DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

29-06-2019 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 29.06.2019 um 10.30 UTC



Im äußersten Süden mitunter kräftige Gewitter, an den Küsten zeitweise
stürmische Böen. Ab Donnerstag insgesamt unsichere Wetterentwicklung.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 06.07.2019


Am Dienstag, zu Beginn des mittelfristigen Vorhersagezeitraumes, ist die
Höhenströmung auf der Südflanke eines umfassenden Troges über Nordeuropa
hierzulande zyklonal konturiert. Im äußersten Süden Deutschlands befinden sich
noch die Reste instabiler Warmluft. Angetrieben durch den Trog und/oder
Kurzwellentröge bzw. orografisch getriggert, können sich dort im Tagesverlauf
durchaus kräftige Schauer und Gewitter entwickeln. Über den mittleren Gebieten
lässt sich zum Mittagstermin im Theta-850-Feld mit etwas gutem Willen ein
Warmluftschlauch, sprich eine Okklusion erkennen. Durch den Trog aktiviert,
werden dort vom IFS schwache Niederschlagssignale simuliert. Weiter im Norden
macht sich der Trog an sich bei Temperaturen unter -15 °C im 500-hPa-Niveau
durch schwache Schauer bemerkbar.
Zwischen einem Tief südlich des Weißen Meeres und einem Hoch mit Schwerpunkt
westlich von Irland ist der Luftdruckgradient besonders im Norden und Nordosten
stärker ausgeprägt, sodass es dort an den Küsten zu stürmischen, im Binnenland
noch zu steifen Windböen kommt. Ausgehend von eben genanntem Hoch schiebt sich
im Tagesverlauf ein Keil immer weiter zu uns hinein. Dadurch dreht die bodennahe
Strömung auf nordwestliche bis nördliche, im Süden nordöstliche Richtung und
auch die T850 sinkt gegenüber der Vornacht etwas ab (mittags zwischen knapp 1 °C
im Norden und ca. 14 °C am Hochrhein). Entsprechend gestaltet sich auch das
2-Meter-Temperaturniveau mit einem deutlichen Süd-Nord-Gefälle: Mit Höchstwerten
von 17 °C bleibt es in Südschleswig für Anfang Juli doch recht kühl, während es
im Südwesten mit bis zu 29 °C sommerlich warm wird.

Am Mittwoch ändert sich nicht wirklich etwas: Der Keil des Hochs, dessen
Schwerpunkt weiterhin westlich Irlands liegt, befindet quer über Deutschland. Im
Norden sorgt der nordeuropäische Trog (T500 von -20 °C von Flensburg bis Rügen)
für schwache Schauer und im äußersten Süden kann die immer noch dort lagernde
instabile Luftmasse für das ein oder andere kräftige Gewitter sorgen.
Möglicherweise spielt sich dies aber nur unmittelbar an oder sogar in den Alpen
ab. Auch der Wind steht noch auf dem Programm, wenngleich eine Windstärke
niedriger: An den Küsten gibt's Windstärke 7, im angrenzenden Binnenland die 6.
Bei ähnlichen Temperaturen im 850-hPa-Niveau sind auch die bodennahen Maxima in
der Größenordnung wie am Vortag.

Am Donnerstag schwenkt ein kurzwelliger Anteil des nordeuropäischen Troges über
den Nordosten und Norden Deutschlands hinweg. Mittags befindet sich seine Achse
bereits über Polen, sodass die Schauerneigung vor allem auf die erste
Tageshälfte begrenzt sein sollte. Im Gegensatz zu den Läufen der letzten Tage
bleibt der Hochkeil im neuesten Lauf des IFS nun bei uns. Entsprechend käme es
auch nicht zum neuerlichen Warmluftvorstoß aus Süden, wie er in den letzten
Tagen apostrophiert wurde. Im Gegenteil: Die warme Luft im 850-hPa-Niveau wird
sogar noch etwas stärker abgedrängt, sodass die T850 im Südwesten noch 12 °C
erreicht, im Norden und Nordosten sind es um 2 °C. Konvektive Umlagerung im
äußersten Süden beschränken sich wahrscheinlich auf die unmittelbaren Alpen. In
der ersten Tageshälfte kann es an exponierten Küstenabschnitten noch steife Böen
geben, nachfolgend wird der Gradient schwächer.

Am Freitag setzt generell Druckfall ein, die miteinander verbundenen
Frontensysteme von einem Tief bei Saaremaa/Hiiumaa und einem Tief westlich des
Stadlandet bleiben tagsüber noch außen vor, ihre Niederschlagsgebiete erreichen
aber zumindest den äußersten Norden Deutschlands. Dort macht sich auch der
wieder etwas verschärfende Gradient mit steifen, an den Küsten teils stürmischen
Böen bemerkbar. Durch die - auch im 850-hPa-Niveau - auf westliche Richtung
drehende Strömung vermag die T850 generell etwas anzusteigen und liegt zwischen
6 oder 7 °C im Norden und knapp 15 °C im äußersten Süden, sodass es dort
durchaus wieder 30 °C im Maximum geben kann. In der Nacht zum Samstag greift
schließlich die Kaltfront des mittlerweile zum östlichen Skagerrak gezogenen
Tiefs auf den Norden über. Sie bringt dort etwas Regen und verliert auf ihrem
Weg nach Süden immer mehr an Kontur.

Interessanter ist die Entwicklung, die in der Höhe geschieht: So zieht dort
nämlich seit Mittwoch von Grönland aus ein kleinräumiges Höhentief quer über den
Nordatlantik, überquert am Donnerstag Island und liegt Freitagabend im Raum
Stavanger. Von dort aus setzt es seinen Weg über das Skagerrak und das Kattegat
fort, um am Samstag 06 UTC bei Seeland zu liegen. Ab da gelangt der Nordosten
auch so langsam in den Dunstkreis dieses Höhentiefs, das jetzt kein klassischer
Kaltlufttropfen ist (da ein korrespondierendes Bodentief vorhanden ist), aber
dennoch mit sehr kalter Luft angefüllt ist (-27 °C in 500 hPa). Dieses Höhentief
zieht im Tagesverlauf über die westliche Ostsee nach Polen. In seinem
Einflussbereich (für uns hauptsächlich der Nordosten) kommt es zu relativ
erklecklichen konvektiven Niederschlägen, angesichts der Temperaturdifferenz
850-500 von etwa 25 Kelvin kann auch der ein oder andere Blitz mit dabei sein.
Bis zum Main hinunter kann es durch den "umhüllenden" Trog auch zu einzelnen,
aber schwachen Schauern kommen. Nachdem das Höhentief und der Trog nach Polen
abgezogen sind, folgt von Nordwesten her ein flacher Höhenrücken und auch am
Boden setzt sich mit einem neuerlichen Keil des atlantischen Hochs
antizyklonaler Einfluss durch. Bedingt durch die überwiegend nordwestliche
Strömung geht das Temperaturniveau in 850 hPa wieder etwas zurück: auf um 3 °C
im Norden und ca. 14 °C im Bodenseeraum.


H
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des aktuellen IFS-Laufes kann für Dienstag als sehr gut, für
Mittwoch noch als gut, am Donnerstag als mäßig und am Freitag und Samstag wieder
als vergleichsweise gut bezeichnet werden.

Die konvektiven Niederschläge am Dienstag werden für den äußersten Süden
konsistent gerechnet, ebenso die Schauer für den Norden Deutschlands.

Für Mittwoch zeigt der neueste Lauf für den Norden des Landes eine stärker
zyklonal konturierte Höhenströmung und einen weniger stark ausgeprägten
Hochdruckeinfluss am Boden, mit der Folge von nun etwas verbreiteter
auftretenden schwachen Schauern.

Augenfällig ist vor allem, dass der neuerliche Vorstoß warmer bis heißer Luft am
Donnerstag mit dem aktuellen Lauf völlig vom Plan ist und das Temperaturniveau
in 850 hPa 5 bis 10 Kelvin niedriger liegt als noch in den beiden gestrigen
Läufen.

Zwar greift in der Nacht zum Freitag keine Kaltfront mehr über (das geschieht
nun, wie bereits oben erwähnt, erst in der Nacht zum Samstag), jedoch wird der
Norden trotzdem weiterhin von den Niederschlagsgebieten gestreift.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Was das eine Modell heute macht, macht das andere morgen und umgekehrt, ein
bunter Haufen von Permutationen. So könnte man - nach dem dritten Dienst in
Folge - das zusammenfassen, was in der Welt der unterschiedlichen Globalmodelle
derzeit im mittelfristigen Vorhersagehorizont passiert.

In der "Ausgangsposition", sprich zu Beginn der Mittelfrist am Dienstag, zeigen
die Globalmodelle eine sehr ähnliche Ausgangslage. Doch schon am Mittwoch
beginnen die Unterschiede: ICON und IFS sind sich recht ähnlich, auch wenn ICON
einen etwas weiter nach Süden ausgreifenden thermischen Trog (T500 von unter -20
°C in weiten Teilen Norddeutschlands) und dort auch eine höhere T850 simuliert,
was interessanterweise nicht in mehr Schauerneigung mündet. Dafür betreffen die
konvektiven Umlagerungen im Süden größere Gebiete. GFS bietet mit einem flachen
Höhenrücken und einer abgeschlossenen Antizyklone über der südlichen Nordsee und
Nordwestdeutschland eine ganz andere Lösung, wobei das 850-hPa-Temperaturniveau
aber eine Mischung aus ICON und IFS ist.

Am Donnerstag bietet das GFS nun die Lösung vom gestrigen IFS mit einem
Warmluftvorstoß bis weit in die Mitte Deutschlands. Zudem bildet sich statt des
Hochkeils, den IFS und mit Abstrichen ICON im Angebot hat, eine flache
Tiefdruckrinne. Im Süden ähneln sich ICON und IFS vom Temperaturniveau her, im
Norden ist die T850 vom ICON ca. 2 Kelvin wärmer. Zudem nähert sich beim ICON
zum Abend von Nordwesten her weiterhin die Kaltfront (und greift nachts über),
die man gestern auch beim IFS finden konnte.

Am Freitag greift beim ICON die Front aufgrund des deutlich schärfer
ausgeprägten Troges bis in die Mitte Deutschlands durch und sorgt auch
niedertroposphärisch für einen Temperaturrückgang. GFS lässt hingegen die labile
Luftmasse über dem Süden im Zusammenhang mit der Annäherung eines
Kurzwellentroges mit Drehzentrum über dem Skagerrak und Vendsyssel zur Auslöse
kommen.

Das Höhentief am Samstag hat GFS zumindest im Ansatz drin, wenn auch nicht so
intensiv und zeitlich etwas nach hinten verschoben. Auch die Bodenströmung ist
bei GFS mit IFS vergleichbar, während ICON einen bis nach Osteuropa weisenden,
wenngleich schwachen und nicht ganz astreinen, Keil zeigt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen für eine repräsentative Auswahl deutscher Städte zeigt sowohl
bei der 850-hPa-Temperatur als auch beim Geopotenzial bis Mittwoch bzw. bis
Donnerstag einen vergleichsweise gebündelten Verlauf. Nachfolgend laufen die
Kurvenscharen stärker auseinander, was für die ab dann größeren
Vorhersageunsicherheiten spricht. Im Gegensatz zu den letzten Läufen bewegen
sich Haupt- und Kontrolllauf nun nicht mehr im oberen Teil der T850-Kurvenschar,
sondern eher mittig oder sogar leicht darunter. Niederschlagssignale seitens
einige Member gibt es für Hamburg (Trog) und München (Nähe zur labilen Luft)
durchweg, für die Mitte sind diese vor allem ab Freitag vorhanden.

Beim Clustering gibt es für den Zeitraum Dienstag bis Mittwoch (T+72...96h) wie
gestern auch fünf Cluster, die mit 17, 14, zehn, fünf und nochmals fünf Membern
besetzt sind. Der Kontrolllauf lässt sich dem ersten, der deterministische Lauf
dem zweiten Cluster zuordnen. Der Hauptunterschied besteht für Mitteleuropa
darin, dass der vierte und fünfte Cluster für den Mittwoch einen deutlichen
antizyklonalen Einfluss - ähnlich wie das deterministische GFS - zeigen.
Für den nachfolgenden Zeitraum von Donnerstag bis Samstag (T+120...168h) gibt es
vier, mit 18, 15, 12 bzw. sechs Membern bestückte Cluster. Erneut ist der
Kontrolllauf dem ersten, der Hauptlauf dem zweiten Cluster zugehörig. Für den
Donnerstag ähneln sich die ersten beiden Cluster (Trograndlage), Cluster drei
und vier zeigen eine relativ glatte westliche Strömung mit Andeutungen eines
Rückens, in jedem Fall aber Trogrückseite. Im Bodendruckfeld unterscheiden sich
die verschiedenen Cluster für uns hauptsächlich in Lage und Stärke des Keils
(Cluster vier zeigt die schwächste Variante). Für den Freitag hat der vierte
Cluster noch einen Rücken, der bis nach Südnorwegen reicht, zu bieten, während
wir bei den anderen Clustern immer am Rande des nordeuropäischen Troges liegen.
Am Samstag ähneln sich Cluster eins und drei mit dem weit nach Süden
ausgreifenden Trog (und einem Tiefkomplex über Fennoskandien), Cluster vier
zeigt einen Trog über den Britischen Inseln (samt Tief über der Nordsee) und
Cluster zwei für uns einen Übergang von zyklonaler zu schwach antizyklonaler
Höhenströmung.

Quintessenz: Es bleibt abzuwarten, was insbesondere in der zweiten Wochenhälfte
passiert.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Dienstag sind im äußersten Süden in der dort noch lagernden labilen Luftmasse
teils kräftige Gewitter mit Starkregen und Hagel möglich, Unwetter nicht
ausgeschlossen. An den Küsten kommt es wahrscheinlich zeitweise zu stürmischen
Böen aus Nordwest.

Am Mittwoch sind an und in den Alpen starke Gewitter möglich, ICON zeigt diese
insgesamt südlich der Donau.

Am Donnerstag treten wahrscheinlich keine signifikanten Wettereignisse auf.

Am Freitag gibt es an den Küsten wahrscheinlich stürmische Böen aus West bis
Nordwest.

Am Samstag kann es in der gesamten Nordosthälfte stürmische Böen geben. Im
äußersten Nordosten sind vereinzelt kurze Gewitter mit Sturmböen möglich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMix
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VBZ Offenbach / M.Sc. Met. Stefan Bach