ausgreifen), bleibt es südlich des Mains im
Einflussbereich des Bodenkeils oft freundlich und in der Folge trocken. Da auch
die 850er Temperaturen auf 5 bis 10 Grad ansteigen (gegenüber 3 bis 5 Grad am
Vortag), können im Südwesten schon wieder Höchstwerte um 25 Grad erreicht
werden, sonst sind es meist 19 bis 23 Grad. Der Wind spielt keine große Rolle.
Er ist im Süden schwach unterwegs aus unterschiedlichen Richtungen, im Norden
weht er etwas flotter, ohne das Warnschwellen "in Gefahr" geraten.

Donnerstag ... bleibt das Vorhersagegebiet im Einflussbereich des flachen
Höhenrückens, der allerdings immer flacher wird und dessen
Stabilisierungspotential damit immer weiter nachlässt. Dies gilt insbesondere
für die Nacht zu Freitag, in der die Rückenachse Deutschland nach Südosten
verlässt und bis zum Morgen Ungarn erreicht. Dann liegt Deutschland vorderseitig
eines Kurzwellentroges, der über dem Ärmelkanal zu finden ist und d er in der
Höhe zumindest etwas Hebung generiert. Die Warmfront kommt in dieser
Konstellation kaum mehr nach Osten voran, in der Höhe fehlt die frontsenkrechte,
bodennah in einem gradientschwachen Umfeld praktisch jedwede Schubkomponente.
Letztendlich sollte die Warmfront am Abend den Bereich zwischen Weser und Elbe
erreichen. Die nachfolgende Kaltfront bewegt sich von England kommend rasch nach
Südosten, sie erreicht ausgangs der Nacht die niederländische Küste und sorgt
ihrerseits dann wieder für Hebung. Der Warmsektor ist geprägt von mäßig warmer,
aber zunehmend feuchter und instabil geschichteter Meeresluft. Die PPW-Werte
steigen im Westen und in der Mitte, in der Nacht zunehmend auch im Osten auf 25
bis 30 mm, gebietsweise knapp darüber. Etwas Einstrahlung vorausgesetzt, können
mehrere 100 J/kg ML-Cape generiert werden, ICON-EU simuliert am Nachmittag lokal
sogar über 1000 J/kg. Somit können sich in nahezu ungedeckelter Umgebung mit
Erreichen der Auslösetemperatur bzw. durch aus der Höhe induzierte Hebung
Schauer und Gewitter entwickeln. Mit der geringen Zuggeschwindigkeit tritt als
markante Begleiterscheinung vor allem der Starkregen in den Fokus, kleinkörniger
Hagel und stürmische Böen sind nicht ausgeschlossen, wenngleich 850er Winde um
10 kt und eine durchweg feuchte Atmosphäre ohne trockenen Fuß weder ein
heruntermischen kräftiger Böen noch das Entstehen ausgeprägten Fallböen
zulassen. Unwetterpotenzial ist aus aktueller Sicht kaum gegeben. Vor allem im
Nordosten kann präfrontal noch länger die Sonne scheinen und es bleibt dort
weitgehend trocken. Die Advektion niedertroposphärisch wärmerer Luft hält an,
die Temperaturen in 850 hPa steigen auf 8 Grad im Nordosten und 12 bis 13 Grad
in Südbaden. Je nach Sonne reicht das für Höchstwerte zwischen 20 Grad an den
Küsten und 26 Grad im Südwesten, im Markgräflerland und am südlichen Oberrhein
vielleicht auch etwas darüber. An den Küsten und im angrenzenden Binnenland
wirkt sich die abnehmende auflandige Windkomponente positiv auf die Höchstwerte
aus. Wie schon oben erwähnt, kommen wir in der Nacht auf die Vorderseite eines
flachen Troges, unter dessen Vorderseite eine Kaltfront den Westen erfasst. An
ihr und präfrontal im Warmsektor kommt es zu weiterer Hebung in der instabilen
und feuchten Luftmasse. Dadurch werden weitere Schauer und Gewitter, zum Teil
auch schauerartige Regenfälle ausgelöst. Bei den Gewittern ist nach wie vor
Starkregen im Programm.

Freitag ... intensiviert sich der flache Trog über England und der Nordsee, er
kommt etwas nach Osten voran und greift weiter nach Süden aus, so dass seine
Achse am Freitagabend etwa vom Ijsselmeer bis nach Zentralfrankreich verläuft.
Im Laufe der Nacht wird der flache Trog mehr und mehr in das Zirkulationsmuster
des zentralen Höhentiefs über Nordwestrussland/Finnland eingebunden, so dass die
Trogachse zum Morgen des Samstags vom Baltikum über Deutschland nach Frankreich
verläuft. Am Boden ist die Luftdruckverteilung zwar zyklonal, aber relativ
flach, die okkludierende Front zeigt Auflösungstendenzen. Dennoch werden durch
die Hebungsprozesse auf der Trogvorderseite verbreitet Schauer und Gewitter
ausgelöst, wobei insbesondere Starkregen auftreten kann. Das Temperaturniveau
mit 850 hPa Temperaturen von etwa 8 Grad im Norden Deutschlands und bis zu 12
Grad im Süden ist weiterhin moderat.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die kommenden Tage sehr ähnlich. Die, teils im Text
angesprochenen, recht geringen Modellunterschiede haben auf das Warnmanagement
keinen Einfluss.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas