Thema des Tages

27-06-2019 11:20

Siebenschläfer - sieben Wochen Wettergarantie?


Jedes Jahr beschäftigt uns die Frage: Wie beständig sind Wetterlagen,
die sich um den heutigen Siebenschläfer-Tag herum einstellen? Fällt
der Sommer ins Wasser oder kommen wir aus dem Schwitzen nicht mehr
heraus? Dass mittel- und langfristige Wetterlagen von sehr vielen
Faktoren gleichzeitig abhängen, wird im Folgenden erläutert.


Zunächst einmal beginnen wir mit der Definition des Begriffs
Siebenschläfer aus dem Wetterlexikon des DWD:
https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/lexikon_node.html (Stichwort
Siebenschläfer). Unter dem Link sind zunächst die wesentlichen
Faktoren, die zu diesem so genannten meteorologischen Lostag führen,
erklärt. Das ist auf der einen Seite die Verschiebung zwischen
Gregorianischem und Julianischem Kalender, die den Zeitraum von rund
10 Tagen in den rechten Zusammenhang rückt (27.Juni bis 08.Juli). Des
Weiteren wird die Lage des Jet-Streams (Starkwindband in der oberen
Atmosphäre) über dem Ostatlantik und Europa sowie die damit
einhergehenden möglichen Wetterlagen über Europa dargestellt. Die
Eintrittswahrscheinlichkeit nach diesem Lostag bzw. des Zeitraums
liegt im Übrigen bei immerhin rund 60 Prozent.

Aber warum stellen sich genau zu diesem Zeitpunkt nicht selten
persistente Wetterlagen über mehrere Wochen ein? Ja, im
Sommerhalbjahr sind oft die Temperatur- und Druckunterschiede
zwischen den Azoren (Azorenhoch) und Island (Islandtief) schwächer
ausgeprägt als im Winterhalbjahr. Wenn der Druckunterschied hoch
ausfällt, ist in der Regel auch der Temperaturunterschied
entsprechend hoch. Damit kann sich der Jet-Stream überhaupt erst
ausbilden. Das ist meist dann der Fall, wenn der Wärme- und
Impulsfluss von Süd nach Nord erfolgt. Mit der Höhe nimmt der Wind
aufgrund sich verschärfender Temperaturunterschiede von Süd nach Nord
entsprechend zu. Dann kann sich durch die Erddrehung die bei uns
vorherrschende westliche Strömung einstellen, die bei uns in der
Regel für wechselhafte Verhältnisse sorgt.

Diese Verhältnisse spiegeln sich im sogenannten Index der
Nordatlantischen Oszillation (NAO, siehe DWD-Lexikon, Stichwort NAO)
wider. Dieser wird bestimmt durch den Druckunterschied zwischen den
Azoren einerseits und Island andererseits. Bei positivem NAO herrscht
in unseren Breiten überwiegend westliche Strömung mit wechselhaftem
Wetter vor, da die Tiefdruckgebiete dann weiter nach Süden
vordringen. Im umgekehrten Fall (also bei einem negativem NAO-Index)
schafft es das Azorenhoch mit seinen Ausläufern, häufiger nach
Mitteleuropa vorzudringen.

Nun ja, der NAO Index ist derzeit nahezu neutral (fast 0), was uns
sagt, dass die Temperatur- und Druckunterschiede zwischen Süd und
Nord nahezu fehlen, die Wärme- und Impulsflüsse also eher
ungleichmäßig verteilt sind.
Dazu kommen noch weiterhin bestehende positive Temperaturanomalien
bei den Meeresoberflächentemperaturen im nördlichen und östlichen
Atlantik (siehe folgenden Link,
Meeresoberflächentemperaturen-Anomalien von Mai 2019: https://iridl.ldeo.columbia.edu/maproom/Global/Ocean_Temp/Anomaly.htm
l), die für zusätzliche blockierende Wetterlagen innerhalb der
Strömung sorgen und so die West-Ost-Verlagerung von Druckgebilden
zumindest verlangsamen (siehe Thema des Tages vom 13.06.2019). Auch
die Prognosen für die Entwicklung des NAO-Index in den nächsten
Wochen gehen eher von Werten leicht unter oder leicht über null aus,
d.h. von ähnlichen Strömungsverhältnissen.

Eine weitere Methode für die erweiterte Mittelfrist sind Analysen der
Wärme- und Impulsflüsse sowie der Verteilung tiefen Luftdrucks bis
hinauf in die hohe Atmosphäre. Dort sieht man nun für die nächsten
zwei Wochen schon eine Aktivierung der Tiefdruckaktivität zwischen 50
und 70 Grad nördlicher Breite (natürlich zonal gemittelt, d.h. über
alle Längengrade für diesen Breitengrad gemittelt).

Eine wenngleich auch schwache Korrelation kann man ebenso sehen für
die derzeit positive Phase der südlichen Zirkulation (EL Nino,
Warmphase). Theoretisch ist nachgewiesen, dass bei positiver Phase
dieser Zirkulation der Polarwirbel über der Arktis gestärkt wird,
weil ein zusätzlicher positiver Temperaturunterschied (Süd-Nord) über
den äquatorialen Anteil des Atlantiks in die NAO-Zirkulation gebracht
wird. Leider sind aufgrund der oben angeführten anderen Faktoren
derzeit auch gegenteilige Prozesse wirksam.

So, was können all diese Faktoren für unser Wetter der nächsten
Wochen bedeuten?

Insgesamt ist vor allem für die Nordhälfte in den nächsten Wochen
zumindest zeitweise Tiefdruck-Einfluss zu erwarten, was verbunden ist
mit gelegentlichen Niederschlägen und auch mal kühlerem Wetter.
Insgesamt dürfte aber die Niederschlagsausbeute selbst im Norden nur
ausgeglichen bzw. nach Osten hin auch leicht zu trocken ausfallen.
Auch das Temperaturniveau wird eher über den Normalwerten liegen. Für
die Südhälfte erwarten wir häufige Hochdruckwetterlagen mit teils
heißem bis sehr heißem Wetter. Niederschläge dürften dort eher
Schauer- und Gewittercharakter haben und somit nicht jeden treffen.
Die Niederschlagsbilanz wird also auch dort in der Fläche eher
negativ ausfallen.

Allerdings ist der diesjährige Siebenschläfer kein klassischer
Lostag, da in den oben genannten Prognosen einerseits naturgemäß
recht viel Unsicherheit steckt und andererseits auch die eine
stationäre Lage über Wochen hinweg derzeit zwar nicht erkennbar, aber
durchaus möglich erscheint. Anhaltspunkte dafür sind weiter oben
gegeben.


Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.06.2019

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